Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als ersten Redner rufe ich Abgeordneten Dr. Hartung, Fraktion der SPD, auf.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich Herrn Jankowski reden höre, könnte ich versucht sein, zu glauben, er hat in seiner Jugend zu oft in ein Tablet geschaut, aber es kann ja nicht sein, da gab es die noch nicht.
Die zunehmende Digitalisierung der Welt ist eine unumstößliche Tatsache. Sie bestimmt unsere Produktion, unseren Konsum, die Art und Weise, wie wir Medien erzeugen und konsumieren, wie wir Wissen erlangen und weitergeben, wie wir leben und kommunizieren. Wir alle machen das – wenn ich hier durch schaue, sehe ich relativ viele in ihre Handys, Laptops, Tablets usw. schauen – und natürlich machen das Jugendliche mit immer weiter absinkendem Alter auch schon. Zu glauben, das wäre nicht so, spiegelt eine Realität wider, die nicht die ist, die wir eigentlich vorfinden, wenn wir mal aus diesem Saal rausgehen. Man kann nun diese Form und dieses Ausmaß der Digitalisierung begrüßen, man kann ihm mit Skepsis begegnen, das steht ja jedem frei. Was man allerdings nicht kann, ist, es einfach zu leugnen, einfach so zu tun, als gäbe es das nicht und würde nicht alles, was wir im Prinzip im Erwachsenenalter tun, irgendwie mit Digitalisierung zu tun haben. Je früher wir erkennen, dass eben auch Jugendliche und Schüler in diese Welt eingeführt werden müssen, umso besser ist es für sie. Wenn wir es erkennen, bedeutet es ja auch, dass wir gezielt eine Schulung vornehmen können.
Dass wir als Koalitionsfraktionen die Tatsache ernst nehmen, dass wir digitale Bildung frühzeitig vermitteln müssen, dass wir sie den Schülern nahebringen müssen, und zwar gezielt und kontrolliert nahebringen müssen, dieser Tatsache stellen wir uns mit einem Antrag, der im Ausschuss beraten worden ist mit den anderen demokratischen Fraktionen. Wir sind der Überzeugung, dass wir hier vorwärtsgewandt schauen müssen. Gerade die Krise, in der wir gerade sind, diese Pandemie zeigt uns, wo wir nacharbeiten müssen, wo wir schon einiges erreicht haben und wo wir noch am Anfang stehen. Und genau, weil wir diese Krise ohne digitales Lernen überhaupt nicht meistern könnten, denn dann wären in realitas über Monate tatsächlich alle Schüler komplett abgeschnitten vom Unterricht gewesen, und weil wir diese Krise ohne Digitalisierung nicht meistern können, ist es wichtig, dass wir sie ernst nehmen, dass wir sie gestalten. Ich bin froh darüber, dass wir im Ausschuss so breit aufgestellt darüber geredet haben, nicht nur Rot-Rot-Grün, sondern auch die demokratischen Oppositionsfraktionen.
Natürlich hat da eine Sichtweise, wie die der AfD, überhaupt keinen Platz, die uns hier mit sinnfreien Initiativen eindeckt und zum Beispiel digitale Bildung so in einem Atemzug nennt mit erleichtertem Zugang zu Pornografie und Gewaltaufnahmen oder gar Onlinesucht und Ähnlichem. Das ist ein Bild, das hat mit dem, was wir unter digitalem Lernen verstehen, so gar nichts zu tun.
Diese offensichtlich der AfD zu komplexe Herangehensweise, die wir an den Tag gelegt haben, ist meines Erachtens verantwortlich, der Sache angemessen, der Entwicklung auch ebenso angemessen. Ich glaube, wenn wir – ich rede auch für die, die die Digitalanträge mitgetragen haben bzw. auch eigene eingereicht haben – das ernst nehmen, müssen wir erkennen, dass wir die Digitalisierung wesentlich intensiver begleiten müssen. Wir brauchen eine in allen Phasen der Lehrerbildung angesetzte Strategie, wir brauchen tatsächlich digitale Endgeräte, denn sonst sind die Schüler abgeschnitten, wenn es um Distanzlernen geht, sie sind abgeschnitten, wenn es darum geht, andere digitale Lerninhalte zu nutzen. Wir müssen im Prinzip auch Sorge dafür tragen, dass die Schulen die technische Ausstattung besitzen, dass die Schüler nicht nur zu Hause ihre Endgeräte nutzen können, sondern gegebenenfalls auch in der Schule. Dazu gehört, wie gesagt, ein Lehrer, der das alles begleiten kann. Ich glaube, diesem Anspruch werden wir gerecht mit unserem gemeinsamen Antrag, der dann aus dem Ausschuss zurückkommen wird. Dieser Antrag ist der Zukunft zugewandt und lässt den Verschwörungstheorien der AfD keinerlei Raum. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Schüler und Eltern am Livestream! Wir haben jetzt von meinem Vorredner gehört, wie toll doch die Digitalisierung ist und was man damit alles Schönes machen kann. Oder auch wie wichtig es ist, die Digitalisierung im Bildungssystem voranzutreiben. Da wird aber immer vergessen, Digitalisierung ist kein Selbstzweck und die Geräte ersetzen vor allem keine pädagogischen Konzepte. Die teure Technik kann den Bildungsprozess im besten Fall unterstützen. Nur leider tritt der beste Fall nur sehr selten ein. Es wird aber allein auf die Technik geschaut und so getan, als ob alle Probleme im Bildungssystem sich schon irgendwie lösen würden, wenn nur alle Schüler mit technischen Geräten versorgt werden würden. Da wird völlig ignoriert, dass Schule im Wesentlichen eine soziale Aufgabe hat. Und was passiert, wenn der Sozialraum Schule wegfällt, haben wir nun im letzten Jahr durch die
Seit fast einem Jahr warnen Kinder- und Jugendärzte schon vor den schwerwiegenden Folgen der unverhältnismäßigen Lockdown-Politik für die Kinder und einer dramatischen Zunahme an körperlichen und psychischen Belastungen. Und da helfen auch keine technischen Geräte, nein, sie verschlimmern die Probleme sogar.
Von den Befürwortern der Digitalisierung wird immer wieder als Argument angeführt, dass die Digitalisierung im Bildungsbereich notwendig sei, um die Schüler auf die spätere Welt vorzubereiten. Und ja, Herr Hartung, in unserer aller Welt nimmt der Anteil von digitalen Medien immer weiter zu und die Schüler müssen darauf vorbereitet werden. Und ich leugne ganz entschieden nicht, dass die Digitalisierung immer weiter voranschreitet. Was wir den Schülern aber beibringen müssen, ist ein reflektierter und kritischer Umgang mit den neuen Medien. Sie brauchen die intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten, um die Medien sinnvoll bewerten und nutzen zu können. Und es ist Aufgabe des Bildungssystems, diese Medienkompetenz zu vermitteln. Dafür muss aber nicht auf Teufel komm raus unser Bildungssystem digitalisiert werden und erst recht nicht an unseren Grundschulen.
Anfang der Woche wurde von der OECD eine Zusatzauswertung zur Pisa-Studie 2018 veröffentlicht. Der Titel – Herr Hartung, vielleicht können Sie sich das mal durchlesen – der Studie lautet: „Lese- und Schreibkompetenzen in einer digitalen Welt“. Die Ergebnisse dieser Auswertung sind sehr deutlich, vor allem was die Entwicklung der Lesekompetenz angeht. Die Auswertung kommt zu dem klaren Ergebnis, dass sich durch eine Erhöhung der wöchentlichen Nutzungsdauer digitaler Medien für schulische Zwecke die Lesekompetenz verringert hat und die Nutzung von gedruckten Büchern in der Schule stärker positiv mit Leseleistung korreliert als die Nutzung digitaler Bücher. In der Zusatzauswertung heißt es sogar sehr deutlich: Die Nutzung digitaler Medien an sich wirkt nicht lernfördernd. Herr Hartung, das ist keine Verschwörungstheorie, sondern das stammt von der OECD, schauen Sie sich die Studie vielleicht einmal an.
Was wir brauchen, ist die Vermittlung von Medienkompetenz. Medienkompetenz lässt sich nicht schon bei den Jüngsten anerziehen, weil die Programme und Algorithmen oftmals so gestaltet sind, dass sie negatives Verhalten auch noch fördern.
Die überwiegende Mehrzahl der Schüler nutzt sowieso schon Smartphones und Tablets im Privaten – da bin ich mit Herrn Hartung sogar mal einer Meinung – teilweise im geringen Ausmaß, aber leider halt immer öfter auch sehr exzessiv. Deswegen muss dieses Verhalten nicht noch in der Grundschule durch die Ausgabe von Geräten verstärkt werden. Im Grundschulalter wäre hingegen vielmehr Medienabstinenz sehr wichtig. Denn gerade bei den jungen Schülern im Grundschulalter sind die Nachteile der Digitalisierung deutlich größer als die vermeintlichen Vorteile.
Deshalb legen wir Wert darauf, dass in der Grundschule vor allem die Kernkompetenzen vermittelt werden sollen. Es soll ein hohes Niveau an sprachlichem, rechnerischem Wissen vermittelt werden. Die Fähigkeit, zu beobachten und das Beobachtete in Worte zu fassen, soll trainiert werden, aber auch der Wert, klar und kritisch zu denken, zu gewichten, zu argumentieren, zuzuhören und sich verständlich mitzuteilen, liegt im Fokus.
Es ist gerade Aufgabe der Grundschule, diese Grundlagen zu vermitteln, welche man für das spätere Leben braucht. Und das geht vor allem noch am besten ohne technischen Schnickschnack. Später, wenn die Kinder größer sind in den höheren Klassen, können digitale Medien sicherlich auch ergänzend eingesetzt werden, aber auch dort nur altersgemäß und achtsam. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang digitale Medien an der Schule eingesetzt werden können, hängt vor allem aber immer vom persönlichen Entwicklungsstand ab. Die Sechs- bis Zehnjährigen in der Grundschule in den ersten Klassen haben noch nicht den Entwicklungsstand, hier haben digitale Medien im Schulalltag nichts zu suchen.
In den Grundschulen soll vor allem persönlichkeitsentwickelnde Pädagogik im Vordergrund stehen. Es wird immer behauptet, dass durch Digitalisierung das Lernen erleichtert wird, da mehr mit Bildern, Videos oder auch Grafiken gearbeitet werden kann, sich alles durch eine solche Veranschaulichung besser einprägt und das Lernen einfacher wird. Aber schon diese Annahme stimmt nicht und beruht auf der völlig veralteten Abbildtheorie des 17. Jahrhunderts.
Um mit den visuellen Eindrücken, mit den Informationen überhaupt etwas anfangen zu können, bedarf es erst einmal eines Vorwissens. Zum anderen – und das ist wesentlich wichtiger – muss gerade bei den jüngeren Schülern die Wahrnehmung durch den Lehrer auf das Wesentliche gelenkt werden, denn die Kleinen lassen sich verdammt leicht durch
Wenn Visualisierung im Unterricht nötig sein sollte, ist die Großprojektion mittels Beamer immer noch deutlich effizienter, als wenn sich jedes Kind mit seinem eigenen Tablet zurechtfinden muss. Dies lenkt ab, stört und verlangsamt den Lernfluss, sodass effizientes Lernen oft völlig ausgebremst wird.
Was vor allem aber nicht vergessen werden darf, ist, dass die Eltern nicht übergangen werden dürfen. Es gibt etliche Gründe, warum viele Eltern ihre Kinder gerade im Grundschulalter nur sehr begrenzt Medien aussetzen und sie nur langsam an diese heranführen wollen. Sie wollen vor allem nicht, dass ihre Kinder irgendwelchen Inhalten mit negativen Auswirkungen ausgesetzt werden mit den damit möglicherweise verbundenen gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden.
All diese technischen Geräte haben immer auch Vorteile. Das möchte ich nicht wegdiskutieren. Was den Gebrauch der digitalen Geräte betrifft, ist es vor allem Sache der Eltern, zu entscheiden, wie oft, wie lange, mit welchen Absichten sich ihre Kinder mit den Geräten beschäftigen sollen und dürfen. Auch das muss die Politik akzeptieren und
darf nicht die Interessen der Eltern konterkarieren, wie zum Beispiel dadurch, dass digitale Geräte an die Grundschulkinder einfach so verteilt werden.
Zum Schluss muss man zum Digitalisierungshype im Bildungswesen sagen, es klingt vielleicht modern und bedient eine politische Interessenlage, vielleicht gewinnt man damit Wählerstimmen, aber Lernen wird mit digitalen Medien kaum besser – ganz im Gegenteil. Die Risiken des Digitaleinsatzes wachsen, je mehr sie eingesetzt werden.
Wir beantragen die Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und werden uns weiter dafür einsetzen, dass digitale Medien vor allem nur altersangemessen an der Schule genutzt werden. Vielen Dank.
Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben über das Thema schon im November gesprochen. Da hatte ich Ihnen empfohlen, noch mal ein bisschen Nachhilfe zu dem Thema zu nehmen.
Herr Jankowski, hören Sie eigentlich zu, wenn wir hier oder auch im Ausschuss diskutieren? Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass keine Debatte zur Veränderung der Unterrichtsformen durch Digitalisierung geführt wird. Lesen Sie auch mal erziehungswissenschaftliche Studien, Diskussionen, wie da debattiert wird? In den Bildungswissenschaften, an allen Universitäten, auch in Thüringen, an den Schulen, in der Öffentlichkeit, hier im Parlament wird seit Jahrzehnten das Thema „Digitalisierung“ diskutiert. Also, wenn Sie hier feststellen, dass es keine Diskussion gibt,
dann ist das in erster Linie Ihr Problem, aber leider irgendwie hier gerade unser Problem. Ich gehe auf ein paar Sachen ein, die Sie versucht haben, uns zu erläutern.
Sie sensibilisieren also die Schülerinnen und Schüler für die digitale Welt ohne digitale Medien. Das ist wie Lesen lernen ohne Buch. Oder wie genau stellen Sie sich das vor?