Das ist doch ein interessanter Punkt, und das ist genau der Punkt, warum ich an dieser Stelle genau bei Ihrer Fraktion die Grenze mache bei der Frage: Was heißt denn, sich ehrlich zu machen, wenn wir über Antisemitismus reden, um darüber zu reden, was man gegen Antisemitismus tut? Für Sie – mit der Haltung, die Sie gerade offenbart haben – ist der Antisemitismus ein willkommenes Instrument, um Ihre Ausgrenzungspolitik menschenrechtlich aufzuladen. Auch darüber habe ich in der Regierungserklärung gesprochen.
Das ist das, was Ihre Haltung infam macht, und das, warum Jüdinnen und Juden sich in Ihrer Nähe nicht sicher fühlen. Und das ist das, worüber wir reden müssen, weil sich ehrlich zu machen, wenn wir über Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Schichten sprechen, festzustellen heißt: Er kommt eben auch in der Gestalt politischer Struktur, dann kommt er in Gestalt religiöser Natur, dann kommt er übrigens auch in uns zum Teil gar nicht bewussten Bildern, Sprachmotiven usw. wieder vor. Übrigens – und das ist ein Thema, das wir mit der Jüdischen Gemeinde, mit Institutionen diskutieren, warum uns
eigentlich manche Sprachbilder in ihrer antisemitischen Konnotierung gar nicht klar sind –, wir machen uns viel zu wenig deutlich, wo uns Jüdinnen und Juden begegnen: in Musik etc., unserer kulturellen Struktur. Deshalb bin ich dankbar, dass der Ministerpräsident, der mir das Amt des Beauftragten übergeben hat, auch großen Wert darauf gelegt hat, dass wir nicht nur den Antisemitismus bekämpfen, sondern vor allem jüdisches Leben fördern.
Und wenn wir im Kreis der Landesbeauftragten miteinander über das diskutieren, was in den einzelnen Ländern passiert, dann reden wir übrigens auch darüber, was uns fehlt: Lehrstühle an den Hochschulen zum aktiven jüdischen Leben, der jüdischen Normalität, Lehrstühle über jüdische Musik etc. Wir haben einen dieser Lehrstühle bei uns an der Musikhochschule. Aber darum geht es. Wir stellen eben auch fest, und das hat in einer Onlinepodiumsdiskussion, die wir in der vergangenen Woche als Staatskanzlei mit der Universität Jena und der Gedenkstätte durchgeführt haben, Frau Dr. Kranz aus Tel Aviv auch festgestellt, die gesagt hat: Es gibt in Deutschland keine einzige Studie, die sich systematisch mit der palästinensischen Community in Deutschland auseinandersetzt, wie sie denkt, wie sie sozial zusammengesetzt ist, wie sie sich zu Antisemitismus verhält. Wir wissen darüber zu wenig. Aus Unwissen kann aber keine entsprechende Schlussfolgerung, keine Handlung, keine Konzeption entstehen. Deshalb ist der Austausch mit der jüdischen Gemeinde, auch der strittige Austausch mit der jüdischen Gemeinde so wichtig. Die Debatte, die wir hier führen – und das wäre mein Wunsch –, müssen wir nicht auf der Ebene führen, dass wir uns gegenseitig den Spiegel vorhalten, wer besonders massiv gegen Antisemitismus vorgeht, sondern es geht genau in dem Sinne, wie Katharina König-Preuss deutlich gemacht hat, darum, dass wir den Kampf gegen Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens als eine tagtägliche Aufgabe sehen, der wir uns zu stellen haben, und zwar nicht nur aus der historischen Verantwortung zu stellen haben, sondern auch weil es unser Land ist, unsere Gesellschaft und weil in unserer Verfassung die Unantastbarkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen genauso wie die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit zu den Grundwerten, zu den Grundrechten gehören. Das ist unsere Aufgabe, gerade bei uns, die hier als Landesregierung tätig sind, genauso wie bei Ihnen, die von Bürgerinnen und Bürgern für genau diese Aufgabe in diesen Landtag gewählt wurden. Vielen Dank.
c) auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „150 Jahre § 218 sind genug! Recht statt Verurteilung – auch in Thüringen für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/3360 -
Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauer am Livestream! Aber vor allem: Werte Frauen, die draußen vor dem Landtag stehen und gemeinsam eine Aktion für die Abschaffung des § 218 heute vor dem Landtag durchgeführt haben!
Ich möchte an der Stelle sehr herzlich Danke an pro familia sagen, danke an die Parität, an die unterschiedlichen Vereine und Verbände, aber auch an die „Omas gegen Rechts“, die sich eindeutig auch zu dieser Thematik positioniert haben und die mir und meiner Fraktion noch mal ins Stammbuch geschrieben haben, alles dafür zu tun, dass der § 218 abzuschaffen sei.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich sage, die Geschichte des § 218 des Strafgesetzbuchs ist lang. Sie beginnt vor 150 Jahren im Kaiserreich und sie ist begleitet von Kämpfen der Frauenbewegungen für einen flächendeckenden legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und eine medizinisch sichere Durchführung. Kritik und Protest gegen den § 218 begründen sich darauf, dass durch ihn der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch im Kontext von Mord und Totschlag steht. Frauen und Ärztinnen werden mit Strafe bedroht. Die Verpflichtung, zu einer Beratungsstelle zu gehen, sagt weiterhin, dass Frauen eigentlich gar nicht in der Lage seien, eigenständige Entscheidungen zu fassen. Das ist Diskriminierung, werte Kolleginnen und Kollegen, und auch zeitgleich eine Bevormundung von Frauen.
Werte Kollegen, wir brauchen – und das sage ich an der Stelle auch deutlich – eine flächendeckende Beratung zur Familienplanung und zur Schwangerschaft, die auf einer freiwilligen Basis Hilfe anbietet und Frauen bei der Entscheidung für oder gegen einen Abbruch unterstützt. Was wir nicht brauchen, sind Zwangsberatungen und Wartezeiten und Fristen. Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, sind in der Lage, zu einer Entscheidung zu kommen und sich auch Hilfe suchen zu können, wenn sie sie benötigen.
Am Internationalen Frauentag in diesem Jahr – so erinnere ich mich – war das Thema schon mal hier im Thüringer Landtag. Da hörte ich vonseiten der CDU Stigmatisierung und Kriminalisierung bei dem Thema der Schwangerschaftsabbrüche. Ich möchte noch mal eindeutig formulieren, werte Kolleginnen und Kollegen, ich sage noch mal: Frauen, die abtreiben, sind keine Mörderinnen. Ärztinnen und Ärzte, welche Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sind ebenfalls keine Mörderinnen und Mörder. Niemand – ich sage ausdrücklich: niemand – hat das Recht, Frauen vorzuschreiben, ob sie Kinder austragen wollen. Dafür sollten wir gemeinsam streiten.
Deshalb müssen wir auch die Mythen über die Schwangerschaftsabbrüche überall mit Aufklärung bekämpfen. Argumente, die sich vordergründig für ungeborenes Leben einsetzen, haben einen frauenfeindlichen Hintergrund, denn die Gegenüberstellung des Selbstbestimmungsrechts der Frau und der Rechte des ungeborenen Lebens basieren auf einer Vorstellung: dass jemand anderes als die Schwangere über ihren Körper bestimmen könnte. Niemand darf eine Frau zwingen, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, genauso wie ein Kind auszutragen. Das ist einfach eine Selbstbestimmung, die die Frau allein zu treffen hat.
Die Frauenbewegungen, werte Kolleginnen und Kollegen, kämpfen weltweit gegen diese Art patriarchaler Vorstellungen und leiten die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen aus dem allgemeinen Menschenrecht ab. Die UN hat sich dazu ausdrücklich in den Ausschüssen positioniert und sie fordert – und deren Forderung können wir uns als Linke einfach anschließen –: 1. Ein Schwangerschaftsabbruch ist Teil eines reproduktiven Rechts der Frau. 2. Er muss legal sein. 3. Er muss wohnortnah zugänglich sein. 4. Er sollte kostenlos sein. Deshalb fordern wir mit vielen anderen, endlich den
Ich will an der Stelle ein letztes Wort sagen, sehr ausdrücklich, sehr persönlich als eine ostdeutsche Frau: Ich empfand es als große Diskriminierung, als wir vor fast 30 Jahren den § 218 durch ein erstes gemeinsames Parlament wieder übergeholfen bekamen. Ich denke, für uns Frauen – und auch die Männer will ich ausdrücklich mit einbeziehen – in den neuen Bundesländern
war es ein politischer Tiefschlag und eine Diskriminierung. An der Stelle haben wir uns dem ausdrücklich entgegenzustellen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, auf meinem Weg nach vorn habe ich zu meinem Kollegen Zippel gesagt, dass es bestimmt nicht wenige gibt, die jetzt enttäuscht sind, dass nicht er hier vorn das Wort ergreift. Ich möchte mit meiner Rede hier in der Aktuellen Stunde dazu beitragen, das Thema ein bisschen emotional ruhiger anzugehen, ohne es damit geringer wertzuschätzen. Ich glaube, das ist ein sehr sensibles Thema, eine emotionale Entscheidung jeder Frau, bei der es wie bei kaum einem anderen Thema wirklich unterschiedliche Meinungen geben kann. Das ist völlig legitim. Gerade deswegen war es auch in den vergangenen Jahren so, dass es hierzu im Deutschen Bundestag unheimlich tiefgehende Diskussionen gab und – Sie sagten es schon, Frau Stange – diese Gesetzesgrundlagen in den vergangenen Jahrhunderten auch viele unterschiedliche Formen und letztendlich auch Befassungen beim Bundesverfassungsgericht zur Folge hatten.
Ich kann Ihnen aus meiner Sicht als Frau, als Mutter, aber auch als Abgeordnete der CDU-Landtagsfraktion sagen, dass ich zu 100 Prozent zu der ge
setzlichen Regelung stehe, wie sie derzeit im StGB zu finden ist. Denn es ist ein gut ausformulierter, ausgeglichener Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Positionen, die es nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch in unserer Gesellschaft dazu gibt. Deswegen werbe ich dafür, dass wir an dieser Stelle die Emotionen nicht zu hoch kochen lassen, sondern individuell jeder Frau die Möglichkeit geben, vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ihre Entscheidung frei zu treffen – frei, aber auch vor dem Hintergrund, dass eine Schwangerschaft eine Entscheidung nicht nur für sich selbst ist – wenn es eine Entscheidung ist –, sondern auch für ein ungeborenes Kind. Vor diesem Hintergrund hat sich auch in den vergangenen Jahrhunderten die Medizin weiterentwickelt. Wir wissen jetzt, dass eben der Fötus im Mutterleib ab einem bestimmten Zeitpunkt überlebensfähig ist. Dieser Zeitpunkt verändert sich immer mehr. Und wir wissen, dass eine Handvoll Leben eben auch Leben ist. Genau deswegen trifft eine Frau, die schwanger ist, eine Entscheidung nicht nur für sich, sondern auch für das Leben, das sie in sich trägt. Vor diesem Hintergrund ist auch diese Regelung, wie wir sie im Strafgesetzbuch finden, zustande gekommen, dass es nämlich nicht nur den § 218 gibt, der die Strafbarkeit vorsieht, sondern auch die folgenden §§ 218a und 219, die man im Gesamtkontext sehen muss. Durch diesen Gesamtkontext gibt es die Möglichkeit der straflosen Abtreibung unter bestimmten Bedingungen. Diese Bedingungen sind eine entsprechende Fristenregelung und eine Beratungspflicht.
Ich bin froh, dass wir im Freistaat Thüringen ein flächendeckendes Netzwerk von Beratungsangeboten haben, das nicht nur gut funktioniert, sondern das auch in guter Zusammenarbeit mit der medizinischen Versorgung und den ausführenden Ärzten den Schwangeren ein Angebot macht. Für uns als Landespolitik ist es die Aufgabe, gerade an diesem flächendeckenden Angebot zu arbeiten, zu schauen, dass diese Versorgung gesichert ist und dass dieses Angebot letztendlich auch niedrigschwellig für alle Schwangeren erreichbar ist. Deswegen möchte ich an dieser Stelle sagen, dass sich das System dieser zugrundeliegenden Paragrafen aus meiner Sicht bewährt hat: Abtreibungen sind rückläufig. Letztendlich haben sich in ganz Deutschland Netzwerke entwickelt, die die Möglichkeit geben, auf die Probleme von Frauen in dieser Situation weitergehend einzugehen.
Eins ist mir an dieser Stelle wichtig: Ich verurteile niemanden, der sich zu einer Abtreibung entscheidet, eine Abtreibung durchführt oder sich dazu beraten lassen will. Aber ich sage: Das ungeborene Kind hat auch Rechte. Deswegen finde ich es zu
kurz gegriffen, das hier in einer Aktuellen Stunde zu thematisieren. Wir müssen ehrlich miteinander sein, dass wir das Ganze hier im Freistaat Thüringen und im Thüringer Landtag letztendlich nicht entscheiden können.
Mir bleiben jetzt noch 20 Sekunden und in diesen 20 Sekunden möchte ich noch eins sagen: Es gibt für Frauen Möglichkeiten nach einer Schwangerschaft und einer Austragung in Thüringen durch die anonyme Geburt, durch die Babyklappe oder auch durch die Freigabe zur Adoption. So können wir auch diesen Kindern von Müttern, die es vielleicht nicht so einfach haben, eine Zukunft in Thüringen geben. Danke.
„Raus aus meinem Uterus!“ Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauer/-innen am Livestream, vor 150 Jahren wurde der § 218 eingeführt, der Schwangerschaftsabbrüche bestraft. Das sind 150 Jahre des Leids, insbesondere für Frauen, aber eben auch 150 Jahre des Widerstands. Erst vor wenigen Wochen wurde am 15. Mai wieder mit Aktionen bundesweit darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Gesetz zutiefst in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Personen, die schwanger werden können, eingreift.
Gerade fand auch die von pro familia initiierte Demo mit der „Weg mit 218“-Menschenkette hier direkt vor dem Landtag statt.
Diese vielen feministischen Organisationen und Einzelpersonen machen deutlich: Wir brauchen endlich eine Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche, und zwar jenseits des Strafrechts.
Es gibt kein Gesetz in Deutschland, das auf vergleichbare Weise in den Körper von Männern eingreift. Man möge mir das Gesetz zeigen, das etwas
Vergleichbares zu 9 Monaten Schwangerschaft und 20 Jahren Kinderaufziehen, die Gefahr, in Armut abzurutschen, und vieles Weitere aufbürdet. Es gibt keines. Deshalb ist es auch verständlich, dass das Thema Frauen und Personen, die schwanger werden können, emotional bewegt, weil es für sie eben kein theoretisches Problem ist, sondern weil es sie direkt betrifft und jede betreffen kann. Wir haben eine historische Kontinuität von staatlichen und kirchlichen Versuchen, die Selbstbestimmung der Frau zu unterbinden, selbst darüber zu entscheiden, ob sie das Kind austragen will oder nicht.
Wenn übrigens der Vater das Kind nicht wollte, finden sich historisch viele Beispiele, wie das straflos oder zumindest konsequenzlos in Recht und Gesetz integriert werden konnte. Das Alte Testament sah Schadenersatz vor, wenn eine Frau von einem anderen Mann so verprügelt wurde, dass sie das Kind verlor. Den Schadenersatz bekam – man höre – freilich der Mann, weil ihm ja das Kind gestohlen worden wäre. Und im römischen Recht wurde Abtreibung deshalb bestraft, weil die Frau den Mann damit um seine Kinder betrüge. Es ging historisch gesehen also nie um den Schutz des ungeborenen Lebens, sondern immer um Macht, die Macht darüber, wer das Recht hat, über Fortpflanzung zu entscheiden, und wer es nicht hat, obwohl es nur diese Personengruppe betrifft.