Protokoll der Sitzung vom 03.02.2022

Ich glaube, es muss Schluss damit sein, dass man sie immer stärker ans Gängelband nimmt,

(Beifall CDU)

sondern es muss wieder darum gehen, ihnen die Chance zu geben, das auch durch eigene Schwerpunkte in ihren Orten zu gestalten. Ich glaube, das muss unser Anspruch sein.

Dasselbe gilt auch in der medizinischen Versorgung, wenn es um die Frage geht, wie lang unsere Wege zum Arzt sind. Mittlerweile ist es so,

10 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Thüringen sind zwischen 2014 bis 2019 verlustig gegangen. Wir haben keinen Ersatz dafür gefunden. Das ist ein großes Problem. Wenn Sie sich anschauen, die Hälfte unserer Mediziner, die es im Freistaat als niedergelassene Hausärzte gibt, ist älter als 55 Jahre. Das sind doch die Situationen, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssen, Frau Gesundheitsministerin. Und ich glaube, deswegen ist es auch wichtig, über die Frage medizinischer Versorgung langfristig zu reden, den Landeskrankenhausplan anzugehen, um damit auch eines deutlich zu machen: Wir sorgen vor. Wir haben die Zukunft im Blick, wir wissen, wo es in diesem Freistaat hingehen muss.

(Beifall CDU)

Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, weil der Ministerpräsident und ich verabredet haben, dass wir diesen Reformprozess angehen, sowohl bei der Reform des Kommunalen Finanzausgleichs, wie auch bei der Landeskrankenhausplanung, wie auch bei der Frage, wie wir mit Personal in diesem Freistaat umgehen. Das sind Dinge, wo es auch parteiübergreifend, auch werte- und politikrichtungsübergreifend möglich sein muss, einen Diskussionsprozess zu führen. Denn es geht um unsere Heimat. Und diesen Reformprozess haben wir mit diesem Haushalt angestrebt und deswegen kommt der Politikwechsel auch jetzt.

(Beifall CDU)

Es gäbe viele Themen zu benennen, wenn es um die Frage von Lehrermangel geht, wo wir im letzten Jahr schon das Thema der Zulagen angesprochen haben, die ein Jahr lang nicht gekommen sind. Es gäbe vieles zu der Frage „familienfreundliches Thüringen“ zu sagen, wo wir darüber gesprochen haben, was eigentlich mit dem Kinder-Bauland-Bonus ist, der nicht gekommen ist. Es gäbe viel darüber zu berichten, wie stark das Ehrenamt im Freistaat ausgeprägt ist, wie wenig aber dafür getan wird, dass die Ehrenamtsstiftung ausgestattet ist, wie wenig dafür getan wird, dass wir unsere Vereine unterstützen, wie wenig dafür getan wird, dass wir dafür Sorge tragen, dass du – egal wo du in Thüringen lebst – die gleichen Chancen und Möglichkeiten hast.

All das haben wir versucht, mit einzelnen Schwerpunkten, in ersten Schritten in diesem Haushalt deutlich zu machen, weil wir wollen, dass die Heimat Thüringen den Menschen etwas gibt, worauf sie stolz sein können. Das ist das, was unser innerer Anspruch war.

(Beifall CDU)

Im Wirtschaftsbereich war es uns wichtig, das Thema „weniger Bürokratie, mehr Fachkräfte und leistungsfähigere Infrastrukturen“ in den Blickpunkt zu stellen. Wir müssen wieder mehr für Fleißige tun, das ist entscheidend. Das ist manchmal schwierig, weil es einem in den täglichen Politikscharmützeln verlustig geht. Aber warum haben wir uns für das Vergabegesetz eingesetzt, warum haben wir uns für das Ladenöffnungsgesetz eingesetzt? Weil wir glauben, dass unnötige Bürokratie abgebaut werden muss, dass es vereinfachte Antragsverfahren beim Ladenöffnungsgesetz geben muss und die Standards trotzdem weiterhin gleich bleiben, nämlich nur vier verkaufsoffene Sonntage. Ich kann sagen, ich bin den Kollegen von Rot-Rot-Grün dankbar, dass wir da zu einem Kompromiss gefunden haben, weil das zeigt, dass man über politische – ich sage mal – Unterschiede hinweg trotzdem Kompromisse finden kann. Ich glaube, das zeigt, dass lösungsorientiertes und pragmatisches Herangehen und ein klares Wertebewusstsein hilfreich sein können, wenn es darum geht, Thüringen wieder nach vorn zu bringen.

(Beifall CDU)

Uns geht es auch hier um Langfristigkeit. Die Antibürokratiekommission und der Normenkontrollrat sind für uns nicht einfach nur eine weitere Chiffre, ein weiteres Klingelzeichen an der Staatskanzlei. Für uns geht es tatsächlich darum, endlich wieder Menschen zu befreien, Wirtschaft zu entfesseln, die Bürokratie nicht über Hand nehmen zu lassen. Das ist das langfristige Ziel, was wir haben. Ich glaube, wenn wir es schaffen, das wieder in den Mittelpunkt zu stellen, dann wird es auch wieder gelingen, dass das Thüringer Wirtschaftswachstum steigt, dass wir wieder mehr Firmengründungen haben und dass Thüringen wächst. Das ist unser Ziel!

(Beifall CDU)

Dann lassen Sie mich zu dem letzten Punkt kommen, zu der Frage finanzieller Solidität. Ich freue mich auf die Wortmeldung von der Finanzministerin Taubert, die uns schon öffentlich dafür kritisiert hat, was wir da so alles gefordert haben. Ich will gestehen, dass ich ein klein wenig überrascht war, Frau Taubert. Ich habe mir noch mal angeschaut, was Sie selbst im September 2021 gefordert haben. Da haben Sie ein Haushaltsvolumen von 11,7 Milliarden Euro gefordert, der Ministerpräsident hat Sie dabei unterstützt. Dann wurden es mit der Steuerschätzung, die selber bestellt wurde, 11,8 Milliarden Euro.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Des- wegen ja „Steuerschätzung“!)

Und dann passierte eines: Nachdem Sie sich offensichtlich in den Gesprächen mit Ihren Haushaltskollegen nicht durchsetzen konnten, haben Sie einen Haushalt von 12,1 Milliarden Euro vorgelegt. Jetzt hat die CDU diese 11,9 Milliarden Euro – also Steuerschätzung plus – erreicht. Und jetzt kritisieren Sie uns dafür?

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wundert mich ein klein wenig, Frau Taubert, weil es Ihr eigener Anspruch war, den Sie formuliert haben. Seien Sie doch froh, dass wir an Ihrer Seite stehen, wenn es um finanzielle Solidität geht, und fallen Sie uns nicht in den Rücken. Es geht doch darum, dass wir sparsam mit Steuermitteln umgehen. Ich glaube, diesen inneren Anspruch, den sollten wir alle verinnerlichen.

(Beifall CDU)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ergebnis der Verleugnung einer angespannten Haushaltslage ist halt nicht so einfach. Gucken Sie sich die Schuldenstandsquote von Thüringen an, gucken Sie sich an, wo wir stehen. Jetzt gebe ich uns allen, dass wir zwei Coronajahre hatten und man deswegen natürlich finanziell schauen muss, wie man gut durchkommt. Aber ich habe diese demografische Situation nicht ohne Grund in den Blick genommen. Was passiert denn? Das ist doch ganz simpel. Wir werden weniger und der Anteil der Älteren steigt. Bisher galt immer die Gewissheit, dass die Schultern der kommenden Generationen breiter sind als die eigenen. Aber dieser Zustand ändert sich. Deswegen können wir nicht einfach so weiterhandeln, indem man die Lasten, die in der Gegenwart als drückend empfunden werden, auf die Zukunft verschiebt. Wir können nicht weiter so handeln und bestimmte Infrastrukturprojekte nicht starten. Gucken Sie sich an: Der Rechnungshof diskutiert darüber, dass im Durchschnitt 460 Millionen Euro übrig bleiben. Er diskutiert darüber, dass ein Großteil der Bauinvestitionen in den letzten Jahren nicht getätigt worden ist.

Aber das ist eine implizierte Verschuldung, die einfach nur das, was eh gemacht werden muss, auf die Zukunft verlagert. Wenn wir das weiter tun, dann vergehen wir uns an den zukünftigen Generationen. Genau aus dem Grund haben wir eine Generationendividende gefordert. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen jetzt sparen, wir müssen jetzt Vorsorge betreiben, weil wir zukünftig nicht mehr in der Lage sein werden, all das zu bedienen, was manchmal wünschenswert ist. Ich glaube, dass dieser Anteil, dieses Herangehen, die Hypothek nicht auf die nächste Generation zu verlagern, die Schulden endlich abzutragen, die Infrastruktur

nicht zu vernachlässigen, der richtige Weg ist. Deswegen streiten wir so für finanzielle Solidität, weil die Konsolidierung auch über die Möglichkeiten und Optionen eines Thüringen im Jahr 2030 entscheiden. Wir müssen heute damit anfangen, dass wir den Schuldenberg abbauen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Ja, was denn nun, Schulden oder Investitionen?)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Heute, ha! Wir haben mehr getilgt als die CDU!)

Das ist unser gemeinsames Anliegen und dafür wird sich die CDU immer einsetzen.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jetzt werden wir dafür kritisiert werden, dass wir diese 330 Millionen Globale Minderausgabe Generationendividende vorgeschlagen haben. Ich habe gerade erläutert, was unser inhaltliches Motiv dafür ist. Aber, ich will Ihnen auch sagen, wir haben für 100 Millionen Euro Einsparungsvorschläge gemacht, die nicht akzeptiert worden sind. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Wir haben schon einen klaren Anspruch, wie man in diesem Land finanzpolitisch besser wird, wie auch die Sucht zum Verbrauch aufhört und wie sich der Landeshaushalt nicht permanent zu einem Fass ohne Boden entwickelt, auf den jedes Jahr immer wieder was draufkommt, in dem jedes Jahr der Personalanteil steigt und das Personal, was tatsächlich eingestellt wird, trotzdem nicht da ist. Jedes Jahr wachsen die Stellen, die nicht besetzt sind, um 1.000 und, ich glaube, das zeigt einfach, eine Idee davon zu haben, wo es in diesem Land hingehen muss, ist wichtig. Wir wollen als CDU-Fraktion eine Rückkehr zur soliden Finanzpolitik. Wir wollen für die nächste Krise vorsorgen und wir wollen vor allen Dingen eines: Wir wollen ein Land, das auch noch in der nächsten Generation das Geld für Infrastruktur und für Investitionen in Bildung hat.

(Beifall CDU)

Das zusammengenommen: Die ersten Schritte in den Haushaltsformulierungen, die langfristigen Reformprozesse, die Ministerpräsident Ramelow und wir verabredet haben, und die Frage, wie man finanzpolitisch vorgeht, sind ein Weg, wie man mit so einem Haushalt umgeht. Ich weiß ja, was jetzt vielleicht passieren wird. Sie werden jetzt Globale Minderausgaben machen und sich natürlich zuerst die CDU-Projekte herausnehmen. Das können Sie gern machen. Aber, wie ich schon in den Haushaltsberatungen im Oktober hier gesagt habe, wir

achten sehr darauf, wie ernst man auch nimmt, welchen Schritt wir hier als CDU-Fraktion gehen. Wir gehen aus der Opposition heraus einen Schritt auf die Regierung zu und sagen: Dieses Land braucht einen Haushalt. Deswegen unterschätzen Sie bitte nicht unser Gedächtnis, wenn es um die Frage geht, wie Sie mit den Vorschlägen umgehen, die wir machen, denn dieses Land wird vielleicht auch noch nächstes und übernächstes Jahr einen Haushalt brauchen. Ich finde, dass wir auch mit dieser Ernsthaftigkeit unterwegs sein müssen,

(Beifall CDU)

denn es geht um unsere Heimat, es geht genau um diese Frage. Ich kann Ihnen sagen, dass wir uns als CDU-Fraktion bemüht haben, deutlich zu machen, wie man über Kommunalen Finanzausgleich, über Krankenhausplanung, Vergabegesetz, Ladenöffnungsgesetz, einzelne Veränderungen, Dorfläden, Pflege, Wirtschaft, Fachkräfte unsere Perspektive in die Politik einbringt, weil wir glauben, es braucht einen Plan, es braucht eine Perspektive, es braucht eine Vision und es braucht vor allen Dingen auch die Idee davon, dass jeder, egal, wo er in Thüringen lebt, die gleiche und faire Chance bekommt.

Das ist unsere Idee, das ist das Herangehen, warum wir heute dem Haushalt zustimmen werden, denn es ist aus unserer Sicht logischerweise kein Sprint, sondern es muss ein Marathonlauf sein. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass Thüringen im Kanon der Bundesländer nicht zurückfällt und dass die Bürger ihre Heimat als attraktiv und spannend empfinden. Das ist unser Anspruch in den Verhandlungen. Die waren hart, die waren auch manchmal sehr lang, aber ich bin trotzdem den Kolleginnen und Kollegen der rot-rot-grünen Fraktionen und auch der FDP dankbar, mit denen wir Gespräche hatten, weil es eben immer auch das harte Ringen um den Weg war. Ich glaube, das sollte uns anspornen, das sollte uns auch in den Gesprächen anspornen, die wir mit der Landesregierung haben, denn es geht um Thüringen und das ist unsere Heimat. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Herr Fraktionsvorsitzender Abgeordneter Dittes das Wort, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Voigt hat ja versucht, schon mal der Debatte vorwegzugreifen, und versuchte zu antizipieren, was

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

die einzelnen Fraktionen in der Haushaltsdebatte an dieser Stelle sagen werden. Herr Voigt, ich muss Sie enttäuschen. Sie werden überrascht sein und das hat vor allem einen Grund: Weil wir, wenn wir jetzt hier in der Grundsatzaussprache zur zweiten Lesung des Haushaltsgesetzentwurfs reden, andere Reden halten, als auf den Parteitagen unserer Parteien. Das unterscheidet mich – glaube ich – von Ihnen,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

nachdem ich meine Rede schon kenne und Ihre Rede gerade gehört habe. Sie werden vielleicht im Anschluss zum selben Ergebnis kommen.

Ich will aber trotz aller hitzigen Auseinandersetzungen von diesem Pult aus durchaus auch viel Versöhnliches in Ihre Richtung sagen. Ich glaube, man kann das auch in aller Transparenz und aller Ehrlichkeit und aller Offenheit öffentlich sagen: Es ist schon mitunter irritierend – und das meine ich nicht mal negativ –, wie sehr sich doch mancher Wortbeitrag unterscheidet, wenn er vor diesem Plenum gehalten wird, wenn er in einer Textfassung einer Pressemitteilung Ausfluss findet oder wenn wirklich hinter verschlossenen Türen mal um die Sache gestritten wird. Da sind Sie wirklich in vielen Argumenten durchaus sachlich begründeter unterwegs, als Sie das hier heute am Pult dargestellt haben.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Überra- schung!)

Nein, Herr Walk, das ist tatsächlich so und ich finde, man kann das auch mal nennen. Es gehört eben auch zur Ehrlichkeit dazu, dass hier auch ein Stück Schauspiel absolviert wird.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben jetzt ja viele Wortbeiträge auch in der Darstellung gehört, die wir alle schon aus der ersten Beratung kennen und die gar nicht den Diskussionsverlauf der letzten Wochen widerspiegeln. Wir haben auch viele Falschinformationen gehört. Ich werde an einzelnen Stellen noch mal darauf zurückkommen. Ich will nur dem Eindruck – und deswegen will ich diese Banalität auch an den Anfang stellen – widersprechen: Das, was wir gerade gehört haben, spiegelt eben nicht die Haushaltsdebatte wider, die wir in den letzten Wochen geführt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)