Protokoll der Sitzung vom 03.02.2022

Insofern geht es am Ende natürlich auch immer um Kompromisse. Und dann wird es Rot-Rot-Grün geben, die entweder sagen, die CDU-Fraktion habe ja Bedingungen gestellt, das sei ganz unanständig, das habe ja gar nicht gepasst, wie kann das überhaupt sein,

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wir wollen euch doch mal überraschen!)

und dass die CDU angeblich Dinge mit dem Haushalt verknüpft habe, die gar nicht zusammengehören. Die Landesregierung wird sich hinstellen, Frau Taubert, und wird darüber sagen, sie sei ja jetzt gezwungen, eine Haushaltssperre aufzustellen. In einzelnen Ministerien, der Staatskanzlei und woanders werden schon Briefe an die Destinatäre vorbereitet, in denen steht: Ja, ja, das ist alles die CDU gewesen, warum wir jetzt hier kürzen müssen. Manche werden dann hinter vorgehaltener Hand sagen: Na ja, das ist doch eigentlich alles total egal, Hauptsache wir haben einen Haushalt und können weiter regieren.

Das ist die Situation. Die Frage, die wir uns aber hier in dem Hohen Haus stellen müssen, ist doch:

Ist das tatsächlich die politische Ignoranz, die wir uns leisten können, wenn es darum geht, wie es in diesem Land weitergeht? Und ich glaube, wenn wir über Politik und wenn wir über Gerechtigkeit gegenüber dem Bürger reden, dann muss es zuerst, bevor man über Schwerpunkte und über Finanzen redet, auch um die Frage gehen: Warum setzt man sich auch mit ganz unterschiedlichen Wertegrundlagen Politik betreibend eigentlich zusammen und versucht, einen Kompromiss zu finden? Warum macht man das?

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Wertegrundla- gen?!)

Ich kann Ihnen sagen, in den Gesprächen der letzten Wochen merkt man, dass die Thüringerinnen und Thüringer, gerade wenn es um das Thema „Politik“ geht, eigentlich momentan mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind. Die scheren sich um die Frage: Wie geht es mit Corona weiter? Die sorgen sich darüber, was mit ihrer Arbeit, mit ihren Kindern passiert. Die schauen auf die hohen Heizkostenrechnungen, die beschäftigen sich mit dem Elternteil im Pflegeheim oder was die Kinder als erste Note bekommen haben. Aber sie erwarten eines, sie erwarten, dass ihre Heimat gut regiert wird und dass es läuft, das erwarten sie. Und doch spüren viele – und Herr Hey, ich weiß, dass Sie genauso viel mit den Menschen reden wie ich auch –, dass es in Thüringen momentan stockt – und nicht nur wegen der Minderheitsregierung. Die sehen die letzten Jahre der Entwicklung und dann stellen sie eben fest, dass Thüringen in vielen Bereichen die rote Laterne trägt. Das kann man auch belegen. Wir haben weniger Lehrer, mehr Unterrichtsausfall, wir haben weniger Gewerbeanmeldungen. Unternehmensgründungen, aber höhere Steuern. Wir haben vor allen Dingen eines, wir haben ein Wirtschaftswachstum, das mittlerweile seit 2015 unter dem Bundesdurchschnitt und unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer liegt. Wir haben mittlerweile die höchsten Bürokratiekosten in ganz Deutschland und wir haben vor allen Dingen eines, wir haben weniger Geld für den ländlichen Raum, aber mehr Belastungen für die Dörfer. Das ist tatsächlich die Situation und das ist der Zustand.

Wenn man sich das anschaut, dann guckt man sich noch was Weiteres an, weil man sich dann die Frage stellt: Okay, das ist jetzt der Ist-Zustand, aber beschäftigt sich diese Landesregierung eigentlich mit der Frage, wie in Thüringen im Jahr 2030 gelebt werden soll? Was soll in diesem Jahr eigentlich passieren? Was ist das moderne Thüringen? Beschäftigt sich die Landesregierung damit?

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Ja!)

Dann habe ich mir eines angeschaut, Herr Chef der Staatskanzlei, Prof. Dr. Hoff, Sie werden immer so als das Mastermind dieser Landesregierung bezeichnet, dann habe ich mir gedacht: Ja Mensch, hat der ein Erkenntnisproblem? Und dann habe ich mir Ihren Demografiebericht angeschaut, den zweiten, als Sie noch Infrastrukturminister waren, und habe mir die Frage gestellt: Na ja, hat der ungefähr die Peilung, wie es in diesem Land weitergeht? In diesem Demografiebericht wird auf technologische Veränderungen eingegangen, da wird auch auf die demografischen Herausforderungen Thüringens hingewiesen, da wird darauf hingewiesen, wie die Thüringer Altersstruktur zusammengesetzt ist. Da wird zu der Größe der Haushalte in Thüringen darauf hingewiesen, dass mittlerweile 40 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer in Ein-PersonenHaushalten leben und nur noch 21 Prozent in Dreioder Mehr-Personen-Haushalten. Es wird darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen Jahr um Jahr in Thüringen steigt. Darin wird darauf hingewiesen, dass ein Drittel der Thüringerinnen und Thüringer, die in Handwerksbetrieben sind, mittlerweile älter als 55 Jahre sind. Das ist alles in Ihrem Bericht, das haben Sie schon vor drei Jahren geschrieben und ich stelle mir immer die Frage: Was haben Sie seitdem gemacht? Und ich muss feststellen: Nichts! Das ist der innere Anspruch, der Ihnen fehlt, das ist die Leitidee, die Ihnen fehlt. Deswegen sagen wir als CDU-Fraktion, es braucht ein Umsteuern in diesem Land.

(Beifall CDU)

Die Kluft zwischen dem Ausmaß unserer Probleme und der täglichen Resultate der Landesregierung ist genau das Problem, was die Leute in diesem Land stört. Sie reagieren nur noch, sie agieren nicht. Sie versuchen keiner Idee in diesem Land zu folgen, keine Antwort darauf zu geben, was es eigentlich bedeutet, im demografischen Wandel neue Dinge anzugehen. Dieser Mangel an Ideen, dieser Mangel an Perspektive ist die empfindlichste Schwäche der gegenwärtigen Regierung, weil Sie keine Idee davon haben, wo es in Thüringen hingehen soll. Das ist das Problem und genau aus diesem Grund lohnt sich eine Haushaltsdebatte, denn es geht darum: Wie soll Thüringen im Jahr 2030 aufgestellt sein? Wie soll es den Thüringerinnen und Thüringern morgen, aber auch in der Zukunft besser gehen? Ich glaube, das ist der Anspruch, den wir als CDUFraktion versuchen, deutlich zu machen.

(Beifall CDU)

Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, wir stellen uns an die Seitenlinie. – Das haben manche gemacht, wir machen das nicht. Wir versuchen, Sprechfähigkeit herzustellen. Das versuchen wir auf eine Art und Weise, bei der klar ist, wir sind eine Opposition der Mitbestimmung, weil wir diesen inneren Anspruch haben. Deswegen haben wir Bedingungen formuliert. Wir haben klar aufgeschrieben, welche langfristigen Reformschritte wir sehen, was wir als finanziellen Rahmen begreifen und was wir vor allen Dingen als erste Schritte sehen, um Thüringen umzusteuern, um einen Politikwechsel zu erreichen. Das ist hart, das war für manche unanständig, das war für manche schwierig. Aber – Verzeihung – Sie haben hier keine Mehrheit in diesem Hohen Haus. Deswegen muss es um diese Sprechfähigkeit gehen, um über Parteigrenzen hinweg Wege zu beschreiten, um einen Haushalt für Thüringen, aber keinen Haushalt für Rot-Rot-Grün, zu bestellen. Und das ist das, was wir wollen.

(Beifall CDU)

Der Grund, warum wir heute zustimmen, ist: Wir sagen, wir sind eine Opposition der Mitbestimmung, wir wollen einen Politikwechsel, der diese langfristigen Herausforderungen, die Thüringen hat, genauso in den Blick nimmt wie diese ersten Schritte, die es jetzt zu gehen gilt. Das bedeutet, dass die Minderheitsregierung endlich das Geld zusammenhalten muss. Das bedeutet, dass wir wieder richtige Schwerpunkte für eine bessere Zukunft setzen, im Bereich Familie, im Bereich Bildung, in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit. Diese Fragen müssen im Mittelpunkt stehen und darüber will ich jetzt reden.

Wenn wir uns die Schwerpunkte anschauen, dann geht es darum, was unsere Wertegrundlage als CDU ist, warum wir Ihnen diese Bedingungen gestellt haben. Die CDU steht auf der Seite derjenigen, die hart arbeiten, die sich an das Gesetz halten, die für ihre Familien sorgen und ihre Heimat lieben. Das ist unser innerer Anspruch.

(Beifall CDU)

Es gibt hier in diesem Freistaat eine Karte der Werte, Werte, die motivieren. Da geht es um Fleiß, um Respekt, um Anstand, da geht es um die Frage, dass wir was leisten wollen für dieses Land. Dabei ist es egal, ob es ihnen sozial schwerfällt oder ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben. Aber es geht darum, dass wir diesen gemeinsamen Anspruch für dieses Land, für diese Heimat leben. Das ist die innere Motivation, die die CDU dazu treibt, diesem Haushalt zuzustimmen.

(Beifall CDU)

Deswegen will ich – weil mir das in den Haushaltsberatungen am deutlichsten aufgefallen ist – auf den größten Unterschied zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU hinweisen, weil er mich lange zum Nachdenken gebracht hat. Wie man mit Bürgern, die in Dörfern und kleinen Städten leben, in den letzten sieben Jahren umgegangen ist,

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Oh nein! Leute!)

hat mich sehr beschäftigt, weil ich mir immer die Frage gestellt habe: Warum kürzen die im Bereich der Förderung für die kleinen Orte?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben nicht gekürzt! Warum erzählen Sie solche Märchen?)

Warum setzen die in bestimmten Infrastrukturbereichen nicht die richtigen Schwerpunkte? Warum konzentriert man sich häufig nur auf einzelne größere Städte? Diese Fragen habe ich mir gestellt. Mir ist bei der Debatte zum Thüringen-Monitor ein Licht aufgegangen. Der Ministerpräsident hat beim Thüringen‑Monitor erklärt, die Landesregierung wolle jetzt beginnen, den ländlichen Raum von der Peripherie in das Zentrum zu rücken. Das ist der inhaltliche Unterschied! Für uns ist der ländliche Raum immer im Zentrum der Politik gewesen.

(Beifall CDU)

Diese Erkenntnis nach sieben Jahren, ist meiner Meinung nach Beweis genug dafür, worin man sich unterscheidet.

Jetzt bin ich wahrscheinlich in meiner eigenen Biografie gefangen, ich kann nicht anders, als Thüringen aus den Augen der kleinen Dörfer zu sehen.

(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wohne in Jena, bin aber in einem 200-Einwohner-Ort groß geworden. Ich weiß, was es heißt, 45 Minuten bis zur Schule zu fahren. Ich weiß, was es heißt, wenn man ein Auto braucht, um zur Arbeit zu kommen.

(Beifall CDU)

Das ist die Perspektive, das ist der Unterschied, die Ihnen manchmal abgeht. In den 535 Gemeinden in Thüringen, die unter 5.000 Einwohner haben, leben mehr Leute als in den vier Städten, die über 50.000 Einwohner haben. Das ist Lebensrealität in Thüringen. Das muss man doch auch in der Landespolitik, in einem Haushalt wiederfinden. Deswegen haben wir bestimmte Korrekturen vorgeschlagen, weil der ländliche Raum für uns nicht Peripherie ist, er ist Zentrum.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Für mich auch!)

Für uns geht es logischerweise darum: Das Land hat eine Zukunft, wenn Großes auch wieder für kleine Städte und Dörfer gemacht wird. Das bedeutet eine ordentliche Finanzierung der Kommunen, das bedeutet, in Dorfkirchen zu investieren, das bedeutet, in Pflegestrukturen der Tages- und Kurzzeitpflege zu investieren, damit man ältere Menschen weiterhin zu Hause betreuen kann, wenn man möchte, und sie nicht irgendwie in ein Pflegeheim abgeben muss. Das sind die Fragen, die es gibt. Am Ende geht es auch um eine moderne Infrastruktur, dass das Breitband auch bei der letzten Milchkanne ankommt. Das ist etwas, was wir in diesem Haushalt deutlich gemacht haben.

(Beifall CDU)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen eines sagen: Sie können jetzt anfangen und sagen, die CDU hat ja 25 Jahre regiert. Ja, ist okay, respektiere ich. Wir haben auch nicht alles richtig gemacht. Deswegen, keiner ist frei von Schuld und keiner ist auch frei von Kritik. Aber bitte nehmen Sie zur Kenntnis, das ist mittlerweile acht Jahre her. Acht Jahre haben Sie Verantwortung und nach acht Jahren ist nicht deutlich, was Ihre Idee für diesen Freistaat ist. Ich glaube, deswegen ist es auch wichtig zu sagen, dass wir eine Perspektive nach vorne entwickeln und den Haushalt und die Politik umsteuern müssen.

(Beifall CDU)

Und jetzt ist ja ein bisschen über das Thema „24Stunden-Dorfläden“ gewitzelt worden. Warum setzt sich die CDU so dafür ein?

(Zwischenruf Karawanskij, Ministerin für In- frastruktur und Landwirtschaft)

Ja, Frau Karawanskij, es ist gut, dass Sie hier sind. Wir können gern über Infrastruktur im Freistaat reden. Das machen wir mal bei anderer Gelegenheit.

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Dafür ist doch die Haushaltsdebatte da!)

Dann machen wir das jetzt gern. Dann sage ich Ihnen eines: Wenn Sie verschleppen, wenn es um das Thema „Kinder-Bauland-Bonus“ geht, wenn Sie blockieren und sabotieren, wenn es um die Frage geht, dass wir eine moderne Infrastruktur bauen,

(Beifall CDU)

dann wird doch deutlich, dass Ihnen genau diese Idee abgeht. Und ich will Ihnen eines sagen: Natürlich kann man beweinen, wo wir demografisch hingehen. Natürlich kann man beweinen, wie technologischer Wandel in diesem Land stattfindet. Aber man kann eben auch anpacken. Und Digitalisierung bietet bei der Siedlungsstruktur Thüringens eine einmalige Chance – eine einmalige Chance. Es ist nämlich mittlerweile fast egal, wo Sie leben, wenn überall digitalisiert wurde. Sie können trotzdem die meisten Daseinsvorsorgeinstrumente auch kriegen. Das muss Ihr innerer Anspruch sein. Wir werben bei den Dorfläden eben nicht einfach nur für das Einkaufen, sondern uns geht es darum, moderne Orte der Daseinsvorsorge zu schaffen, wo Menschen das Unmittelbare zum Leben bekommen. Und es soll auch darum gehen, dass wir vielleicht mal unser E-Auto dort laden können, damit man sich eben nicht jeden Tag ein Auto leisten muss, sondern beispielsweise die Kommune eben ein solches anschafft. Wenn man eben rechtssicher E-Government macht – weil es mittlerweile auch Systeme gibt, damit man eben nicht in die nächste Kreisstadt reisen muss, sondern sich auch vor Ort rechtssicher einwählen kann –, geht es vielleicht auch darum, sich über Drohnen irgendwann mal Medikamente dahin liefern zu lassen und nicht zur nächsten Apotheke mit dem Bus zu starten. Das sind doch die Fragen eines modernen Landes.

(Beifall CDU)

Und das würde ich mir offen gestanden von einer Infrastrukturministerin wünschen.

Aber dafür haben wir ja einen Vorschlag gemacht, genauso wie im Bereich der Ausstattung der kommunalen Familien. 130 Millionen Euro mehr, das ist auch der Beleg dafür, dass wir Kommunalaufsicht dieser Landesregierung sind, weil es auch darum geht, wo der Bürger dem Staat denn zuerst begegnet. Er begegnet ihm in seiner Kommune. 24 Stunden und sieben Tage die Woche sind die Dorfbürgermeister, sind die Bürgermeister in den Städten dafür zuständig, dass es den Bürgern besser geht.

(Beifall CDU)

Ich glaube, es muss Schluss damit sein, dass man sie immer stärker ans Gängelband nimmt,