Protokoll der Sitzung vom 03.02.2022

Vielen Dank, Herr Kollege Hande. Für die Gruppe der FDP hat sich der Abgeordneten Kemmerich zu Wort gemeldet.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren und liebe Vertreter der Regierung, schön, dass Sie alle so lange ausgeharrt haben. Ein bisschen Redezeit verbleibt mir noch, damit ein paar Dinge nicht unwidersprochen bleiben, die meine Vorredner hier geäußert haben, insbesondere von Rot-Rot-Grün.

Es ist schon interessant, wie der Stuhlkreis von Rot-Rot-Grün gerade die eigenen Wunden leckt, die die Kompromissfindung mit der CDU scheinbar hinterlassen hat. Wir hören eigentlich den ganzen Tag nur den Austausch von den Dingen, die scheinbar nicht ausgeräumt wurden, um am Ende eine Vereinbarung zu treffen, die morgen in einen Haushaltsbeschluss münden kann oder soll. Ich kann aber allen versichern, Sie haben noch die Chance, den Haushalt morgen nicht umzusetzen, ihn abzulehnen mit den Bedenken, die Sie hier jeweils äußern.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Was ha- ben Sie denn für ein Verantwortungsgefühl?)

(Unruhe DIE LINKE)

Ja, das ist interessant. Wir haben auch schon netter miteinander geredet, aber ich will da ja gar nicht Verlässlichkeit darauf legen, dass wir nett miteinander oder zumindest angemessen, respektvoll miteinander umgehen. Denn nochmals, ich habe das heute Morgen schon gesagt: Es ist Sache der Op

position, Opposition zu sein. Und Herr Hande hat es doch gerade gesagt: Dieser Haushalt sichert das Ziel …

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich wenigstens ausreden und brüllen Sie nicht immer dazwischen, das ist ungehörig!

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Haushalt sichert das Ziel, unseren politischen Weg – Klammer auf, Rot-Rot-Grün, Klammer zu – fortzusetzen. Das ist ein legitimes Ziel. Aber genauso legitim ist es, als Oppositionspolitiker zu sagen, ich teile weder die Ziele noch statte ich diese mit dermaßen viel Geld aus, wie das hier geschieht. Deshalb sagen wir Nein zum Haushalt, und das muss legitim sein und bleiben.

Punkto Zeitplan, Herr Müller: Wenn die Regierung den Haushalt dann vorlegt, als er vorgelegt worden ist – das hat viele Gründe –, dann war das nun mal Oktober, wissen wir alle.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Der einzige Grund sind Sie!)

(Beifall DIE LINKE)

Ja, selbstverständlich. Das Finanzministerium und alle anderen Ministerien habe ich davon abgehalten, einen Haushalt im Juni vorzulegen. Genau so kann man weiter versuchen, Mär zu erzählen.

Zeitplan: Wenn der Zeitplan dort vorgelegt wird, dann ist und bleibt das Ihr Zeitplan. Und wenn wir sagen, dass das Ihr Zeitplan ist, dann ist das auch so. Wir müssen uns darauf nicht einlassen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ende Dezember, wir haben noch in den letzten Tagen des Dezembers zum ersten Mal zusammengesessen. Da haben wir unter anderem über das Sondervermögen gesprochen und für Thüringen, denke ich, eine relativ gute und sichere Einigung gefunden, um die Pandemiefolgen zu beseitigen. Ich habe da schon gesagt, wir haben das seit Oktober gesagt, auf unserem Parteitag beschlossen: Dieses Ausgabevolumen ist zu hoch. Damit waren wir konsequent und bleiben konsequent. Und wenn Sie jetzt sagen, wir waren nicht kompromissbereit, Frau Merz: Ein Kompromiss ist nicht automatisch ein fauler, da gebe ich Ihnen recht, aber nicht jeder Kompromiss ist ein guter. Es gibt auch Kompromisse – und so sehen wir das –, die dem Land nicht guttun, und das sehen wir an der Stelle und das muss uns auch erlaubt sein. Dazu brauchen wir hier nicht diffamiert werden. Mein Kollege Kowalleck hat gesagt: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Wir sehen uns im Parlament

(Abg. Hande)

wieder. Und deshalb bitte ich Sie einfach, doch dem politischen Mitbewerber das nötige Maß an Respekt zu zollen, was ich heute Abend hier und da mal vermisse.

(Beifall CDU)

Herr Kollege Hande, Sie sagten gerade, Sie danken den fleißigen Bürgern, den Unternehmern für das Maß an Steuereinnahmen, was jetzt hier im Haushalt seinen Einfluss findet. Dafür danke ich auch sehr herzlich. Aber ich würde genauso den Respekt vor den fleißigen Menschen und Unternehmen erwarten, dann eben nicht mehr Geld auszugeben, als wir durch sie zur Verfügung gestellt bekommen, denn das tun wir dann zulasten der Generationen und der Leistungsfähigkeit der Unternehmen und Bürger dieses Landes und damit werden diese Steuern irgendwann versiegen.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Warum haben wir denn diese seltsame Idee gehabt – bleiben Sie doch mal ganz entspannt –, 800 Millionen Euro einzusparen? Das ist doch ganz einfach.

(Zwischenruf Abg. Merz, SPD: Wo denn, sa- gen Sie doch mal wo?)

Die Mittelfristige Finanzplanung des Landes sieht einen Konsolidierungsbedarf für das Jahr 2023 von 842 Millionen Euro, für das Jahr 2024 von 765 Millionen Euro und für das Jahr 2025 von 673 Millionen Euro. Das sind summa summarum fast 2 Milliarden Euro, die die nächsten Haushalte an Unterdeckung ausweisen. Und Sie tun im Jahre 2022 so, als ob das alles nicht gegeben wäre.

Sie verfrühstücken erst mal per Entwurf die komplette Rücklage – das haben wir moniert – und feiern sich jetzt noch für die Tilgungsleistung, die im großen Maße aus der Auslösung eines Pensionsfonds stammt. All das wissen die Leute draußen einzuschätzen. Das sind keine soliden Haushaltsmaßnahmen,

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Aber die Globale Minderausgabe, wie sie die CDU vorschlägt!)

das ist ein Gesamtprozess, der hier passiert ist, und ich habe es auch öffentlich gesagt – bei allem Respekt, Frau Ministerin –, wie gesagt, ich hätte als Kabinett den Haushalt so nicht abgenommen. Ich weiß, wie Sie gerungen haben, und ich hoffe, dass wir in Zukunft dazu kommen, dass wir den Haushalt so aufstellen, dass er solide – Einnahmen und Ausgaben ausgleichend – aufgestellt worden ist.

Ja, was am Ende dazu führt, dass die, die morgen den Haushaltsbeschluss gemeinsam fassen, fassen wollen und werden, ist, glaube ich, in dieser Debatte nicht deutlich geworden. Aber das müssen all diejenigen mit sich ausmachen, die morgen dem Haushalt ihre Zustimmung erteilen. Fakt ist, es ist und bleibt ein rot-rot-grüner Haushalt, der in überwiegendem Maße rot-rot-grüne Ziele verfolgt und sie finanziert.

Unsere freie demokratische Politik ist eine andere. Wir sehen die Zukunft Thüringens in einer anderen politischen Zielrichtung und insofern bleiben wir dabei: Wir werden den Haushalt ablehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall Gruppe der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kemmerich. Damit habe ich jetzt aus den Reihen der Abgeordneten keine Wortmeldungen mehr. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich beginne mit einem großen Dank an unsere Finanzministerin, liebe Heike Taubert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Seit vielen Jahren fühle ich mich von dieser Finanzministerin gut begleitet und ich weiß, dass sie häufig diejenige ist, die die meiste Dresche von allen bekommt – weil sie die Wundertüte nicht aufmacht, die jeder von uns erwartet, mal als Ministerpräsident, mal als Abgeordneter, als Wahlkreisabgeordneter, als Kommunaler. Jedenfalls landen alle Wünsche bei unserer Finanzministerin und sie muss erst mal mit uns im Kabinett klarkommen, das ist auch nicht ganz einfach, und anschließend müssen wir aber die verfassungsrechtlichen Regeln einhalten, das heißt, ohne eine Vorlage eines Haushaltsentwurfs von uns kann das Parlament überhaupt nicht sein Königsrecht ausüben. Insoweit ist es ein Zweiklang, den wir anstreben wollten und anstreben müssen. Und es war für mich ein spannender Prozess, in diesem Jahr zum ersten Mal die Methode zu erleben: Wir bringen einen Haushalt ein, der nicht Rot-Rot-Grün in Reinkultur entspricht, sondern sich daran orientiert, dass wir als Minderheitsregierung wissen, wir brauchen eine Mehrheitsentscheidung, um einen Haushalt für dieses Land zu bekommen.

(Abg. Kemmerich)

Im ersten Jahr hatten wir eine Stabilitätsvereinbarung mit der Thüringer CDU, die aus bekannten Gründen ausgelaufen ist, und dann gab es eine Ankündigung der CDU zu sagen, wir werden keine erneute Stabilitätsvereinbarung machen, aber wir werden uns inhaltlich den Debatten nicht entziehen. Deswegen will ich heute ausdrücklich Ihnen, meine Damen und Herren hier im Parlament, meine Hochachtung zollen, denn Sie haben das Königsrecht ausgeprägt. Wir haben den Entwurf geliefert, aber die Parlamentarier haben auf ihrer Ebene und auf ihre Art und Weise die Beratungen dann geführt, was manchmal für uns als Kabinett auch schwierig war, denn an manchen Stellen waren wir ein wenig Zuschauer. Deswegen war es immer wieder ein gemeinsames einander Annähern.

Deswegen, meine Damen und Herren, nähere ich mich jetzt einmal von einer anderen Position. Ich habe ja gehört, als wir mit der CDU, mit Herrn Prof. Voigt und mit Herrn Emde, gemeinsam, die Finanzministerin und ich, das Gespräch über die Erwartungshaltung der CDU an uns als Regierung geführt haben, dass nicht jeder in den drei Fraktionen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung das so glücklich fand. Deswegen sage ich: Auch das gehört zum Geschäft, dass wir sagen müssen, wir müssen lernen, diesen Zweiklang miteinander hinzubekommen. Es war notwendig, rückzukoppeln, was Gesprächsgegenstand war. Das war einmal das, was ich für jede Fraktion in diesem Landtag für selbstverständlich halte, dass die Finanzministerin nämlich für jede Fraktion und jede Gruppe zur Verfügung steht, Rede und Antwort steht, Fragen beantwortet. Das hat Heike Taubert bisher immer gemacht. Gespräche mit der CDU waren nicht zum ersten, sondern zum wiederholten Mal. Aber das Besondere an diesem Gespräch – und deswegen erwähne ich es – war, dass Herr Prof. Voigt einige Reformthemen uns gegenüber signalisiert und gesagt hat, ich habe ein hohes Interesse, für die CDU deutlich zu machen, über das Thema „Kommunalfinanzen“ viel gründlicher zu reden. Jetzt rede ich nicht von dem, was hier geeint worden ist und was morgen, so hoffe ich doch, bestätigt wird. Sondern die Frage war, viel tiefer in das gesamte System der kommunalen Finanzierung zu gehen. Und da sage ich: Lieber Prof. Voigt, diese Forderung finde ich berechtigt, die habe ich allerdings auch gegenüber dem Bund. Denn die Frage der Kommunalfinanzen steht in ganz Deutschland zurzeit auf der Tagesordnung und da schuldet auch der Bund eine Antwort an alle Kommunen in ganz Deutschland.

Insoweit ist das nicht nur eine isolierte Betrachtung, die wir mit unseren Hausaufgaben hier zu erledigen haben, sondern es ist auch eine Frage des Länderfinanzausgleichs, des horizontalen und des ver

tikalen Finanzausgleichs. Es bleibt für mich einfach bedrückend, dass wir in einem Land leben, in dem es Firmen gibt, die überhaupt keine Steuern oder fast so gut wie gar keine Steuern in Deutschland zahlen, obwohl sie hier riesige Umsätze und damit riesige Erträge machen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage der Wertschöpfungsbesteuerung und der Rückverteilung: Ich will das Beispiel Opel Eisenach oder MDC in Kölleda nennen. Die höchste Steuerquote, die wir aus den guten Unternehmen haben, ist die Lohn- und Einkommensteuer der Mitarbeitenden in den Betrieben. Das halte ich für ein Problem. Und dass in Bad Hersfeld Amazon sitzt und jetzt auch in Gera, das ist für den Standort und für Arbeitnehmer gut. Aber wenn dieses Unternehmen in Europa nicht einmal 3 Prozent Steuern bezahlt und jetzt möglicherweise auf die 15 Prozent, auf die Flatrate gehoben wird, dann sage ich, darin liegt auch ein Problem. Das würde ich ganz gern mit in den Blick nehmen, damit wir auch solche Fragen nicht aus dem Blick verlieren.

Deswegen, lieber Herr Prof. Voigt, ich habe den Brief an die kommunale Familie schon geschrieben. Wir werden das als gemeinsamen Prozess aufsetzen, bei dem alle, die sich beteiligen wollen, eingeladen sind, sich daran zu beteiligen.

Ein zweites Thema ist von mir noch mal klar thematisiert worden. Herr Prof. Voigt hat in unserem Gespräch auf die 4.000 nicht besetzten Stellen hingewiesen und die Frage „Macht es Sinn, den Stellenplan so weiterzuentwickeln?“, also auf den Stellenplan weitere Stellen draufzusetzen, wenn wir mittlerweile – und das ist ein Thema, das uns alle betrifft, über alle Zuständigkeiten hinweg, denn das größte Thema im Freistaat Thüringen wird das Thema „Fachkräftemangel und Fachkräftegewinnung“ sein. Wenn wir uns darum nicht kümmern, wenn wir keinen Bauingenieur mehr haben, der in der Bauverwaltung die BImSch erledigt, dann werden wir auch ein Standortproblem haben. Deswegen werden wir integral darüber reden müssen, wie wir Fachkräftegewinnung und Fachkräftebindung bei uns halten. Das ist der Polizeibedienstete. Georg Maier hat am Montag, als ich mit ihm dort war, in der Polizeischule darauf hingewiesen. Unser Bildungsminister kann ein Lied davon singen, wenn er ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer nicht hat und alle anmahnen, dass nicht genügend da sind. Aber sie sind nicht da. Nicht, weil wir sie nicht binden wollen, sondern weil sie einfach schlicht nicht da sind. Und wenn wir Seiteneinsteiger reinholen, um wenigstens Unterrichtsausfall abzumildern, dann gibt es wieder eine Auseinandersetzung, ob das

(Ministerpräsident Ramelow)

richtig ist oder nicht. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir gemeinsam intensiv über Fachkräftegewinnung und die Fachkräftebindung reden müssen.

Dann gibt es das Thema, was ich sehr gut nachvollziehen kann, „Ländlicher Raum“. Da haben wir eine ganze Menge. Ich habe jetzt zwei Tage lang ganz viel dazu gehört, aber ich glaube, es wird dem gar nicht gerecht. Ich sage jetzt mal, lieber Herr Prof. Voigt, die Frage, ob wir die Dörfer zusammenaddieren und gegen die vier Städte rechnen und daraus eine Bilanz machen: Aus der Sicht der großen Metropolen in Europa sind und bleiben wir Provinz, und zwar eine liebenswerte Provinz.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich liebe jedenfalls dieses Land und ich liebe es mit seinen Städten und Gemeinden und mit den kleinen Dörfern und den Weilern. Wir werden einen Weg dafür wählen müssen, dass der ländliche Raum attraktiv wird und dass leer stehende Gebäude dort auch genutzt werden. Es nützt nichts, wenn wir in Jena kein Bauland mehr haben und die Baulandpreise explodieren und wir drum herum im Ostthüringer Raum leere Gebäude haben, in Dörfern leere Objekte, die wir einfach einbinden müssen. Da ist die Frage, über die wir wieder als Zukunftsthema gemeinsam reden müssen: Mobilitätsgarantie. Deswegen sage ich mal: Was wäre denn so verwerflich daran, mal über eine Landesverkehrsgesellschaft nachzudenken, eine Landeseisenbahngesellschaft, welche die Transportaufgaben in Thüringen für Thüringen erledigt?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)