Protokoll der Sitzung vom 10.06.2022

Ganz zu schweigen von den üppigen Forderungen in den Haushaltsberatungen, die ohne Einnahmen schlicht nicht finanzierbar sind. Die Wahrheit ist: Sie wollen hier einfach eine politische Nummer drehen und Steuergeschenke verteilen – nichts anderes. Das hat aber mit solider Haushaltspolitik nichts zu tun. Ausgeglichen und sozial ist es schon gleich gar nicht. Es ist am bitteren Ende wirklich ein sehr schlechtes Rezept. Besonders schal wird es aber

wieder erst im Abgang schmecken, wenn ich sehe, auf welche Stimmen FDP und CDU hier wieder schielen, um diese rein politische Suppe durchzudrücken, und das ist ganz offensichtlich. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Merz. Für die CDUFraktion hat jetzt Abgeordneter Kowalleck das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema einer familienfreundlichen Reform der Grunderwerbsteuer beschäftigt uns als CDU-Fraktion schon seit vielen Jahren. Die aktuelle Situation mit den steigenden Immobilienpreisen, den Baupreisen verschärft aktuell die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Für viele Familien rückt der Traum vom eigenen Haus auch aufgrund der hohen Erwerbsnebenkosten in weite Ferne. Insbesondere der hohe Eigenkapitalbedarf erschwert den Zugang zum Wohneigentum. Alle Erwerbsnebenkosten wie Maklerkosten, Notarkosten, Grundbuchkosten und nicht zuletzt die Grunderwerbsteuer liegen in Deutschland auf sehr hohem Niveau. Besonders sticht dabei die Grunderwerbsteuer heraus, die nicht nur in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, sondern über kumulative Effekte, Besteuerung des Grundstückskaufs und Besteuerung der Immobilie den Neubau belastet. In Thüringen liegt die Grunderwerbsteuer auf einem Rekordwert von 6,5 Prozent, während in unseren Nachbarländern – zum Beispiel in Sachsen und Bayern – nur 3,5 Prozent fällig werden. Hier wollen wir mit unserer Initiative ansetzen.

Die Anhörung im Haushalts- und Finanzausschuss hat gezeigt, dass es zahlreiche Hinweise und unterschiedliche Herangehensweisen zum Thema gibt. Ich verstehe an dieser Stelle auch nicht, warum gerade die SPD – an der Stelle Frau Merz – nicht ihre sozialpolitische Verantwortung wahrnimmt. Frau Merz, wenn Sie hier von einem Betrag von 8.000 Euro sprechen, dann ist das sehr viel Geld für die Leute da draußen. Ich möchte an dieser Stelle auch noch mal sagen: Gerade wenn Sie ein Haus bauen, dann haben Sie nicht mit einer Grunderwerbsteuer von 8.000 Euro zu tun, sondern – als Beispiel – bei einem Kaufpreis von 300.000 Euro müssen Sie 19.500 Euro an Grunderwerbsteuer bezahlen. Das ist schon eine Stange

Geld und gerade Familien können dieses Geld gut gebrauchen und anderweitig nutzen.

(Beifall CDU)

An der Stelle verstehe ich auch gar nicht, dass Sie als SPD so gegen die Grunderwerbsteuer wettern, denn Ihr damaliger SPD-Vorsitzender Wolfgang Tiefensee hatte selbst den Vorschlag eingebracht und gesagt, die Grunderwerbsteuer müsse gesenkt werden. Heute will er vielleicht davon nichts wissen, wie auch Ihre Worte bezeugen. Aber letztendlich zeigt das auch, dass es in Ihren Reihen entsprechende Überlegungen und Bedenken zu der Höhe der Grunderwerbsteuer gab. Das müssen Sie sich dann auch noch mal überlegen und fragen lassen. Gerade die sozialpolitische Komponente ist auch wichtig und die Unterstützung von Familien. Da sollten wir auch nicht die Mieter und die zukünftigen Immobilieneigentümer gegeneinander ausspielen. Sondern es ist ja gerade ein Vorteil in Deutschland, wenn sich junge Familien, Familien Wohneigentum schaffen. Wir sehen das auch insbesondere in Thüringen. Wir wollen die Menschen hier halten und da ist es ein Weg, wenn Familien sagen: Wir wollen in unserer Heimat eine Immobilie kaufen oder ein Haus bauen oder eine Eigentumswohnung kaufen. Von daher sollten Sie sich Ihre Einstellung zu den Häuslebauern und den Immobilienkäufern noch mal insbesondere überlegen.

Meine Damen und Herren, wir haben den FDP-Gesetzentwurf auch schon in der ersten Beratung besprochen. Ich habe auch an dieser Stelle gesagt, uns hat da die familienpolitische Komponente gefehlt, deswegen haben wir diesen auch abgelehnt. Herr Kießling ist noch mal auf den AfD-Antrag eingegangen. Sie haben das alles hier sehr schöngeredet, aber am Ende müssen Sie zugeben, dass die fachlichen und die haushaltssystematischen Bedenken schon überwiegen. Deswegen haben wir auch gesagt: Wir können dem so nicht zustimmen. Auch gerade der Hinweis, die Finanzierung aus dem Wohnungsbauvermögen zu nehmen, das passt ja so nicht, da beißt sich die Katze wieder in den Schwanz. Von daher sollten Sie sich auch überlegen, inwieweit Sie da auf bessere Vorschläge eingehen.

Wir hatten ja die Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss. Da haben Sie unserem Änderungsantrag zugestimmt. Jetzt hörte sich das alles wieder ein wenig anders an. Aber ich sage mal, die Allianzen wechseln hier scheinbar. Wenn Sie diesen Argumenten nicht mehr zugänglich sind, dann müssen Sie das aber auch vor den Familien in Thüringen verantworten, wenn Sie sagen: Wir wollen andere Wege gehen. Wir haben unseren Vorschlag gemacht und diesen auch aufgrund der Beratung

(Abg. Merz)

im Haushalts- und Finanzausschuss geändert. Wir haben noch mal überlegt: Wie kann man gemeinsam hier vorangehen? Wir haben uns da mit der Gruppe der FDP auf einen Änderungsantrag geeinigt. Mit diesem soll die Landesregierung aufgefordert werden, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen mit dem Ziel, im Grunderwerbsteuergesetz für die Bundesländer eine Option zur Einführung von Freibeträgen für den Ersterwerb von selbst genutztem Wohneigentum zu verankern. Es wurde eben auch schon erwähnt: Der Freibetrag soll in diesem Fall auf 500.000 Euro erhöht werden, damit haben wir auch eine klare Summe. Ich habe vorhin noch mal darauf hingewiesen, dass gerade auch die Baupreise in Thüringen gestiegen sind. Auch auf diese Komponente müssen wir eingehen, auf die steigenden Preise. Ich denke, da ist es auch wichtig, dass wir entsprechend handeln. Im Vergleich zur Senkung des Grunderwerbsteuersatzes bietet der Freibetrag für den Ersterwerb von selbst genutztem Eigentum die größtmögliche Entlastung für Familien und hätte somit den stärksten Effekt auf die Wohneigentumsbildung.

(Beifall Gruppe der FDP)

In Kombination mit dem Baukindergeld und dem Kinder-Bauland-Bonus ist somit eine substanzielle Entlastung für die Thüringer Familien gewährleistet.

Meine Damen und Herren, das eigene Haus oder die eigene Wohnung sind mehr als nur Wohnraum. Sie sind Zuhause, Zukunftsinvestition und Altersvorsorge. Deshalb müssen sich auch Familien und Menschen mit normalem Einkommen Wohneigentum leisten können. Dafür setzen wir uns ein und deswegen haben wir diesen Änderungsantrag gemeinsam mit der FDP eingebracht. Danke schön.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Vielen Dank, Herr Kowalleck. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordneter Müller zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen und liebe Gäste, der Gesetzentwurf der FDP zur Absenkung der Grunderwerbsteuer stammt aus dem Juli letzten Jahres. Er wurde mitten in der Pandemie eingereicht – quasi zu einer Unzeit – und hätte damals wie auch heute nicht umgesetzt werden sollen und wird es vermutlich auch nicht. Aber löse ich mich vom Datum der Einreichung und wende mich der Begründung zum An

trag zu, habe ich meine begründeten Zweifel daran, ob die gewünschten Effekte tatsächlich auch so eintreten würden. Eine Absenkung um 3 Prozentpunkte hat beim Erwerb eines Grundstücks im ländlichen Raum nur geringe Auswirkungen – und diesen wollen Sie ja besonders unterstützen, wenn ich Ihren Antrag ernst nehme. Bei einem Grundstückspreis von durchschnittlich 80 Euro pro Quadratmeter – und das sind die groben Durchschnittswerte, manche Regionen haben deutlich niedrigere Grundstückswerte – und einem Grundstück von rund 1.000 Quadratmetern Größe beträgt die von Ihnen geplante Entlastung doch tatsächlich 2.400 Euro.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sie haben das Haus vergessen!)

Das Haus kann ich mit einem Architekten getrennt bauen und darauf entfällt eben keine Grunderwerbsteuer, Herr Kießling. Das sollten Sie sich irgendwann mal hinter die Stirn schreiben.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Bestands- gebäude!)

Liebe Kollegen der FDP, das kann doch nicht der Ansatz zur Alterssicherung oder zum Aufbau von Immobilienvermögen sein. Dann glauben Sie, dass durch diese Absenkung …

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP: Sie können auch ein bestehendes Ge- bäude kaufen!)

Herr Kemmerich, wenn hier einer krakeelt, dann sind Sie das.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie krakeelen von außen in meine Rede rein. Darüber haben Sie sich vorhin beschwert. Dann halten Sie sich an Ihre eigenen Maßstäbe und halten Sie bitte den Mund und hören Sie zu! Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP: Zwischenrufe sind erlaubt, Herr Müller!)

Dann glauben Sie, dass durch diese Absenkung die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Thüringen gesteigert wird. Auch diese Einschätzung teile ich nicht. Wir haben ein Fachkräfteproblem. Und wir haben ein Außenwahrnehmungsproblem und das sitzt hier rechts außen, heißt AfD und Höcke. Dort sitzen die Hemmnisse für Neuansiedlungen in Thüringen.

(Unruhe AfD)

Fremdenfeindlichkeit, gepaart mit Borniertheit, zieht weder Fachkräfte noch Investoren an.

(Abg. Kowalleck)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und auch das gleichen wir nicht mit einer Absenkung der Grunderwerbsteuer um 3 Prozentpunkte aus.

(Zwischenruf Abg. Aust, AfD: Für alles eine Erklärung!)

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur geplanten Gegenfinanzierung verlieren: Sie ist, gelinde gesagt, haarsträubend. Ich gehe davon aus, dass Sie sich mit der Systematik des Landeshaushalts vertraut gemacht haben, wobei ich da auch meine Zweifel habe. Es ist leider alles andere als seriös, wie Sie Ihre geplante Gegenfinanzierung in einem Gesetzentwurf ausführen. Mindereinnahmen von rund 95 Millionen Euro sollen durch Stellenabbau kompensiert werden. Sehr geehrter Herr Kollege, vielleicht verraten Sie uns noch mal ein bisschen genauer, wo Sie den Stellenabbau in der Thüringer Verwaltung mit sofortiger Wirkung stattfinden lassen wollen. Es hilft nicht ansatzweise, wenn Sie uns sagen: Theoretisch wäre es möglich, bis zum Jahre 2030 eine Zahl X an Personal einzusparen und dadurch eine Summe Y zur Verfügung zu haben. Vielmehr sollten Sie endlich anfangen, klar zu benennen, an welcher Stelle in Zukunft Personal zu gehen hat, auf welche Teile der Landesverwaltung wir verzichten wollen oder so ausdünnen, dass sie beispielsweise auch nicht mehr in der Lage ist, Bauanträge zu unterstützen. Und hier möchte ich tatsächlich mehr Genauigkeit von Ihnen haben.

In Ihrer Begründung wiederum gehen Sie auf die Gegenfinanzierung aus dem Personalabbau überhaupt nicht mehr ein, sondern vermuten, dass durch die Steigerung der Zahl von Grundstücksankäufen ein Teil der Mindereinnahmen wieder kompensiert werden könnte. Und ganz ehrlich, da frage ich mich, was Sie denn nun eigentlich wollen.

Im Übrigen durfte ich mich auch mit den anderen Anträgen von Ihnen beschäftigen und habe da noch mal ein besonderes Fundstück mitgebracht – in dem auch hier im Plenum behandelten Antrag zum Update im öffentlichen Dienst. Da fordern Sie mehr Personal. Gut, der Antrag liegt jetzt schon ein bisschen länger zurück, vielleicht haben Sie diesen Ansatz auch revidiert, dann mag das so sein. Aber das ist weder souverän noch nachvollziehbar und auch nicht als Grundlage zu verstehen. Und nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Diese Führungskräfteakademie kann schon eine tolle Sache sein und ich kann mir sowas sogar vorstellen. Allerdings klingt eine solche Akademie nicht sofort nach Stellenabbau, sondern eher umgekehrt nach mehr Personal. Dass das mittelfristig dann vielleicht auch

durch eine bessere Aus- und Fortbildung zu weniger Personal im öffentlichen Dienst führen kann, das kann man sich vielleicht vorstellen, vielleicht auch einen Teil der Gegenfinanzierung Ihrer Ein sparoptionen.

Noch ein Satz zum Antrag der AfD. Ganz ehrlich: Sie wollen die an das Land gehenden Steuereinnahmen durch die Mittel des Landes ersetzen. Das finde ich eine total spannende Finanzierungsgrundlage. Linke Tasche raus, rechte Tasche rein, alles in Ordnung, Entlastung ist da. Perfekt. Meine Kollegin hatte eben schon mal ganz kurz aufgeführt, wofür eigentlich Steuereinnahmen sind, dass sie nicht zweckgebunden sind. Ich glaube, dass diese Form von Entlastung keine wirkliche Entlastung ist, weil wir diese Mittel dann an anderer Stelle wieder rausholen müssen, um sie dem Sondervermögen zuzuführen, das ja eine gewisse Zweckbestimmung hat, nämlich Wohnungsbau – und zwar nicht privaten Wohnungsbau, sondern an dieser Stelle eine andere Form von gefördertem Wohnungsbau.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Soziale Wohnungsbaufonds sind von Ihnen abge- lehnt worden!)

Und, liebe CDU-Kollegen und FDP, Ihr gemeinsa- mer Änderungsantrag hat, glaube ich, einen systematischen Fehler. Unter 2. formulieren Sie – und da zitiere ich einmal –, „dass im Rahmen der Umsetzung der Freibetrag für den Ersterwerb von Wohneigentum in Thüringen 500.000 Euro betragen soll; dieser wird auch angerechnet, wenn der Wert der Immobilie 500.000 Euro übersteigt.“ Das hätte ich gern mal von Ihnen erklärt bekommen. Denn das, was Sie hier aufgeschrieben haben, würde bedeuten, dass diese 500.000 Euro die Steuersumme sind. Und wenn ich das umrechne, heißt das, dass ich bei rund 7 Millionen Immobilien, Grundstücken eine Steuerfreiheit bekomme. Entweder wollten Sie das nicht, dann ist dieser Antrag einfach Murks und schlecht geschrieben. Dann würde ich Ihnen empfehlen: Ziehen Sie den zurück, bringen Sie den neu ein, dann können wir vielleicht noch einmal darüber reden.

(Beifall SPD)

Aber so nicht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. Jetzt hat sich für die Fraktion Die Linke der Kollege Hande noch mal zu Wort gemeldet.

(Abg. Müller)

Vielen Dank, Herr Präsident. Eingangs möchte ich noch mal erwähnen: In der Berichterstattung hat Kollege Kowalleck vergessen zu erwähnen – wenn ich es nicht überhört habe –, dass die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss Ablehnung heißt.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Habe ich gesagt! Das kann man im Protokoll nachle- sen!)