Protokoll der Sitzung vom 22.09.2022

Nicht immer ist These, Antithese, Synthese stringent. Deswegen: Wir brauchen einen Verfassungsschutz, der eben hier unsere freiheitliche demokra

(Abg. Henfling)

tische Grundordnung sicherstellt und unsere Demokratie schützt.

(Beifall Gruppe der FDP)

Und wir brauchen eine wirksame Kontrolle dieses Instruments, weil der Verfassungsschutz – und das liegt ihm in seiner Funktionsweise inne – über Mittel verfügt, die im Allgemeinen der Frage der beispielsweise richterlichen Vorbehalte der polizeilichen Arbeit entzogen sind und teilweise tief in die Grundrechte eingreifen. Deswegen ist es wichtig, dass das, was dieser Verfassungsschutz tut, durch uns, die gewählten Mitglieder dieses Hauses, auch adäquat kontrolliert werden können muss. Wir haben gemerkt, in diesem Haus sind die politischen Verhältnisse eben so, dass die aktuelle ParlKK eben nicht arbeitsfähig ist. Deswegen gab es ein Mediationsverfahren, an dessen Ende nach vielen Sitzungen – wenn ich das so sagen darf – ein Vorschlag hier in diesen Gesetzentwurf Eingang gefunden hat, der am Ende des Tages auch durchaus hätte schneller hier im Hohen Haus landen können. Eigentlich war auch abgesprochen, um auch hier noch mal dieser Vorlage aus NRW die notwendige Breite an Unterstützung vorab zu signalisieren, dass das durch mehrere Fraktionen getan wird und nicht durch die Regierungsfraktionen allein. Das ist nicht zustande gekommen – warum auch immer, das kann ich Ihnen nicht sagen. Das ändert aber nichts daran, dass die Möglichkeit, die damit geschaffen wird, aus unserer Sicht eine ist, die die Arbeitssicherheit und die Arbeitsmöglichkeit der ParlKK zukünftig wird sicherstellen können. Insofern freuen auch wir uns auf die Debatte dazu im Ausschuss. Grundsätzlich kann ich Ihnen aber jetzt schon die Unterstützung der Freien Demokraten zu dieser Novellierung zusagen. Vielen Dank.

(Beifall Gruppe der FDP)

Vielen Dank. Als Nächstes erhält Abgeordneter Braga für die AfD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werte Besucher auf der Tribüne, über die Besetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission unterhalten wir uns hier im Landtag schon seit geraumer Zeit, nicht nur am heutigen Tag – schon am Vormittag war das im Rahmen des Berichts der Parlamentarischen Kontrollkommission, die noch von der vergangenen Legislaturperiode im Amt ist, Thema –, sondern auch im Zusammenhang mit den Wahlen, mit den Wahlverfahren, die wir in den vergangenen Monaten und Jahren durchgeführt haben.

Ursache dafür – das wurde schon geschildert, gleichwohl will ich unsere Sichtweise dazu auch noch ausführen – ist die Tatsache, dass die Kandidaten meiner Fraktion zur Besetzung der ursprünglichen zwei Sitze, inzwischen eines Sitzes in dieser Kommission, für die der AfD aufgrund ihrer Größe das Vorschlagsrecht nach der bisherigen Fassung des Verfassungsschutzgesetzes zusteht, keine Mehrheit im Landtag finden konnten. Inzwischen standen – das hat mein Kollege Möller heute am Vormittag auch bereits ausgeführt – 23 verschiedene Mitglieder des Landtags auf Vorschlag meiner Fraktion zur Wahl. Es fanden abzüglich des am heutigen Nachmittag noch durchzuführenden Wahlgangs bereits 66 Wahlgänge statt. Zu keinem Wahlgang erhielt ein von der AfD-Fraktion vorgeschlagener Kandidat die Mehrheit.

Als Frau Landtagspräsidentin im Oktober 2020 ihre Absicht zur Kenntnis gab, die Kontrollkommission mit den drei bis dahin gewählten Mitgliedern trotz der noch zwei offenen, also zu besetzenden Sitze zu konstituieren, zog meine Fraktion vor den Verfassungsgerichtshof in Weimar, um diese Konstituierung unter Verletzung der Minderheitsrechte der Opposition im Landtag zu verhindern. Und wir waren erfolgreich. Das Verfassungsgericht stellte mit Entscheidung vom 14. Oktober fest – das wurde auch schon ausgeführt –, dass dem Thüringer Landtag, vertreten eben durch die Präsidentin, untersagt wird, die Parlamentarische Kontrollkommission zu konstituieren, bevor der Landtag nicht durch geeignete verfahrensmäßige Vorkehrungen, etwa im Rahmen eines formellen oder informellen Verständigungsverfahrens, sichergestellt hat, dass Wahlvorschläge der Antragstellerin, also meiner Fraktion, nicht aus sachwidrigen Gründen abgelehnt werden.

Nach einigem Hin und Her wurde vor etwas mehr als einem Jahr, nämlich im Juni 2021, ein sogenanntes Moderationsverfahren unter Hinzuziehung eines externen Moderators initiiert. Recht schnell stellte sich heraus, dass dieses Verfahren den Anforderungen der vorhin zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom Oktober 2020 nicht gerecht werden konnte und auch nicht sollte.

(Beifall AfD)

Zu keinem Zeitpunkt war es nämlich Gegenstand dieses Moderationsverfahrens, sicherzustellen, dass Wahlvorschläge meiner Fraktion nicht aus sachwidrigen Gründen abgelehnt werden, wie es Weimar verlangt hatte – ganz und gar nicht. Vielmehr gaben sich alle Teilnehmer dieser durchaus gesitteten und angenehmen Gesprächsrunden scheinbar damit zufrieden, dass in verschiedenen Varianten im Wesentlichen immer wieder

(Abg. Montag)

das Gleiche vorgetragen wurde, nämlich dass es für die restlichen Fraktionen dieses Hauses – zwar in verschiedenem Maße, aber aus grundsätzlichen Erwägungen – gleichwohl nicht in Frage kommt, einen Kandidaten der AfD für die Überwachung der Verfassungsschutzarbeit zu wählen. Bemühungen um eine Antwort auf die Frage, ob hierfür auch Gründe vorliegen, die den recht deutlich formulierten Ansprüchen des Verfassungsgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2020 gerecht werden, also auch nicht sachwidrig sind, wie schon des Öfteren hier vorgetragen, gab es keine und zu keinem Zeitpunkt in diesem Moderationsverfahren.

Ich darf daran erinnern, dass Weimar bereits in der Entscheidung auch als bemerkenswert deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Landtag festgestellt hatte, dass weder der Verweis auf das Mehrheitsprinzip noch das freie Mandat des Abgeordneten rechtfertige, geeigneten und vertrauenswürdigen Abgeordneten einer Fraktion die Wahl zu versagen, nur weil sie als vermeintlich außerhalb des demokratischen Spektrums stehende politische Gegner begriffen werden, und dass, wenn die anderen Fraktionen gleichwohl die Wahl verweigerten und die Kommission einseitig besetzten, sie missbräuchlich verfahren würden, wie es auch das Bundesverfassungsgericht bereits 1986 festgestellt hat. Denn die Freiheit des Mandats, auf die hier auch schon eingegangen wurde, wonach die Abgeordneten des Landtags nur ihrem Gewissen verpflichtet und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden seien, nach landläufiger Auffassung – und das stellte sich auch in einigen Reden hier heraus –, also guten Gewissens, die Opposition in dieser Art und Weise „ausgrenzen“ dürften, das wäre der Begriff, den wir da verwenden würden als AfD-Fraktion, eben nicht von der verfassungsrechtlichen Bindung das Recht der Fraktion auf formale Chancengleichheit und Zugang zu allen parlamentarischen Verfahren und allen Gremien zu respektieren.

(Beifall AfD)

Die Mehrheit dieses Landtags verhält sich also objektiv feststellbar rechtswidrig und das, so muss ich leider annehmen, durchaus bewusst, denn die Entscheidung aus Weimar, die in einer Reihe steht mit Rechtsprechung aus Karlsruhe, aber auch durch verschiedene Landesverfassungsgerichte, dürfte jeder, der sich mit der Thematik befasst hat, zur Kenntnis genommen haben. Was wir heute also erleben, und das hat mein Kollege Möller gegenüber der Presse zutreffenderweise festgestellt, ist der Versuch, die aktuelle rechtswidrige Ausgrenzung der AfD aus der Kontrolle des Verfassungsschutzes im Gesetz festzuschreiben. Man passt also das

Recht an eine bisherige rechtswidrige Praxis an, was an und für sich bereits legislatives Unrecht ist, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen jedenfalls kaum vereinbar.

(Beifall AfD)

In diesem Zusammenhang, Herr Walk, darf ich auf Ihre Rede eingehen. Es ist völlig abwegig, Ihrerseits meinem Kollegen Möller zu unterstellen, er habe die Gewaltenteilung infrage gestellt. Ganz im Gegenteil. Er hat richtigerweise festgestellt, dass die Richterwahl in diesem Land, insbesondere im Verfassungsgerichtshof, in hohem Maße politisch beeinflusst ist. Und das stellt sich doch auch daran heraus, dass in der Presse offen beispielsweise darüber debattiert wird, wie verschiedene Fraktionen in diesem Hause sich über diese Besetzung der Verfassungsgerichtsposition verständigt haben. Das mag man auch so für gut und für richtig halten, das auch so praktizieren, aber zu sagen, die Politik beeinflusse die Besetzung dieser Richterstellen nicht, ist doch völlig abwegig.

(Beifall AfD)

Also Ihrerseits ist das abwegig.

Lassen Sie mich aber noch einmal auf das Mediationsverfahren eingehen. Besonders perfide ist dabei dieser ständige Versuch, der unternommen wird, dieses Gesetz eben als Ergebnis dieser ach so unabhängigen Mediation darzustellen, ganz so, als ob hier ernsthaft von einer Mediation in der Sache gesprochen werden könne. Die Bemühungen des Mediators in allen Ehren, aber eine Mediation ist die unparteiische Beratung und Vermittlung zwischen den Interessen verschiedener Akteure zur Bewältigung von Konflikten. Ganz in der Mitte wird man sich natürlich nie treffen können, insbesondere nicht in Fragen der Auslegung materiellen Rechts. Aber wenn eine Partei im Konflikt keinen einzigen Schritt, keine einzige Bewegung unternimmt, von ihrer verhärteten Position abzurücken, und die Position der anderen Partei im Streit genau gar nicht angetastet, berührt und geändert wird, dann kann hier von keiner Mediation, keiner aussöhnenden Vermittlung die Rede sein.

(Beifall AfD)

Es ist vielmehr die als externe und daher vermeintlich unabhängige Beratung getarnte Institutionalisierung des Unrechts, meine Damen und Herren, die Sie hier betreiben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ganz genau!)

(Beifall AfD)

Und wenn Sie hier vormachen, der Demokratie durch dieses Gesetz einen besonderen Dienst zu

erweisen, dann belügen Sie sich selbst und meines Erachtens täuschen Sie damit auch die Öffentlichkeit.

(Beifall AfD)

Darüber hinaus ist das Gesetz auch schlicht ungeeignet und höchst bedenklich in dem Regelungsvorschlag. Sie haben offenkundig übersehen, dass wir gerade die Ausnahmesituation leben, die eine solche Änderung des Verfassungsschutzgesetzes, wie sie hier vorgeschlagen wird, zur massiven Schwächung der Opposition werden lässt. Ich habe deshalb auch relativ wenig Verständnis für den Jubelsturm, insbesondere der FDP-Fraktion. Die Rede von Kollegen Montag fand ich etwas befremdlich. Wie gesagt, wenn im Verfassungsschutzgesetz zukünftig lediglich festgehalten werden soll, dass die parlamentarische Opposition im Landtag im Verhältnis ihrer Stärke vertreten sein muss. Nun gerade die laufende Legislaturperiode lässt doch aufgrund diverser Entwicklungen zumindest die Frage zu, was nun eigentlich regierungstragend, was nun eigentlich Opposition ist. Diese Dichotomie existiert doch fast gar nicht mehr.

(Beifall AfD)

Es hat sich in diesem Haus de facto eine Zweidrittelmehrheit gefunden, wovon aber nur eine knappe Minderheit in der Tat die Regierungsmitglieder stellt. Es stellt sich aber bereits jetzt die Frage, was eigentlich Regierung, was eigentlich Opposition ist. Das Gesetz überlässt es jedenfalls den Mitgliedern dieses Hauses, eine unzulässige Einteilung vorzunehmen in eine staatstragende, eine genehme, eine akzeptierte Opposition und eine unangenehme, eine ungewollte und deshalb auszuschließende Opposition. Dieses Recht steht diesem Haus schlicht nicht zu. Sie steht dem Souverän zu.

(Beifall AfD)

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Braga.

Ich komme zum Schluss: Diese Einteilung steht dem Souverän zu, er übt sie aus durch seine Teilnahme an Wahlen und bestimmt damit die Zusammensetzung dieses Hauses. Dieses Haus hat nicht diese Einteilung vorzunehmen

Herr Braga, Ihre Redezeit ist zu Ende.

in akzeptierte und nicht akzeptierte Opposition. Dieses Gesetz ist abzulehnen, meine Damen und Herren. Vielen Dank und ich bitte um Entschuldigung für die Überschreitung der Redezeit.

(Beifall AfD)

Als Nächste erhält Abgeordnete Marx für die Fraktion der SPD das Wort.

Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir kommt es jetzt zu, die Krokodilstränen der AfD noch vor der Mittagspause abzuwischen. Also, dass das jetzt ein Gesetz sein soll, was sozusagen die AfD planvoll ausschließt und dass das der einzige Inhalt sein sollte, das widerspricht schon der Tatsache, dass sich die Regelung, die wir hier vorschlagen, eng anlehnt – fast wortgleich – an die, die schon seit Jahren in Nordrhein-Westfalen bei der Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission gültig ist und dort als tauglich befunden wurde, um die Rechte des Parlaments entsprechend abzubilden. Sie haben gesagt, es gäbe immer wieder pauschale unbegründete Ablehnung Ihrer Abgeordneten, die Sie zur Wahl vorgeschlagen hätten, in den insgesamt 66 Wahlgängen. Wir waren ja alle dabei. Wenn Sie sich das alles noch mal anschauen, dann haben Sie sehr wohl gesehen, dass die Stimmergebnisse bei den verschiedensten Kandidaturen verschiedenster Kandidatinnen und Kandidaten sehr unterschiedlich ausgefallen sind, sodass davon also nicht die Rede sein kann.

Wir haben ein Spannungsfeld zwischen dem individuellen Wahlrecht jedes einzelnen Abgeordneten hier in diesem Hause und eben dem Besetzungsrecht, das nach dem bisherigen Verfahren streng formal an der Größe der hier im Haus vertretenen Fraktionen ausgerichtet war. Dass man das auch anders machen kann, lehrt das Beispiel aus Nordrhein-Westfalen und deswegen ist es jetzt eben nicht so, dass wir hier eine politische Ausgrenzung vornehmen.

Sie haben dann natürlich wieder gesagt, hier herrsche politische Willkür und es hätte niemand irgendwie ernsthaft belegen können, worin die Unzuverlässigkeit Ihrer Kandidatinnen und Kandidaten bestehen soll. Also ich will nur mal sagen: Heute Morgen, bei dem Punkt, als es um den Bericht ging, hat sich Ihre Fraktion gerühmt, dass Ihnen interne E-Mails aus dem Amt für Verfassungsschutz vorlie

(Abg. Braga)

gen würden. Allein das ist schon mal ein Grund, ein Fragezeichen zu machen, wenn jemand von Ihnen in so eine Kommission rein möchte.

(Zwischenruf Abg. Braga, AfD: Das haben wir zugeschickt bekommen – von den Mitar- beitern selbst!)

Ich will nur sagen …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Auch wir ha- ben unsere Quellen!)

Ja, Sie haben Ihre Quellen, das wundert mich nicht, aber es darf Sie dann auch nicht erstaunen, wenn wir gewisse Vorbehalte haben, in der Art und Weise, wie Sie hier Ihr Mandat wahrnehmen.

(Beifall SPD)