Protokoll der Sitzung vom 11.11.2022

Frau Abgeordnete Wahl hat sich zu Wort gemeldet. Bitte.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen und auch Zuschauerinnen auf der Tribüne und am Livestream, wir starten heute mit der Debatte und haben hier schon wieder einige schwierige Sachen gehört – fernab von der Realität. Deshalb will ich noch mal mit ein paar grundsätzlichen Feststellungen zur Energiepolitik beginnen.

Es fiel schon das Wort „Kohle“. Warum steigen wir aus der Kohle aus? Das hat einen ganz einfachen Grund. Es gibt eine Klimakrise, diese Klimakrise ist wissenschaftlich unbestritten und

(Unruhe AfD)

Kohle ist eben einer der Energieträger, der am meisten CO2-Emmission verursacht. Man kann diese Klimakrise negieren, aber da sage ich Ihnen ganz deutlich: Wissenschaftliche Fakten sind nicht verhandelbar. Auch wenn man sie ignoriert, sie wird kommen und sie wird uns alle treffen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Thema „Atomkraft“ kam schon wieder. Warum steigt Deutschland aus der Atomkraft aus? Ich glaube, es gibt zwei eindeutige Gründe. Der eine ist: Sicher ist und bleibt bei dieser Technologie nur das Risiko – Stichwort Fukushima, Stichwort Tschernobyl. Und wir sprechen regelmäßig im Umweltausschuss über das Thema „Endlagersuche“. Deutschland ist gerade auf der Suche nach einem Lager, wo wir diese hochgefährlichen Stoffe für sage und schreibe 1 Million Jahre lagern müssen, was zeigt, womit wir es zu tun haben. Gerade erst gestern kam übrigens die Meldung, dass sich diese Endlagersuche weiter nach hinten verschieben wird. Das heißt, diese Technologie schafft nur Müll an, für die wir keine Lösung haben. Es ist gut, dass wir da auch aussteigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Punkt, Thema „Erdgas“. Ja, da haben Sie recht, Thüringen ist hoch abhängig vom Erdgas. Aber was ist Ihre Perspektive? Nord Stream 2, das

Loch wieder zuzumachen, damit da wieder Gas kommt und wir auf immer und ewig in dieser Abhängigkeit bleiben? Das ist die positive Sache – neben vielen anderen –, dass nur die erneuerbaren Energien wirklich die Möglichkeit bieten, dass Thüringen energieunabhängig wird. Was wir dabei übrigens auch zeitgleich noch mitbekommen, ist nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch ein wirtschaftlicher Standortfaktor, weil die Unternehmen mittlerweile ganz gezielt dorthin gehen, wo sie klimaneutrale Energieversorgung haben, und wir schaffen Wertschöpfung, wir schaffen Arbeitsplätze hier in Thüringen. Sie wollen auf ewig, dass Thüringen von Russland abhängig bleibt. Das kann man machen, ist aber auch keine nach vorn gerichtete, politisch sinnvolle Idee.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Punkt ist: Ich glaube, was ich gerade gesagt habe, ist in Vielem gerade im wissenschaftlichen Diskurs relativ unbestritten. Man kann natürlich über den Weg streiten, wie wir zur Klimaneutralität kommen. Aber was mir wirklich Sorgen macht – und deswegen bin ich auch noch mal nach vorn gekommen –, Herr Gottweiss, ist – Sie haben das schon im letzten Plenum begonnen –, dass Sie der Meinung sind, man könne ernsthaft mit dieser Fraktion hier diskutieren. Ich habe schon gestern versucht, das deutlich zu machen: Was Sie hier gerade machen, ist, immer wieder rechte Argumente zu legitimieren und diese Brandmauer nach rechts, über die wir eigentlich mal gesprochen hatten, regelmäßig einzureißen. Warum?

(Unruhe CDU, Gruppe der BfTh)

Ich glaube, wir wollen alle einen demokratischen Diskurs. Zu einem demokratischen Diskurs, damit er sinnvoll geführt werden kann, gehört aber, dass man grundlegende Fakten anerkennt.

Mäßigen Sie sich bitte und lassen Sie die Abgeordnete reden!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben hier rechts eine Fraktion sitzen, die – das haben wir in diesem Plenum schon gehört – das Existenzrecht der Ukraine zum Beispiel regelmäßig aberkennt,

(Zwischenruf Abg. Aust, AfD: Stimmt doch überhaupt nicht!)

übelsten Rassismus schürt, Menschen zu anderen erklärt. Erst letzte Woche hat der Vorsitzende die

(Abg. Bergner)

ser Fraktion erklärt, dass sie das Establishment jagen will. Ich glaube, es ist für alle klar, mit was für einer Fraktion wir es hier zu tun haben. Herr Gottweiss, da plötzlich Argumente ernst zu nehmen, weil sie gemäßigt daherkommen – ich weiß nicht, was Sie sich davon erhoffen. Ich glaube, es wäre gut, dass wir in diesem Thüringer Landtag endlich anerkennen, dass wissenschaftliche Fakten nicht verhandelbar sind und wir über das Wie entscheiden sollten, wie wir damit umgehen und weiter vorankommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen noch eine abschließende Bemerkung: Es gab gestern ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht zum Thema „Windenergie im Wald“. Ich fand es tatsächlich erstaunlich, wie schnell doch einige Fraktionen – und auch die demokratischen – erklärt haben, dass es gar nicht so relevant war, dass man trotzdem bei seiner Position bleibt. Ich glaube, wenn ein höchstrichterliches Urteil kommt, dann täte es auch gut, sich einmal kurz zurückzulehnen und darüber nachzudenken, wie man damit umgeht. Und ein Satz in diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Thema „Windenergie im Wald“ hieß, dass die Windenergie „einen faktisch unverzichtbaren Beitrag“ zum Thema „Klimaschutz“ leistet.

(Zwischenruf aus der Fraktion der AfD: Aber nicht in Thüringen!)

Das sind diese Fakten, die wir ernst nehmen sollten, die sich nicht negieren lassen. Darüber sollten wir in den Diskurs kommen, anstatt uns ständig irgendwie über – es fiel das Wort – „Blödsinn“ zu unterhalten und diese Diskursverschiebung weiter zu befeuern. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Gleichmann. Bitte schön, Sie haben das Wort für die Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream und hier im Plenarsaal des Thüringer Landtags, als Erstes muss man vielleicht doch noch mal mit der Feststellung beginnen, dass wir als größte Herausforderung im 21. Jahrhundert den Klimawandel haben und diesem auch aktiv begegnen müssen. Bei der aktuell stattfindenden Klimakonferenz in Ägypten wurde auch festgestellt, dass wir in den letzten acht

Jahren in den acht wärmsten Jahren der Wetteraufzeichnungen leben. Wenn sich der Trend fortsetzt – und da sind wir wieder bei dem Thema, an das weder die AfD noch die Bürger für Thüringen und leider scheinbar auch die CDU keinerlei Gedanken mehr verschwenden wollen – und wenn wir in dieser Entwicklung bleiben, werden wir innerhalb dieses Jahrhunderts – wir werden das noch miterleben, zumindest meine Generation und die Generation, die jetzt dafür auf der Tribüne sitzt – einen Klimawandel haben, der in einem Teil der Welt dazu führt, dass Gebiete aufgrund der hohen Temperaturen unbewohnbar sind. Wir werden dann eine Fluchtbewegung von Klimaflüchtlingen haben, die natürlich auch nach Norden drückt, zu uns kommt. Wir wissen bei der aktuellen Fluchtbewegung schon, wie überfordert teilweise unsere Systeme sind. Wir können also davon ausgehen, dass diese Fluchtbewegung weder sozial noch friedlich abgehen wird. Insofern frage ich mich noch, wo die Lösungen der konservativ rechten Fraktion hier im Landtag sind.

Aber zurück zum Antrag. „Allgemeinplätze“ wurde schon gesagt. Ich frage mich nur, Herr Gottweiss, wenn Sie schon feststellen, dass der Antrag der AfD quasi wieder populistischer Quatsch ist wie immer, warum Sie dann nicht sagen, wir lehnen den ab, denn das gehört dann irgendwie politisch auch dazu. Sondern Sie sagen, die CDU wird sich enthalten. Ich weiß nicht, haben Sie vielleicht gestern die krachende Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht mit Ihrem Waldgesetz noch nicht verkraftet? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Linie ist, die energiepolitisch irgendwie nachzuvollziehen ist. Sie kriegen doch auch die Schreiben, die wir von Unternehmerinnen und Unternehmern wie zum Beispiel vom Stahlwerk Unterwellenborn, bekommen,

(Beifall DIE LINKE)

die uns, den Landtag, auffordern, es endlich möglich zu machen, dass im Umfeld Windkraftanlagen gebaut werden können, damit Gas und Energie günstiger substituiert werden können. Da war es ein ganz wichtiger Punkt, Windkraft im Wald auch möglich zu machen. Ich weiß, Sie sehen sich auch immer und auch die Gruppe der FDP sieht sich immer als Wirtschaftspartei. Ignorieren Sie diese Unternehmen und diese Fragen einfach? Ignorieren Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer im TRIDELTA CAMPUS HERMSDORF, die sich auf den Weg machen und sagen: Wir brauchen erneuerbare Energie im Umfeld, wir brauchen Windkraft, wir schaffen das dann auch gemeinsam, so viel wie möglich fossiler Energien zu substituieren. Was sagen Sie diesen Unternehmerinnen und Unterneh

(Abg. Wahl)

mern? Sie sagen Ihnen hier bei solchen Anträgen wie von der AfD, was komplett rückwärtsgewandt ist: Ja, wir enthalten uns mal. Das ist doch ein Zeichen, das sollte hier von dem Landtag, von den demokratischen Fraktionen nicht ausgehen.

Ich möchte noch was ergänzen, was Kollege Möller gesagt hat, Transformationsfonds, der im Sondervermögen steht, die 30 Millionen Euro: Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam mit einer Mehrheit relativ schnell zu einer Freigabe der Mittel kommen würden,

(Beifall DIE LINKE)

damit sie relativ schnell auch in den Unternehmen zur Planung genutzt werden können und natürlich auch zur Auszahlung kommen, um die Transformation zu ermöglichen.

Ansonsten auch noch mal, Frau Dr. Bergner, ich verstehe es wirklich – ich hatte es gestern schon gesagt –, die Firma, die Sie selbst in Jena aufgebaut haben. Sie erzählen, dass der Mittelstand und die Unternehmen irgendwie vor dem totalen Zusammenbruch stehen, dabei investiert gerade Ihre Firma in einen neuen Produktionsstandort.

(Zwischenruf Abg. Dr. Bergner, Gruppe der BfTh: Sie verstehen nichts, weil Sie nie Ver- antwortung übernommen haben!)

Das Interessante ist: Die Firma baut natürlich auf erneuerbare Energien, denn das komplette Dach – zumindest ist der Vorschlag so, wie er in der Zeitung stand – ist mit PV-Anlagen verbaut. Das ist sehr gut, sehr positiv. Das zeigt auch, dass erneuerbare Energien nicht nur notwendig sind, um dem Klimawandel zu begegnen, sondern auch wirtschaftlich rentabel sind und mittlerweile auch gar keine Subventionierung mehr durch Fördermittel brauchen, um sich wirtschaftlich darzustellen. Insofern sind Ihre Aussagen hier immer komplett entgegengesetzt zu dem, was Ihr eigener Bereich an anderer Stelle macht.

Bei dem Thema – ich sage mal – Probleme bei Windkraftanlagen zu suchen, da muss ich aber auch noch mal zur FDP schauen. Gerade Ihr Antrag war es doch, der tatsächlich ähnlich wie bei der AfD das Schutzgas FS6 thematisiert hat. Dabei ist es doch relativ klar, dass dieses Schutzgas zum einen in Elektroinstallationen und zum anderen in Schallschutzfenstern drin ist. Diese unerwünschte Emission dieses klimaschädlichen, aber trotzdem technisch sinnvollen Gases kommt vor allen Dingen 80 Prozent aus dem Recycling von Schallschutzfenstern. Da frage ich mich, Sie suchen doch auch immer genau den Punkt, der bei Windkraftanlagen schlecht ist oder problematisch sein könnte. Dabei

gibt es den in den gesamten Wirtschafts- und Lebensbereichen auch. Dieses Herauspicken von Negativpunkten ist wirklich gefährlich. Wenn Sie das bei der Atomkraft genauso machen würden, dann würden wir gar nicht fertig werden mit Anträgen, um gewisse Schwachstellen der Kernkraft zu sehen. Es gab mal eine Kalkulation – es gibt ja keine Versicherung für Kernkraftwerke; es gibt keine Versicherungsagentur der Welt, die ein Kernkraftwerk versichern würde –, es gab aber mal eine Rechnung, wie so eine Versicherungspolice aussehen würde. Die würde im Jahr 27 Milliarden Euro kosten – pro Atomkraftwerk. Das ist schon eine spannende Police. Und die Versicherungsfirmen kalkulieren ja Schaden ein. Insofern: Wenn Sie bereit sind, diesen Preis zu zahlen, dann könnte man sagen, rein monetär wäre dann vielleicht Atomkraft auch darzustellen. Aber dann wäre es natürlich das, was es jetzt schon ist: die teuerste Art und Weise, Strom zu gewinnen, wenn man die Folgekosten mit einrechnet und nicht einfach vergesellschaftet. Aber dabei, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu vergesellschaften, sind die neoliberalen Parteien auch in den letzten Jahren immer voll dabei gewesen.

Noch ein Punkt, weil es wirklich grotesk ist: Es kam von der AfD und da bin ich fast der „BILD“-Zeitung mal dankbar, aber das sage ich wirklich nur in Klammern: Ich finde es schon eine interessante Posse, dass Sie sich hier im Thüringer Landtag quasi aus Steuermitteln Ölradiatoren kaufen, um Ihre Büros höher zu beheizen als 19 Grad, anstatt andere Mittel zu nutzen oder wie wir einfach diese 19 Grad auszuhalten.

(Unruhe AfD)

Nein, Sie wollen sich quasi besserstellen. Und dann vergessen Sie, dass Sie diese Ölradiatoren gar nicht anschließen können, weil der Brandschutz das nicht gewährleisten kann. Das ist auch wieder eine interessante Posse, die zeigt: Die AfD kann keine Zusammenhänge sehen und am Ende fehlt es an Konzepten. Und – das hat mich wirklich hier vorgetrieben –, dass die CDU dann sagt, sie wisse, dass die AfD keine Lösung anbietet, aber sie stimme nicht gegen unsinnige Anträge, sondern enthalte sich, vielleicht aus irgendeinem neuen politischen Kalkül, das ist wirklich schlimm und das lässt uns auch für die Zukunft nichts Positives hoffen.

Wir bleiben aber positiv. Wir wollen einen Energiewandel in Thüringen, wir wollen die Energiewende in Thüringen. Wir treiben sie voran. Wir wollen einen Energiemix. Und ich hatte es vorgestern schon gesagt: Diese 2 Milliarden Euro – wahrscheinlich sind es mittlerweile durch die Inflation mehr –, die Thüringen jedes Jahr als Wertschöpfung verloren

gehen, weil wir Energie kaufen müssen, importieren müssen, die wären doch viel besser in unserem eigenen Land eingesetzt, wenn wir es schaffen – und es ist möglich –, diese Energie vor Ort hier klimaneutral zu produzieren. Dann haben wir nicht nur für die Umwelt einen Beitrag geleistet, dann haben wir auch 2 Milliarden Euro mehr als Wertschöpfung in unserem eigenen Land. Das ist doch ein gutes Ziel, wofür wir klimapolitisch und auch wirtschaftlich kämpfen müssen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Hier wurden weitere Wortmeldungen angezeigt, zunächst für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Gottweiss, danach für die Gruppe der FDP Herr Bergner.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt sagen Sie uns wie- der, warum Sie es nicht so gemeint haben!)

Nein, Frau Henfling, ich sage nicht, warum ich es nicht so gemeint habe, sondern, dass ich das eben nicht gesagt habe.