Protokoll der Sitzung vom 11.11.2022

Für die Gruppe Bürger für Thüringen erhält Frau Abgeordnete Dr. Bergner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, liebe Damen und Herren im Zuschauerraum und am Livestream, Versorgungssicherheit ist ein Grundrecht der Bürger und die erste Pflicht der Regierung. Fakt ist: Dafür brauchen wir neben

volatilen erneuerbaren Energiequellen auch grundlastfähige Quellen und Speicher. Fakt ist auch: Ein Konzept hierfür fehlt den Regierenden. Auf die Gefahr mich zu wiederholen: Man kann nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt, bevor ein anderer, auf den man springen könnte, gewachsen ist. Die Regierung macht es aber. Deutschland als zweitgrößter Erdgasimporteur der Welt, wovon über die Hälfte aus Russland kam, kann nicht per Fingerschnipsen darauf verzichten. Selbst wenn das eine Fehlentscheidung in der Vergangenheit war, braucht es bezahlbare und ökologische Lösungen. Frackinggas aus anderen Ländern, wo wir nicht wissen, wie umwelt- und klimaverträglich gefördert wird, ist nicht die Lösung.

Diese Politik vernichtet auch den Industriestandort Deutschland und unseren Mittelstand auch in Thüringen. In vielen Betrieben und Konzernen ist die Entscheidung schon gefallen: Firma schließen, Insolvenz anmelden oder Deutschland und Europa den Rücken kehren. Die Produktion läuft weiter, nur halt nicht in Deutschland. Ob dabei weniger CO2 in die Luft entweicht, was weltweit wichtig wäre, wage ich zu bezweifeln.

Die sozialen Spannungen in unserem Land wachsen. Da sind Sondervermögen nur ein kurzfristiger Tropfen auf den heißen Stein, weil die wertschöpfende Industrie als Finanzquelle stirbt und das Geld zu einem großen Teil nicht in die Hilfen, sondern in Investitionen in klimaschädliche Windkraftanlagen fließen wird. Auch hier werden wieder wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, die mittlerweile auch in der Praxis verifiziert worden sind, wie zum Beispiel von Windkraftanlagen, die zur Erhöhung der Bodenaustrocknung beitragen und zur Beschleunigung des Treibhauseffekts.

(Zwischenruf Abg. Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schauen Sie sich doch einmal ei- nen Artikel an dazu! Das ist doch wirklich Blödsinn!)

Stellt man die Ermittlungsergebnisse zur verbrecherischen Zerstörung der Nord-Stream-2-Pipeline, die einer Sabotage unserer Wirtschaft gleichkommt, unter Geheimhaltung, so fördert das nicht das Vertrauen in unsere Politik. Wir fordern eine vollumfängliche Aufklärung und Offenlegen aller Hintergründe der Pipelinesprengung. Den Menschen und Fachleuten in unserem Land fehlt die Bekämpfung der Ursachen der Energiekrise; Abschaffung der Merit-Order, Aufhebung verpflichtender Nutzung der preistreibenden sogenannten Direktvertriebsstrukturen für erneuerbare Energien oder die Energiegewinnung aus Atommüll anstatt Endlagersuche, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Wir fordern deshalb eine sofortige Stabilisie

(Abg. Gottweiss)

rung der Energieversorgung und eine wirkungsvolle Eindämmung der Inflation. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktion der SPD erhält Herr Abgeordneter Möller das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne, herzlich willkommen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, es ist schon mitunter schwierig, dieser Debatte jetzt eine sinnvolle, thüringenbezogene Richtung zu geben. Frau Dr. Bergner, nur zum Schluss zwei Kommentare: Ich weiß wirklich nicht, wenn Sie sich hier vorn hinstellen und fordern – wen fordern Sie denn auf, der aufklären soll, wer die Sprengsätze an diesen Pipelines aufgesetzt hat? Wen fordern Sie denn von diesem Pult hier auf? Herrn Ramelow oder Herrn Adams oder die Koalition oder wen fordern Sie denn auf? Haben Sie mal die Medien in dieser Zeit verfolgt, wie der schwedische Staat, wie Dänemark gerade mit dieser Frage umgeht? Entschuldigen Sie bitte, ich verstehe es einfach nicht. Was hat denn das mit dieser Debatte hier zu tun?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens – auch das muss man, glaube ich, noch mal sehr klar sagen: Sie stellen sich hier hin und fordern zum Schluss, dass die Inflation bekämpft wird und dass es Versorgungssicherheit gibt. Haben Sie die Debatten des letzten Vierteljahres in diesem Parlament hier nicht wahrgenommen, was wir in der ganzen Republik hier machen, was in allererster Linie die Frage ist? Da bin ich als Sozialpolitiker vielleicht nicht unbedingt die erste Adresse. Aber in der Frage, wer durch die Gas- und Strompreisbremse

(Zwischenruf Abg. Gröning, Gruppe der BfTh: Doch, Sie sind doch in der Regierung!)

warten Sie, Herr Birger, warten Sie mal ab – in erster Linie ab 01.01. geschützt wird, profitieren wird, das ist die deutsche Industrie. Und Sie stellen sich hier vorne hin und sagen, es passiert nichts, die wird abgebaut? Entschuldigen Sie mal bitte, was hat denn das mit der Realität zu tun?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Dr. Bergner, Gruppe der BfTh: Ursachen beseitigen!)

Da bin ich bei der Frage des Antrags insgesamt. Frau Hoffmann, Sie haben sich heute wieder hier vorn hingestellt und Allgemeinplätze – das ist, glaube ich, das Einzige, wo ich wirklich mit Herrn Gottweiss einig bin, dass Sie hier einen Allgemeinplatz nach dem anderen hingestellt haben. Sie tun so, als wäre Energie unendlich und eigentlich nur eine Frage von Leuten, die das so oder so wollen. Entschuldigung, aber es gibt kein Wort zu der Frage, dass wir eigentlich in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten – das ist mittlerweile klar und das ist auch ein Stück der Grundfrage, an der wir uns sozusagen aufreiben, das ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts schlechthin: Wie kommen wir weg von fossiler Energie und wie werden wir energieeffizienter? Wie kommen wir von der Frage weg, dass wir einen Großteil der Kosten der bisherigen Energieversorgung gar nicht in Geld abgebildet, sondern in gesellschaftliche Kosten umgewandelt haben?

Da bleibt allein die Frage des Atommülls, der über 100.000 Jahre sicher verwahrt werden muss. Sie kennen die Debatte um die Frage der Endlagersuche. Das sind dieselben, die dann rufen: Aber ja nicht bei uns, ja nicht bei uns! Die Fragen, wie diese Atomkraftwerke irgendwann mal abgebaut werden sollen, wer das bezahlt, das erklären Sie gar nicht.

(Unruhe Gruppe der BfTh)

Machen wir einfach so weiter...

(Zwischenruf Abg. Gröning, Gruppe der BfTh: Es gibt Lösungen!)

Ja, genau. Der zweite Aspekt,

(Unruhe Gruppe der BfTh)

der hier ganz wesentlich ist, Frau Dr. Bergner – Entschuldigung bitte, Frau Präsidentin.

(Zwischenruf Abg. Gröning, Gruppe der BfTh: Sie schaffen … ab und kaufen aus dem Ausland ein!)

Herr Birger, kommen Sie doch hier vor, dann können Sie das hier sagen. Das ist doch kein Problem.

Aber entscheidend ist, Sie müssen sich die Realität anhören, die Tatsachen. Wenn man sich hier vorn hinstellt und behauptet, irgendjemand würde nur auf eins setzen und alles andere negieren, das ist auch nicht die Realität.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen hier deutlich: Wir brauchen einen Energiemix. Und ja, im Moment gibt es gar keine Alternative zum Erdgas. Wir haben uns als Deutschland in den letzten 25 Jahren darauf verlassen, dass das

(Abg. Dr. Bergner)

die Brückentechnologie ist, raus aus der fossilen Energieversorgung. Die tatsächlichen politischen Umstände, die nicht wir zu verantworten haben,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wer denn sonst?)

haben dazu geführt, dass genau diese Frage neu gestellt wird.

Ich persönlich freue mich überhaupt nicht, dass wir momentan LNG-Terminals in Größenordnungen aufbauen, die nicht dazu geeignet sind, die Gasversorgung insgesamt oder die Gasversorgung sicherzustellen, aber wahrscheinlich dazu führen, dass wir über Jahre hinweg weiter Gas als fossilen Energieträger nutzen. Das ist kein schneller Ausbau. Die kleine Pflanze, die wir hier zum Beispiel mit dem Sondervermögen und dem Transformationsfonds, den wir hier jetzt beschlossen haben, gepflanzt haben, um endlich herauszukommen aus den fossilen Energieträgern, um der Wirtschaft, den Industriebetrieben, dem Handwerk die geldlichen Mittel in die Hand zu geben, um wegzukommen von fossiler Energie – das wollen die im Moment alle, weil alle auch in der Wirtschaft verstanden haben, dass die fossilen Energieträger keine Zukunftsträger sind, weil sie endlich sind und weil sie unsere Umwelt zerstören. So lange, wie Sie das als Grundlage nicht akzeptieren, frage ich mich, wer hier der Ideologe ist. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Gruppe der FDP erhält das Wort Herr Abgeordneter Bergner.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor zwei Jahren war es die Coronapandemie und derzeit sind es die Energieversorgung, die Energiekrise und die Energiepreise, die die Gemüter erhitzen. Auf der Tagesordnung finden sich die unterschiedlichsten Ansätze, wie mit diesen Problemen umgegangen werden soll, die die Menschen zu Recht bewegen. Neben guten und lösungsorientierten Anträgen, wie die der FDP zur Angebotserweiterung durch heimische Gasförderung, finden sich leider auch noch von der Aktualität überkommene Anträge wie der Ihre, über den wir heute debattieren müssen. Sie haben Ihren Antrag mit der Version von heute schon dreimal überarbeitet. Besser geworden ist er aber dadurch nicht. Gehen wir ihn mal chronologisch durch.

In Ihrem Punkt I. „Feststellungen“ finden wir unter den üblichen allgemeinen Aussagen, an denen man sich durch die gewählte Formulierung wenig reiben kann, unter Ziffer 6 wieder Ihr bedingungsloses Bekenntnis zu Russland. Wir können es nicht oft genug wiederholen: Russland fällt als Energielieferant aus, solange russische Soldaten auf dem Boden der Ukraine stehen, solange der verbrecherische Angriff andauert, solange das Regime Putin an der Macht ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ja, Pipelinegas ist ökologisch sicher besser, als mit Schiffen Gas aus Übersee zu beziehen. Die beste Lösung – auch ökologisch – ist allerdings eine Produktion im eigenen Land – und die Potenziale sind da. Und da reden wir nicht nur über die seit Jahren bekannten Potenziale der heimischen Gasförderung, nicht nur über die befristet längere Nutzung konventioneller Kraftwerke, wir reden auch über den verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien, die grundlastfähig sind, wie etwa Biogas, wie etwa Wasserkraft oder auch Wasserstoff und E-Fuels, meine Damen und Herren.

Die Gasumlage, die Sie hier in der zweiten Version noch kritisiert haben, haben Sie gestrichen, weil auch bei Ihnen mittlerweile angekommen ist: Die Koalition im Bund leistet eine gute Arbeit. Punkt 13 – Merit-Order-Regelung – wird von unserer Bundesregierung bearbeitet

(Heiterkeit AfD)

und auch zeitnah hier eine Lösung präsentiert. Punkt 17 – Weiterbetrieb der AKWs: Auch hier – und das war wirklich nicht leicht – wurde ein Kompromiss in der Ampel gefunden, nicht in dem Umfang, wie wir es uns als Liberale gewünscht hätten, aber doch besser als nichts.

(Beifall SPD)

Und in III. in Ihrem Antrag – Forderungen an die Bundesebene – findet sich von zehn genannten Punkten gerade mal einer, der vielleicht zur Diskussion taugen könnte: Nummer 9 – Aufklärung über Blackouts –, aber auch hier sind bereits Initiativen durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz getroffen worden, meine Damen und Herren. Zum Wiederaufbau von Nord Stream 2 und der Inbetriebnahme sage ich jetzt weiter nichts. Dazu ist, glaube ich, genügend gesagt worden. Nebenbei gesagt: Auch wenn vorhandene Leitungen nicht ausgelastet sind, braucht man sich nicht einzubilden, dass zusätzliche dann auch mehr Gas bringen würden, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

(Abg. Möller)

In Anbetracht der vollen Tagesordnung und der Qualität Ihres Papiers möchte ich nicht weiter Zeit verschwenden. Wir lehnen den Antrag selbstverständlich ab. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Frau Abgeordnete Wahl hat sich zu Wort gemeldet. Bitte.