Stefanie Schulze
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Vielen Dank! – Ich frage den Senat:
1. Welche konkreten Zahlen liegen dem Senat aktuell zur Umsetzung der Ausführungsvorschrift Wohnen für Leistungsempfangende nach dem SGB II vor?
2. Wie schätzt der Senat die Wirkung der AV Wohnen ein?
Frau Senatorin! Sind Ihnen Fälle aus Bezirken bekannt, in denen die AV Wohnen nicht oder fehlerhaft angewandt wurde, so dass es zu Fehlentscheidungen kommen konnte?
)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hoffmann! Sie können es nicht lassen. Auch im Fachausschuss machen Sie Dinge zum Thema, die noch gar nicht spruchreif sind. – Frau Jantzen! Auch Ihnen muss ich das leider sagen: Versuchen Sie doch nicht, jetzt schon einen Verriss vorzunehmen, wo noch gar keine Ergebnisse für das Modellsozialamt, für das Fallmanagement und die Zielvereinbarung in der Eingliederungshilfe vorliegen!
grüßen. Aber der Teufel steckt wie bei allen Reformprojekten, die wir in letzter Zeit diskutiert haben, im Detail. Da sind nämlich die berühmten Zielvereinbarungen, die die Bezirke abgeschlossen haben. Es ist ein besserer Betreuungsschlüssel für die behinderten Menschen vorgesehen. Das ist richtig, der wird jetzt 1:75 sein. Das Ganze ist aber gekoppelt, an eine Einsparung von 1 % der durchschnittlichen Fallkosten in diesem Jahr und 2 % der durchschnittlichen Fallkosten im nächsten Jahr. Wenn es den Bezirken nicht gelingt, diese Einsparungen zu erfüllen, werden sie leider im nächsten Jahr diese Personalmehrkosten, die sie erst einmal vorschießen müssen, nicht zurückerhalten. Das heißt, die Bezirke sind zur Ausgabensenkung verdammt. Das führt dann dazu – und darüber muss sich hier im Hause keiner wundern –, dass die Menschen mit Behinderungen Einschränkungen ihrer Hilfen befürchten. Und ich fürchte, sie fürchten das zu Recht.
An die Arbeitsanweisung in Spandau ist bereits erinnert worden. Ich bedaure sehr, dass die im letzten Jahr kam und dass damit ein gutes und wichtiges Instrument im vorhinein diskreditiert und das Vertrauen der Menschen mit Behinderungen in neue Methoden und Instrumente erschüttert wurde. Es sind aber inzwischen schon vereinzelt Fälle bekannt, wo tatsächlich die Heimunterbringung angedroht wurde, weil sie angeblich günstiger sei als andere Hilfen. Das dürfen und können wir nicht zulassen.
Wir dürfen nicht ausblenden, dass die Bezirke strukturelle Finanzierungsprobleme haben und ein gedeckeltes Budget und eine Vorgabe zur Ausgabensenkung dazu führen können, dass die Menschen nicht die Hilfen bekommen, die sie brauchen.
Sie können auch nicht ausblenden, dass die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Fallmanagement in den Bezirken überhaupt noch nicht gegeben sind. Zu Beginn des Jahres haben einige Bezirke angefangen. Die Fallmanager sind bisher nicht qualifiziert – jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang. Die Instrumente lagen zu Beginn des Fallmanagements nicht vor. Wenn der Leitfaden jetzt da ist, sehe ich ihn mir gern an. Der elektronische Gesamtplan funktioniert auch noch nicht so, wie er sollte.
Darüber werden wir im Ausschuss noch reden müssen.
Es ist notwendig, bei der Umsetzung transparenter zu sein als bei der Planung, um das Vertrauen der Betroffenen zurückzugewinnen. In dem Gesamtprozess sollen sie strukturiert beteiligt werden. Sonst bleibt dieses wunderbare Berliner Modell, bei dem der behinderte Mensch im Mittelpunkt steht, Makulatur und ohne Wert für die Betroffenen. Wir werden uns jedenfalls dafür einsetzen, dass es passgenaue Hilfen gibt und dass die Leistungen nicht in dem Maße eingeschränkt werden, wie zu befürchten
Da hilft auch kein Schreien. Das ist schlichtweg so. – Der Prozess hat gerade erst begonnen, und man sollte diesen Prozess erst einmal abwarten und sich vielleicht konstruktiv in diesen Prozess einbringen. Das hilft sicherlich allen Beteiligten
Sie beide – und viele andere hier im Raum – haben wahrscheinlich die beiden Fachtagungen besucht, die von den Trägern selbst bzw. von der Senatsverwaltung organisiert wurden. Auf diesen Fachtagungen ist deutlich geworden, dass wir uns in einem Prozess der Umgestaltung befinden, wo Dinge noch unklar sind, wo Leute Angst vor Veränderungen haben und wo man den Leuten diese Angst nehmen muss, die vorher jahrein jahraus in den gleichen Strukturen gearbeitet haben. Das beinhaltet auch die Umgestaltung dieses Modellsozialamtes, und da kann man mit Fug und Recht sagen: Das steht schon auf den Füßen. Das läuft schon ganz gut. – Herr Hoffmann! Wenn Sie mal zuhören würden!
[Henkel (CDU): Lohnt nicht! – Hoffmann (CDU): Immer diese Unterstellung,
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich möchte eine Frage an die Gesundheits- und Sozialsenatorin stellen. – Frau Knake-Werner! In der Presse konnte ich lesen, dass immer mehr Leistungsempfangende nach SGB II bundesweit erheblich unter Druck geraten und ihre Wohnung verlassen müssen, wenn diese entweder zu groß oder zu teuer ist. Wir in Berlin bzw. Ihre Verwaltung hat eine AV Wohnen verabschiedet. Wie ist die Umsetzung dieser AV Wohnen in ganz Berlin durchzusetzen? Welche Erfahrungen haben Sie seit Beginn dieses Jahres damit gemacht?
Frau Senatorin! Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie durch diesen fachlichen Prozess der Abstimmung zwischen Jobcentern, Ihrer Verwaltung und den anderen Akteuren glauben sicherstellen zu können, dass in Berlin eine einheitliche Anwendung der in der AV Wohnen getroffenen Sonderregelung für besondere Personenkreise, die wir dort festgehalten haben, sichergestellt werden kann?
Danke schön, Herr Präsident! – Ich möchte eine Frage an Frau Senatorin Knake-Werner stellen. – Frau Knake-Werner! In der „Berliner Morgenpost“ von gestern war zu lesen, dass nach nur neun Monaten unter Hartz IV bundesweit und auch in Berlin die Mietschulden und Mietrückstände von Empfängerinnen und Empfängern von Alg II drastisch angestiegen seien. Welche Informationen haben Sie darüber, und wo sehen Sie die Hauptursachen dafür?
Frau Senatorin! In dem Artikel der „Morgenpost“ wird indirekt die Forderung der Vermieter erhoben, dass die Miete zukünftig wieder direkt vom Amt an den Vermieter gezahlt werden soll. Konnte ich Ihren Äußerungen entnehmen, dass Sie das ablehnen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die eingereichten Anträge fordern die sofortige Umsetzung der am 1. August abgeschlossenen Rahmenvereinbarung im Land Berlin. Frau Pop, vielleicht können Sie mir einmal eine Kommune nennen, unter grüner Regierung, wo diese Rahmenvereinbarung schon umgesetzt wurde. Mir ist keine bekannt.
Grundsätzlich unterstützen wir im Land Berlin alle Schritte und Vorhaben, die dazu beitragen, dass die Betreuung und Vermittlung von Arbeitsuchenden verbessert wird, mehr Zeit für tatsächliche Beratung vor Ort vorhanden ist. Deshalb sind die Intentionen dieser neuen Rahmenvereinbarung zur Weiterentwicklung der Arbeitsgemeinschaften auch uneingeschränkt von uns zu unterstützen, wenn sie tatsächlich dazu beitragen können, die Organisations- und Arbeitsstrukturen zu optimieren, die Qualität der Betreuung und Vermittlung erhöhen und lokale Kompetenzen stärken und eine Verbesserung – das ist sehr wichtig – in den Entscheidungsstrukturen vor Ort erreichen können. Aber die Anträge von Grünen und CDU kommen an der Stelle zu spät, das ist auch schon von meiner Vorrednerin gesagt worden. Der Senat hat längst begonnen, die Schritte einzuleiten, und die Diskussionen um die konkrete Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung laufen in der Stadt längst.
Aber Rahmenvereinbarungen haben keinen weisenden Charakter, sondern müssen in der Detailfrage der Umsetzung noch diskutiert werden. Was ist sinnvoll für die Stadt, was ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt praktikabel, und was ist eben nicht sinnvoll an den vorgeschlagenen Veränderungen dieser Rahmenvereinbarung? – Wir stehen dafür: keine lineare Umsetzung ohne Hinterfragung der Praktikabilität und der Sinnhaftigkeit dessen, was dort vorgeschlagen wird. Der Senat steht für eine schnelle Prüfung. Es wird um Personalzuweisungen, Weisungsrechte, Kompetenzen der Geschäftsführer gehen. Es wird um dezentrale Entscheidungsbefugnisse gehen. Und es wird darum gehen, welche Aufgaben die Argen bei der dezentralen Verwaltung wahrnehmen und welche sie nicht wahrnehmen können. Wichtig dabei ist für uns: klare Entscheidung für eine bessere und qualifizierte Beratung und Betreuung der Arbeitssuchenden, eine Überarbeitung des AZG da, wo es notwendig und sinnvoll ist, und eine Arbeitsmarktpolitik, die weiter gesamtstädtisch betrachtet werden kann. Keine 12 Arbeitsmärkte in den Bezirken, aber ein funktionierendes Netz von Jobcentern ohne Warteschlangen, mit qualifizierten Beratern und qualifizierter Hilfe aus einer Hand.
Frau Pop
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn ich die Aufmerksamkeit der CDU-Fraktion auch erlangen könnte, würde ich gerne mit meiner Rede beginnen. – Die polemische Fragestellung der Großen Anfrage „Wie lange kann sich das Land Berlin Armut noch leisten?“ macht deutlich, dass es weder der FDP-Fraktion noch der CDU-Fraktion in ihren Diskussionsbeiträgen darum gegangen ist, sich ernsthaft und seriös mit dieser Fragestellung auseinander zu setzen.
Herr Lehmann, Sie sind von Ihrem Fraktionsvorsitzenden in seiner Rede heute Mittag eigentlich in den Hintern getreten worden, ich sage es schlicht so, weil das, was Herr Lindner wollte, das Gegenteil von dem ist, was Sie hier vorgetragen haben.
Herr Hoffmann, die gesamte Problematik der Armut, der Armutsvergrößerung und der Ursachen von Armut auf das Thema Geld und Einsparungen zu reduzieren, ist einfach zu kurz gegriffen. Ich glaube, Sie wissen das auch. Wenn Sie es nicht wissen, dann hören Sie jetzt einmal zu.
Das Interessante an der Großen Anfrage der FDPFraktion sind die Begründung und die darin getroffene
Feststellung, dass Armut in erster Linie durch ein Kehrtwende in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verhindert werden könne. Glückwunsch, Herr Lehmann, zu dieser tiefgreifenden Feststellung! Alles andere, was Sie in Ihrer Großen Anfrage fragen, kann im Wesentlichen nachgelesen werden im Armutsbericht von Bund und Land, im Sozialstrukturatlas, im Kinder- und Gesundheitsbericht des Landes, in den DIW-Gutachten, die dazu vorliegen, und auch in den Ergebnissen der Enquetekommissionen. Außer dem Verweis auf die Notwendigkeit eines größeren Wirtschaftswachstums und von Investitionen und dem Zurückdrängen der Staatsquote – zumindest das, was Sie darunter verstehen – fehlt jeder Hinweis auf eine eigene Handschrift bei der Begründung der Notwendigkeit der Diskussion des Themas Armut. Es gipfelt aus meiner Sicht in der Frage 17 an den Senat, warum trotz permanenter Steuererhöhungen und weiterer Umverteilungsmaßnahmen das Armutsrisiko gestiegen sei. Auch dazu Glückwunsch!
Wer die Armutsbekämpfung ernst nehmen und die Analysen zu den Ursachen steigender Armut zu den Grundlagen seiner politischen Programmatik machen will, muss sich mit den Zusammenhängen von Ursache und Wirkung von Armut auseinander setzen. Dabei möchte ich auf jegliche Polemik verzichten und Ihnen nur einmal einige Indikatoren nennen, die die Situation beschreiben, und zwar bundesweit, Herr Lehmann. Da liegt Berlin leider im Trend, aber Berlin hat im Vergleich zu anderen Bundesländern eine eigene Handschrift entwickelt, um Armut in dieser Stadt zu bekämpfen.
Nehmen wir den Indikator Vermögensverteilung in Deutschland. Wir haben ein immer weiteres Auseinanderklaffen von Einkommen und Vermögen. Die Armen werden mehr und noch ärmer, und die Reichen werden reicher. Das gesamte Nettovermögen in Deutschland ist zwischen 1998 und 2003 um knapp 20 % gestiegen. Davor, bei 16-jähriger Regierungsbeteiligung Ihrer Fraktion, der FDP, im Übrigen auch. An sich könnte man sich darüber freuen, der Knackpunkt ist nur, dass die Mehrheit der Bevölkerung von diesem Wachstum nichts abbekommen hat. Ihr Anteil am Gesamtvermögen ist gefallen. 1993 besaßen die reichsten 10 % aller Haushalte 45 % des gesamten Nettovermögens, 2003 sind es 47 %. Auch nach 16 Jahren Regierungsbeteiligung der FDP kann man feststellen, dass dieser Zuwachs bei den Reichen auf Kosten der Armen gegangen ist. Die ärmsten 10 % der Haushalte hatten bereits 1993 kein Vermögen und waren in Höhe von 0,2 % des gesamten Nettovermögens verschuldet. Insgesamt kann man bis heute eine Verdreifachung dieser Zahlen feststellen. Man kann auch feststellen, dass die Reichsten inzwischen 50 %, nämlich 96 % des Nettogesamtvermögens in Deutschland, besitzen und die unteren 50 % mit 4,1 % daran beteiligt sind, also fast nichts besitzen.
Es ist sicherlich peinlich zuzugeben, dass im 21. Jahrhundert – und hier unterscheiden sich unsere politischen Positionen gravierend – noch immer eine Klassen- und
Hoffmann
Schichtenzugehörigkeit fundamental den sozialen Lebensweg prägt, nämlich vom Schulbesuch bis zur Gesundheitsvorsorge. Da hilft es auch nicht weiter, wenn Sie und die Leute Ihrer Partei und die CDU-Fraktion immer weiter auf Chancen und Risiken der Individualisierungsgesellschaft verweisen. Es ist in dieser Gesellschaft noch immer so, dass manche mehr Optionen haben, aber viele – und es werden immer mehr – die Risiken dieser Gesellschaft zu tragen haben. Arm ist, wer sich ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben nicht leisten kann. Die Senatorin hat die Armutsdefinition noch einmal vorgetragen.
Der zweite Indikator, der wichtig ist, ist die Bildung. Die letzte DIW-Studie zum Einfluss der sozialen Herkunft und des Einkommens der Eltern auf die Bildungschancen der Kinder
macht deutlich – Herr Lindner, hier könnten Sie auch einmal zuhören –,
dass Deutschland dabei an der Spitze steht. In den CDU- und FDP-regierten Bundesländern ist das nicht anders. Der soziale Einfluss, die soziale Herkunft der Eltern wirkt sich entscheidend auf den Bildungsweg der Kinder aus.
Gestiegene Armut, vor allem bei Kindern: Gemessen am laufenden Einkommen ist Armut in den letzten 30 Jahren in der Bundesrepublik kontinuierlich angestiegen. Die Armutsquote in Ostdeutschland beträgt derzeit 12 %, in Westdeutschland 19 %. Das ist ein Anstieg in einer Größenordnung, der bedenklich stimmen müsste. Da stimme ich mit Ihnen wieder überein, Herr Lehmann.
Arbeitslosigkeit macht arm: Einen gravierenden Anstieg von Armut gibt es bei den Erwerbslosen. Auch hier, denke ich, gibt es eine Übereinstimmung. Schon 1989 war ein Drittel aller Erwerbslosen arm. Der Anteil ist prozentual weiter angestiegen. Die erheblichen Einschnitte der Hartz-IV-Reformen – und deren Ergebnisse sind im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung noch nicht verzeichnet – werden hier noch einen deutlichen Niederschlag zeigen. Die Auswirkung fehlender Beschäftigungsverhältnisse auf die Armut ist Ihnen auch bekannt. Sie wissen sicherlich auch, dass die momentanen Sicherungssysteme, so wie sie vorliegen, Armut in Gänze nicht verhindern können, aber zumindest dazu beitragen, dass die relative Armut in Teilbereichen abgefedert werden kann, aber eben nicht ausreichend und genügend. Deshalb sind wir der Meinung, dass auf Bundesebene mehr getan werden muss, als bisher getan wird, um steigende Armut künftig einzudämmen.
Hören Sie doch einmal zu! – Besserverdienende und Unternehmen müssen wieder stärker an der Finanzierung
notwendiger gesellschaftlicher Aufgaben beteiligt werden.
Herr Lindner, dazu gehört, die staatsbürgerliche Verantwortung nicht nur bei den Armen einzuklagen, sondern Wirtschaftsbosse und andere Eliten auch an der Wiedereinführung einer Vermögensteuer zu beteiligen,
an der Erhöhung einer Erbschaftsteuer. Gewinnstarke Unternehmen müssen auch höhere Einkommen zahlen, und die Steuersysteme müssen vereinfacht werden. Das ist auch eine Frage von bürgerschaftlicher Verantwortung, die in dieser Gesellschaft neu diskutiert werden muss.
Fehlendes Wachstum, verzögerter Strukturwandel und auch wachsende Arbeitslosigkeit sind zentrale Fragen, aber sie sind auch nur Symptome und können nicht allein mit Mitteln der Ökonomie und der Wirtschaftspolitik beseitigt werden. Hier ist ein Umdenken in der Gesellschaft notwendig, wenn wir über die Armutsentwicklung hinaus konstatieren, dass die Lebensbereiche und die Lebenswirklichkeiten der Klassen und Schichten in dieser Gesellschaft – auch wenn Ihnen dieser Begriff nicht gefällt – zunehmend auseinander driften und dass wir es mit einer sozialen Exklusion von Klassen und Schichten zu tun haben, die sich in der Tat für eine gemeinsame Entwicklung des Gemeinwesens problematisch darstellt.
Berlin hat eine Menge getan, um seine Handlungsmöglichkeiten und Optionen in der Armutsbekämpfung auszureizen. Die Strategien der Stadt zur Armutsbekämpfung gehen in die richtige Richtung. Man sollte aber auch die Grenzen dieser Strategien im Blick haben und daran denken, dass es ein Land in Haushaltsnotlage ist. Ein Land in Haushaltsnotlage muss Potentiale nutzen und Projekte in Gang bringen, die Armutsbekämpfung real möglich machen.
Ich komme sofort zum Ende. – Die Ansätze, die die Senatorin hier vorgestellt hat, gehen in die richtige Richtung. Sie dienen einer wirksamen Armutsbekämpfung. Und das, Herr Lindner, was Sie hier heute vorgestellt haben und was wir schon oft im Ausschuss diskutiert haben, dient nicht einer Armutsbekämpfung, es dient dazu, die Polarisierung in dieser Gesellschaft weiter voranzutreiben. Ich kann Ihnen nur eine gute Reise wünschen, das Bürgerinnen und Bürgern in dieser Stadt klarmachen zu wollen. – Danke schön!
Frau Senatorin! Was wäre aus gesundheitspolitischer Sicht notwendig, um diesen Trend, der sich jetzt schon andeutet, zu korrigieren?
Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage die Frau Senatorin Knake-Werner, welche Kenntnisse sie über den Rückgang der Arztbesuche im Land Berlin seit der Einführung der Praxisgebühr hat.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Wie ist der Stand der Verhandlungen zur Anbindung des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen an den ÖPNV ab 1. Juli 2005?
2. Wie sollen die ab 1. Januar 2005 aus dem Telebussystem ausgegliederten Kostenträgerfahrten – Rechtsverordnung vom 8. Oktober 2004 – ab Januar 2005 in der Stadt weiter gewährleistet werden, und wie erfolgt die Information der davon betroffenen behinderten Menschen?
Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage die Senatorin, wann aus Ihrer Sicht der frühest mögliche Zeitpunkt dafür gekommen ist, dass der Aufsichtsrat der BVG den Verhandlungen zustimmen kann.
Frau Senatorin! Sie haben vorhin darauf aufmerksam gemacht, dass der BZA aus Ihrer Sicht ein Stück weit in der Pflicht ist, Kostenträgerfahrten, Krankenfahrten und anderes als neues Geschäftsfeld zu entwickeln. Wie ist der Stand der Vorbereitung aus Ihrer Sicht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich meine Vorredner höre, müsste ich fast sagen: Wir weinen gleich mit! – Die Probleme, die wir auf Bundes- und auf Landesebene haben, sind doch bekannt. Man löst aber keine Probleme, indem man sagt, wir verschieben sie um ein Jahr. Die bisherige Diskussion kann aus meiner Sicht auf den Punkt gebracht werden, und das möchte ich versuchen.
Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bringt für das Land Berlin erhebliche Lasten, und zwar in sozialer und in fiskalischer Hinsicht. Die hauptsächlichen Lasten tragen aus Sicht meiner Fraktion die Menschen in unserer Gesellschaft, die ohnehin schon schwierige soziale und finanzielle Lebensbedingungen haben und die gerade diesen Reformen mit Sicherheit skeptisch gegenüberstehen. Auch bundesweit lehnt inzwischen eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger den erhöhten Druck auf Arbeitslose zur Lösung dieser Probleme ab. Das hat wohl mit der eigenen wachsenden Angst um den Job zu tun. Wer dieses nicht glaubt, sollte sich die letzte Umfrage der Körber-Stiftung zu Gemüte führen.
Senatorin Knake-Werner und Senator Wolf haben vergangenen Freitag unmissverständlich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärt: Die Forderungen des Landes Berlin nach Ausgleich der zu erwartenden Mehr
Man sollte sozusagen den Abend nicht vor dem Morgen loben. Deshalb möchte ich Ihnen sagen – Herrn Kurth vor allem –, dass es heute noch nicht an der Zeit ist, schwarz zu malen und voraussehen zu wollen, wie sich die Angelegenheit ab 1. Januar 2005 hier entwickeln wird. Unser Weg, nämlich kompetente und verlässliche Ansprechpartner in jedem Bezirk für die Betroffenen zu etablieren und damit eine Qualität in der Betreuung und der Umsetzung zu garantieren, ist bereits eingeschlagen. Die Arbeitsgruppen sowohl im Rat der Bürgermeister als auch in den Bezirken sind dazu etabliert. Deshalb sollte man fairerweise erst einmal abwarten, was sich bis zu diesem Zeitpunkt tut und welche Probleme bis dahin gelöst werden können. Hier zählt das Ergebnis am Ende und nicht das Schwarzmalen am Beginn dieses Prozesses.
Die sozialen Folgen müssen aus meiner Sicht trotzdem noch einmal mehr in den Vordergrund gerückt werden, weil sie erhebliche Rückwirkungen auf die zukünftige finanzielle Belastung des Landes Berlin haben werden. 460 000 Menschen erhalten zukünftig das Arbeitslosengeld II, 130 000 werden Arbeitslosenhilfeempfänger, und ihre Familien kommen hinzu. Klar ist – das sollte in dieser Runde einmal gesagt werden –, dass die Sozialhilfe als von der Gesellschaft anerkanntes Existenzminimum schon lange nicht vor Armut schützt und dass es seit Jahren eine defizitäre Regelsatzbemessung gibt. Natürlich werden auch die Eckregelsätze, die ab 1. 1. 2005 in die neue Pauschalierung eingehen – Frau Klotz, Sie schauen so skeptisch –
belastung für den Landeshaushalt, momentan geschätzt auf 200 Millionen €, reihen sich leider konsequent in die Forderungen anderer Bundesländer nach Ausgleich eben dieser Mehrbelastung ein, und zwar zu Recht. – Zunächst unabhängig von der Bewertung der sozialen Frage für Berlin muss auch hier noch einmal deutlich gesagt werden: Die Abwälzung der bisher von Bund und Ländern getragenen Kosten auf die ohnehin schon massenhaft überschuldeten Kommunen ist nicht tragbar, und von einigen Kommunen wird eine diesbezügliche Klage vorbereitet. Man kann nur hoffen, dass der Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Städtetag dies unterstützen werden.
Klar und deutlich sei gesagt: Das Land Berlin hat diesem Gesetz nicht zugestimmt. Das möchte ich noch einmal betonen. Das bisherige Hinundherschieben verschiedener Rechenwege und -modelle zur Ermittlung der auf die Städte und Kommunen zukommenden Lasten eröffnet für mich inzwischen einen sehr klaren Blick darauf, was die tatsächlichen Intentionen dieser Reform offensichtlich sind. Im Ergebnis muss es zu einem Lastenausgleich kommen, sonst werden die Kommunen weiter in die Verschuldung getrieben. Das ist die unumstrittene Position des Landes Berlin.
Zur organisatorischen Vorbereitung: Die organisatorischen Vorbereitungen zur Umsetzung von Hartz IV laufen im Land Berlin. Das muss man noch einmal deutlich betonen. Es kann zum jetzigen Zeitpunkt und an dieser Stelle nicht erwartet werden, dass auf alle Unwägbarkeiten und Unklarheiten klare Antworten gegeben werden können. Es sei betont, dass es der Senat geschafft hat, trotz dieser Unwägbarkeiten und Unklarheiten eine Grundlage für eine Organisationsstruktur und für Zuständigkeiten für die Umsetzung von Hartz im Land Berlin zu etablieren. Damit ist er nach meiner Kenntnis im Vergleich zu anderen Ländern und Kommunen schon weit vorangekommen.
Das spiegelt sich auch in der gegebenen Struktur wider, die wir momentan im Land Berlin vorfinden. In jedem Bezirk wird es eine Arbeitsgemeinschaft mit der zuständigen Agentur für Arbeit geben, und es wird die Grundlage für eine gemeinsame Betreuung in dieser Organisationsstruktur gelegt werden. Dazu wird der Senat mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit eine Rahmenvereinbarung abschließen und dort die erforderlichen Regelungen festhalten müssen. Abzusichern ist aus unserer Sicht – und das ist ein Qualitätskriterium, das das Land Berlin in diesen Prozess mit einbringen möchte, und dort sehen wir auch unsere Verantwortung – eine bestmögliche Beratung und Betreuung aus einer Hand. Bei allen Schwierigkeiten und sozialen Lasten, die diejenigen haben werden, welche die Beratung in Anspruch nehmen müssen, hat das Land Berlin gute Erfahrungen in einzelnen Bezirken gemacht, und an diese Erfahrung ist anzuknüpfen. Sicherlich kann man vieles besser machen. Die Strukturen, die wir jetzt brauchen, gibt es so bisher nirgendwo. Deshalb muss man sich auf Dinge stützen, die
man schon einmal gemacht und die man gut gemacht hat. Da ist das Land Berlin sehr gut im Geschäft.
wenn Sie mir Recht gegeben haben, okay –, genau das nicht berücksichtigen, geschweige denn korrigieren. Soziale Mindeststandards werden nicht definiert, und die Zugänge auf die Daten zur Berechnung der Zusammensetzung der Eckregelsätze sind ein schwer gehütetes Geheimnis in dieser Republik. Die neuen Eckregelsätze, die wir vorfinden, decken bei genauer Betrachtung die bisherigen durchschnittlichen Pro-Kopf-Bedarfe der einmaligen Leistungen überhaupt nicht ab. Das alles einmal in Rechnung gestellt, wird wohl deutlich machen, dass Verarmung und Verschuldung zwangsläufig zunehmen werden, wenn man einen realistischen Blick für den Problemablauf hat, der kommen wird. Davon wird auch das Land Berlin erheblich belastet werden. Für eine kaputte Waschmaschine wird eine allein erziehende Mutter zukünftig zwar ein Darlehen bei der zuständigen Betreuung aufnehmen und dieses dann vom Regelsatz abstottern können, aber das ist bestimmt nicht das, was die Menschen in dieser komplizierten Situation erwarten.
Zweiter Punkt: Was wird zukünftig aus den Menschen, die zum einen erwerbsfähig in das neue System eingegliedert werden und zum anderen keine Chance auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt haben werden? – Die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen, verbunden mit der Pflicht, jede, auch untertariflich bezahlte Arbeit
)
Ich frage die Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Frau Dr. Knake-Werner: Wie ist der Stand der Umsetzung und der Verabredung der Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur, dem Senat und den Bezirken zur Umsetzung des SGB II? – Den Pressemeldungen der letzten Tage war zu entnehmen, dass es offensichtlich unterschiedliche Informationen gibt und dass die getroffenen Verabredungen unterschiedlich interpretiert werden. Können Sie konkretere Angaben dazu machen?
Sie sprachen von Angaben, die die Bezirke Ihrer Verwaltung gegenüber machen sollen. Welche validen Angaben haben Sie denn bisher über die vermutliche Zahl der dauerhaft Erwerbsunfähigen, die weiterhin in der Betreuung des Landes, unabhängig von der Struktur, verbleiben werden, erhalten? Welche Schätzungen haben die Bezirke dazu?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rot-rote Koalition hat für die heutige Aktuelle Stunde eine Debatte zum neuen Berliner Sozialstrukturatlas angemeldet. Aktueller geht es nicht. Wir stellen uns den Themen der Stadt. Anderslautende Behauptungen – das gilt vielleicht für nachfolgende Rednerinnen und Redner, die ihre Begründung noch vortragen – sind schlichtweg ein Schmarrn.
Vergangene Woche Freitag hat der Senat den Sozialstrukturatlas veröffentlicht. Die Daten und Informationen dokumentieren die Entwicklung von 1999 bis 2003. Damit haben wir für die parlamentarische Diskussion eine hochaktuelle Grundlage einer soliden Sozialstrukturanalyse der vergangenen Jahre.
Aus unserer Sicht soll und muss die Diskussion der Ergebnisse und Handlungsansätze dieses Sozialstrukturatlasses aktuell und heute im Plenum diskutiert werden. Von hier aus soll eine Diskussion beginnen, die in der Stadt weitergeführt werden muss.
Die Handlungsansätze des Sozialstrukturatlasses und die damit verbundenen Probleme betreffen nicht nur die
Akteure der Gesundheits- und Sozialpolitik, sondern ganz Berlin.
Die neuen Daten des Sozialstrukturatlas machen deutlich, dass die Differenzierung der ökonomischen Entwicklung im Land Berlin zugenommen hat und sich für viele Menschen die soziale und ökonomische Lebenssituation verschlechtert hat.
Ein wichtiger Hauptgrund ist die hohe und für viele Menschen lang anhaltende Arbeitslosigkeit. Durch den vom Senat vorgelegten Sozialstrukturatlas ist es möglich, genau diese soziale Differenzierung in Kiezen und Stadtteilen zu beschreiben und die Entwicklung im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren zu dokumentieren und zu erkennen, dass die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden können.
Im Parlament und in der Stadt muss in den nächsten Wochen über diese Ergebnisse so diskutiert werden, dass wir eine Perspektive bekommen, wie wir damit umgehen können. Ressortübergreifendes Handeln, Verbesserung der Situation vor Ort und eine Antwort auf Fragestellungen wie die folgenden sind notwendig: Welche Interventionen vermindern sozial bedingte Ungleichheit? Welche Erfolge hat das Land Berlin? Wo liegen die Kompetenzen der Akteure in dieser Stadt? Womit können wir zukünftig die entsprechenden Handlungsansätze finanzieren? – Diese Fragen werden heute von uns im Parlament angesprochen und diskutiert. Ich freue mich auf eine konstruktive, verantwortungsvolle Debatte aller im Haus. [Beifall bei der PDS und der SPD]
Die Probleme allerdings sind größtenteils hausgemacht. Ganz aktuell – heute über die Ticker gelaufen –: Herr Wowereit, Sie sprachen vorhin in Ihrer Regierungs
erklärung vom so genannten roten Teppich. Heute erklärt die zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands, dass sie ihr 25jähriges Firmenjubiläum nicht in Berlin feiern möchte. Diese Airline heißt „Air Berlin“ und begeht ihr Jubiläum in Nürnberg. Wo war da der rote Teppich, Herr Regierender Bürgermeister? –
Ankündigungen allein von der rot-roten Regierung helfen nicht. Wir benötigen ein umfassendes Standortmarketing, eine stärkere Einbeziehung der Wirtschaftsfördereinrichtung und – allem voran – eine radikale und mutige Entbürokratisierung und Deregulierungsoffensive.
Doch auch hier – außer Ankündigungen nichts gewesen. Seit über einem Jahr reden wir mittlerweile, diverse Vorschläge zur Entbürokratisierung in der Stadt sind gemacht worden. Das Ergebnis, das der rot-rote Senat auch hier vorzulegen hat, ist ein Trauerspiel. Am Beispiel des Saarlandes sieht man ganz deutlich, wie man es machen muss. Vor allen durch Abbau von Bürokratie ist es dem Saarland gelungen, Wirtschaftskraft zu generieren und im wirtschaftlichen Vergleich mit Berlin wesentlich besser da zu stehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoffmann, Ihr Beitrag war jetzt noch problematischer als Ihre Presseerklärung.
Sie verstehen es nicht – das müssen Sie sich an der Stelle schon einmal sagen lassen –,
dass Sie die Zusammenhänge zwischen Sozialberichterstattung und sozialer Ungleichheit nicht begreifen. Ihre Argumentation ist schlichtweg plump und unverantwortlich in der Situation, in der sich diese Stadt befindet.
Würde man einen Vortrag an einer Universität zu diesem Thema an Sie vergeben, müsste man sagen: Thema verfehlt!
Zu den Ergebnissen des Sozialstrukturatlasses gehört die Erkenntnis – zumindest ist das unsere Position –, dass
)
ch auch in Berlin.
Einige Anmerkungen zu diesen Fragen: Die Chancen und Grenzen von Konzepten und Interventionsmöglich
keiten zur Verringerung von sozial bedingter Ungleichheit und Gesundheit in Deutschland spiegeln sich aus meiner Sicht in Berlin wie in einem Brennglas wider. Das Erkenntnisinteresse über die unmittelbaren Zusammenhänge von gesundheitlicher Ungleichheit im Kontext sozialer Ungleichheit ist in den letzten Jahren angewachsen. Das war nicht immer so. Die Ergebnisse, die wir jetzt haben, bieten genügend Wissen über die offensichtlich wachsende Brisanz sozialer Ungleichheit. Die größte sozialpolitische und gesundheitspolitische Herausforderung – vor allem auch für die Bundesregierung – wird darin bestehen, gemeinsam mit den Ländern geeignete Interventionskonzepte und Präventionskonzepte zu entwickeln, die tatsächlich zu einer Verringerung von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit beitragen können. Die Folgen der so genannten Gesundheitsreform und der Hartz-Gesetze werden aus meiner Sicht definitiv zu einer Verschärfung dieser sozial bedingten Ungleichheit beitragen – natürli
(D
Das mag der ein oder andere in diesem Hause anders sehen. Die Brisanz zunehmender sozialer Ungleichheit vor Krankheit und Tod wächst in dem Maße, wie die Bundesrepublik Deutschland ihre Legitimation aus der Bereitstellung gleicher Chancen für alle selbst nicht in Frage stellt und nach sozialkompensatorischen Konzepten sucht. Das tut sie momentan noch, doch geeignete Konzepte sind nicht in Sicht.
es für Berlin mehr als wichtig ist, über eine integrierte Gesundheits- und Sozialberichterstattung zu verfügen. Warum? – Die sozialstrukturellen Verhältnisse in der Stadt haben sich in den vergangenen fünf Jahren stark verändert. Uns liegen jetzt Erkenntnisse über Daten vor, die von 1999 bis 2002 erhoben wurden. Mit Hilfe der Sozialberichterstattung sind wir inzwischen in der Lage – sie ist qualitativ verbessert worden –, die sozialräumlichen strukturellen Verhältnisse in dieser Stadt zu beschreiben.
Damit ist es möglich geworden, Kieze und Regionen zu identifizieren, wo sich Veränderungen in der Sozialstruktur so schnell vollziehen, dass die Kumulation verschiedener Sozialindikatoren deutlich zeigt, wo sich Verschlechterungen von Lebenslagen der dort lebenden Menschen vollzogen haben, wo es Berlinern gut geht und wo sich die Probleme bündeln. Das ist hoch anzuerkennen. Das braucht die Stadt, um überhaupt handeln zu können. Die Presse hat in den vergangenen Tagen ausführlich darüber informiert. Man kann es der einen oder anderen Zeitung natürlich nicht verübeln, die Rankingliste der guten und schlechten Gebiete zu veröffentlichen, wobei bei dieser Veröffentlichung schon deutlich wird, wie sensibel man mit diesen Daten umgehen müsste. Beispiel BerlinHohenschönhausen, Berliner Straße, ein Wohngebiet mit einem Gewerbeanteil und einem ehemaligen Wohnheim. Rankinglisten allein sagen zu wenig aus. Eine solide Interpretation der Daten ist zuallererst Job der Parlamentarier hier im Parlament, der Fachleute im Senat oder des Senats selbst.
Was ist unser Erkenntnisinteresse bei der Interpretation der Ergebnisse des Sozialstrukturatlasses? –
1. Warum vollzieht sich in der Stadt die soziale Differenzierung zunehmend in bestimmten Regionen der Stadt?
2. Wer trägt aus welchem Grund das größte Risiko sozialer Benachteiligung in dieser Stadt?
3. Welche Interventionen vermindern sozial bedingte Ungleichheit tatsächlich?
4. Welche Ziele können wir damit formulieren?
5. Wo waren wir erfolgreich, wo waren wir weniger erfolgreich?
6. Welche Wirkungsindikatoren haben wir überhaupt, und welche brauchen wir?
7. Welche Handlungsansätze führen tatsächlich zu einer Vernetzung der Akteure?
8. Wie bewerten wir Qualität, Effizienz und Finanzierbarkeit der erforderlichen Strategien, und wie werden die finanziellen Mittel, die das Land Berlin zur Verfügung hat, für Prävention und kompensatorische Maßnahmen verteilt?
Soziale Ungleichheit und Gesundheit waren in den letzten Jahren Themen von fachlichen und politischen Diskussionen. Die Sichtweise von Verhaltenspräventionen und Verhältnisprävention hat sich zum Glück in den letzten Jahren verändert – hin zu einer Verhältnisprävention, die wir begrüßen. Damit wird die individuelle Verantwortung des Einzelnen nicht mehr nur zum Hauptthema von Interventionen gemacht und werden die Folgen von Sozialhilfebezug, Krankheit, Arbeitslosigkeit der sozial benachteiligten Menschen nicht mehr nur als ihr Eigenverschulden dargestellt. Das ist auch unser Berliner Ansatz, den wir unterstützen wollen. Die Dinge, die wir auf den Weg gebracht haben und in der Vergangenheit gefordert haben, belegen das.
Stichworte sind: Netzwerk gesunde Städte, ÖGD-Reform, Stadtteilzentrenvertrag, um nur einige Beispiele zu nennen.
Maßnahmen zur Verringerung der sozialen und gesundheitlichen Ungleichheit lassen sich deshalb nur dann wirksam entwickeln und durchführen,
wenn die Ursachen im Kontext der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung betrachtet werden. – Das, Herr Hoffmann, wird Sie wahrscheinlich niemals interessieren, und darüber werden Sie auch nie nachdenken wollen! –
Recht herzlichen Dank! – Ich frage den Senat!
1. Welche Auswirkungen hat das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) auf Sozialhilfe- und Grundsicherungsempfänger, auf Obdachlose und Asylbewerber/-innen?
Frau Senatorin! Halten Sie eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Anhebung der
Pauschalsätze der Grundsicherung zur Minderung der Auswirkungen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes für sinnvoll angesichts der derzeitigen Zusammensetzung des Bundesrates und des Vermittlungsausschusses, der dieses Gesetz erst im Dezember verabschiedet hat?
Herr Präsident! Das war eine kurze Frage, aber ein komplexer Zusammenhang muss auch komplex dargestellt werden.
Gut. – Vielen Dank, Frau Senatorin, für Ihre ausführliche Darstellung der Folgen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes. Wie können aus Ihrer Sicht die entstandenen Probleme, die Sie beschrieben haben, gelöst werden,
und welche Vorstellungen haben Sie diesbezüglich?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoffmann! Trotz Ihrer Intervention – Ihr Antrag bleibt scheinheilig.
Sie wollen den Menschen hier weis machen, dass Sie mit dem Zustandekommen der jetzigen Situation nichts zu tun haben.
Ein Mediziner, Herr Hoffmann, würde sagen – ich sage das natürlich nicht –: Sie leiden unter partieller Amnesie.
Sie sitzen in den Bundesländern doch nicht auf der Oppositionsbank, erkundigen Sie sich einmal bei Ihren Kolleginnen und Kollegen.
Herr Hoffmann! Sie sind hier nicht im Ausschuss, sondern im Parlament!
Die Berliner CDU will den Eindruck erwecken, als scherte sie sich um die Armutsrisiken der Bürgerinnen und Bürger.
Herr Hoffmann! Diesen Eindruck werden Sie mit Ihrem Antrag nicht erwecken können,
während Ihre Bundes-CDU in den Gremien
und in den anderen Kommissionen – ich erinnere nur an die Herzog-Kommission – noch ganz andere Vorstellungen hatte, was man Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land zumuten sollte.
Herr Präsident! Könnten Sie bitte für Ruhe sorgen!
Herr Hoffmann! Warum sprechen Sie in Ihrem Antrag nur von der Anhebung der Pauschalsätze der Grundsicherung?
Die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau von Sozialhilfe bringen Tausenden von Betroffenen erhebliche Einkommensverluste. Sie führen zum Teil zum völligen Verlust sozialstaatlicher Leistungsansprüche, eben durch verschärfte Anrechnungsbedingungen und die Anrechnung des Vermögens auf die private Altersvorsorge. Das muss gesagt und darüber muss in diesem Land auch noch iskutiert werden. d
Vielleicht, Herr Hoffmann, führt Ihr Antrag zur Schärfung des Problembewusstseins innerhalb der CDU.
Das wünsche ich Ihnen zumindest. Ich glaube, Sie brauchen diese Schärfung des Problembewusstseins, um sich sehr schnell darüber klar zu werden, was Ihre Partei auf Bundesebene gemacht und welchen Dingen sie zugestimmt hat.
Im Übrigen, Herr Hoffmann, haben die Kürzungen und Streichungen sozialstaatlicher Unterstützungen und Leistungsansprüche auch dazu geführt oder werden dazu führen, dass die soziale Differenzierung auch in einer Stadt wie Berlin zunimmt. Wir brauchen Konzepte, um darauf zu reagieren. Da sind auch Sie gefragt zu beantworten, wie man das machen kann – aber unter finanzierbaren Bedingungen.
Kommunale Strategien gegen Armut, Förderung von sozialem Zusammenhalt, bürgerschaftliches Engagement,
Da erscheint in der Presse ein Artikel über die finanziellen Belastungen der Rentner und Rentnerinnen durch die Sozialreformen, eine Journalistin fragt, was man dagegen zu tun gedenkt – ich bin auch gefragt worden –, und kurze Zeit später liegt ein Antrag der CDU auf dem Tisch, Berlin möge eine Bundesratsinitiative zur Minimierung des Armutsrisikos einkommensschwacher Bürgerinnen und Bürger ergreifen. Nein, meine Damen und Herren von der CDU, so geht es nicht!
Stadtteilzentren, das sind unsere Antworten. Die haben wir auch ausfinanziert in dem zu beschließenden Haushalt.
Im Übrigen, Institute wie das Dortmunder Institut für soziale und ökologische Planung haben schon heute errechnet, dass es neben den sozialen Folgen auch wirtschaftliche und volkswirtschaftliche Effekte geben wird, die nicht zu unterschätzen sind. Dem, dem Sie zugestimmt haben, wird auch in Rechnung zu stellen sein, was neben den sozialen Folgen an Kaufkraftminderung zu erwarten ist.
Herr Hoffmann, halten Sie einfach den Mund und hören Sie zu!
Herr Hoffmann! Vermeiden sie solche Anträge und verschonen Sie das Parlament mit solcher Scheinheiligkeit und solchen durchsichtigen Argumentationen.
Die Position der Senatorin unterstütze ich ausdrücklich.
Sie hat der Öffentlichkeit kundgetan – und dafür verdient sie Unterstützung –, dass es Regelungen geben muss, insbesondere für die Härtefälle. Das ist richtig. Ich kann nur hoffen, dass sich diejenigen mit soziale Courage auf ihre Seite stellen, die diese Härtefallregelung wirklich wollen.
Zum Schluss, Herr Hoffmann, wenn Sie es ernst meinen, lade ich Sie recht herzlich zur großen Demonstration am 3. April ein.
Sehen wir einmal, ob Sie dann an unserer Seite stehen, Sie sind herzlich willkommen!
Ich hatte eben die Befürchtung, dass mein Kollege von der SPD nicht weiß, was er auf Ihren Vortrag, Herr Hoffmann, entgegnen soll, deshalb springe ich hier kurz ein.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie den Transparenzbericht, den Sie kennen und offensichtlich für kein probates Mittel halten, die Transparenz herzustellen, durch eine andere Form der Erfassung ersetzen, der moderneren Form einer Datenbank, die dann entsprechend der Nutzer alle gewünschten Dinge erfasst. Man kann sich darauf verständigen, dass der Hauptausschuss mit der zuständigen Senatsverwaltung, die das auch zu verwalten und zu verantworten hat, durchaus in die Diskussion über Zweck und Nutzer einer solchen Datenbank oder eines Transparenzberichts eintritt.
Ich meine nicht, dass der derzeitige Transparenzbericht einfach über Bord geworfen werden kann. Es ist viel Zeit dafür verwandt worden, diesen Transparenzbericht zu qualifizieren. Nach meiner Kenntnis arbeitet die Senatsverwaltung für Arbeit, Wirtschaft und Frauen derzeit daran, genau das zu tun. Sie hat seit voriger Woche die anderen Senatsverwaltungen aufgefordert, eine OnlineDatenpflege der jeweiligen Daten, die dort enthalten sind, vorzunehmen. Sie haben offensichtlich das Erfassungssystem verbessert, und sie arbeiten daran, die gesamte Datenumstellung zu qualifizieren.
Sich darüber berichten zu lassen, wie das zukünftig aussehen soll, sich darüber zu informieren, wer die Nutzer wären und welche Informationen diese wünschen, wäre eine lohnenswerte Aufgabe. Aber sofort einen Systemwechsel vorzuschlagen, halte ich an dieser Stelle nicht für richtig, zumal dies in den meisten Fällen mit enormen Kosten verbunden ist, die noch zu rechtfertigen wären.
Hier bin ich schon bei meinem zweiten Punkt. Man muss konkret festlegen, welche Daten gesammelt werden sollen und wie frei deren Nutzung sein soll. Wenn eine völlige Datenfreigabe vorgesehen ist, muss exakt darauf geachtet werden, dass die gesammelten Daten die wirt
schaftliche Existenz der Träger nicht gefährden. Betriebswirtschaftliche Daten der Träger können in einen transparenten Bericht keinen Eingang finden und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Ihre Forderungen klingen so, als werde möglicherweise des Guten zu viel an Information verlangt.
Mein letzter Punkt: Unabhängig von Ihrer Forderung eines Träger- und Projekteatlasses ist es meines Erachtens noch wichtiger, dass wir uns darüber klar werden, welche Aufgaben, die derzeit von Trägern und Projekten wahrgenommen werden, auch künftig von diesen geleistet werden. Wir müssen uns darüber klar werden, welche bisher vom Staat wahrgenommenen Aufgaben künftig von Trägern und Projekten durchgeführt werden sollen. Man muss sich auch darüber Gedanken machen, welche Aufgaben künftig überhaupt entfallen können.
Danke, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat:
1. Trifft es zu, dass in sechs Berliner Oberstufenzentren die Stellen für Bibliothekare gestrichen werden sollen und damit die Existenz und die Nutzung der Schulbibliotheken in diesen OSZ mit jeweils mehr als 1 000 Schülern in Frage gestellt sind?
2. Hält der Senat den Erhalt der Schulbibliotheken an den OSZ für notwendig, und welche Alternativvorschläge zu deren Erhalt sind vom Senat gemeinsam mit den Schulleitern entwickelt worden?
Herr Staatsekretär! Halten Sie den eingeschränkten Zugang zu den Büchern, den Sie eingeräumt haben, für ein probates und zeitgemäßes Mittel? – Es könnte gerade angesichts der beschlossenen Zuzahlungen zu den Schulbüchern ein Problem werden, in den Oberstufenzentren an Zusatzliteratur heranzukommen. Haben Sie den Eindruck – –
Herr Staatssekretär, ungeachtet der Tatsache, dass Sie das für notwenig erachten, finde ich, dass die Einsparsumme, die dem zu Grunde liegt, angesichts des von Ihnen zu verantwortenden Gesamtetats eher minimal ist.
Gibt es nach dieser Entscheidung eingeschränkte Öffnungszeiten und Einschränkungen in der Bücherausleihe für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufenzentren? Wir stellen Sie sich die Eigenverantwortung der Schüler und Lehrer vor?
Herr Staatssekretär! Welche konkrete Unterstützung bekommen die Schulen, um Öffnungszeiten, Modelle zu entwickeln, die das garantieren können? Haben Sie den Eindruck, dass die Schulen aus eigener Kraft und Organisationsfähigkeit mit dieser Situation umgehen können? – Die Informationen, die wir haben, belegen dies leider nicht.
Ich frage den Senat:
1. Vor welchem Hintergrund wurde vom Senat der Hundegesetzentwurf erarbeitet, und wann ist mit der Einbringung ins Parlament zu rechnen?
2. Trifft es zu, dass der Entwurf eine gekürzte Rasseliste enthält, und, wenn ja, warum?
Frau Senatorin! Ich kann mit Ihnen übereinstimmen, dass sich nicht jeder, der in dieser Stadt einen Hund hat, zu diesem Thema äußern soll und dass das Land Berlin nach pragmatischen Lösungen suchen sollte, –
– um die unterschiedlichen Interessen deutlich zu machen. – Stimmen Sie mit mir überein, dass Zuverlässigkeit und Sachkunde bei den Haltern von Hunden in der öffentlichen Diskussion mehr in den Vordergrund gerückt werden sollte? Welche Regelungen halten Sie für angebracht?
Ich frage den Senat:
1. Wie geht der Senat mit den aktuellen Beschwerden der Betroffenen über die Qualität der Kältehilfe im Land Berlin um?
Danke schön! – Frau Senatorin! Ich hatte Sie im zweiten Teil meiner Frage danach gefragt, ob der Senat beabsichtige, die Obdachlosenleitlinien zu überarbeiten. Ihrer Antwort konnte ich entnehmen, dass Kältehilfe im Land Berlin momentan so verfasst ist, dass die Kapazitäten ausreichen, dass sie schnell und unbürokratisch und der Situation jeweils angemessen reagieren kann, dass Sie aber selbst für zukünftige Programme in den nachkommenden Wintern die Qualität noch einmal hinterfragen wollen, um angemessen reagieren zu können. Wäre das aus Ihrer Sicht ein Bestandteil der Überarbeitung der Obdachlosenleitlinien?
Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
2. Welche Folgen wird die beabsichtigte Kürzung des Arbeitslosengeldbezuges für über 55-Jährige auf 18 Monate und für Jüngere auf 12 Monate haben, die trotz intensiver Suche keinen Arbeitsplatz finden können, und hält der Senat eine darüber hinaus vorgesehene Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen für ein sozialpolitisch vertretbares Instrumentarium bei fehlenden Arbeitsplätzen?
Frau Senatorin, Ihrer Antwort konnte ich entnehmen, dass Sie die im Raum stehenden Vorschläge des Bundeskanzlers nicht für die geeigneten sozialpolitischen Instrumentarien halten, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Welche Möglichkeiten der Einflussnahme hat das Land Berlin, damit die konkrete Situation der Stadt in die diskutierten Vorschläge eingehen kann? Welche Schritte wird der Senat unternehmen?
meinem Dafürhalten Sinn, Leistungen – ob Geldleistungen oder Beratungsleistungen – aus einer Hand zu erhalten. Das führt dazu, dass dem Betroffenen wirkungsvoller geholfen werden kann. Es spart auch eine Fülle an Behördengängen. Große Probleme habe ich allerdings mit der Ankündigung, dass die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt werden soll. Das führte dazu, dass es für noch mehr Menschen in Berlin zu einer deutlichen Verschlechterung ihrer sozialen Lage kommt. Die Befürchtung ist groß, dass sie ein Leben am Rande der Armutsgrenze führen müssen. Das geht nicht ohne eine Verschärfung des sozialen Sprengstoffs in dieser Stadt ab.
Schon heute haben wir die Situation, dass ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen – der ist in Berlin überdurchschnittlich hoch –, der in der Regel Arbeitslosenhilfe bezieht, auf ergänzende Sozialhilfe Anspruch hat. Wenn man sich das genau anschaut, dann hätten 80 % der Arbeitslosenhilfebezieherinnen und -bezieher Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe. Nur 26 % beantragen sie tatsächlich. Ich befürchte – das wären dann die Konsequenzen für das Land Berlin, jedenfalls nach heutigem Stand –, dass die Sozialhilfekosten bei einer Senkung der Arbeitslosenhilfe in Berlin deutlich stiegen, vor allem bei den größeren Bedarfsgemeinschaften, also bei den Familien mit Kindern, die schon heute von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe nicht mehr leben können, sondern auf ergänzende Sozialhilfeleistungen angewiesen sind.
Der richtige soziale Abstieg – und darin liegt sozialer Sprengstoff – droht den Arbeitslosen, deren Arbeitslosengeldbezug auf 12 Monate verkürzt werden soll. Das betrifft Personen, die noch nicht 55 sind. Bei denen, die älter sind, soll es eine Verkürzung von jetzt 32 auf 18 Monate geben. Wir wissen alle, dass der Wiedereinstieg für ältere Arbeitslose angesichts der bedrückend hohen Arbeitslosenzahlen, die wir seit Jahren haben, fast aussichtslos ist. Daran haben leiden auch spezifische Maßnahmen der Arbeitsförderung, wie Lohnkostenzuschüsse und Ähnliches, nichts Grundlegendes ändern können. Wenn in Berlin auf eine offene Stelle 48 Arbeitslose kommen, dann wissen wir, dass eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung oder andere Sanktionen keineswegs den Druck erhöhen, Arbeitsplätze zu schaffen. Vielmehr wird dadurch der Druck auf die Arbeitslosen erhöht. Wenn Menschen über 55 nach 18 Monaten Arbeitslosengeldbezug auf das Niveau der Sozialhilfe abrutschen und dabei womöglich noch Vermögen oder Erspartes zur Alterssicherung einsetzen müssen, dann bedeutet das einen Verlust an sozialer Sicherheit. Ich befürchte, dass damit Altersarmut vorprogrammiert ist. Der Armutsbericht, den wir im Sommer herausgegeben haben, deutet darauf hin, dass sich schon bestehende Probleme noch verschärfen können.
Grundsätzlich finde ich es richtig und sehr wichtig,
dass aus dem von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vorgelegten Bericht über Armut und Gesundheit vom Sommer 2002 Schlussfolgerungen gezogen wurden – in der Einleitung zum 1. Armutsbericht ist genau das als Ziel formuliert. Es soll damit eine Debatte eingeleitet werden, wie in Zukunft die Analysen von Armut und sozialer Ungleichheit weiter vertieft und verbreitert werden. Aufgerufen zu dieser Diskussion ist der politische Bereich ebenso wie die Fachöf
fentlichkeit. – „Die Debatte über die Weiterentwicklung der Armutsberichterstattung in Berlin und insbesondere über die räumliche Verteilung von Armut muss auch die Belange und Erkenntnisinteressen vor Ort von bezirklichen, freien und privaten Trägern und Akteuren aufgreifen...“
In diese Debatten einzubinden sind Ihre gut gemeinten
Vorschläge, meine Damen und Herren von der CDU. Ihre Forderungen nach mehr Elternarbeit in den Kitas sozialer Brennpunkte verstärken, nach Konzepten gegen Verschuldungskarrieren von Jugendlichen und Ihre Forderungen nach besseren Voraussetzungen für die weitere Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in den Berliner Bezirken ist immer richtig und wichtig. Gleichwohl wissen Sie nur zu gut, dass Ihre Vorschläge sowohl Landes- als auch Bezirksaufgaben ansprechen.
Ich finde, die nachhaltigsten Handlungsstrategien
müssen vor Ort gefunden werden, bezirkliche Handlungsstrategien müssen auf die bezirklichen Ressourcen abgestimmt werden und sich in Zusammenarbeit mit bezirklichen, freien und privaten Trägern und Akteuren entwickeln.
Ihre Positionen sind zu kurz gegriffen. Unsere Vor
stellungen, Schlussfolgerungen aus dem ersten Armutsbericht zu ziehen, sollen folgende Schwerpunkte
berücksichtigen:
- Kontinuierliche und systematische Sozial- und Ge
sundheitsberichterstattung, die handlungsorientierende Grundlagen liefert,
- sozialräumliche Sozial- und Gesundheitsplanung in
Abstimmung mit der Jugendverwaltung,
- Handlungsstrategien vor Ort finden und Bündelung
der Aktivitäten,
- Entwicklung von Qualitätsstandards und Bewertungs
kriterien für soziale Handlungsansätze – auch in den von der CDU eingebrachten Themen.
Frau Senatorin Knake-Werner! Ich frage Sie: Wie bewerten Sie den Antrag des Senats zum Beitritt zum Gesunde-Städte-Netzwerk, welche Chancen räumen Sie diesem Antrag ein und welche Kompetenzen bringt das Land Berlin mit in Zeiten knapper öffentlicher Mittel?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Rede von Herrn Rzepka und Herrn Steffel bin ich fast versucht zu sagen: Herr Steffel, kommen Sie doch einmal wieder zurück auf den Teppich!
Der war gut, nicht? Er soll zurück auf den Teppich kommen! – Wenn Sie in Ihrer ersten Rede behaupten
hören Sie doch einmal zu! –, dass an den über 300 000 Arbeitsuchenden in Berlin die SPD-Regierung oder die Vorgängerregierung von SPD und Grünen hier in dieser Stadt schuld gewesen sind, dann kann ich nur sagen, dass wir diese Argumentation nicht so platt zurückgeben.
Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass allein in der Stadt Berlin zwischen 1990 und 1999 über 350 000 Beschäftigungsposition einfach flöten gegangen sind! Wir werfen Ihnen nicht vor, dass das allein Ihre Schuld gewesen ist, das hat auch noch andere Gründe. Aber Sie sind schon erheblich daran beteiligt gewesen, dass im verarbeitenden Gewerbe beispielsweise 22 % der Beschäftigungspositionen, im Baugewerbe 28 % und im Dienstleistungsgewerbe, Herr Steffel, immerhin über 7 % kaputt gegangen sind.
Das sollte man, um der Wahrheit zu genügen, hier auch noch einmal sagen.
Der Auftrag von Hartz war nicht, ein neues Beschäftigungsprogramm vorzulegen, sondern Strategien zu einer effektiveren Verwaltung der Arbeit und der Arbeitsuchenden in dieser Stadt
(A) (C)
(B) (D)
und der ganzen Republik vorzulegen. Darüber kann man streiten, darüber haben wir heute gestritten. Auch wir finden nicht alle Punkte gut. Wir werden auch nicht nur die Rosinen herauspikken, sondern genau schauen, welche dieser Ansätze und Module gut für Berlin umsetzbar sind und welche dieser Module den Menschen wirklich helfen, Arbeit zu finden und nicht an der Bürokratie in dieser Stadt weiter zu Bruch zu gehen.
Eines ist allen in diesem Raum klar: Passe´ ist endgültig die Illusion in dieser Republik und hoffentlich auch in dieser Stadt, dass Arbeitslosigkeit vor allem das Problem von wenigen ist, dass es das Problem von Risikogruppen ist, von sogenannten Unqualifizierten und sogenannten Unmotivierten, sondern ein Problem ist, dass inzwischen alle treffen kann, egal, welche Qualifikation sie haben. Jeden kann es treffen. Deshalb ist es uns wichtig, realistische Ansätze hier für diese Stadt zu diskutieren, die vor allem nicht nur die Arbeitslosen zu den Hauptakteuren in diesem gemeinsamen Prozess machen, nämlich zu den Akteuren, die man nur bewegen müsste, die irgendwohin gebracht werden müssten, damit sie einen Job finden, den sie sonst nicht suchen würden. Wir diskutieren noch immer auch in dieser Stadt ein gesamtarbeitsmarktpolitisches Konzept, welches sich davon leiten lassen soll, dass wir der Meinung sind, dass ein Strukturwandel in dieser Stadt nach wie vor unvermeidlich ist. Er ist auf den Weg gebracht. Wir sehen Grundlagen, wenn es auch nur erste sind, in einem Einstieg in wissensorientierte Industrie- und Dienstleistungszweige, die sicherlich neue Arbeitsplätze schaffen werden, in urbane Wirtschaftsstrukturen – von Frau Freundl ist das auch angesprochen worden – und in einem zukünftigen Medienstandort Berlin. Werden die Wirtschaftszweige, diese innovativen Wirtschaftssektoren entwickelt, werden dort auch Arbeitsplätze in den unterschiedlichsten Bereichen entstehen.
In Regierungsverantwortung werden und wollen wir uns nicht davor drücken, genau nach Ansätzen zu suchen, die Menschen in diesen Prozess mit einzubinden. Wir wollen nicht Druck auf Arbeitslose und Leistungssenkungen. Das möchte ich hier auch noch einmal betonen! Wir wollen keine Ausweitung des Niedriglohnsektors und werden auch die Modelle der Zeitarbeit sehr kritisch betrachten. Positive Ansätze, unbürokratische Arbeitsvermittlung, das Arbeitsamt als wirklicher Dienstleister, Job-Center, das sind für uns Ansätze – sie sind vom Wirtschaftssenator auch betont worden –, die wir kritisch begleiten wollen. Hier suchen wir nach innovativen Lösungen in Berlin und freuen und über alle, die sich aktiv an diesem Prozess beteiligen wollen und nicht nur schmählich danebenstehen und sich dort die Rosinen herauspicken.
Klar ist, dass bei allen den Vorschlägen, die jetzt im Bundestag diskutiert werden, für Berlin erhebliche Finanzierungsprobleme entstehen.
Danke schön für die Unterstützung, Frau Präsidentin! Herr Czaja ist mir in dieser Art und Weise auch schon im Fachausschuss aufgefallen.
Ich betone noch einmal: Wir werden hier gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen, die unbürokratische Arbeitsvermittlung in den Vordergrund stellen, das Arbeitsamt als Dienstleistungszentrum betrachten und Job-Center als die Center gestalten, wo Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger Anlaufstellen finden, wo sie beraten und betreut und nicht nur verwaltet werden. Finanzierungsprobleme kommen auf die Stadt zu, die auch hier im Haus diskutiert werden müssen, aber sie werden keine
Hürde sein, die für Berlin unüberwindbar wäre, wenn es darum geht, Arbeitsplätze, Arbeitschancen und Zukunftschancen für die Menschen in dieser Stadt zu suchen, die einen Job haben möchten und damit ihre Familien und ihre Zukunft in dieser Stadt besser gestalten wollen. – Danke schön!