Hans Georg Junginger

Sitzungen

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Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser außerordentlich „sachlichen“ Rede der Kollegin Brenner will ich jetzt für uns, die SPD-Fraktion, einmal in größter Sachlichkeit darstellen, was wir miteinander erlebt haben.
Der Untersuchungsausschuss, Herr Kollege Rech, über die Förderpraxis bei der ländlichen Sozialberatung hat nach 24 Sitzungen, der Vernehmung von mehr als 80 Zeugen, der Überprüfung von Dutzenden von Aktenordnern mit Tausenden von Seiten
unter mehr oder minder großem Interesse der Öffentlichkeit seine Arbeit abgeschlossen und Ihnen seinen Abschlussbericht mit 514 Seiten zuzüglich Anlagen vorgelegt.
Für mich als stellvertretenden Vorsitzenden dieses ersten und einzigen Untersuchungsausschusses in der zwölften Legislaturperiode dieses Landesparlaments, für die drei SPD-Mitglieder des Ausschusses und für die ganze SPDLandtagsfraktion steht folgendes Ergebnis fest:
Erstens: Der Untersuchungsausschuss war notwendig und gerechtfertigt.
Zweitens: Trotz aller Bemühungen der Ausschussmehrheit, die Aufklärung zu verhindern und Persilscheine für eindeutiges und offenkundiges Fehlverhalten auszustellen, sind die Erkenntnisse für den objektiven Beobachter erschreckend und verlangen dringend nach Abhilfe.
Drittens: In den Rechnungsprüfungsämtern und dem Landesrechnungshof gibt es trotz jahrzehntelanger Regierung einer Partei noch Mitarbeiter, die ohne Ansehen der Person
und der Parteizugehörigkeit allein nach Gesetz und Recht arbeiten und die Dinge beim Namen nennen.
Diesen Personen und besonders den Rechnungsprüfern Heller und Sautter und dem Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs, Herrn Gößler, gelten ausdrücklich unser Dank und unsere Anerkennung für ihre engagierte Arbeit und ihr Aussageverhalten vor dem Untersuchungsausschuss.
Viertens: Die beteiligten Staatsanwaltschaften Stuttgart und Mannheim haben ihre Aufgabe ordentlich erfüllt und, ohne den Einflüsterungen der Ministerin zu folgen, die Ermittlungen mit drei Strafbefehlen wegen Betrugs zum Abschluss gebracht. Dafür sprechen wir unseren Dank aus. Gleichzeitig haben sie festgestellt, dass die Regierung mit ihrer Förderrichtlinie und der langjährigen Verwaltungspraxis völlig versagt hat und eine objektive Aufklärung der Schadenshöhe dadurch unmöglich gemacht hat, indem sie die Weigerung der Bauernverbände, die zwischen Ministerium, Rechnungsprüfungsamt und Landesrechnungshof abgesprochenen Formulare für eine repräsentative Erfassung der tatsächlich anfallenden Beratungstätigkeit auszufüllen, akzeptiert hat.
Fünftens: Die CDU und insbesondere Herr Hauk haben nichts unversucht gelassen, um möglichst viel Irritation und Desinformation über den wahren Sachverhalt des Untersuchungsgegenstands zu verbreiten. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass bis heute viele noch nicht genau verstanden haben, was zwischen Bauernverbänden und der Landesregierung viele Jahre gelaufen ist.
Die CDU setzt den diesbezüglichen Fehlleistungen der letzten Jahrzehnte mit ihrer Bewertung der Zeugenaussagen noch die Krone auf. Sie schämt sich nicht einmal, als Einleitung ihrer Abschlussbewertung die Politik der rotgrünen Bundesregierung seit 1998 als Grund der für die fernere Vergangenheit behaupteten Notwendigkeit der finanziellen Förderung der ländlichen Sozialberatung anzugeben und damit die langjährige Schlamperei unter ihrer Verantwortung seit 1973 nachträglich zu entschuldigen zu versuchen. Dies klingt unglaublich, kann aber von jedem nachgelesen werden.
Schon daran wird sichtbar, dass die CDU mit einer insoweit willfährigen FDP/DVP rein gar nichts zu einer Aufhellung der Umstände beitragen wollte, sondern nur in einer Vermischung von Vernebelung und Vorwahlkampf versucht hat, das Kapitel „Unzulässige Doppelförderung der ländlichen Sozialberatung und Betrug bei der Erlangung von Fördermitteln“ schnell hinter sich zu bringen.
Lassen Sie mich mit einem kurzen Märchen aus dem Ländle erläutern, was sich zwischen Bauernverbänden und der Landesregierung in der Ära Weiser zugetragen hat.
Gut zuhören! Das ist das Märchen zu Weihnachten:
Das Land und seine Politiker gehen hin und erklären bestimmte Tiere für gemeinnützig und deshalb förderwürdig. Der Staat will diese Tiere aber nicht selbst halten.
Da kommt ein Mann, der sagt, dass er das für den Staat tun könne, da er sich ohnehin schon selbst diesen Tieren verpflichtet fühle. Darüber freut sich das Land, und es gewährt dem Mann das Geld für die Haltung dieses Tieres.
Das Land fragt nie, was für ein Tier es denn genau sei. Der Mann sagt das auch nie von sich aus. Das Land vermutet, es handle sich um einen Elefanten. Es überweist nun Jahr für Jahr viel Geld
und legt großen Wert auf die Feststellung, dass es dem Mann nur ca. 20 % der Unterhaltskosten für einen Elefanten bezahle, also eigentlich viel zu wenig. Und der Mann sagt alle paar Jahre, das Futter sei ja teurer geworden, und er brauche deshalb mehr Geld als bisher.
Nach mehr als 20 Jahren „Elefantenmast“ stellt sich ein junger, kleiner Bediensteter einer Bewilligungsbehörde die kühne Frage
Sie haben wahrscheinlich einen Teil schon begriffen –,
was das eigentlich für ein Tier sei, und er schickt einen Prüfer. Und siehe da –jetzt wird es Ernst –: Es wird eine Maus mit zwei Köpfen gefunden.
An einem Kopf hängt ein Schild mit der Aufschrift „Ländliche Sozialberatung“, und an dem zweiten Kopf hängt ein Schild „Verwaltungsstelle der ländlichen Sozialversicherung“ – zugegebenermaßen keine schönen Mäusenamen. Doch es kommt noch schlimmer: Für diese Maus mit zwei Köpfen, aber nur einem Magen, wurde das Futter in den letzten 20 Jahren schon komplett von einem Dritten übernommen.
Obendrein stellt sich heraus, dass trotz aller vielfach beteuerten und vom Minister und seiner Truppe ständig attestierten Förderwürdigkeit dieser Monstermaus der Mäusehalter sehr betucht ist und den Zuschuss zumindest nie gebraucht hätte, um die Maus zu pflegen.
Hektische Untersuchungen, tiefe Prüfungen und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen bringen den ganzen Betrug ans Licht.
Die Regierung und die Koalitionsparteien – –
Ich kann Ihre Unruhe durchaus verstehen. An Ihrer Stelle würde ich bei dieser Ausgangslage auch so reagieren.
Das tut nämlich weh.
Sie stehen blamiert da, halten weiteres Elefantenfutter zunächst zurück und kommen schließlich zu dem grandiosen Ergebnis,
es habe sich schließlich um eine unter der Speziallupe für befreundete Tiere sehr, sehr große Maus gehandelt, und von dem zweiten Kopf und dessen Versorger habe man nie etwas gewusst.
Deshalb müsse man weiter fördern wie bisher, denn mit viel Staatsfutter komme die Maus vielleicht doch noch auf Elefantengröße.
In Zukunft werde man dazuschreiben, dass nur einer der beiden Köpfe das Landesfutter fressen dürfe.
Dank des Zauberworts Pauschalierung müsse man in den Elefantenstall mit der Mäusebox auch nie wieder hineinsehen.
Es wäre schön, wenn dies nur ein Märchen wäre. Leider hat Ihre Reaktion gezeigt, dass diese kleine Geschichte den Wesensgehalt der Förderpraxis des Landes wiedergibt.
Es ist eine treffende Charakterisierung des Versagens
und der Unfähigkeit der von der CDU langjährig geführten Landwirtschaftsverwaltung in diesem Land. Es zeigt auch, auf welche abenteuerliche und leichtfertige Weise hier im Land von Gerhard Weiser und anderen Verantwortlichen mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen worden ist, wenn es um die Bedienung politisch nahe stehender Organisationen ging.
So war die zugrunde liegende Richtlinie in all ihren Fassungen unpräzise und unbrauchbar. Die staatliche Kontrolle der Mittelverwendung fand nicht statt. Damit Sie nicht meinen, das sei meine Beurteilung, lese ich Ihnen jetzt vor, was die Staatsanwaltschaft Stuttgart viel prosaischer als zusammenfassende Bewertung der administrativen Fehlleistungen wie folgt knapp und präzise formuliert:
Diese Unzulänglichkeiten ermöglichten sowohl die Entstehung von Irrtümern als auch die Durchführung von absichtlichen Manipulationen aufseiten der Zuschussempfänger.
Zu erwähnen sind an dieser Stelle die unpräzise formulierte und daher inhaltlich unbestimmte Richtlinie des Ministeriums, die faktisch nicht erfolgte Mittelverwendungskontrolle, die angebliche Unkenntnis des Ministeriums Ländlicher Raum als der Spitze der Landwirtschaftsverwaltung von der offenkundigen Tatsache des Tätigwerdens des Landesbauernverbandes und seiner Untergliederungen für die landwirtschaftliche Sozialversicherung und das insgesamt nachlässige Verhalten der Bewilligungsbehörden.
Und dann sagen Sie, es sei nichts herausgekommen.
Die Beweisaufnahme ergab – – Diese Ergebnisse, Frau Kollegin Brenner, sind lange nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses als Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Anlass für drei Strafbefehle wegen Betrugs gewesen.
Viele Monate später: Die Beweisaufnahme ergab, dass es seit der Einrichtung der Verwaltungsstellen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung bei den Bauernverbänden vom Jahr 1972 bis zum Jahr 1995, in dem das Regierungspräsidium Stuttgart endlich Prüfungen ansetzte, insgesamt acht Anlässe gab, die Förderpraxis der ländlichen Sozialberatung zu überprüfen. Dabei hätte jedes Datum, für sich allein betrachtet, zu einer Korrektur der Mittelbewilligung und der Mittelauszahlung führen müssen. Wer achtmal auf seine Versäumnisse aufmerksam gemacht wird, ohne zu reagieren, der muss sich bewusstes Fehlverhalten vorwerfen lassen, Herr Weiser. Oder, um es mit einer beliebten Redewendung unseres Ministerpräsidenten zu sagen: Dieser Irrsinn hatte Methode.
Die Zeugenaussage von Exminister Mayer-Vorfelder, einen solchen Vorgang hätte er, anders als Frau Staiblin, intern und ohne Staatsanwaltschaft geklärt, verdeutlicht nur, wie verfilzt und dubios die Abrechnungspraxis und die Aufsichtspflicht vonseiten der CDU über viele Jahre gehandhabt wurden.
Bei der vom Untersuchungsausschuss untersuchten Förderpraxis handelt es sich um eine Sonderregelung, die in keinem anderen Förderbereich des Bundes oder der Landespolitik ihresgleichen findet.
Sie ist – im Telegrammstil – wie folgt zu kennzeichnen: Keine Verpflichtung zur Vorlage von Einzelverwendungsnachweisen; der neue Antrag ist gleichzeitig der Verwendungsnachweis für das vorausgehende Jahr. Nie gab es eine Spezifizierung der Tätigkeit der handelnden Personen bei den Verbänden in den verschiedenen Bereichen allgemeine Verbandstätigkeit, Auftragstätigkeit für die ländlichen Sozialversicherungskassen und ländliche Sozialberatung nach der Förderrichtlinie des Landes. Entgegen der politischen und verfassungsmäßigen Verpflichtung, nur das und nur in dem Umfang zu fördern, was objektiv förderungswürdig ist, ist weder im Regierungshandeln noch in den Bemühungen der Mehrheit des Untersuchungsausschusses ein solches Anliegen auch nur ansatzweise zu erkennen. Nie sind eine Quantifizierung und eine Qualifizierung des Fördergegenstands und des Fördervolumens angestrebt worden.
Die Förderungsempfänger haben verständlicherweise kein Interesse gehabt, bei einer Abgrenzung, die mit absoluter Gewissheit zu einer nicht weit von null entfernten Fördernotwendigkeit geführt hätte, mitzuwirken. Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss mitsamt der Regierung haben ihre politischen Kostgänger nicht bloßstellen wollen, weil die ständig erhöhten Fördermittel bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Landwirte als politische Wohltat zu entsprechendem Wahl- und Wohlverhalten eines gesamten Berufsstandes oder zumindest zu der Vasallentreue seiner Verbände führen sollten.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident.
Damit ist für uns klar erwiesen: Es gab Betrug vonseiten der Zuwendungsempfänger. Die Ministerialverwaltung hat von der Richtlinienerstellung bis zur Kontrolle der Mittelvergabe beispiellos versagt. Nur mit gewollter und verantwortungsloser Klientelpolitik ist dies überhaupt erklärbar.
Unser Ergebnis lautet deshalb: Macht braucht Kontrolle; Hochmut kommt vor dem Fall. Zu dieser Erkenntnis hat der Untersuchungsausschuss sicherlich einen Beitrag leisten können, ausgenommen natürlich für die Lernunfähigen.
In der zweiten Runde wird noch kurz zu der zukünftigen Bewertung der Fördertätigkeit aus unserer Sicht Stellung zu nehmen sein.
Danke schön.
Herr Staatssekretär, sind es nicht internationale Vorschriften zum Flugverkehr, die auch die Bundesregierung binden, sodass ein großer Spielraum, etwa die von den Ländern artikulierten Bedenken zu berücksichtigen, gar nicht gegeben ist?
Herr Staatssekretär, gibt es schon Erwägungen, auch durch Fördermittel die Voraussetzungen zu schaffen, dass die notwendigen baulichen Umgestaltungen durchgeführt werden? Denn die Richtlinie oder der Erlass vom Februar 1999 ging davon aus, dass die Voraussetzungen zeitnah geschaffen werden sollten. Auch wenn es dann zu einer Modifizierung käme, so bleibt doch mit Sicherheit ein Regelungsbedarf übrig, der mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein wird.