Christoph Bayer
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Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung:
a) Setzt das Land Baden-Württemberg beim Bibermanagement wie bisher auf die Stärkung der Eigenverantwortung von Betroffenen und Kommunen, flankiert von der zoologisch forcierten Unterstützung durch das Bibermanagement der vier Regierungspräsidien, oder werden die Konflikte mit Bibern künftig durch einen allgemeinen „Verschiebebahnhof“ unbequemer, konfliktträchtiger Jung- und Alttiere sowie die Bereitstellung eines Entschädigungsfonds seitens des Landes bewältigt?
b) Wie beurteilt die Landesregierung den Konfliktfall „Ölmühle“ in der Gemeinde Fichtenau im Landkreis Schwäbisch Hall in Bezug auf die Strategie des „Wegfangens“ als Konfliktlösung, die Überlebenschancen der „wieder ausgesetzten Biber“ aus Sicht des Tierschutzes und die bisher entstandenen betriebswirtschaftlichen Kosten?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen“ ist tatsächlich ein Thema, das eine größere Beachtung verdient. Deswegen bin ich froh, dass wir hier auch an herausgehobenem Platz einmal darüber diskutieren können. Allerdings hat mein Vorredner so gut wie überhaupt nichts dazu gesagt, wie man diesem Phänomen sowohl medienpolitisch als auch gesellschaftspolitisch oder bildungspolitisch begegnen könnte.
Wenn wir schon eine Aktuelle Debatte zu einem Thema veranstalten, das uns seit mindestens 10 bis 15 Jahren begleitet, dann bitte auch mit dem Bezug zu einer aktuellen Studie von Professor Pfeiffer, der momentan den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen untersucht. Er hat bereits ein Zwischenergebnis vorgelegt. Die Studie dauert von 2004 bis 2008. Er überschreibt eine Presseerklärung zu dem Zwischenergebnis mit der Aussage „Übermäßiger Medienkonsum macht dick, dumm, krank und traurig“. Das alles ist zugegebenermaßen ein bisschen platt, aber hierin sind die entscheidenden pädagogischen Botschaften versteckt. Hierin zeigen sich die großen Verwerfungslinien, die – und zwar nicht erst seit gestern – da sind: Jungen sind insgesamt deutlich mehr gefährdet als Mädchen. Ausländer sind mehr gefährdet als deutsche Jugendliche.
Ich nenne Ihnen hierzu illustrierend ein paar Zahlen. Die Schulleistungen von Jungen entwickeln sich – und zwar nicht erst seit gestern oder vorgestern, sondern in den letzten zehn Jahren kontinuierlich – stetig nach unten. Bei den Schulabbrechern, den Empfehlungen für höhere Schulen, den Sitzenbleibern und den Schulschwänzern geht die Schere zwischen Jungen und Mädchen deutlich auseinander.
Und hier zeigt sich die Korrelation zur Mediennutzung dann sehr deutlich, wenn man feststellt, dass die Mediennutzung bei Jungen, gerade im Alter von 12 bis 19 Jahren, im Verhältnis zu den gleichaltrigen Mädchen exorbitant höher ist.
Man kann also als Zwischenergebnis festhalten: Mädchen sind generell weniger gefährdet, durch die Medien vom Lernen abgelenkt zu werden.
Die gleiche Datenlage zeigt sich auch bei ausländischen Kindern und Jugendlichen.
Aber, meine Damen und Herren, der gesamte „Medienpark“ steht ja nicht einfach nur herum, sondern er wird auch genutzt, und zwar sehr exzessiv. Hinzu kommt, dass die Nutzer mit der Gefahr einer ständigen emotionalen Überreizung durch gewalttätige Inhalte konfrontiert sind. So kommt zum Zeitproblem auch ein Überreizungsproblem hinzu. Professor Spitzer, den Sie ja immer sehr gerne zitieren, formuliert vor diesem Hintergrund einen sehr dramatischen Appell. Er sagt: „Es gibt genügend Gründe, nicht länger zuzuschauen, wie wir die Gehirne unserer Kinder und Jugendlichen mit Gewalt zumüllen, sondern etwas zu ändern.“
Hierzu möchte ich Ihnen vier Vorschläge machen, die die Handlungsbereiche Gesellschaftspolitik, Medienpolitik und Bildungspolitik betreffen.
Erstens: Neben dem vielen Medienschrott, den Kinder und Jugendliche über sich ergehen lassen müssen, müssen die guten Inhalte ausgebaut werden und auch wirklich erkennbar sein. Beim Fernsehen werden ja inzwischen die Zuschauer mehr oder weniger an die Werbeagenturen „verkauft“. Das Ergebnis ist eine hemmungslose Kommerzialisierung – die Sie gewollt haben. Diese Geister werden Sie jetzt nicht mehr los.
Zweitens: Medienkonsum darf das wirkliche Leben nicht ersetzen. Auch hier ist der Trend, wissenschaftlich nachgewiesen, seit vielen Jahren unverkennbar: Die einen nutzen die Medien zur Gestaltung ihres Lebens, und die anderen ersetzen mit den Medien ihr wirkliches Leben. Das heißt pädagogisch gewendet: Medienkompetenz muss ein, möglicherweise sogar d a s zentrale pädagogische Ziel aller pädagogischen Institutionen in der Zukunft werden, und zwar nicht erst in der Schule, sondern weit, weit vor Schuleintritt; denn dann beginnt ja schon der exzessive Medienkonsum. Das heißt deutlich mehr Elternbildung und deutlich mehr Kompetenzaufbau bei denen, die vermitteln, bei den Lehrenden und den Erziehenden. Es kann nicht angehen, dass in diesem Feld die Kinder die Lehrer der Eltern sind.
Drittens: Risikogruppen müssen besonders und auch besonders früh in den Blick genommen werden. Da ist es jedoch mau. Ich frage Sie: Wo ist ein Konzept zur Benachteiligtenförderung in diesem Land? Wo ist eine systematische Verknüpfung von Schule und Jugendhilfe, die auch Verbindlichkeit hat? Was geschieht denn ganz konkret, um die Zahl von 20 bis 25 % aller Kinder zu reduzieren, die im letzten Kindergartenjahr nicht schulreif sind? Das sind Zahlen, die Herr Minister Rau gestern in der „Badischen Zeitung“ nannte.
Wo sind in diesem Land die Konzepte zur Unterstützung von Jungen, wo sind die Strukturen für eine jungenspezifische Pädagogik? Diese Konzepte sind schlichtweg nicht vorhanden.
Viertens: Die Alternativen zum Medienkonsum müssen für die Kinder attraktiv sein. Ganz besonders nenne ich als Alternative die Schule. Sie könnte für viele Kinder und Jugendliche d i e Alternative sein, insbesondere dann, wenn sie als Ganztagsschule stattfindet.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege Müller, wären Sie so freundlich, mir Ihre Einschätzung zu folgendem Zitat mitzuteilen, das aus einem Interview mit Herrn Professor Pfeiffer stammt – ich glaube, vom November letzten Jahres –, in dem er diese Studie vorgestellt hat:
14 Uhr, niemand zu Hause. Die machen sich das Essen warm und setzen sich vor ihre Playstation. Dieses Leben würde ja schon vermieden werden, wenn der Staat endlich seine Verantwortung wahrnimmt und auf die moderne Zeit reagiert, indem er nachmittags die Kinder voll versorgt mit tollen, faszinierenden Angeboten, was ihrer Bewegungsarmut entgegenwirkt, was ihnen soziale Kompetenz vermittelt und Spielfreude fördert. Dann wird es dieses Übergewicht des Computerspielens nicht mehr geben. Ich
Pfeiffer –
setze daher in erster Linie darauf, dass der Staat auf diese moderne Kinder- und Jugendwelt reagiert, indem er Ganztagsschulen für alle flächendeckend organisiert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte zu diesem Thema – da schließe ich die Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände ausdrücklich ein – ist meines Erachtens doch relativ oberflächlich abgelaufen und sehr, sehr formal geführt worden. Ich möchte deswegen meine heutigen Ausführungen etwas grundsätzlicher anlegen. Denn eines ist doch wohl klar, meine Damen und Herren, und, so hoffe ich, auch in diesem Haus unbestritten: Durch eine frühzeitige und eine echte Beteiligung an politischen Entscheidungen werden Jugendliche von Zuschauern zu Teilhabern der Demokratie, und zwar nicht nur theoretisch in Bildungszusammenhängen, nicht nur spielerisch und nicht nur in Simulationsverfahren. Genau dies wollen wir mit unserem Gesetzentwurf erreichen,
und zwar in drei miteinander verknüpften Initiativen: erstens durch eine größere Vielfalt und durch eine größere Verbindlichkeit von kommunalpolitischer Beteiligung von Jugendlichen, zweitens durch eine Stärkung der Rechte von Jugendgemeinderäten und drittens durch eine Absenkung des aktiven Wahlalters bei Kommunal- und Landtagswahlen auf 16 Jahre.
Ich bin mir schon darüber im Klaren: Dort, wo wir ohnehin schon ein beteiligungsfreundliches Klima in Kommunen haben, sind diese Regelungen möglicherweise unnötig. Sie sind aber in jedem Fall völlig unschädlich. Und dort, wo dies nicht der Fall ist, sollen die Jugendlichen auch wirklich die Möglichkeit erhalten, sich auf konkrete Rechte zu berufen.
Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, es gibt in Baden-Württemberg noch genügend beteiligungsfreie Zonen für Jugendliche.
Die Forderungen in diesem Bereich sind auch nicht aus der Luft gegriffen, sondern sie kommen genau von denen, die es wissen müssen: vom Dachverband der Jugendgemeinderäte selbst. Und die Forderung nach Absenkung des Wahlalters wird unter anderem von den Jugendverbänden und den Jugendringen vorgetragen. Die sind ja ihrerseits Profis in puncto Demokratisierung von jugendlichen Lebenswelten.
Meine Damen und Herren, Jugendliche mit 16 sind weder dumm noch unreif. In diesem Alter entscheiden sie unter anderem über Grundlagen ihres weiteren Lebenswegs. Mit 16 dürfen Jugendliche trinken, rauchen, ins Gefängnis kommen, allein verreisen, arbeiten, heiraten. Auch im finanziellen Bereich sind sie längst nicht unmündig. Weit mehr als zwei Drittel der Zwölfjährigen verwalten auf ihrem eigenen Konto autonom ihr Taschengeld und bewegen dabei Milliardensummen. Aber wählen dürfen sie nicht!
Mit welcher Argumentation, meine Damen und Herren, wollen Sie Jugendlichen dieses Recht verweigern?
Vielleicht mit mangelnder Reife? Wenn es beim Wählen tatsächlich um Reife und um Urteilsfähigkeit ginge, dann hätte man möglicherweise keine Altersgrenze eingeführt. Sinnvoller wäre dann vielleicht ein Wahlfähigkeitstest. Aber wie hätte man festlegen sollen, worin die Wahlfähigkeit denn besteht?
Hätte man vielleicht überprüfen sollen, ob die Leute alle Wahlprogramme gelesen haben?
Dann dürfte fast niemand wählen dürfen, wahrscheinlich auch kaum jemand hier in diesem Saal.
Für mich, meine Damen und Herren, gibt es zwei nennenswerte Einwände gegen die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre: Da stellt sich einerseits die Frage nach der juristischen Realisation. Aber jedes Wahlalter, auch jedes Wahlrecht – siehe die Einführung des Frauenwahlrechts – ist letztlich eine gesellschaftliche Konvention, die immer wieder neu verhandelt werden kann und neu verhandelt werden muss.
Ich hoffe, ja, Frau Kollegin.
Der zweite Einwand entsteht aus der Frage, ob man denn wirklich Macht und Einfluss mit jungen Menschen teilen möchte. Dieser Wille zur Teilung von Macht ist meines Erachtens in einer Gesellschaft, in der die Zahl junger Menschen und damit möglicherweise auch ihre gesellschaftspolitische Relevanz immer geringer wird, dringend notwendig.
Aber auch die befürchtete Beeinflussbarkeit von Jugendlichen kann kein Argument sein. Menschen beeinflussen einander eben. Eltern beeinflussen Großeltern, Kinder beeinflussen Eltern, Kinder beeinflussen andere Kinder. Würden sich Menschen nicht beeinflussen lassen, bräuchte man nur einmal im Leben zur Wahl zu gehen. Der ganze Wahlkampf wäre umsonst – Werbung ohnehin. Im Übrigen führt die erhöhte Beeinflussbarkeit von Altenheimbewohnern auch nicht zu einer Aberkennung ihres Wahlrechts.
Lassen Sie abschließend auch die betroffenen Jugendlichen einmal selbst zu Wort kommen. Ich zitiere aus einer großen Zahl von Äußerungen betroffener Jugendlicher. Dabei frage ich Sie noch einmal, mit welchen Argumenten Sie solche Jugendlichen von der Wahl fern halten wollen.
Janos Burghardt, 16 Jahre:
Ich bin politisch aktiv, ich bin politisch gebildet, und ich möchte endlich mitentscheiden dürfen!
Manuel Kupke, 16 Jahre:
Demokratie heißt Volksherrschaft! Ich gehöre zum Volk, seit 16 Jahren schon, und trotzdem darf ich nicht mitentscheiden?
Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident.
Marianne Jenert, 17 Jahre:
Einerseits beschwert man sich über zu geringe Wahlbeteiligung, und dann lässt man einen Teil der Leute, die wählen w o l l e n , nicht gehen! Dann beschwert euch bitte nicht weiter, ihr seid selbst daran schuld!
Sonja Zimmermann, 15 Jahre:
Die Politiker tun immer so, als würde es nur ums Heute gehen. Aber viele Entscheidungen, die getroffen werden, haben Folgen, die u n s morgen betreffen. Ich bin der Meinung, dass die Jugendlichen auch das Recht haben, zu wählen. Schon allein deswegen, um über unsere Zukunft zu entscheiden!
Meine Damen und Herren, es geht nicht um eine Wahlpflicht. Es geht um das Recht, zu wählen. Es geht um Initiativen, die geeignet sind, Jugendliche von Zuschauern zu Teilhabern der Demokratie zu machen.
In diesem Sinne hoffe ich sehr auf eine intensive und inhaltsreiche Debatte. Trotz der zu erwartenden Ablehnung unseres Gesetzentwurfs hoffe ich, dass dieser Themenkomplex ganz oben auf der Tagesordnung bleibt, insbesondere in den weiteren Beratungen der Enquetekommission.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe anwesende Kolleginnen und Kollegen!
Es ist schon bedauerlich, zu diesem Tagesordnungspunkt so wenige Kolleginnen und Kollegen begrüßen zu können.
Ich habe auch in öffentlichen Diskussionen immer wieder den Eindruck gewonnen, dass Jugendliche nur unter ganz bestimmten Koordinaten wahrgenommen werden – momentan in allererster Linie als Wirtschaftsfaktor: „Humankapital“, das „aufzubereiten“ sei, habe ich vor einigen Wochen
hier in diesem Saal von Professor Miegel gehört. In einer solchen Philosophie – Humankapital, das aufbereitet werden muss – haben eigenständige Rechte von Kindern und Jugendlichen kaum Platz, sie sind eher störend, zumindest aber untergeordnet.
Deswegen geht es in unserem Gesetzentwurf um Rechte, in diesem Fall um Beteiligungsrechte für Jugendliche. Es geht erstens um differenziertere und verbindlichere Formen von kommunalpolitischer Partizipation. Zweitens geht es um eine Stärkung der Rechte von Jugendgemeinderäten. Drittens geht es um eine Absenkung der Altersgrenze bei Kommunal- und Landtagswahlen auf 16 Jahre.
In vielen Gemeinden wird schon jetzt mit unterschiedlichen Partizipationsformen experimentiert. Jugendgemeinderäte sind eine Form davon. Ihre Verankerung in § 41 a der Gemeindeordnung begrüße ich ausdrücklich. Auch andere Formen machen Sinn: Jugendhearings, Jugendforen, Befragungen oder Zukunftswerkstätten.
Wer unterschiedliche Jugendliche in unterschiedlichen Jugendszenen ansprechen will, der braucht vielgestaltige Angebote. Aber Vielfalt darf nicht zur Beliebigkeit führen, und sie darf nicht abhängen vom Wohlwollen der gerade politisch Regierenden. Aus diesem Grund wollen wir mehr Verbindlichkeit durch eine Verankerung von Sollvorschriften in der Gemeindeordnung.
Bei der Stärkung der Rechte von Jugendgemeinderäten geht es darum, diese Gremien näher an den wirklichen Gemeinderat heranzubringen. Genau dies ist auch die Bitte des Dachverbands der Jugendgemeinderäte.
Ich finde, die nehmen repräsentative Demokratie wirklich ernst. Wir sollten froh darüber sein, meine Damen und Herren, wenn diese politisch engagierten, in Jugendgemeinderäten organisierten Jugendlichen auch im jeweiligen Gemeinderat ein Rederecht und ein Antragsrecht einfordern wollen.
Dies wollen wir mit dem Gesetzentwurf ermöglichen und verbindlich regeln.
Es ist möglich, aber nicht unbedingt durchsetzbar. – Ich hoffe, dass zumindest dahin gehend Einigkeit in diesem Hause herbeizuführen ist.
Nun zur Wahlrechtsänderung: Was soll man einem 16-Jährigen sagen, der wählen will, aber noch nicht wählen darf?
Welche Begründungen gibt es, ihm das Wahlrecht vorzuenthalten? Ich fange anders an. Man könnte zum Beispiel sagen: Lieber Jugendlicher, du bist noch nicht reif genug, um politische Entscheidungen zu treffen.
Das ist okay. Dieser Auffassung kann man sein. Woran aber, bitte schön, misst man dann bei Erwachsenen die politische Entscheidungsfähigkeit? Viele Erwachsene kennen nicht einmal den Unterschied zwischen Bundesrat und Bundestag. Ich bin mir ganz sicher, dass nur eine Minderheit das baden-württembergische Wahlrecht halbwegs fehlerfrei erklären kann.
Es gibt keine „richtigen“ und „falschen“ Gründe beim Wählen. Jeder macht das auf seine Art. Deswegen sage ich Ihnen: Aus entwicklungspsychologischer und pädagogischer Sicht gibt es überhaupt keinen Grund, politische Unreife ganz besonders bei Jugendlichen zu suchen und sie deswegen von politischer Beteiligung und vom Wahlrecht auszuschließen.
Dieser Ansicht ist auch der Autor der letzten Shell-Jugendstudie, Professor Hurrelmann. Er bescheinigt in seiner Studie 16- und 17-Jährigen politisches Interesse und Entscheidungsfähigkeit. Hurrelmann plädiert deswegen nachhaltig für eine Absenkung des Wahlalters. Er kann sich sogar eine Absenkung auf 14 Jahre vorstellen – ebenso wie auch der Landesjugendring in Baden-Württemberg.
Bei den Wahlen zu Kirchengemeinderäten gilt die Altersgrenze von 16 Jahren schon lange. Die Tendenz in der Diskussion geht eher Richtung 14 Jahre.
Aber, könnte man einwenden, Jugendliche in diesem Alter sind doch viel zu stark beeinflussbar. Das stimmt in der Tat. Die Befürchtung unangemessener Beeinflussung ist real. Sie besteht aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in Religion. Sie betrifft auch nicht nur Jugendliche, sondern beispielsweise auch alte Menschen. Auch Wahlkampf ist eine Form der gewollten Beeinflussung, die der Meinungsbildung dienen soll – Missbrauch nicht ausgeschlossen. Manchmal, meine Damen und Herren, muss man eben auch etwas wagen, um Fortschritte zu erzielen. Auch das Frauenwahlrecht musste gegen die Widerstände derer erkämpft werden, die glaubten, Frauen seien nicht reif für politische Entscheidungen.
Versuchen wir es mit einer weiteren Argumentation. Herr Schebesta hat dieses Argument ja schon als Zwischenruf eingebracht. Man könnte sagen: Lieber Jugendlicher, du bist nicht volljährig. Es geht nicht nur um Rechte, es geht auch um Pflichten, und du, Jugendlicher, sagst ja selbst, dass du eigentlich noch gar nicht so weit bist.
Wie ist die Realität? Jugendliche bekommen schon früh Rechte und Teilverantwortung. Sie werden mit 14 Jahren religionsmündig.
Sie übernehmen Verantwortung für Schullaufbahn und Berufswahl. Mit 16 Jahren wird ihnen die Ehefähigkeit und die Eidesfähigkeit zugesprochen, und – das ist das für mich wichtigste Argument – sie wachsen doch stufenweise hinein in demokratische Strukturen. Ein junger Mensch, der 16 Jahre lang in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im kommunalen Umfeld, in der Jugendarbeit, in der Ausbildung ermuntert wurde, eigene Bedürfnisse zu artikulieren und auf die Bedürfnisse anderer zu achten, ein junger Mensch, der 16 Jahre lang immer wieder die Chance erhalten hat, sein soziales Umfeld mit zu gestalten, der muss doch geradezu darauf brennen, auch Einfluss auf das parlamentarische System der Erwachsenen nehmen zu können.
Das ist zugegebenermaßen nicht durchgängig der Fall. Aber dies ist kein entwicklungspsychologisches, sondern ein gesellschaftspolitisches Problem. Leider durchlaufen unsere Kinder und Jugendlichen nur sehr partiell eine konsequente Sozialisation des Demokratie-Lernens und des DemokratieLebens,
mit kindgerechten Beteiligungsprojekten zum Beispiel bei der Spielplatzplanung, mit echter Mitbestimmung in der Schule, mit einem früh beginnenden Gemeinschaftskundeunterricht, mit vielfältigen und verbindlichen Formen von Partizipation im kommunalen Bereich und mit konkreten Rechten von Jugendgemeinderäten.
Deswegen, meine Damen und Herren, glaube ich, wir haben hier eine Bringschuld. Dabei bin ich mir völlig im Klaren: Die Herabsetzung des Wahlalters ist kein Allheilmittel, keine Wunderdroge für eine optimale politische Beteiligung von Jugendlichen, aber sie ist eine Chance. Zusammen mit der verbindlicheren Form kommunalpolitischer Beteiligung und der Aufwertung von Rechten für Jugendgemeinderäte wird daraus ein klares Signal, ein Signal gegen ein von vielen Jugendlichen gefürchtetes Methusalemkomplott und ein Signal für mehr Demokratie.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Rau, ich halte es für ein starkes Stück, die Bemühungen und das Ringen um gute Formen der Partizipation von Jugendlichen in unserem Land als Showeinlage zu bezeichnen. Das spricht nicht für die Ernsthaftigkeit, die dem Thema eigentlich gebührt.
Ich möchte noch eine grundsätzliche Überlegung nachschieben: Politische Entscheidungen haben insgesamt ein Strukturproblem, nämlich die Tendenz der Bevorzugung der Gegenwart bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Zukunft.
Jeder fasse sich an die eigene Nase! – Ich nenne beispielhaft drei Problemkreise aus der Jugendperspektive: Staatsverschuldung, Umweltzerstörung und unzureichende Investitionen in Bildung und Forschung. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch nach dieser Debatte keine in sich schlüssige
Argumentation, warum man dem oder der 16-Jährigen, der oder die wählen will, das Wählen verbieten sollte.
Wir tun so, als wenn wir bei dieser Angelegenheit etwas zu verlieren hätten. Das haben wir doch nicht. Wir haben nichts zu verlieren, aber wir können einiges gewinnen. Denn das Weiterbestehen und die Weiterentwicklung einer demokratischen Ordnung können nur gesichert werden, wenn es uns gelingt, der nachwachsenden Generation nicht nur allein Loyalität abzuverlangen, sondern den jungen Menschen auch handfeste und effektive Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen. Warum denn nicht durch Aufwertung der Rechte von Jugendgemeinderäten? Warum denn nicht durch die verbindliche Verankerung von weiteren Partizipationsformen? Warum denn nicht durch die Senkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen wie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen? In Hessen ist eine entsprechende Regelung wieder einkassiert worden, als Koch ans Ruder kam.
Übrigens, Herr Staatssekretär, in der Tat ist die Wahlbeteiligung von jungen Leuten, von jungen Erstwählern überall erschreckend niedrig.
Aber gerade in Nordrhein-Westfalen zeigt sich, dass die Altersgruppe der 16- und 17-Jährigen immerhin zu einem höheren Prozentsatz gewählt hat als die ihr nachfolgende Gruppe der 18- bis 21-Jährigen.
Hannah Arendt versteht unter Politik ganz allgemein und ganz basal, etwas blumig ausgedrückt, die angewandte Liebe zur Welt. Ich meine, wir sollten Kinder und Jugendliche möglichst früh an dieser Form von Politik teilhaben lassen.
Ich komme gleich zum Ende.
Der Landesjugendring kritisiert in einer Presseerklärung von gestern den Zeitpunkt der Einbringung dieses Gesetzentwurfs. Er kritisiert nicht den Inhalt; er geht inhaltlich ja weit darüber hinaus. Der Landesjugendring spricht von größeren Chancen, wenn die Debatte im Rahmen der Diskussion der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ im Herbst geführt würde. Ich kann mir nicht richtig vorstellen, dass dies ernst gemeint ist. In einer von Wahlkampfrhetorik geprägten Zeit Ende dieses Jahres besteht meines Erachtens eher weniger Spielraum für Konsens in einer möglicherweise strittigen Angelegenheit.
Im Übrigen – das sage ich ganz persönlich – bin ich es auch leid, einmal gestartete parlamentarische Initiativen zurückzustellen, nur weil vonseiten der Regierungsfraktionen die Möglichkeit einer eventuellen oder kurz bevorstehenden Bewegung signalisiert wird.
Im Interesse einer echten Realisierungschance habe ich dies mehrfach getan, und zwar bei dem Versuch, die Altersgrenze für Sonderurlaub von Jugendgruppenleitern von 18 Jah
ren auf 16 Jahre zu reduzieren. Der entsprechende Antrag stand dreimal auf der Tagesordnung des Schulausschusses.
Dreimal habe ich den Antrag wieder von der Tagesordnung absetzen lassen. Dreimal ist nichts passiert.
Die letzte Initiative, die von Herrn Kleinmann angekündigt wurde, datiert
ich rede über das Vorgehen –
vom Dezember letzten Jahres. Passiert ist nichts.
Daraus ist nur ein Schluss zu ziehen: Von einer Vertagung von Initiativen kann man vielleicht einiges erwarten; eines jedenfalls kann man aber nicht erwarten, zumindest nicht bei diesen Regierungsfraktionen: eine größere Erfolgsaussicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:
a) Wie viele Schulpsychologinnen und Schulpsychologen scheiden in den kommenden fünf Jahren aus dem Schuldienst aus?
b) Wie stellt die Landesregierung sicher, dass für die ausscheidenden Schulpsychologinnen und Schulpsychologen genügend ausgebildete Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:
a) Aus welchen Gründen wurde vonseiten des Regierungspräsidiums Freiburg bei dessen Presseerklärung am 20. September 2004 die Finanzierung der B-31-Ortsumgehung Umkirch in Höhe von ca. 2,5 Millionen € für das Jahr 2005 unter den Vorbehalt von Lkw-Mauteinnahmen gestellt?
b) Inwiefern ist die Abweichung von der innerhalb eines Sondierungsgesprächs zum Finanzierungs- und Bauprogramm mit dem Land Baden-Württemberg geschlosse
nen Vereinbarung vom 12. Februar 2004 (siehe Bundes- tagsdrucksache 15/3694) mit dem beim Spatenstich angekündigten besonderen Engagement des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg vereinbar?
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit ist nun wahrlich weit vorangeschritten und verbietet hier eigentlich feinsinnige und langatmige jugendpolitische Debatten. Der umfangreiche Landesjugendbericht würde aber eigentlich dazu Anlass bieten. Ich beschränke mich in meinen Ausführungen auf einige kurze Stichworte und beziehe sie ausschließlich auf die Schnittstelle Jugendhilfe/Beruf.
Zunächst aber eine Bemerkung zum Thema Bildung. Im Landesjugendbericht wird Bildung als wichtiges Element von Jugendarbeit und Jugendhilfe – leider eher als Bringschuld der Kinder- und Jugendarbeit, aber immerhin – thematisiert. In der Stellungnahme der Landesregierung kommt dieser Aspekt überhaupt nicht vor.
Das entspricht in keiner Weise der Diskussion, die spätestens seit PISA allenthalben geführt wird: Bildung ist mehr als Schule, und Schule ist mehr als Unterricht. Diese Sätze sind inzwischen fast zur Binsenweisheit geworden, und deswegen müsste eigentlich eines klar sein: Zur Überwindung der in PISA skizzierten Problemlage reicht es nicht aus, nur die Schule alten Stils in den Blick zu nehmen. Wenn Unterschichts- und Migrantenkinder schlechtere Bildungsprognosen haben und wenn sich die Abhängigkeit des Bildungs
erfolgs von der sozialen Herkunft immer noch weiter zu verschärfen scheint, dann müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die verschiedenen Bildungssphären systematisch miteinander zu verknüpfen. Das haben wir auch in einer Anhörung vor einigen Wochen hier in diesem Saal von Professor Otto gehört.
Damit bin ich beim ersten Stichwort: Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Das Förderprogramm „Jugend – Arbeit – Schule“ – inzwischen leider zu Grabe getragen – war ein Erfolgsprogramm. Mit hohem finanziellem Aufwand wurde zumindest ein Anfang gemacht, die Bildungslandschaft an einem wichtigen Punkt strukturell weiterzuentwickeln. Inzwischen wurden die Mittel auf die Förderung von Modellvorhaben reduziert oder ganz gestrichen. Damit ist nicht nur die Weiterentwicklung gefährdet, sondern die Basis als solche. So jedenfalls urteilt der Landesjugendring, und er nennt das aus fachlicher und aus politischer Sicht eine traurige Bilanz. Das ist nicht unbedingt ein jugendpolitisches Ruhmesblatt.
Können möglicherweise die Schulpsychologen eine Scharnierstelle zwischen Jugendhilfe und Schule sein? Urteilen Sie bitte selbst, meine Damen und Herren: Auf eine Schulpsychologin oder einen Schulpsychologen kommen in Finnland etwa 400, im Bundesdurchschnitt etwa 12 000 und in Baden-Württemberg 39 000 Schülerinnen und Schüler. Eine systematische Unterstützung sieht meines Erachtens anders aus.
Stichwort Prävention: Der Landesjugendbericht trägt zur Differenzierung und zur Problematisierung des Präventionsbegriffs bei. Das ist meines Erachtens richtig, weil dieser Begriff inzwischen sehr inflationär verwendet wird. Es ist inzwischen in Mode gekommen, Jugendhilfeleistungen und auch die Jugendarbeit jeweils nach ihrem Präventionsaspekt zu qualifizieren, möglicherweise auch wegen der damit verbundenen finanziellen Verlockungen. Damit aber wird der Blick auf den Grundauftrag von Jugendhilfe getrübt. Dieser ist in § 1 des SGB VIII deutlich festgelegt und heißt: Anstrengung zugunsten guter Verhältnisse und guter Erziehung. Jugendhilfe und Jugendarbeit sind eben nicht eine gigantische Veranstaltung zur Verhinderung von jugendlichem Problemverhalten, meine Damen und Herren, sondern sie haben ihren Wert an sich. Sie sind deswegen ernst zu nehmen und zu fördern – im Land genauso wie in den Kommunen.
Bei den Vorhaben der speziellen Prävention ist es oft so, dass wir wirklich nicht wissen, was wie wirkt – aber es wird Geld dafür ausgegeben. Deswegen müssen solche Projekte viel genauer auf ihre präventiven Effekte hin untersucht, präzisiert und an fachlichen Kriterien orientiert werden. Genau daran hapert es: zu wenig Evaluation und kaum Verbindlichkeit.
Ich komme zum letzten Stichwort: Schulsozialarbeit. Die Landesregierung selbst hat eine Studie über Schulsozialarbeit in Auftrag gegeben, die ursprünglich verlässliche Kriterien für die Landesförderung erarbeiten sollte. In dieser wenn auch mit sehr großer Verspätung und erst auf Nach
frage veröffentlichten Studie wird die Auffassung vertreten, dass die Schulen über Schulsozialarbeit Handlungsmöglichkeiten zurückgewinnen und produktiver mit Problemlagen umgehen können.
Sie spricht von substanziellen Erfolgen hinsichtlich der Unterstützung von Jugendlichen und ihren Familien, der Schulentwicklung sowie der Kooperation und Vernetzung von Jugendhilfe und Schule. Die Bedeutung und Wichtigkeit von Schulsozialarbeit, und zwar auch für die schulische Infrastruktur, ist also völlig unbestritten.
Strittig ist lediglich die Bedeutung der Landesförderung zur stabilen Verankerung.
Die Landesregierung meint, diese Verankerung sei nicht oder zumindest nicht mehr ausschließlich von der Finanzierung durch das Land abhängig, und dies mit der Begründung, dass inzwischen ohnehin nur noch ein Sechstel der Gesamtkosten pro Personalstelle durch Landesmittel finanziert würden. Das, meine Damen und Herren, ist eine eher zynische Begründung. Ich wähle einmal einen bildlichen Vergleich: Sie hauen einem Regenwurm immer wieder Stücke ab und geben vor, die einzelnen Teile seien an sich lebensfähig. Das stimmt weder im biologischen Sinne noch in diesem Zusammenhang.
Alle, die sich vor Ort auskennen, wissen, dass das nicht richtig ist.
Stellvertretend für viele möchte ich den Verbandsdirektor des Wohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern, Roland Klinger, zitieren:
Aus unserer Kenntnis der Praxis wissen wir, dass diese wichtige Maßnahme an der Schnittstelle von Schule und Jugendhilfe mit dem Wegfall der durch die Jugendenquetekommission des Landtags in die Wege geleiteten Landesförderung gefährdet ist.... Ich bitte Sie dringend, die vorgesehene Streichung der Mittel im Zuge der weiteren Beratungen des Doppelhaushalts noch einmal zu überdenken.
In das gleiche Horn stößt auch der Städtetag, wenn er betont, dass Schulsozialarbeit zum Bildungsauftrag der Schule gehöre und deswegen vom Land weiterhin gefördert werden müsse. Im Originalton sagt er – ich zitiere –:
Programmatische Bekenntnisse und gleichzeitige Streichung der dafür notwendigen Fördermittel, das passt einfach nicht zusammen.
Es gibt aber, meine Damen und Herren, noch viel mehr Verfechter von Schulsozialarbeit. Einige davon sitzen auch in den Reihen der Koalition. Herr Kleinmann, Ihre diesbe
züglichen Presseerklärungen klangen und klingen ja recht vollmundig. Lassen Sie Ihren Erklärungen aber bitte nun auch Taten folgen. Die Schulsozialarbeit gehört zum Bildungsauftrag der Schule und muss auf der Basis einer verlässlichen und dauerhaften Mischfinanzierung erhalten bleiben.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ministerin Gönner, wenn Sie aus diesem Bericht lediglich das herauslesen, was Ihnen gefällt und was Sie bestätigt,
aber aus den formulierten Fragen und Problemen keine Konsequenzen ziehen, spricht dies nicht gerade dafür, dass Sie die Zukunftsaufgaben wirklich angehen wollen.
Wenn Sie den Begriff der Strukturentwicklung, der im Bericht immer wieder vorkommt, ernsthaft und ehrlich aufgreifen würden, wäre vieles völlig neu auf den Prüfstand zu stellen. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele: Das betrifft etwa die Wirkung der Nachhaltigkeit von Projekten und des Ausbalancierens der Regel- und der Projektförderung. Es ist nicht so, wie Sie gesagt haben, dass die Mittel einfach verteilt würden, sondern viele Verbände und Projekte müssen über die Projekte ihre Pflichtaufgaben finanzieren. Die Kür ist relativ gut und komfortabel ausgestattet. Aber für die Pflicht bleibt oft kein Geld übrig.
Es geht um eine völlig neue Formulierung von formaler, nicht formaler und informeller Bildung innerhalb des gesamten Bildungssystems. Dazu hat die Jugendhilfe einen Beitrag zu leisten. Davon habe ich nichts gehört. Es geht auch um die Frage nach dem Bildungsauftrag von Jugendhilfe insgesamt und in ihrer Verschränkung zur Schule. Auch davon habe ich nichts gehört.
Ich kann Sie nur auffordern, Frau Ministerin, sich vor diesen Herausforderungen nicht einfach nur wegzuducken, sondern auch die Strukturfragen und die Ressourcenfragen zu stellen.
Damit bin ich wieder bei der Schulsozialarbeit,
deren Förderung Sie inzwischen fast auf eine symbolische Größe zusammengestrichen haben. Aber auch diese symbolische Größe ist lebensnotwendig für die Träger. Sie ist aber auch notwendig, um einen Paradigmenwechsel einzuleiten,
einen Paradigmenwechsel, den Sie offensichtlich nicht wollen, nämlich die Aussage: Schulsozialarbeit gehört zum Bildungsauftrag der Schule und wird aus diesem Grunde von Landesseite aus mitfinanziert.
Das, meine Damen und Herren, wäre ein wirklicher Beitrag zur Schulentwicklung.
Was machen Sie? Sie streichen die verbliebenen 1,1 Millionen €,
weil Sie nicht begreifen, dass der langfristige soziale Schaden und der langfristige fiskalische Schaden viel, viel größer sind als der kurzfristige Nutzen,
und weil Sie nicht begreifen, dass es eine Konsolidierung des Haushalts auf dem Rücken von Schwachen nicht geben darf.
Das ist bildungspolitisch falsch und sozialpolitisch zynisch.
Herr Kollege Döring, Sie haben ja, wie ich finde, dankenswerterweise sehr darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft stärker in bürgerschaftliches Engagement eingebunden werden müsse.
Wie erklärt es sich dann, dass es unter Ihrer Regentschaft im Wirtschaftsministerium gerade nicht möglich war, ein winziges Rädchen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im ehrenamtlichen Engagement zu bewegen, indem die Altersgrenze beim Sonderurlaub für Jugendgruppenleiter von 18 Jahren auf 16 Jahre gesenkt wird?
Das wollen alle. Das ist zuerst an der CDU, dann an der FDP/DVP und letztlich anscheinend nur noch an Ihnen selbst gescheitert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir behandeln heute hier ein Thema, bei dem Anspruch und Wirklichkeit weit, weit auseinander liegen
und das der Landesregierung bei der Stellungnahme zu dem Antrag erstaunlicherweise gerade einmal – ich habe es nachgezählt – 39 Zeilen wert war. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler im Land, aber auch die Besucherinnen und Besucher des Jugendlandtags werden sich darauf einen eigenen Reim machen können. Meine Damen und Herren, in einer Zeit, in der in Bezug auf Schule immer stärker um Qualitätssicherung gerungen wird, um Schulmanagement, bei manchen um Wiedergewinnung von Hierarchie, ist es gut, wenn auch einmal ein Thema im Zentrum steht, das wichtig ist, nämlich die Schülerdemokratie, die Mitbestimmung in der Schule. Denn Demokratie fällt nicht vom Himmel,
sie lebt von der vielfältigen Beteiligung von jungen Menschen, von neuen und alten Beteiligungsformen.
Insofern ist das Anliegen des Antrags der Grünen völlig richtig und findet unsere volle Unterstützung. Das eigentliche Problem sitzt aber deutlich tiefer, denn schon die so genannten alten Beteiligungsformen greifen doch nicht oder schon lange nicht mehr. Natürlich sind mir persönlich auch viele gute Beispiele bekannt. Über jedes einzelne Beispiel bin ich froh. Aber es geht ja nicht um meine und es geht auch nicht um Ihre private persönliche Einschätzung, sondern es geht ganz einfach um die Frage: Ist Beteiligung von Schülerinnen und Schülern als generell und umfassend verankerte und von den Betroffenen als effektiv und positiv erlebte Praxis vorhanden?
Zur Beantwortung dieser Frage beziehe ich mich jetzt einmal nicht auf wohlfeile Äußerungen und Absichtserklärungen, sondern auf empirische Untersuchungen, die leider nur in sehr magerem Umfang vorliegen. In allen diesen Studien wird eines deutlich: Der übergroße Anteil der Schülerinnen und Schüler, nämlich etwa 85 %, hält die SMV für sinnvoll, aber nur ein klitzekleiner Anteil misst dieser ihrer SMV auch eine besondere Bedeutung zu.
Die festgestellten Defizite liegen dabei auf allen Partizipationsebenen: bei der Partizipation an der Gestaltung des
Schulalltags, bei der Partizipation in Form von Schülergremienarbeit, ganz besonders bei der Partizipation im Unterricht und bei der Partizipation an der Erstellung und Änderung von Hausordnungen.
Insgesamt gibt es eine positive Beurteilung, was das Maß an außerunterrichtlicher Beteiligung angeht. Im Kernbereich von Schule aber, dem Unterricht, fällt die Einschätzung deutlich negativ aus; von der Grundtendenz her besteht eine ausgesprochene Skepsis.
Die positive Einschätzung der Effektivität und der Bedeutung der schulischen Gremien lässt mit zunehmendem Alter sogar nach. Solche Befunde sind dann auch demokratietheoretisch bedenkens- und beachtenswert. Möglicherweise wird hier nämlich im Laufe des Schulbesuchs eine Enttäuschung über die Reichweite von Gremienaktivität verfestigt. Dies bringen oft auch erfahrene Schülervertreter zum Ausdruck, wenn sie schildern, dass sie die Gremienarbeit eher als eine Scheinpartizipation ohne wirkliches Mitbestimmungsrecht erleben. Die Bildungsplanreform für neue Bildungsformen zu nutzen und für neue Beteiligungsformen zu erschließen ist richtig und zukunftweisend.
Die diesbezügliche Stellungnahme der Landesregierung reduziert die Thematik allerdings auf plakative Feststellungen, und, schlimmer noch, sie strahlt eher Desinteresse und Lustlosigkeit aus.
Das, meine Damen und Herren, lässt für die Zukunft der Beteiligung an den Schulen nichts Gutes ahnen. Da Schule ja nicht in einem gesellschaftsfreien Raum existiert, ist es für den Erfolg von alten und neuen Formen der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern aber auch ganz entscheidend, wie beteiligungsfreundlich oder beteiligungsfeindlich es in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen und Institutionen zugeht – Familie, Kindergarten, Jugendarbeit oder Gemeinde. Gibt es Familienkonferenzen, Kinderversammlungen im Kindergarten, Beteiligung von Kindern bei der Gestaltung von Spielplätzen, Kinderparlamente, Jugendgemeinderäte mit Rederecht im wirklichen Gemeinderat? Können Jugendliche mit 16 Jahren wählen? Gibt es Jugendarbeit, deren Kernkompetenz im Bereich von Beteiligung, auch in schulischen Kontexten, gefragt ist? Ich sehe hier in allen Bereichen einen enormen Entwicklungsbedarf.
Vor diesem Hintergrund einer sich notwendigerweise differenzierenden Beteiligungskultur halte ich eine Einbindung von Schülerinnen und Schülern in Schulevaluationsverfahren
für sinnvoll und auch für notwendig –
einschließlich der Verfahren zur Selbstevaluation, Curriculumsentwicklung, Ausgestaltung von Kontingentstundentafeln usw.
Mir aber kommt es darauf an, dass vor lauter neuen, anspruchsvollen Herausforderungen der „Expresszug Bildungsplanreform“ nicht an der Masse der Schülerinnen und Schüler einfach sozusagen „beteiligungsfrei“ vorbeirauscht.
Hilfe von außen wäre hier eigentlich angebracht und müsste willkommen sein. Leider findet man beim Schulversuch der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung kaum Schulen aus Baden-Württemberg. Schade um verpasste Initialzündungen, schade um eine verpasste Chance für kontinuierliche Begleitung! Die Ziele der Demokratisierung des Schullebens und der Steigerung der zivilgesellschaftlichen Handlungskompetenz würden im Projektzeitraum, der bis 2007 angelegt ist, sicherlich auch mehr Rückenwind für die Demokratisierung baden-württembergischer Schulen bringen – einen Rückenwind, den wir dringend nötig hätten.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns darüber, dass mit dem Investitionsprogramm der Bundesregierung die Ganztagsschulidee endlich auch in Baden-Württemberg langsam richtig Schwung bekommt,
wenn auch mit einigen Verzögerungen und mit problematischen Einschränkungen, auf die ich nachher noch eingehen werde.
Wir haben festgestellt: Das Handling des Investitionsprogramms in Baden-Württemberg ist insgesamt kein Beleg für ein wirklich überzeugtes Eintreten für Ganztagsschulen. Nach außen präsentieren Sie, Frau Schavan, plötzlich stolz, dass Baden-Württemberg viel Geld verteilt, verschweigen aber dabei, dass das Geld eigentlich vom Bund stammt.
Mehr noch: Intern sind Sie nicht bereit, das Ihre zur Entwicklung der Ganztagsschulidee in Baden-Württemberg zu tun. Darauf werde ich nachher noch im Einzelnen eingehen.
Wir können jedenfalls keinen Paradigmenwechsel auf der Seite derjenigen feststellen, die für die Bildungspolitik hier im Lande verantwortlich sind. Zumindest habe ich noch kein klares Bekenntnis der Kultusministerin zum Ganztagsprogramm der Bundesregierung vernommen. Skepsis ist angebracht.
Zunächst zum Grundsätzlichen vier Aspekte:
Erstens: Wir brauchen aus pädagogischen Gründen gute Ganztagsschulen. An Ganztagsschulen ist mehr Zeit, unter anderem für neue Unterrichtsmethoden jenseits des herkömmlichen 45-Minuten-Takts. Es gibt einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen individuellem Lernen und Arbeiten im Team. Dieses Lernen umfasst auch Sport, Musik, Angebote der Kinder- und Jugendhilfe,
soziales Engagement und vieles mehr – eben eine Lehr- und Lernkultur, in der die Kinder durch die Vielfalt der Angebote in der Schule wichtige Erfahrungen machen und ihre Fähigkeiten erproben und erleben können.
Ganztagsschulen eröffnen die Chance, den ganzen Menschen zu fördern. Es geht um die Weiterentwicklung und die Verbesserung der Qualität von Unterricht und Schule.
Es geht um ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand, wie es bereits Pestalozzi gefordert hat. Das, meine Damen und Herren, ist eine völlig andere Ganztagsschulphilosophie als die der Landesregierung, die eine Notwendigkeit von Ganztagsschulen, wenn überhaupt, nur in sozialen Brennpunkten sieht.
Zweitens: Wir brauchen aus familienpolitischen Gründen gute Ganztagsschulen. In den meisten europäischen Ländern ist es ein selbstverständliches Anliegen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. In Deutschland ist das noch immer ein Balanceakt. Ganztagsschulen nehmen diesen Bedarf ernst. Sie gewährleisten die optimale Förderung, Betreuung und Versorgung der Kinder und ermöglichen erst dadurch eine Berufstätigkeit der Eltern ohne deren schlechtes Gewissen, weil diese Eltern wissen, dass ihre Kinder nicht nur gut aufgehoben sind, sondern vielmehr eine ausgezeichnete, differenzierte Förderung und Anregung erfahren.
Ganztagsschulen können und wollen dabei den Rückhalt in den Familien nicht ersetzen. Sie ergänzen sinnvoll das Familienleben.
Natürlich gibt es auch Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder punktuell oder grundsätzlich überfordert sind. Aus diesen Gründen wünschen sie sich für ihre Kinder mehr und gezieltere Angebote und eine Förderung und Hilfe, die sie selbst nicht oder nicht mehr geben können. Viele Eltern brauchen aber auch ganz einfach kinderfreie Zeit, um ihrem Beruf nachgehen zu können.
Die Zahlen kommen nicht von ungefähr, meine Damen und Herren. Nach einer neuen Forsa-Umfrage wünschen sich 80 % der deutschen Bevölkerung ein flächendeckendes Netz von Ganztagsschulen. Daher ist es ausgemachter Quatsch oder ideologisch begründete Borniertheit, wenn hier in diesem Hause verkündet wird – wie vor einigen Monaten geschehen –, dass mit der Einrichtung von Ganztagsschulen den Eltern Rechte entzogen werden sollten.
Drittens: Wir brauchen aus ökonomischen Gründen gute Ganztagsschulen. Sie alle kennen die vielfältigen Signale aus der Wirtschaft, auch die Position der Unternehmensberatung McKinsey. Alle weisen deutlich auf die ökonomischen Vorteile von ausreichender Erziehung, Bildung und Betreuung, auf den Standortvorteil, den Gemeinden mit ganztägigen Betreuungsangeboten haben, und auf die Notwendigkeit, die Frauen der am besten ausgebildeten Frauen
generation als Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, hin. Nicht von ungefähr fordert selbst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dass 20 % der Schulen Ganztagsschulen werden sollen, ganz einfach deshalb, weil sich die Unternehmen heutzutage das Potenzial, die Ideen, die Kreativität und die Erfahrung der Frauen für die Arbeitswelt nicht entgehen lassen können und wollen.
Viertens: Gute Ganztagsschulen brauchen wir auch aus gesellschaftspolitischen Gründen. Die Welt verändert sich rasend, Anforderungen wachsen, Kernsätze, die gestern noch galten – „Familie erzieht, Freizeit erfreut, Beruf ernährt“ –, stimmen heute nicht mehr. Wenn sich die gesellschaftlichen Koordinaten so verschieben und sich die Lebensbedingungen so verändern, dann können Schulen als Vorbereiter auf die Welt nicht dieselben bleiben.
Die bei der PISA-Studie erfolgreichen Länder zeigen eines ganz eindeutig: Sie haben eine lange und kontinuierliche Modernisierungsgeschichte ihres Schulwesens hinter sich.
In vielen Ländern, auch und vor allem in Europa, versteht man überhaupt nicht, warum wir so sehr am Halbtagssystem festhalten.
In den PISA-Siegerländern bedeutet Schule ganz selbstverständlich, dass Schülerinnen und Schüler in der Schule ein Mittagessen bekommen und auch am Nachmittag individuell betreut werden.
Aus all diesen Gründen brauchen wir mehr gute Ganztagsschulen mit pädagogischen Konzepten, und zwar nicht nur reduziert auf ihre reine Betreuungsfunktion. Ansonsten hätten nämlich die Kritiker Recht, die von „Aufbewahrungsstätten mit Abfütterung“ sprechen. Das kann niemand wollen.
Im Gegenteil, Ganztagsschulen müssen umfassende Lernund Lebensräume werden.
In dieser Erkenntnis hat die Bundesregierung das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ aufgelegt.
Ich komme noch darauf. – Mit einem Gesamtvolumen von 4 Milliarden € ist es eines der größten Bildungsprogramme, die es jemals in Deutschland gab.
Es ist gut, dass Baden-Württemberg so sehr von diesem Ganztagsschulprogramm profitiert.
528 Millionen € sind nicht nur ein Geldsegen zur Ankurbelung der Wirtschaft, sondern tragen auch zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei.
Das Programm bietet auch eine hervorragende Chance zur Schulentwicklung. Die ersten Ansätze hierzu sind bereits erkennbar. Es kann zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, zu einem besseren Zusammenspiel der Lehrkräfte untereinander und zu einer stärkeren Einbeziehung von Eltern und außerschulischen Institutionen, die sich traditionell um Jugendliche kümmern, nämlich der Vereine, der Jugendhilfe, der Jugendämter, des Sports, der Jugendmusikschulen usw., beitragen.
Meine Damen und Herren, dies alles wird vor Ort mühsam genug zusammengezimmert. Aber wo sind die konzeptionellen Ideen der Landesregierung hierzu? Wo sind die entsprechenden Vorschläge zu Rahmenbedingungen?
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wird das Ganztagsschulprogramm direkt mit einer Verzahnung von Schulen und Jugendhilfe verbunden. Und Baden-Württemberg? Lange hat sich Ministerin Schavan gewunden wie ein Aal,
um die mit dem Investitionsprogramm des Bundes verbundenen Millionen aus der Bundeskasse von Baden-Württemberg fernzuhalten. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht wäre es zu peinlich gewesen, einzugestehen, welch großen Nachholbedarf Baden-Württemberg in diesem Punkt wirklich hat.
Meine Damen und Herren, hierzu ein paar Beobachtungsschnipsel:
7. März 2003, „Heute“-Sendung im ZDF, Originalton: „Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan rechnet nicht mit einer Einigung zwischen Bund und Ländern über die Einführung von Ganztagsschulen.“
7. März 2003, Deutschlandradio, Annette Schavan: „Wer glaubt, mit der Ganztagsschule irgendeine Art von Dilemma lösen zu können, der irrt.“
5. Juli 2003, erste Sitzung nach der Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin: Baden-Württemberg nimmt nicht teil.
Ich sage Ihnen das gleich. – Kein Zufall, wie sich später herausstellte. In Sachsen hieß es nämlich, man habe sich abgesprochen, dass von den CDU-Ländern nur Thüringen und Hessen teilnehmen sollten, um das Projekt bewusst klein zu halten.
29. Oktober 2003, Aussprache über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten: Unser Fraktionsvorsitzender Wolfgang Drexler moniert zu Recht, dass die Landesregierung noch keinen müden Euro aus dem Investitionsprogramm des Bundes abgerufen habe.
31. Oktober 2003, Kultusministerium: Baden-Württemberg will nun in Berlin die Gelder abrufen. Doch ohne namentliche Nennung der Schulen fließt von dort kein Euro. Flugs wird noch am Wochenende eine Liste nachgereicht.
Keine 48 Stunden später rattert in Berlin das Fax: BadenWürttemberg meldet 33 Schulen.
Meine Damen und Herren, um nicht falsch verstanden zu werden: Wir begrüßen es sehr, dass das Ministerium und Baden-Württemberg diese Gelder abrufen.
27,4 Millionen € sind viel Geld.
Wir begrüßen das vor allem deswegen, weil noch weitere 500 Millionen € folgen werden. Wir finden es ausgesprochen gut, dass zum Beispiel im Landkreis Ravensburg schon in der ersten Zuschussrunde 12 Millionen € fließen. Das ist mehr als ein Drittel der gesamten Fördermittel für dieses Jahr in ganz Baden-Württemberg, ein richtig großer Batzen Geld.
Es ist völlig daneben, wenn der dortige CDU-Bundestagsabgeordnete Schockenhoff verbreitet – ich zitiere wörtlich –: „Das Ganztagsprogramm des Bundes ist ein Flop.“
Der Mann ist entweder uninformiert oder unredlich – ich vermute, beides.
Zwischenzeitlich hieß es auch einmal, für so viel Geld lägen viel zu wenig Anträge vor. Unser Fraktionsantrag zeigt, dass genügend Anträge vorliegen. Beim Umgang des Ministeriums mit seinen nachgeordneten Behörden muss man allerdings den Eindruck gewinnen, dass die antragstellenden Schulen und Schulträger eher hingehalten werden sollen.
Da wird der Ball bürokratisch immer wieder hin- und hergeschoben, den Schulen und Schulträgern zurückgespielt nach dem Motto: „Hier fehlt noch ein Papier; dort fehlt noch ein Kostenvoranschlag“, wenn auch nur zur Anschaffung von Gabeln – wie tatsächlich geschehen.
Allein die Stadt Ulm hat – übrigens schon am 9. April dieses Jahres – 18 Anträge eingereicht, von denen noch kein einziger nach Berlin weitergeleitet wurde.
Andererseits – das möchte ich nur am Rande erwähnen – tauchen auf der Liste, die uns auf unsere Anforderung hin vom Kultusministerium übermittelt wurde, auf einmal Schulen auf, die gar keine Anträge gestellt haben,
wie zum Beispiel aus Pforzheim.