Claus Wichmann

Sitzungen

13/10 13/13 13/21 13/22 13/41 13/43 13/64 13/71 13/81 13/87 13/93 13/98 13/104 13/108

Letzte Beiträge

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Sechsundzwanzigste Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg enthält meiner Ansicht nach aus folgendem Grund sehr wenige Beanstandungen: Wenn man den Bericht aufmerksam liest und sieht, mit welcher Detailgenauigkeit hier einzelnen Problemen nachgegangen wird, stellt sich natürlich die Frage, ob der Landesbeauftragte mit seinen 15 Bediensteten überhaupt noch in der Lage ist, die Stichprobenkontrollen durchzuführen, wie er es für die früheren Datenschutzberichte des Öfteren getan hat.
Dies ist heute meine fünfte Rede zu einem Datenschutzbericht. Ich habe mir die alten Reden alle einmal angesehen. Die Komplexität der Aufgabe des Datenschutzbeauftragten nimmt zu. Ich möchte auch gar nicht alles schlechtreden, was den Datenschutz in Baden-Württemberg angeht, auch wenn das Kapitel über die Arbeitsdatei „Politisch motivierte Kriminalität“ natürlich schon dem Fass den Boden heraushaut. Dabei stellt man fest, dass ohne jegliche Sicherung, ohne jegliche Dokumentation der Daten wahllos Daten gesammelt wurden. Das ist ja nicht nur eine Frage des Datenschutzes, sondern auf der anderen Seite ist auch die Frage zu stellen: Was ist eine solche Datei denn überhaupt noch wert, wenn darin willenlos und wahllos Daten gespeichert werden?
Der Datenschutzbeauftragte bemängelt in vielen Bereichen, dass man ihn zu spät kontaktiere. Er lobt, dass man ihn kontaktiere und dass man ihn bei Gesetzesvorhaben sehr oft hinzuziehe, bemängelt aber die sehr kurze Vorlaufzeit. Wir sollten auch anerkennen, dass der Datenschutzbeauftragte bei der Komplexität der Materie den notwendigen Zeitvorlauf braucht. Dann, denke ich, sind solche Geschichten, wie wir sie beim Tagesordnungspunkt 9 mit dem Melderegister hatten, auch zu vermeiden.
Die von ihm aufgestellte Forderung, in Gesetzesvorhaben öfter eine Revisionsklausel einzubauen, befürworten wir eindeutig, weil die Praxis dann schließlich zeigt, ob die erhobene Datenmenge tatsächlich zu der beschriebenen Aufgabe passt.
Ein Aspekt, der aus dem Datenschutzbericht hervorgeht, ist in dem Kapitel über die Krankenkassen zu finden. Es geht darum, dass aufgrund eines Verstoßes gegen den Datenschutz einer Frau gekündigt wurde. Hinterher wurde der Datenschutzverstoß gerügt. So etwas wird in Zukunft bei der angewiesenen Dienststelle nicht mehr vorkommen. Aber der Frau wurde gekündigt. Dies macht ein noch größeres Manko im Datenschutz deutlich, nämlich dass wir im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes über keinerlei Rechte und Vorkehrungen verfügen.
Wenn man den Datenschutzbericht liest – er ist ja nicht nur eine Aufzählung von Einzelereignissen –, muss man auch politische Schlüsse daraus ziehen. Wenn der Datenschutzbeauftragte ausführt, wie sich die EDV-Landschaft verändert hat, und wenn man feststellt, wie sich auch die Aufgabenstellung innerhalb der Behörden verändert – dass wir immer mehr Zusammenlegungen von Behörden haben –, wenn es im Bereich der Finanzämter jetzt möglich ist, bundesweit Daten aufzurufen,
wenn es immer öfter dazu kommt, dass öffentliche und nicht öffentliche Stellen zusammenarbeiten, wenn Teile von öffentlichen Aufgaben privatisiert werden – egal, wie man das jetzt politisch bewertet –, dann sieht man halt doch, dass unsere Forderung, den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich zusammenzulegen, durchaus berechtigt ist, auch was Effizienz und Effektivität angeht.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Technologie, die im nicht öffentlichen Bereich Verbreitung findet – das heißt in der privaten Wirtschaft, bei Unternehmen –, auch die Technologie ist, die wir über die Ökonomisierung oder über die neue Steuerung über kurz oder lang auch in unseren Landesbehörden einführen werden oder einführen würden, sodass darin ein erhebliches Effizienz- und Effektivitätspotenzial liegt.
Abschließend möchte ich sagen, auch wenn das klingt wie bei Cato dem Älteren vom Römischen Senat: Wir von der SPD-Landtagsfraktion sind für die Zusammenlegung des öffentlichen und des nicht öffentlichen Bereichs des Datenschutzes. Wir sind dafür, den Datenschutz beim Landtag anzusiedeln, und wir sind auch dafür, ihn personell besser auszustatten. Das alles sind Forderungen, die wir jedes Jahr stellen. Das alles sind Forderungen, die bei den Regierungsfraktionen auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Aber es
gibt ja noch einen Souverän im Land, und steter Tropfen höhlt den Stein. Ich bin frohen Mutes, dass ich es hier noch erleben werde, dass das Land Baden-Württemberg mit einer anderen Regierung einen zeitgemäßen Datenschutz bekommt.
Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Klunzinger, ich bin Ihnen dankbar; aber Sie als Wissenschaftler sollten eigentlich sauber argumentieren lernen.
Denn wenn Sie die Kritik von Karl Marx am Gothaer Programm von 1867 zitieren, sollten Sie sich dessen vergewissern, dass es damals eine Bildungskleinstaaterei gab – zu der Sie zurückwollen. Außerdem gab es im Deutschen Bund lineare Steuersysteme.
Aus diesem Grund ist die Aussage richtig, dass bei linearen Steuersätzen die Rückführung der Studienkosten durch höhere Beiträge gerechtfertigt ist.
Aber wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein Steuersystem, das sich seit der Reichsgründung herausgebildet hat – seit 120 Jahren –, nämlich ein Steuersystem, das sich an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen bemisst.
Um darauf zurückzukommen, bedeutet das: Wir haben in Deutschland bereits ein Studiengebührensystem, und zwar durch Steuern. Und dieses Steuersystem muss gerecht gestaltet werden. So gesehen hat Herr Frankenberg auch nicht Recht mit der Argumentation – –
Gothaer Programm 1867! Schauen Sie sich einmal die Steuergesetzgebung in diesem Zeitraum an. Sie werden feststellen, dass es da kein progressives Steuersystem gab.
Übrigens möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es damals einen ersten Schritt hin zu einer Bildungsoffensive der Gesellschaft gab, als klar wurde, dass die Agrarbevölkerung in die Städte kam und die Bildung nicht hinreichend war.
Der zweite große Schritt war in den Sechzigerjahren, als Georg Picht von der „Bildungskatastrophe“ sprach. Damals haben sich FDP-Politiker wie Hildegard Hamm-Brücher und wie Helga Schuchardt dafür eingesetzt, die Bildung für alle Schichten zu öffnen.
Mein Generalsekretär Glotz hat sich seinen eigenen Kopf bewahrt. Ich bewahre mir auch meinen eigenen Kopf.
Das ist in der Demokratie ganz praktisch.
Um gleich bei Ihnen weiterzumachen:
Immanuel Kant sagt: Wer ordentlich zahlt, ist auch ordentlich fleißig. Lassen Sie mich das einmal kurz subsumieren.
Sie sprechen von einer Zeit, als es noch die Universitas gab: mit einer eigenen Rechtsprechung, mit einem Karzer und mit einer sehr starken autoritären Führung innerhalb der Universität durch den Rektor und den Kanzler. Das ist ja genau das, was uns mit der Landeshochschulgesetzesnovelle jetzt wieder blüht, nämlich ein Rückfall hinter die Aufklärung, eine paternalistische Struktur
sowie bilaterale Beziehungen zwischen Rektorat und Wissenschaft. Die Mangelverwaltung wird in die Autonomie gestellt, und das wird dann als Fortschritt verkauft.
Interessant ist auch die Geschichte mit dem linearen und dem progressiven Steuersystem. Schauen wir einmal ein bisschen in die jüngere Geschichte Ihrer Partei: Das ist ja genau das, was Sie vorhaben; Sie haben ein lineares Steuersystem mit der Flat Tax Marke Paul Kirchhof, Sie haben eine Vereinheitlichung der Steuersätze mit Ihrem Kollegen
Friedrich Merz, und das bedeutet, dass Sie oben zurückführen, während Sie unten eine Gleichmacherei einführen. Das ist etwas, was man der Sozialdemokratie 20 Jahre lang vorgeworfen hat: eine Gleichmacherei zu betreiben, ohne zu berücksichtigen, wer denn eigentlich die Leistung erbringen kann
und ob er die Möglichkeiten dazu hat.
Diese Gleichmacherei heißt jetzt „Kopfpauschale“ oder „Studiengebühren“. Es ist auch so ein Rückschritt, dass man den Einzelnen jetzt als Marktteilnehmer betrachtet, ohne zu berücksichtigen, welche Chancen er hat, Marktteilnehmer zu werden.
So gesehen haben wir heute wirklich eine historische Debatte. Denn das Land Baden-Württemberg versucht, das öffentliche Gut Bildung zur Ware Bildung zu machen. Hier wird von allen möglichen Rednern von „Investitionen in die eigene Zukunft“ gesprochen, für die man etwas verlangen könne. Da frage ich Sie einmal: Wie wollen Sie denn bei gleichen Sätzen für alle Studenten verhindern, dass ein Sozialarbeiter, der auf einer Halbtagsstelle in irgendeinem Jugendzentrum in Mannheim tätig ist und sein Darlehen in kleinen Beträgen zurückzahlt, hoch verschuldet ist, wenn er aus kleinen Verhältnissen kommt?
Sie vernachlässigen völlig die Opportunitätskosten, die ein Studium beinhaltet. Sie wissen, was ein Student jeden Monat erbringen muss,
weil er über Jahre hinweg auf Einkommen verzichtet, welches während der Zeit des Studiums zusammenkommen würde.
Herr Pfisterer, ich muss auch sagen: Es ist auch für eine Kommune gut, wenn es da Wertschöpfung gibt.
Ich habe außer hochschulpolitischen Gesichtspunkten auch ein kleines Eigeninteresse daran, weil eine Stadt wie Heidelberg als Dienstleistungszentrum ohne Industrie eine gro
ße Universität braucht und weil ich, abweichend von eurem Elitenbegriff, auch davon ausgehe, dass man eine große Masse fähiger Menschen braucht, damit sich daraus etwas Besonderes entwickeln kann. Dieses Studiengebührenmodell führt aber dazu, dass in der Hoffnung, dass etwas Besseres dabei herauskommt, kleinere Einheiten entstehen,
die bei irgendwelchen Rankings mitmachen, die von der Bertelsmann-Stiftung gesponsert sind und die in anderen Zusammenhängen auch wieder schauen, dass sie für sich selbst Vorteile aus der Gesellschaft herausholen. Man muss da also sehr vorsichtig sein.
Herr Präsident, ich habe einmal in einem Handbuch gelesen: Das nennt man eine rhetorische Pause.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, was hier überhaupt nicht zur Sprache kam, ist die Aussage, dass es über die Einführung von Studiengebühren zu einer Verlagerung nicht nur derjenigen komme, die ein Studium anfangen. Ich möchte daran erinnern, dass der Anteil der Studenten aus einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung damals, als Kohl das BAföG auf Volldarlehen umgestellt hat, von 27 % auf 13 % zurückgegangen ist. Davon habe ich heute nichts gehört. Die Befreiungs- und Ausnahmetatbestände sind dazu auch ein bisschen zu verwaschen und zu wenig genau gefasst.
Ich möchte Ihnen auch sagen: Wir bekommen auch eine kleine Prozesslawine, wenn jetzt diese 4 000 € bezahlt werden müssen, Herr Professor Klunzinger. Wie oft kommen Studenten zu mir, die einen Praktikumsplatz nicht antreten können, die einen Seminarschein nicht machen können, weil eine Überbelegung an der Universität stattfindet!
Wir bekommen da eine Prozesswelle.
Das ist das eine.
Das Zweite ist: Ich möchte mich auch einmal dagegen wehren, dass hier immer die Kundenbeziehung in den Vordergrund gestellt wird. Es wird nie eine paritätische Kundenbeziehung zwischen Universität und Student geben. Allein durch die Prüfungsprozeduren, die der Student über sich ergehen lassen muss, allein durch das Abhängigkeitsverhält
nis, in dem er sich befindet, hat er nie eine Funktion auf gleicher Augenhöhe innerhalb der Universität. An dieser Stelle stimmt das Kundenargument nicht.
Ein zweiter Grund, warum es nicht stimmt, ist: Solange keine Mitwirkungsrechte des Studenten an der Universität richtig festgestellt sind – –
Ja, „im Benehmen“. Das ist ungefähr so, wie nächste Woche unsere Ausschusssitzung verlaufen wird, wenn wir argumentieren und dann das Studiengebührengesetz mit eurer Mehrheit durch den Landtag gehen wird. Das ist dann auch „im Benehmen“.
Aber Sie können, wenn Sie Partizipation der Studenten an der Universität einfordern, nicht sagen: „im Benehmen“ und es dann dabei belassen. Da muss schon ein bisschen mehr dabei herauskommen.
Es wird zu einer Verlagerung bei den Studiengängen kommen. Die Studiengänge, die in kurzer Zeit einen hohen ökonomischen Nutzen nach sich ziehen, werden verstärkt nachgefragt. Wir werden auch eine starke Diskrepanz zwischen den großen Universitäten, die ein vielfältiges Angebot vorhalten, und kleinen Universitäten wie zum Beispiel der Universität Ulm haben.
Was nicht geklärt ist, ist die Frage: Was geschieht mit dem Gebührenaufkommen? Es gibt keinen Umverteilungsschlüssel. Attraktive Fächer erzielen hohe Gebühreneinnahmen, unattraktive Fächer geringere Gebühreneinnahmen. Es ist nicht berücksichtigt, wie es an der einzelnen Hochschule mit der Höhe der Ausfallgebühren läuft. Welche Universität ist stärker betroffen, welche ist weniger betroffen? Auch da gibt es keinerlei Ausgleichsfunktion.
Es wird eine Abkehr derjenigen geben, die sich ein Universitätsstudium mit Masterabschluss nicht leisten können; die werden zur Fachhochschule und zur Berufsakademie gehen. Hier gibt es also schon eine Lenkungs- und eine Steuerungswirkung. Das, was das Wissenschaftsministerium und die Universitäten über ihre Strukturpläne jetzt schon machen, nämlich kleine, so genannte Orchideenfächer zu schließen, wird sich jetzt über den ökonomischen Druck, über die Studiengebühren noch beschleunigen. Ob das der Hochschullandschaft Baden-Württembergs gut tut, wage ich sehr stark zu bezweifeln.
Ich finde es auch bezeichnend, dass die Partei, die immer das Wort „Familie“ so groß im Mund führt, jetzt ein Gesetz verabschiedet, das die Menschen, die sich vom Alter her in
der Gründungsphase einer Familie befinden könnten, davon abhält, eine Familie zu gründen.
Weil sie durch Studiengebühren belastet sind.
Aber die Gründung einer Familie nach Abschluss des Studiums ist bei zurückzuzahlenden Studiendarlehen erschwert.
Sie versuchen uns hier weiszumachen, dass Baden-Württemberg das erste Land auf der ganzen Welt ist, das 500 € Studiengebühren pro Semester einführt und es dabei bewenden lässt.
Ich würde 500 € nicht akzeptieren, denn für mich ist Bildung ein öffentliches Gut und keine Ware. Ich grenze auch niemanden vom Hochschulzugang aus,
wenn ich weiß, dass es eigentlich die Aufgabe in der Bundesrepublik und auch im Land Baden-Württemberg wäre, mehr Leute an die Universität zu bringen, einen höheren Prozentsatz eines Jahrgangs an die Universität zu bringen, und dass unsere Zukunft darin liegt, dass bei uns mehr Leute und nicht weniger Leute studieren. Es wird auch eine der Aufgaben sein, möglichst viele Frauen an die Universität zu bringen. Die Aufnahme eines gebührenpflichtigen Studiums wird für Frauen zusätzlich erschwert; denn man weiß, dass Frauen bislang in einem Land wie Baden-Württemberg später immer noch schlechtere Berufschancen haben als ihre männlichen Kollegen. Das kann man auch in Österreich und in anderen europäischen Ländern beobachten.
Das einzige Studiengebührenmodell, das funktioniert, ist ein Studiengebührenmodell, das die Grundalimentation des Studenten höher ansetzt als die Gebühr, die von ihm verlangt wird. Ein solches Studiengebührenmodell kann funktionieren. Vielleicht hätte das auch die eine oder andere Steuerungswirkung. Aber wir sind ja außerstande, die Grundalimentation zu erhöhen, wie das erfolgreiche Länder wie Schweden, die Niederlande, Finnland machen, die in allen Bildungsrankings vor uns liegen, die einen extrem hohen Anteil an Akademikern pro Jahrgang haben und bei denen dadurch die Produktivität und das Wirtschaftswachstum extrem hoch sind.
Ich habe die große Befürchtung, dass wir durch dieses Gesetz den Anteil der Studierenden in der Bevölkerung künstlich reduzieren werden. Ich habe die große Befürchtung, dass wir mit diesem Gesetz eine Ausgrenzung betreiben.
Und ich habe die Befürchtung, dass die Öffnung der Schranken, die wir vor 30 Jahren bewirkt haben, zu einer Rückkehr zu ständestaatsähnlichen Situationen in unserer Gesellschaft führen werden. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen, um uns der globalen Herausforderung zu stellen.
Sie müssen sich anschauen, wie rasant sich der Anteil der Studierenden in China entwickelt. Sie müssen schauen, wie sich die Hochschullandschaft in Indien entwickelt. Sie müssen schauen, wie viel in den Ländern, die im Wirtschaftswachstum und in ihrer Wirtschaftskraft zulegen, direkt vom Staat in Bildung investiert wird. Wenn wir in den nächsten 20 Jahren Anschluss halten oder an der Spitze bleiben wollen, müssen wir öffentliches Geld in die Bildung stecken und dürfen uns nicht damit behelfen, dass wir durch den Griff in die Tasche der Studenten versuchen, die Defizite in diesem Bereich zu kaschieren.
Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass die Grünen mit einem eigenen Studiengebührenmodell eine kleine Zwangsschnittstelle zur CDU aufmachen.
Das fällt für mich ein bisschen unter die Überschrift „Vom Hausbesetzer zum Hausbesitzer“.
Ich weiß, wo ich herkomme. Ich weiß auch, wo Ihre Partei herkommt. Ich hatte und habe nach wie vor sehr viele positive Berührungspunkte mit Ihrer Partei.
Ich finde es extrem bedauerlich, dass Sie an der Stelle ein bisschen auf den neoliberalen Zug aufgesprungen sind.
Ich bin froh, dass meine „alte Tante“ SPD steht und auch weiter stehen wird.
Schließen möchte ich mit einem Satz von Herbert Wehner. Er lautet: „Wir Sozialdemokraten müssen uns immer wieder, notfalls auch gegenseitig, daran erinnern, dass wir die Hoffnung derer sind, die zu gleichen Rechten und von diesen gleichen Rechten zu gleichen Chancen kommen wollen.“
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines sollte man in einer modernen Verwaltung nicht haben, nämlich Angst vor dem Bürger. Man muss auch einmal die Umkehrsituation darstellen: Die Verwaltung ist für den Bürger da – nicht der Bürger für die Verwaltung.
Wenn Sie sich die Handbücher „Neue Steuerungsinstrumente“ durchlesen, wenn Sie sich anschauen, was im New Public Management läuft, wenn Sie sich über die vielfältigen Möglichkeiten informieren, die in den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien stecken, dann sehen Sie, dass man unter der Vorgabe von Effektivität, Effizienz und Transparenz durch eine Umkehr in der Verwaltung vom Obrigkeitsstaat zum Partner Verwaltung ein neues Miteinander mit dem Bürger hinbekommen kann und dass dies durchaus Synergien nach sich zieht, die zu einem neuen Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung führen.
Frau Dederer hat angeführt, dass sich immer zu ganz bestimmten Themen eine Vielzahl von Anfragen ergibt. Nun, ich kenne auch solche Verwaltungsvorgänge, bei denen der Bürger sehr besorgt und in vielfältiger Art und Weise nachfragt, was denn da passiert. Da besteht einfach die Aufgabe für eine moderne Verwaltung, bei solch strittigen, offenen Themen Informationsplattformen ins Netz zu stellen, um dem Informationsbedürfnis schon von vornherein zu entsprechen.
Herr Oelmayer hat es in die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE als Möglichkeit auch hineingeschrieben, da Wege zu finden und sich in dieser Richtung auch zu öffnen, sodass eigentlich davon auszugehen ist, dass sich mit einer Übergangszeit – –
Ja, das ist die Frage. Wenn ich einen gesetzlichen Anspruch habe, ist es immer ganz gut, dass die andere Seite, das heißt in diesem Fall die Verwaltung, mir ein Stück weit entgegenkommt und auch weiß, dass es so läuft.
Ich denke, bei den Erosionsprozessen, die wir bei der Verwaltung haben und die wir beim Vertrauen der Bürger gegenüber unserer Verwaltung haben, und auch bei den vielen Vorstellungen vonseiten der Bürger, die das Verwaltungshandeln in Teilen nicht verstehen, nicht nachvollziehen können, und da wir aufgrund der Verwaltungsmodernisierung – –
Ich nenne jetzt nur einmal das Stichwort „gemischte Dienststellen“. Da ist es schon sehr gut, zu wissen, mit wem und womit man es zu tun hat und welche Stelle in der Abfolge zuständig ist, wenn sich ein Verwaltungsakt aufbaut.
Ich stimme zu – an diesem Punkt bin ich auch, in aller Offenheit gesagt, nicht ganz sattelfest – – Ich habe die Informationsfreiheitsgesetze der anderen Bundesländer miteinander verglichen. Frau Dederer, ich kann Ihnen da auch aus der Statistik heraus ein bisschen die Sorge nehmen, dass der Bürger dieses Instrument so über Gebühr in Anspruch nimmt, dass es überbordet. Es wäre allerdings verkehrt, zu sagen: Wenn es niemand in Anspruch nimmt, brauchen wir es nicht. Denn es gibt zum Beispiel bestimmte Sicherungseinrichtungen beim Staat. Ich bin ganz froh, dass es sie gibt. Das gibt mir als Staatsbürger ein Gefühl von Sicherheit, auch im Umgang mit dem Staat. Das heißt dennoch nicht, dass ich sie tagtäglich in Anspruch nehme. Es gibt eine Vielzahl von Einrichtungen. Um es ganz banal zu sagen: Ich bin froh, dass es die Feuerwehr gibt. Ich bin aber auch ganz froh, wenn ich sie nie in Anspruch nehmen muss.
Ähnlich ist es mit einem Informationsfreiheitsgesetz. Der Bürger weiß, dass er einen Anspruch auf etwas hat. Er weiß, dass er im Zweifelsfall immer ein Anrecht auf eine Information hat und dass man ihn als mündigen Staatsbürger behandelt.
Wenn es ihn betrifft. Aber manchmal ist es an der Grenzlinie schwer, zu unterscheiden, ob es ihn betrifft oder ob es zum allgemeinen Bürgerverständnis einer modernen Community gehört.
Wie gesagt: Ich für meinen Teil sehe noch Klärungsbedarf in den Ausschussberatungen, was die Grenzziehung angeht, was die Frage angeht, ob der Gesetzentwurf jetzt in Teilen zu restriktiv gefasst ist.
Ich muss Herrn Oelmayer attestieren: Er ist Ihnen mit den Restriktionen, die dieser Entwurf beinhaltet, sehr weit entgegengekommen. Denn er hat, getragen von dem Gedanken, dass Sie da gegebenenfalls bereit sind, auf den Zug aufzuspringen, wirklich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der so eng gefasst ist, dass vonseiten der Landtagsfraktionen keinerlei Einwände bestehen, diesen zu unterstützen.
Allerdings, Herr Oelmayer, möchte ich Ihnen jetzt den Vorschlag machen, wenn wir hier wieder, wie schon so oft, wenn es um Informationsfreiheit, um Zugang, um Datenschutz, um sonstige Dinge geht – – Vielleicht sollten wir die Schrauben in diesem Gesetz einfach noch etwas andrehen, damit der Level etwas höher wird. Denn ich bin sicher: Wir werden eines Tages hier ein solches Gesetz mit Mehrheit durch das Parlament bringen.
Ich freue mich, in diesem Punkt mit den Grünen zusammenzuarbeiten,
weil da der neoliberale Zug noch nicht ganz angesetzt hat. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn sich die FDP/DVP an ihre alte Tradition erinnerte und beim Thema Informationsfreiheit mit uns „sozialliberal ampeln“ würde.
Haben Sie vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gemessen an der Bedeutung des Datenschutzes, gerade im Hightechland BadenWürttemberg, ist der Aufruf des Dritten Tätigkeitsberichts des Innenministeriums zum Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich als letzter Tagesordnungspunkt mit Aussprache am letzten Plenartag vor den Sommerferien vielleicht auch ein bisschen symptomatisch für den Stellenwert des Datenschutzes in Baden-Württemberg.
„Ist doch alles in Butter“, könnte man sagen, jedoch zeigt der Bericht auf, dass die Quote der Beanstandungen gestiegen ist, die Zahl der Bereiche, in denen es zu gravierenden Eingriffen in die Privatsphäre kommt, zunimmt und die Datenschutzaufsicht, die kontrolliert und sich müht, präventiv zu wirken, an ihre Grenzen stößt.
Um das zu verdeutlichen, gestatten Sie mir einige Anmerkungen und den Versuch, aufzuzeigen, wohin die Reise eines zeitgemäßen Datenschutzes gehen sollte, gerade auch im Hinblick darauf, dass Datenschutz ein konkretisiertes Grundrecht ist.
Datenschutz ist keine modifizierte Form des Eigentumsrechts. Datenschutz ist ein Kommunikationsgrundrecht, welches die Partizipationsfähigkeit des Einzelnen und seine Kommunikationsfähigkeit sichert und eine der Grundbedingungen in einer demokratischen Gesellschaft darstellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schwerpunkt beim Datenschutz liegt nicht mehr beim Staat, sondern im privaten Bereich. Mittlerweile werden in privaten Datenbanken wesentlich mehr personenbezogene Daten als bei Behörden zusammengestellt und verarbeitet.
Das heißt nicht, dass im öffentlichen Bereich ein effizienter und effektiver Datenschutz nicht nach wie vor vonnöten wäre oder sich gar das Bewusstsein schon derart ausgeprägt hätte, dass Datenschutz in allen Bereichen ein Selbstläufer geworden wäre. Doch bleibt festzuhalten, dass im öffentlichen Bereich, gerade auch durch das Wirken des Datenschutzbeauftragten und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Maßnahmen des Datenschutzes mehr und mehr greifen und einerseits Datenschutzbelange Anwendung und Anerkennung erfahren und andererseits die Bevölkerung nach wie vor sehr sensibel staatliche Eingriffe registriert und – wie beim gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur vorbeugenden Telefonüberwachung zu erkennen ist – der Rechtsstaat auch schnell reagiert.
Aber, meine Damen und Herren, Bewegungsprofile werden nicht mehr nur durch die Überwachung des Staates hergestellt, sondern etwa auch über die Benutzung von Kreditkarten. Der Aufenthaltsort einer Person lässt sich über deren Mobiltelefon (Handy) feststellen. Heute kann man Au
tos via Satellit und eingebauten Sender überwachen. Kaufhäuser in Großbritannien benutzen schon jetzt ein System, bei dem die Videoüberwachung die typisierten Hand- und Körperbewegungen indiziert und analysiert, ob eine Person eine Straftat begehen will.
Im Mittelpunkt steht zukünftig nicht mehr die Frage, wo und wie Daten erhoben werden. Der Blickwinkel des Datenschutzes muss sich verlagern. Die Daten sind an vielen Stellen vorhanden, und zwar immer häufiger im privaten und nicht mehr nur im öffentlichen Bereich. Entscheidend wird insoweit die Organisation des Zugangs sein.
Bei der Entwicklung von Datenverarbeitungstechniken bzw. bei der Einsatzplanung muss der Datenschutz schon mitbedacht werden. Bei der Entwicklung neuer Verfahren sollte stets die Variante gewählt werden, die mit möglichst wenig Daten auskommt.
Die Verfahren müssen so entwickelt werden, dass notwendige Einschränkungen, etwa im Bereich der differenzierten Zugriffsregelungen, von vornherein vorgesehen sind und nicht mühsam (zum Teil vergeblich) nachgefordert werden müssen.
Damit einher geht eine schier grenzenlose Kommerzialisierung der personenbezogenen Daten. Personenbezogene Daten werden – vornehmlich in Form von Konsumprofilen – ge- und verkauft. Der Datenschutzbericht nimmt zu einigen Vorkommnissen Stellung, und es lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, dass der Datenschutz angesichts der Ausgestaltung der Marktbedürfnisse durch die private Wirtschaft, der Vielzahl der Anwendungen von Kundenprofilen und der enger werdenden Verdichtung und Vernetzung unterschiedlicher Datenprofile dringend wieder auf Augenhöhe mit der Wirtschaft gebracht werden muss. Denn ein Ausstieg aus der modernen Kommunikationsgesellschaft ist unmöglich, die Technisierung und die Digitalisierung all unserer Lebensprozesse sind unumkehrbar.
Dabei wird klar: Es sind nicht nur soziale, sondern zunehmend auch technische Zwänge, die unsere Freiheit begrenzen: Ein Leben ohne Girokonto mit EC-Karte, ohne Telefon bzw. Handy, ohne Internetanschluss, Fernsehen und Flug-, Bahn-, Kfz-Mobilität ist heute für uns praktisch nicht vorstellbar. Dies akzeptieren wir, weil die technischen Hilfen unser Leben einfacher machen. Sie geben uns die Freiheit, ohne Bargeld zu bezahlen, von jedem Ort aus mit jedem zu kommunizieren, uns über alles Interessante zu informieren. Aber unsere scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten gehen einher mit globaler Ungerechtigkeit und mit Überwachung und Kontrolle.
Letzteres führt zur Einschränkung unserer gerade gewonnen geglaubten Freiheit. Nicht nur der Staat, sondern immer mehr private Wirtschaftsunternehmen glauben, uns beim Ausleben unserer Freiheit auf Schritt und Tritt beobachten zu müssen. Der Staat führt soziale Steuer- und Verteilgerechtigkeit sowie Sicherheit als Gründe dafür an. Die Wirtschaft rechtfertigt das Sammeln von Kundendaten damit, dass sie uns nur so individuell noch besser angepasste Konsumangebote machen könne, mit denen wir noch glücklicher würden.
Der Staat hat mit dem Mautsystem die potenzielle Kontrolle des gesamten Verkehrs, überwacht über elektronische Schnittstellen unsere Telekommunikation, ja will die Überwachungsergebnisse über ein Jahr lang auf Vorrat speichern, macht unsere Bankverbindungsdaten für Finanzämter und Sozialbehörden zentral abrufbar, überwacht uns mit Videokameras, Rasterfahndungen, Schleierfahndungen, ja bald mit biometrischen Ausweisen.
Die Wirtschaft steht dem nicht nach: Aus unseren Bahnund Flugtickets erstellt sie Bewegungsprofile, mit Kundenkarten Konsumprofile, aus den Handyverbindungsdaten Interessen- und Kommunikationsprofile. Der boomende Markt des E-Commerce bringt zwangsläufig eine personalisierte Kundenbeziehung mit sich. Die hierbei gesammelten Kundendaten werden zu Interessenprofilen zusammengefügt, die zur zielgruppenspezifischen Bewerbung mithilfe des One-to-One-Marketing genutzt werden können. Völlig neue Auswertungsmöglichkeiten zum effizienteren Ressourceneinsatz bieten die Instrumente des Data-Warehouse und des Data-Mining.
Die angesammelten individualisierten Wirtschaftsdaten können zu Bonitätsprofilen verdichtet werden. Diese werden zum einen zur Positiv-Diskriminierung bei der Werbung benutzt: Der Mercedes wird nur dem Gutverdiener angeboten, nicht dem Sozialhilfeempfänger. Die Bonitätsprofile werden aber auch zur negativen Diskriminierung genutzt. Mit arbeitslosen und überschuldeten Menschen rentiert es sich nicht, Verträge abzuschließen. Diese Verträge bedürfen eines zu hohen Aufwands und intensiver Pflege. Daher bemüht man sich nicht um diese Klientel. Ja, mehr noch: Dieser Klientel wird der Vertragsabschluss einfach verweigert, zum Beispiel wenn es um das Anmieten eines Autos oder die Eröffnung eines Girokontos geht.
Das ist schon heute Realität, und so wird es in Zukunft in verstärktem Maße sein. Es ist unsere Aufgabe in der Politik, diesen diskriminierenden Auswüchsen Einhalt zu gebieten.
Diese Notwendigkeit zeigt sich in eklatanter Weise bei der Vermarktung von Kundendaten. Schon heute ist die Vermarktung dieser Daten ein äußerst lukratives Geschäft. Kundendaten werden zur Ware. Doch wer verdient daran? Bisher überhaupt nicht der Verbraucher selbst, sondern ausschließlich die Wirtschaft.
Der Verbraucher bleibt reines Objekt, wird nicht Subjekt. Meiner Ansicht nach stellt das einen eklatanten Widerspruch zu dem vom Verfassungsgericht für eine demokratische Informationsgesellschaft für unabdingbar erklärten Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
Wenn man dem Ausgleich zwischen den Interessen der Wirtschaft an marktgerechten Angeboten und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gerecht werden will, ergeben sich drei Konfliktfelder:
Der erste Konflikt zwischen Verbraucher und Wirtschaft ist der zwischen Transparenz und Betriebsgeheimnis. Während die Konsumentinnen und Konsumenten zumindest wissen können sollten, was mit ihren Daten passiert, wollen die Wirtschaftsunternehmen genau dieses Wissen vor dem Verbraucher wie vor der Konkurrenz geheim halten.
Ein Beispiel dafür ist das Kreditscoring, benannt im Datenschutzbericht: Hier werden nicht nur das Verfahren, die Bewertungsmaßstäbe und die einfließenden Parameter geheim gehalten, sondern sogar das Ergebnis. Ich teile die Ansicht des Innenministeriums, die im Datenschutzbericht deutlich wird, dass die allgemein gehaltenen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes hier einer Überarbeitung bedürfen.
Ein weiteres Beispiel ist der Markt der Kundenbindungsund Rabattkarten. Von Klarheit über die Verantwortlichen, die verarbeitenden Stellen und Datenempfänger, über die tatsächlich verarbeiteten Daten sowie die Verarbeitungsund Auswertungsstrukturen kann keine Rede sein. Mit allgemeinen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wird mehr verschleiert als informiert.
Überhaupt keine Transparenz besteht für den Verbraucher hinsichtlich der für diesen im Dialog mit der Wirtschaft vielleicht wichtigsten Frage: Wie viel sind meine Daten tatsächlich wert? Wie viel kosten meine Adress-, Marketingoder Bonitätsdaten? Dieses Geheimnis wird am strengsten gehütet. Würde es gelüftet und würde bekannt, was die Wirtschaft an der Ausbeutung der fremden Daten verdient, so wüsste auch der Verbraucher, was er unter Umständen hätte verdienen können.
Der zweite Konflikt liegt zwischen Information und Manipulation. Die Kundinnen und Kunden wollen verführt werden. Wer eine Bestellung beim Versandhandel tätigt, will sich damit aber nicht monatelang einen vollen Briefkasten einhandeln. Wer unbeschwert im Internet surft, will nicht, dass daraus ein über Jahre beständiges Interessen- und Kommunikations- und damit auch ein Manipulationsprofil erstellt wird, das nicht nur die Stärken, sondern auch die eigenen Schwächen offenbart. Grundlage für Vertrauen sind Information und Transparenz.
Als Konsument will ich nicht vor der Alternative stehen, entweder über den Tisch gezogen zu werden oder jedes Mal seitenlange AGBs lesen zu müssen. Der Kunde will wissen, mit wem er es zu welchen Konditionen zu tun hat.
Die dritte Konfliktlinie verläuft zwischen Einwilligung und „berechtigtem Interesse“. Der Begriff „berechtigte Interessen“ kann fast alles legitimieren, auch das Durchführen von Marketingmaßnahmen. Er wird definiert von der datenverarbeitenden Stelle selbst. Die Regelung mit dem berechtigten Interesse ist die Ermächtigungsnorm zur kommerziellen Ausbeutung der Daten von Kunden, also von fremden Menschen, die etwas gekauft haben, für andere Zwecke als den Vertragszweck. Eine solche Verarbeitungsbefugnis kann in einer demokratischen Informationsgesellschaft nicht mehr sozial adäquat sein.
Die bisherige zentrale Verarbeitungslegitimation ist durch die Einwilligung der Betroffenen zu ersetzen. Diese Einwilligungslösung ist nichts anderes als die Umsetzung der zentralen Grundlage der Marktwirtschaft, der Privatautonomie, im Bereich der Datenverarbeitung. Durch die dadurch erreichte informationelle Selbstbestimmung wird das für die Akzeptanz des E-Commerce nötige Konsumentenvertrauen bewirkt.
In der Bonitätskontrolle benötigen wir, anders als bisher, eine bereichsspezifische Regelung. Hier kann und darf kei
ne Einwilligung vorausgesetzt werden. Denn wer gesteht schon gerne freiwillig ein, dass er zahlungsunfähig ist? Dass ein in Vorleistung tretender Vertragspartner die Vertrauenswürdigkeit seines Gegenübers prüfen kann, ist sein legitimes Interesse. Dass Verträge, insbesondere Kreditverträge, nicht wegen Zahlungsunfähigkeit notleidend werden – hieran besteht außerdem ein öffentliches Interesse der Gesellschaft –, liegt im wohlverstandenen Interesse des Gegenübers, der vor einer Überschuldung bewahrt werden muss.
Doch die bestehenden Regelungen wie auch die aktuelle Praxis zeugen von Wildwuchs oder gar von Wildwestmanieren: Da prangern Firmen ihre Kunden im Internet an, die – aus welchen Gründen auch immer – ihre Rechnungen nicht bezahlt haben. Selbst die seriöse Schufa arbeitet mit ungesicherten, so genannten „weichen Daten“, zum Beispiel zu einem beantragten Mahnbescheid. In die Bonitätsbeurteilung fließen ferner Gerüchte und der gute Leumund ein, ohne dass diese auf einer realen Grundlage basieren müssten.
Die bereichsspezifische Regelung zur Bonitätsprüfung muss folgende Elemente enthalten: Grundsätzlich dürfen nicht ungesicherte Daten, sondern nur „harte Fakten“ aus Vertragsbeziehungen Berücksichtigung finden. Dies sind schuldrechtliche Titel, Insolvenzanträge oder eidesstattliche Versicherungen, nicht aber Mahnungen, beantragte Mahnbescheide oder die Erhebung von Klagen. Die Inhalte der bisher dezentral bei den Amtsgerichten geführten öffentlichen Register bzw. Informationen (Schuldnerverzeichnis, Insolvenzverzeichnis) müssen in einem geregelten Verfahren zur Verfügung gestellt werden. Das bisherige Verfahren mit vagabundierenden Listen und Disketten ist weder aus Wirtschafts- noch aus Bürgerrechtssicht praktikabel. Dabei kann durch eine Zentralisierung der Daten Ordnung erreicht und Kontrolle bewirkt werden.
Die Betroffenen sind einzubeziehen. Sie müssen das Verfahren überschauen, die einfließenden Daten kontrollieren und falsche Darstellungen per Gegendarstellung korrigieren können.
Weiterhin muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeführt werden. Es geht nicht an, dass man sich bei einer Buchbestellung über das Internet gegenüber dem Anbieter ebenso nackt ausziehen muss wie bei der Aufnahme eines Baudarlehens über mehrere Hunderttausend Euro. Die Praxis der Datenabfrage mit der Überprüfung des berechtigten Abfrageinteresses ist derzeit völlig unbefriedigend. Die Angabe „Girokonto“ oder „Vertragsanfrage“ genügt, um an sensible Daten heranzukommen. Oft wird überhaupt nicht geprüft, ob eine Angabe gemacht wurde. Das berechtigte Auskunftsinteresse muss protokolliert und kontrolliert werden. Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Daten aus der Bonitätsprüfung nur für diesen Zweck verwendet werden. Es ist unerträglich, dass solche Informationen zum Beispiel auch für Werbezwecke eingesetzt werden.
Nun behaupte niemand, das berühre uns nicht, wir hätten nichts Böses getan und daher nichts zu verbergen. Jede und jeder von uns hat etwas zu verbergen, was mit all den bei Staat und Wirtschaft gespeicherten Datenschatten zerstört wird: Es geht um unsere Privatsphäre. Das Bundesverfas
sungsgericht hat dies – in Reaktion auf den Widerstand gegen die geplante Volkszählung 1983 – schon früh auf den Punkt gebracht: Wer damit rechnet, dass die Wahrnehmung unserer Freiheiten von anonymen Stellen registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten.
Dies würde nicht nur die Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Grundbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens ist.
Streifen möchte ich noch den im Bericht angerissenen Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes, der meiner Ansicht nach nur einen Teil der technischen Umbruchphase in den Betrieben abbildet. Der Einsatz von Informationstechnologie wird immer billiger, einfacher anwendbar, komplexer, intelligenter und vernetzter. Dies umfasst Videoüberwachung, kontaktlose Chip-Betriebsausweise, Biometrie, Radio-Frequency-Identification, kurz RFID genannt. Ging es zunächst nur um die Optimierung der Betriebsabläufe – neudeutsch Workflow genannt –, so ist der Mitarbeiter heute in die potenziellen Überwachungsprozeduren integriert, was seine Grundrechte mindestens tangiert, wenn nicht direkt verletzt. Es gibt eine Kontrollmöglichkeit seiner Bewegungsprofile, seines Telefonierverhaltens, seiner Arbeit an intelligenten Kassensystemen bis hin zur Protokollierung seiner Arbeitsgeschwindigkeit, der Stornohäufigkeit, seiner Zugriffe auf das firmeninterne Intranet, seines eigenen Kommunikationsverhaltens am Firmen-PC bis hin – über PDA (Personal Digital Assistant) – zur möglichen Kontrolle der gesamten Außendiensttätigkeit.
Die Überlappung von Privatem und Geschäftlichem in modernen Betrieben setzt die sparsame Nutzung der Möglichkeiten für den privaten Bedarf des Arbeitnehmers, aber auch die absolut zurückhaltende Kontrolle durch den Arbeitgeber voraus. Verbindliche Betriebsvereinbarungen, Interessenausgleich der Grenzlinien und verbindliche Absprachen über Datenselbstschutz weisen hier den Weg.
Das Datenschutzrecht antwortete auf diese Herausforderung bisher mit Ordnungsrecht. Mit Verboten, Geboten und staatlichen Kontrollen sollten die schlimmsten Auswüchse privater Datenmacht verhindert werden. Dabei blieben die betroffenen Bürger, wie schon erwähnt, Objekt; als Subjekte handelten die Wirtschaft und die Verwaltung. Der Arbeitnehmer, der Mieter, der Patient oder der Konsument haben zwar subjektive Rechte, zum Beispiel auf Auskunft, Datenkorrektur (Berichtigung, Sperrung und Löschung) und auf Schadenersatz. Um diese Rechte aber durchzusetzen, benötigt der Bürger in jedem Fall staatliche Hilfe, und die staatliche Stelle sollte entsprechend ausgestattet sein und über die optimale Strategie verfügen. Ich bezweifle, ob die Anzahl der Mitarbeiter im Innenministerium den Anforderungen an einen modernen Datenschutz genügt. Ich glaube aber auch, dass wir einsteigen müssen in die Diskussion, ob der Datenschutz in Baden-Württemberg strategisch richtig aufgestellt ist.
Kontrolle und Prävention oder – im Sinne der Postulierung des Kommunikationsgrundrechts – besser Kontrolle und
Antizipation der Datenschützer müssen ergänzt werden durch Instrumente des Selbstdatenschutzes, also durch Selbstdatenschutz-Werkzeuge, so genannte Privacy Enhancing Technologies (PET), eine regulierte Selbstregulierung, Zielvereinbarungen mit datenverarbeitenden Branchen und branchenspezifische Lösungen, die Zertifizierungen und Datenschutz-Gütesiegel enthalten.
Datenschutz muss sich zum lukrativen Geschäftsfeld im Aufbau und in der Pflege der Kundenbeziehung entwickeln. Kunden wollen Datenschutz und die Sicherheit, dass mit ihren Daten sensibel umgegangen wird: Datenschutz als Wettbewerbsvorteil oder neudeutsch „privacy sells“. Zu diesem Paradigmenwechsel gehört auch die Erkenntnis, dass Investitionen der Betriebe in Datenschutz das Vertrauen von Kunden aufbauen und ihre Ängste, wegen der sie Angebote wie – einfach gegriffen – Onlinebanking oder E-Mail-Dienste wegen mangelndem Datenschutz und mangelnder Datensicherheit nicht annehmen, abbauen.
Datenschutz ist Verbraucherschutz, und in die Überlegungen ist mit einzubeziehen, Verbraucherschutzorganisationen verstärkt in den nichtöffentlichen Bereich des Datenschutzes zu integrieren. Das würde allerdings voraussetzen, das Ausbluten der Zuschüsse von Landesseite dringend zu korrigieren.
Im Ringen um einen zeitgemäßen, den Herausforderungen erfolgreich begegnenden Datenschutz muss das meiner Ansicht nach stumpfe Schwert der Verhängung von Bußgeldern überprüft werden, da der Schaden des Einzelnen und die Profite aus der Datenverwendung sich nicht in der Höhe der Bußgelder abbilden.
Und zuletzt – auch wenn ich nicht Cato der Ältere im römischen Senat bin – sind wir der Ansicht, dass man den Datenschutz im öffentlichen und den im nichtöffentlichen Bereich zusammenlegen sollte, um hier einen modernen Datenschutz aus einer Hand von staatlicher Seite bereitzustellen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt der 25. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vor. 1980 wurde der Datenschutz in Baden-Württemberg eingeführt, und man muss festhalten, dass wir eines der letzten Bundesländer waren, die auf diesen Zug aufgesprungen sind. In dieser
Schlusslichtposition sind wir in den letzten Jahren konsequent geblieben. Während in anderen Bundesländern der Datenschutz im öffentlichen und im nichtöffentlichen Bereich zusammengelegt wurde, die Personalausstattung besser ist und man sich den technischen Gegebenheiten innerhalb einer modernen Landesverwaltung und außerhalb durch einen modernen, datenbank- und EDV-gestützten Kunden- und Datenverarbeitungsbereich gestellt hat, werden beide Bereiche in Baden-Württemberg konsequent voneinander getrennt.
Herr Kollege Lasotta, bei der Beratung des Datenschutzberichts im Jahr 2003 hatten Sie sich hier gemeinsam mit der Fraktion der CDU für Reformen offen gezeigt. Im Jahr 2004 war das vergessen, und ich habe mich bei der Zusammenstellung meiner Notizen für meinen heutigen Redebeitrag gefragt, ob wir hier nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“ agieren.
Denn, Herr Lasotta, auch Sie haben hier zuvor anklingen lassen, dass man, wenn der Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten im Plenum beraten wird, ja immer einem gewissen Ritual folgt. Mit einer Redezeit von lediglich fünf Minuten – da gebe ich Ihnen Recht – kann man eigentlich in keines der Themen so richtig einsteigen.
Mit der Sozialdemokratie kommt immer die Modernität. Vielleicht schließen Sie sich dem auch einmal an.
Wenn man die Rede des Kollegen Lasotta nähme und ein paar Dinge umstellte, dann käme man da sogar zu einer sehr großen Schnittmenge. Ich stimme Ihnen zu: Wir brauchen einen handlungsfähigen, starken Staat. Wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, bekommen wir über die Verwaltungsreform, über die Einführung von EDV, über die Public Private Partnership und über die zunehmenden Privatisierungstendenzen in den einzelnen Bereichen – ich will das jetzt nicht inhaltlich bewerten – eine Auflösung der Grenzen zwischen dem öffentlichen und dem nichtöffentlichen Bereich. Die Folgen sind unabsehbar, und es wäre richtig und gut, wenn wir dem Vorschlag der SPD-Fraktion folgen würden und uns ernsthaft überlegen würden – und hier könnten wir auch Ihr Argument aufnehmen, Herr Kollege Lasotta –, diese beiden Bereiche zusammenzulegen. Denn nur dann wäre das gewährleistet, was der moderne Datenschutz leisten muss, nämlich vorausschauend zu arbeiten, sich den Problemen zu stellen und Eingriffe schon im Vorfeld vorzunehmen,
damit man im Nachhinein nicht mühsam reparieren muss. Ich weiß, dass vonseiten der Landesregierung hier kein Handlungsbedarf gesehen wird. Wir kommen jetzt aber auch mit dem neuen Ministerpräsidenten – wenn ich allein
schon sehe, was im Bereich der Landesimmobilien und der Betreibung einer Gesellschaft, die aus öffentlichen und nichtöffentlichen Segmenten besteht, geplant ist – um eine Zusammenlegung nicht herum. Es ist bedauerlich, dass das im Zuge der Verwaltungsreform nicht gemacht wurde, da dadurch sehr viele Effizienz- und Effektivitätsreserven nicht gehoben werden können. Ich denke, man muss in diesem Punkt – auch wenn es mühsam ist und man sich jedes Jahr wieder dem gleichen Ritual stellen muss – hart bleiben und immer wieder versuchen, da den Finger in die Wunde zu legen.
Ich hatte es schon erwähnt: Die Personalausstattung ist beim Landesbeauftragten für den Datenschutz äußerst knapp. Er kann die vielen Aufgaben, die er zu bewältigen hat, nur noch unzureichend wahrnehmen. Beim Lesen des Datenschutzberichts ist mir aufgefallen, dass die Anzahl der Stichprobenkontrollen zurückgeht, da aufgrund der Tatsache, dass der Datenschutzbeauftragte in vorausschauender Weise immer mehr beratend tätig wird, ein echtes Kapazitätsproblem besteht. In der Folge aber könnte das geschehen, was auch schon der Kollege Lasotta angedeutet hat, dass dann nämlich tatsächlich der Skandal oder der GAU passiert, der das Vertrauen der Bürger in ihre Verwaltung nachhaltig schädigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der öffentliche und der nichtöffentliche Bereich im Datenschutz wachsen technisch und inhaltlich zusammen. Es wäre gut, wenn wir daraus Konsequenzen ziehen und uns überlegen würden, wie man in Baden-Württemberg einen modernen Datenschutz ausgestalten kann. Es wäre gut, wenn Baden-Württemberg seine Schlusslichtposition an dieser Stelle aufgeben würde. Das würde unserer Industrie und auch unserer Kultur gut tun. Das gäbe auch einen nachhaltigen Schub für die Dienstleistungsgesellschaft, in der wir uns alle befinden.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegen seit eineinhalb Jahren diese drei Anträge der CDU-Regierungsfraktion vor. Wenn Ihnen die Wissenschaftspolitik wirklich ein ernstes Anliegen wäre, dann hätten Sie eine Aktuelle Debatte beantragen und die Beratung nicht in den späten Nachmittag verlagern sollen. Denn es gibt einen Unterschied zwischen dem, was man tut, und dem, wie man handelt.
Aber gerade im Bereich der Hochschulpolitik hat sich die CDU-Regierungsfraktion dahin gehend unbeweglich gezeigt – auch bei den Beratungen der Landeshochschulgesetzesnovelle; ich möchte daran erinnern, dass alle unsere Anträge abgebügelt wurden –, dass man eigentlich im Kostennachweis für den Landtag die Thrombosesocke für Sie als Grundausstattung als abrechnungsfähig einsetzen müsste, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kollege Pfisterer, es ist ja schön, wenn bei Ihnen mal der Blutdruck steigt.
Die Stellungnahmen zu den drei Anträgen belegen die gute Position der baden-württembergischen Hochschulen im Vergleich. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, dass es einige Bereiche gibt, in denen wir, wie es Kollege Jägel gesagt hat, uns nicht auf Lorbeeren ausruhen dürfen. Das ISIS hat in einer Studie vom März festgestellt, dass im Bereich der Spitzentechnologien die Aufholjagd der anderen Bundesländer begonnen hat. Und heute war in einer dpa-Meldung zu lesen, dass der Braindrain auch in der Bundesrepublik Deutschland zunimmt, was natürlich ein forschungsintensives Land wie Baden-Württemberg sehr stark trifft.
Ich möchte die vier Regelkreise beschreiben, in denen sich unsere Hochschulen im Moment befinden und woraus die Problematik herrührt, dass in unseren Hochschulen keine einheitliche Ausrichtung sichtbar wird. Das Erste ist die alte Kameralistik oder das, was davon in der Umsetzung von Input- zu Outputsteuerung noch übrig geblieben ist. Das Zweite sind die Zielvereinbarungen, das Dritte sind die leistungsbezogenen Mittelvergaben und das Vierte sind die Sonderforschungsprogramme „Erwin 1“ bis „Erwin 3“. Das sind vier unterschiedliche Regelkreise, die zum Teil auch in der Ministerialverwaltung unterschiedlich gehandhabt werden und dazu geführt haben, dass der Austausch in den Hochschulen von Baden-Württemberg letztendlich nur noch zwischen der Spitze, das heißt zwischen dem Rektorat und dem Ministerium stattfindet. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Problemen. Denn das, was unter dem Teppich ist, was da läuft, wird oftmals nicht gesehen und nicht mehr wahrgenommen.
Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: leistungsbezogene Mittelvergabe, Petition 13/3680, 13. Legislaturperiode. Es wird vom Kollegen Wacker sehr eindrucksvoll aufgezeigt, wie das mit der Budgetierung bei den Hochschulen läuft. Da gibt es ein Budgetierungsheft für das Jahr 2002. Dieses Budgetierungsheft wird bis zum Jahr 2003 viermal überarbeitet. Es wird in das SAP-Programm mit eingearbeitet, es gibt mehrere Umstellungen, es herrscht ein reger Schriftverkehr zwischen der jeweiligen Fakultät und der Universitätsleitung. Und es wird ein Defizit im Budget von 7 934 € herunternivelliert auf 544 €, und die 544 € werden aufgrund eines Wahrnehmungsfehlers noch einmal herunternivelliert. Es kann ja nicht angehen, dass wir uns überall über zu viel Bürokratie aufregen, aber im
Bereich der internen Berechnung von Budgets mit dem Ministerium eine Bürokratie produzieren, die im Prinzip jeder anderen Bürokratie in nichts nachsteht.
Im Übrigen müssen wir uns darauf einstellen: Die Jagd nach den Spitzenköpfen wird schwierig, solange solche Petitionen für jedermann nachlesbar im Internet zu finden sind und zeigen, wie die Innenansicht der Universität in Wirklichkeit ist. – Der Rest kommt in der zweiten Runde.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte ja gern etwas vom Wissenschaftsminister gehört. Was wir hier jedoch gehört haben, war die Antrittsrede des CDU-Vorsitzenden von Mannheim.
Um da einmal anzusetzen: Es ist einfach so: Wenn wir uns die Wissenschaftslandschaft in Baden-Württemberg angucken und gleichzeitig die Verschuldung des Bundeslandes Baden-Württemberg betrachten, dann müssen wir sagen, dass der Ministerpräsident, der am meisten Geld in die Entwicklung der Wissenschaftslandschaft investiert hat, auch derjenige ist, der die Verschuldung am höchsten getrieben hat.
Das kann man neutral feststellen und festhalten. Unser Verschuldungsstand ist ja ebenso im Wachsen begriffen, wie der Vorsprung des Landes Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen abnimmt.
Aber wir sind ja alle miteinander Patrioten und wollen ja das Beste für unser Land.
Ich bin im ersten Teil darauf eingegangen, dass wir im Bereich der Forschung und der Forschungsförderung vor diversen Problemen stehen. Wir haben da auch eine überbordende Bürokratie. Wir haben zum Teil doppelte und dreifache Buchführung, wenn es um europaweite Programme geht, und wir haben innerhalb der internen Steuerungsprozesse der Universitäten immer noch in Teilen eine kameralistische Steuerung, während wir daneben auch eine neue, SAP-gestützte Steuerung haben, was zu einer enormen Belastung für die Leute führt. Die Panne, die ich Ihnen vorhin aus einem Petitionsbericht vorgelesen habe, rührt natürlich auch daher, dass man Leute unvorbereitet mit solchen Veränderungen konfrontiert.
Mein Vorwurf an das Ministerium geht dahin, dass da eine Art Zentralismus von oben betrieben wurde.
Ich habe geschaut, ob es für diesen Zentralismus eine Belegstelle in der Literatur gibt, und habe eine schöne Stelle
bei Max Weber gefunden, der den Ministerialdirektor Friedrich Althoff zitiert.
Er hat diesen Herrn übrigens auch sehr geschätzt. Dessen Ausführungen zu dem „System Althoff“ karikieren sehr gut das „System Frankenberg“ in der baden-württembergischen Wissenschaftslandschaft.
Ich werde dem demnächst neu gewählten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg einmal ein Exemplar zukommen lassen,
damit er eine Idee davon bekommt, wie sich Wissenschaftspolitik in Baden-Württemberg organisiert. Ich gehe davon aus, dass der Herr Minister diese Abhandlung über Max Weber von Herrn Schöllgen kennt.
Um zu zeigen, dass die Inkonsequenz auf die Spitze getrieben wird, führe ich Folgendes an: Vor welchen Herausforderungen steht das Land Baden-Württemberg? Wir sind ein Hochtechnologieland, und wir müssen ein Hochtechnologieland bleiben.
Wir kommen nicht umhin, noch mehr Menschen als bisher in universitäre und akademische Ausbildung zu schicken.
Wenn wir uns anschauen, wer in diesem Land studiert, dann stellen wir fest, dass es vor allem in den bildungsfernen Schichten Nachholbedarf gibt, und wir stellen fest, dass es im Bereich der Migranten extremen Nachholbedarf gibt. Wir können es uns jedoch nicht leisten, auch nur eine Begabung auf der Strecke verkommen zu lassen. Durch die Einführung von Studiengebühren halten wir genau diese Schichten vom universitären Umfeld fern.
Wissen Sie, ich finde es immer wieder Spitze: Die CDU ist immer für Steuersenkungen, lässt sich aber immer wieder neue Gebühren einfallen, durch die man den Leuten das private Geld aus der Tasche zieht.
Kollege Pfisterer, wenn man den Hochschulstandort kennt, weiß man ganz genau, dass ein Großteil der Studenten nebenher arbeitet, und weiß, mit welchen Kosten das Studium schon heute bewehrt ist, und man weiß, dass sich dies auch studienzeitverlängernd auswirkt. Es ist einfach nicht so, dass das Studium heute nichts kostet, ganz im Gegenteil.
Die Opportunitätskosten werden dazu führen, dass wir sehr viele Leute vom Studium abhalten, weil wir keine Garantie dafür geben können, dass die Leute tatsächlich auch eine Arbeitsstelle bekommen.
Übrigens, bei dieser Gelegenheit zur FDP:
Die FDP steuert ja ein betriebswirtschaftliches Modell an, indem sie für gestaffelte Studiengebühren eintritt. Das heißt, der Germanist, der nach dem Studium ein geringeres Einkommen zu erwarten hat
oder dessen Tätigkeit in unserer Gesellschaft insgesamt nicht zu diesen hohen Einkommenssprüngen führt, soll weniger bezahlen, und derjenige, der ein hohes Einkommen zu erwarten hat, soll höhere Studiengebühren bezahlen. Das ist doch letztendlich die Vorhut, die Einstiegsdosis für Studiengebühren und den Griff in den privaten Geldbeutel.
Zeigen Sie mir das Land, das bei der Einführung von Studiengebühren bei der zunächst festgesetzten Gebührenhöhe geblieben ist, und zeigen Sie mir vor allem das Land, in dem die Einnahmen aus den Studiengebühren auch bei der Universität geblieben sind.
Man müsste in diesem Umwälzungsprozess einen Solidarpakt abschließen.
Man müsste einen Solidarpakt abschließen, damit das Geld für 10 oder 15 Jahre mit Inflationsausgleich an den Universitäten bleibt und dann zusätzlich Geld aus den Studiengebühren dazukommt. In keinem Land der Welt war es so. Neulich waren die ersten Erfahrungen von Österreich zu lesen. Natürlich sind die Mittel abgeflossen und nicht an der Hochschule geblieben. Mitt
lerweile befürchtet man in Österreich einen Run auf das österreichische Hochschulsystem, weil dort die Studiengebühren niedriger sind als das, was sich Herr Frankenberg an Studiengebühren vorstellt.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Max Weber schrieb 1908:
Die zunehmende Verbürokratisierung des Wissenschafts- und Universitätsbetriebs ist nämlich nichts anderes als ein typischer Ausdruck jenes Prozesses umfassender, weil alle Lebensbereiche erfassender Rationalisierung und Bürokratisierung. Das „System Althoff“
in diesem Fall möchte ich sagen: das „System Frankenberg“ –
ist eine praktische Lektion, dass Bürokratie immer weniger das ursprüngliche Problem, als vielmehr in zunehmendem Maße ein kaum mehr kontrollierbarer Selbstzweck der Politik ist. Dagegen gilt es womöglich vorzugehen.
Die SPD wird dagegen vorgehen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zu Buchstabe d unseres Änderungsantrags. Den Ausführungen von Minister Dr. Frankenberg, nur der Starke könne sich Schwäche leisten, möchte ich entgegenstellen: Gemeinsam sind auch die Schwachen mächtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier um eine Regelung, nach der das Studienjahr über eine Rechtsverordnung des Wissenschaftsministeriums in Trimester oder in Semester eingeteilt werden kann und soll.
Da tritt unter dem Trojanischen Pferd namens Autonomie ein Zentralismus des Wissenschaftsministeriums hervor, der letztendlich das Parlament ausschließt.
Wir von der SPD-Landtagsfraktion treten dafür ein, dass die Dinge, die die Hochschullandschaft in diesem Land betreffen, auch in der Rahmenrichtlinienkompetenz des Landtags bleiben
und nicht in den Verwaltungsmühlen des Wissenschaftsministeriums verschwinden.
Im Rahmen des Parlamentarismus – – Ich verstehe, dass Herrn Frankenberg als Wissenschaftspolitiker und als Geograf die Laufbahn eines Parlamentariers fehlt. Er weiß, wie schwierig Demokratie im Einzelnen ist, aber wie sie dennoch funktioniert. Ich appelliere an Sie, unserem Änderungsantrag in diesem Punkt zuzustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Zukunft der Universitätsklinika in Baden-Württemberg“ lautet der Titel der Großen Anfrage der CDU-Fraktion vom Dezember letzten Jahres, und die Antwort datiert vom Februar dieses Jahres. Wir haben in der Zwischenzeit einiges erlebt.
Im Wissenschaftsausschuss haben wir darüber diskutiert, dass die Haushaltskürzungen in einer Größenordnung von 22 Millionen € im Einvernehmen mit den Klinikleitungen erstellt wurden, konnten aber in der vergangenen Woche im „Reutlinger General-Anzeiger“ lesen, dass der Klinikumsvorstand des Universitätsklinikums Tübingen gesagt habe, er ginge notfalls an der Spitze seiner Pflegeschüler zur Demonstration nach Stuttgart, um der Politik zu demonstrieren, dass man den Druck, der durch die Kürzungen entsteht, vermindern müsse. Entweder hat man dort nicht aufgepasst, als damals gekürzt wurde, oder Sie reden jetzt mit gespaltener Zunge.
Wir können bei Tübingen bleiben. Wenn Sie die Landespresse verfolgen, lesen Sie von Warnstreiks an den Universitätsklinika wegen der Gefahr des Ausstiegs aus dem BAT. Sie hören von Outsourcing bei den haushaltsnahen Dienstleistungen innerhalb der Klinik. Es wird Panik und Unsicherheit produziert. Wenn man im Hinterkopf behält, dass der Direktor der Chirurgie mit einer siebenstelligen Abfindungssumme „stillgelegt“ wurde und dass diese Summe aus Geldern erwirtschaftet wurde, die man aus den Beschäftigten herauspresst, dann ist das ein ziemlich dicker Hund.
Da müssen die Landesregierung und auch der Minister ihren Einfluss geltend machen, damit solche Dinge in diesem Land nicht laufen.
Wir können uns da auch nichts schönreden, denn das Haftungsrisiko bleibt bei Minister Frankenberg. Ich habe in einem Vorwort von ihm gelesen, dass er das DRG-Risiko auf 200 Millionen € einschätzt. Gestern fand eine Anhörung im Bundesgesundheitsministerium statt, und dabei war die Rede davon, dass von einer Konvergenzphase von vier Jahren auszugehen sei und dass der Einstieg sich auf 15 % – Umsetzung des DRG-Anteils in der Berechnung – belaufen solle.
Das heißt, die hier in der Anfrage prognostizierten Verluste werden sich etwas strecken.
Was lehrt uns das? Wir haben die Zeit und die Chancen, tatsächlich an dem Punkt anzusetzen, der relevant ist. Rele
vant ist nicht, durch Absenkung der Tarife zulasten der Beschäftigten deren Motivation und Innovationsbereitschaft zu zerstören, sondern wichtig ist es, auf einem einheitlichen Tarifniveau mit einer einheitlichen Leistung am Produkt und an den Dienstleistungen der Kliniken Verbesserungen vorzunehmen, die es möglich machen, dem Wettbewerbsdruck auch tatsächlich standzuhalten.
Wenn der Kollege Hoffmann von neuen Strukturen spricht, dann schauen wir einmal in den Entwurf des neuen Landeshochschulgesetzes. Dort ist vorgesehen, dass nicht mehr in dem Sinne privatisiert wird, wie es Minister Döring hier zwei Jahre lang uns näher zu bringen versucht hat – mit dem großen Erfolg, dass er ja jetzt selbst teilprivatisiert wurde –,
sondern das Landeshochschulgesetz sieht vor, dass man jetzt innerhalb des Universitätsklinikums selbst Ausgründungen – GmbHs, AGs und Stiftungen – durchführen kann. Das kann man aber nicht völlig losgelöst von der Kontrolle machen. Denn ansonsten werden wir erleben, dass sich die rentierlichen Teile in eine GmbH oder eine AG verwandeln und die unrentierlichen Teile der Gesundheitsversorgung, wie die Pädiatrie, dann in die Röhre gucken und wir da den Standard weiter absenken – immer unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbsdrucks, weil das Land natürlich nicht bereit sein wird, für die Verluste einer Gesundheitsversorgung aufzukommen.
Überhaupt ist die Reform der Universitätsklinika nichts anderes als eine riesengroße ABM-Maßnahme für Betriebswirte. Hier kann sich der Neoliberalismus austoben und kann einfach nur unter dem Diktat der Wirtschaftlichkeit agieren. Ich lese sehr selten etwas von Qualität, von Patient, von patientennahen Dienstleistungen, von neuen Dienstleistungen und all den Möglichkeiten, wie man in einem Betrieb unter betriebswirtschaftlichen Bedingungen Optimierungen durchführen kann, die letztendlich dazu führen, dass der Zustand unserer Universitätskliniken – hier gebe ich dem Kollegen Pfister Recht – wettbewerbsfähig und zukunftsfähig gestaltet wird.
Meine Damen und Herren, wir haben das große Problem, dass in diesem Land ideologische Sperrbarrieren existieren. Wenn man nur mit den Mitarbeitern zusammen vorgehen kann und wenn man sie motivieren und mitnehmen muss, weil man auf ihre Innovationsbereitschaft angewiesen ist, dann müssen wir etwas ändern, zum Beispiel beim Personalvertretungsgesetz. Es kann nicht angehen, dass die Personalvertretung bei Entscheidungen weitgehend außen vor gelassen wird, und es kann auch nicht angehen, dass die Gewerkschaft außen vor bleibt, dass sie zwar immer alles besser weiß, aber letztlich nicht in der Verantwortung steht. Deswegen schlagen wir vor, zumindest eine Mitbestimmung in einer Größenordnung von 30 % oder auch darüber hinaus einzuführen. Dadurch könnte man nämlich alle mitnehmen und tatsächlich auch etwas voranbringen.