Alexander Bauer
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Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift einen Missstand auf, der so nicht bleiben kann. Es ist richtig: Armut ist ein Problem. Es ist auch ein Problem für Hessen und in Hessen. Es ist ein Problem, dass Kinder aus diesen Verhältnissen Probleme bei der Teilhabe an Bildung haben. Oftmals ist das mit Hindernissen verbunden. Das führt zu Nachteilen. Das fängt schon bei der Ausstattung etwa mit Schulheften an.
Liebe Linksfraktion, das Problem ist schon anderen aufgefallen. Deshalb wurde – es wurde erwähnt – im Bundesrat im Mai auf Initiative von CDU-regierten Ländern,von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, ein Antrag eingebracht, der viel weiter geht als das, was die Kollegin der SPD-Fraktion angesprochen hat, dass nämlich Lernmittel und die Mittagessenverpflegung in den Regelsatz aufgenommen bzw. der Regelsatz angepasst werden soll. Das hat der Bundesrat als Antrag beschlossen, auch mit den Stimmen von Hessen.
Darin wird der Bundesrat aktiv. Er fordert in diesem Fall das SPD-geführte Bundessozialministerium zum wiederholten Mal auf, bis Ende 2008 die Regelleistung für Kinder nach dem SGB II sowie die Regelsätze nach dem SGB XII neu zu bemessen, und zwar auf der Grundlage einer speziellen Erfassung des Kinderbedarfs. Die Abdeckung des Bedarfs an Lernmitteln ist hierbei ausdrücklich erwähnt. Nötig wurde diese Initiative durch die Untätigkeit des zuständigen Bundessozialministers. Sie sagen zu Recht: Wir haben in Berlin etwas in der Pipeline. – Nur muss ich sagen: Aus dieser Pipeline muss irgendwann irgendetwas herauskommen.
Der Bund ist gefordert, eine angemessene Lösung zu finden. Sie sehen, wir mussten auf diesen Hinweis nicht warten. Hessen ist im Rahmen einer Bundesratsinitiative längst aktiv. Trotzdem nehme ich Ihren Antrag gern auf, denn er liefert uns ein passendes Beispiel dafür, wie sich hinter einem wohlklingenden mitmenschlichen Anliegen ein Verständnis von Staat und Gesellschaft verbindet, das aufzudecken sich lohnt.
Dass DIE LINKE gleich nach dem Staat ruft, wenn es soziale Taten zu vollbringen gilt, wundert nicht. Das macht den Sozialismus gerade aus: Der Staat kümmert sich um alles. Eigenverantwortung freier Bürger ist, wie diese selbst, von Ihnen nicht erwünscht. Sind Bürger von Armut betroffen, so werden diese vom Staat alimentiert.
Man kann das so machen, wenn man immer mehr Staat will.Wir als bürgerliche Partei bevorzugen einen anderen Weg. Wir wollen den Bürgern Hilfe zur Selbsthilfe anbie
ten.Wir wollen für sie – das ist entscheidend – vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer sie aus eigener Kraft ihr Leben meistern können.
Meine Damen und Herren, wir wollen der Wirtschaft attraktive Bedingungen bieten, damit sie Arbeitsplätze schaffen kann. Denn Arbeit schützt vor Armut. Wir wollen, dass die Erwerbstätigkeit als Grundlage der Existenz für Einzelne wie für Familien die Regel ist.
Wir wollen auch, dass die Betroffenen auf diesem Weg Selbstwertgefühl und Würde erhalten. Abhängigkeit von mildtätigen Gaben zerstört dieses Selbstwertgefühl und bringt auch einen fatalen Gewöhnungseffekt mit sich.
Staatliche Subventionierungen, wie Sie sie bevorzugen, schaffen immer ein Gerechtigkeitsproblem.Täuschen Sie sich nicht. Die Menschen, die auf eigenen Beinen durchs Leben gehen, haben ein ausgeprägtes Gefühl für Ungerechtigkeit. Diese Menschen – zum Glück noch die überwältigende Mehrheit im Lande – fühlen sich vor den Kopf gestoßen, wenn sie von Politikerideen wie beispielsweise Sozialtarifen für Strom hören.
Nein, am Ende meiner Rede, jetzt nicht.
Diese Menschen, die zum Glück in überwältigender Mehrheit im Lande durch eigene Erwerbstätigkeit Geld verdienen – –
Meine Damen und Herren, diejenigen, die durch ihre Arbeit Geld verdienen, müssen doch am Ende in der Lage sein,
die Aufwendungen für Schulanfänger zu bestreiten, wie diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind.
Deshalb muss es doch ein Anreiz in unserem Land sein, das selbst zu schaffen. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, das zu ermöglichen und nicht die Unterschiede einzuebnen und die Menschen zu demotivieren.
Meine Damen und Herren, den LINKEN geht es hier um einen landesfinanzierten Hilfsfonds zur Gewährung einzelner Leistungen. Es geht um die Übernahme von Leistungen, um den nicht ausreichenden Regelsatz zu kompensieren. Es geht darum, die eingeführte Systematik der Pauschalierungen zu unterwandern.
Es geht auch darum, dass Hessen erneut für den Bund in die Bresche springt. Das wäre jetzt das völlig falsche Signal.
Meine Damen und Herren, in diesem Antrag sind auch Anklänge an den unbürokratischen und übergangsweise eingerichteten Härtefonds der Landesregierung zur Mittagsverpflegung nicht zu übersehen.
Das Beispiel des Schulmittagessens für bedürftige Kinder eignet sich jedoch nicht als Folie für weitere staatliche Hilfstöpfe. Zwar leistet hier der Staat – sprich: Hessen – Zahlungen; ein Härtefonds mit dem Volumen von 5 Millionen c wurde geschaffen. Allerdings hoffe ich, dass Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es sich bei Hunger um eine unmittelbare Notlage handelt, die es unbürokratisch im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu beseitigen gilt.
Die Karl-Kübel-Stiftung in Bensheim löst dieses Problem nach unserer Auffassung vorbildlich und unbürokratisch.
Demgegenüber geht es bei dem Antrag der LINKEN um die Bezuschussung einer Sachleistung, um eine Einschulungsbeihilfe, wie Sie es nennen. Das lässt sich nicht mit der existenziellen Versorgung von Kindern mit einer warmen Mahlzeit vergleichen.
Meine Damen und Herren, in dem so mitfühlenden Antrag der LINKEN geht es auch um ein grundsätzliches Problem: Wie steht es um die Selbstverantwortung von Menschen, Eltern, Familien für ihr eigenes Leben? Was muss der Staat leisten? Was können und sollen wohltätige Organisationen leisten?
Sie haben darauf immer die gleiche Antwort: Die Gesellschaft ist schuld, und der Staat muss es richten.
Ruft man immer gleich nach dem Staat, erstickt man aber das Verantwortungsgefühl der Bürger für ihr Gemeinwesen. Man bekommt die Bürgerinnen und Bürger, die man haben möchte – die nämlich ergeben warten, dass die da oben es schon richten werden.
Das ist nicht unsere Auffassung von Gemeinschaft und Staat.
Meine Damen und Herren, nur zu durchsichtig ist der Versuch, mittels dieses Antrags – dem sicher noch zahllose andere folgen werden – die Hartz-IV-Gesetzgebung auszuhebeln.
Die Liste der unabhängig von Hartz-IV-Leistungen vom Staat zu übernehmenden Kosten ließe sich noch beliebig fortführen.Vielleicht gibt es demnächst einen Antrag, der sich für Winterkleidung oder für vitaminreiche Nahrung einsetzt. Am Ende wollen Sie möglicherweise noch den Regelsatz von 351 c als Taschengeld etablieren.
In Ihrem Antrag fehlt – darauf wurde schon hingewiesen – ein Passus, der sicherstellt, dass die gezahlten Gelder auch ebenso gezielt eingesetzt werden. Aber darum geht
es Ihnen vielleicht auch gar nicht, sondern um die Erhöhung der Hartz-IV-Pauschale durch die Hintertür.
In Ihrem Antrag bleibt völlig unklar, was Sie unter dem Begriff „Familie mit geringfügigem Einkommen“ verstehen.Gibt es eine Einkommensgrenze? Wer überwacht deren Einhaltung? Welche Behörde soll das leisten?
DIE LINKE fordert in ihrem Antrag, dass die Eltern bedürftiger Kinder sowie Eltern mit geringfügigem Einkommen auf Antrag folgende einmalige Beihilfe erhalten sollen: eine einmalige Grundausstattung für Schulanfänger von 120 c, für sozial bedürftige Kinder zu Beginn eines Schuljahres einen Zuschuss für Lernmaterialien in Höhe von 90 c.
Da stellt sich doch eine weitere entscheidende Frage:Wer soll das bezahlen?
Zugegeben, die Frage der Finanzierbarkeit und die Kriterien der Haushaltsführung, die eigentlich für solche außerplanmäßigen Vorhaben – Sie haben selbst gesagt: zwischen 9 und 10 Millionen c – einen Deckungsvorschlag erwarten ließen, haben Sie noch nie interessiert. Wenn schon die Presse findet, dass die schöne neue Welt der LINKEN weder machbar noch bezahlbar ist, dann ist das auf den Punkt gebracht.
Meine Damen und Herren, immer, wenn DIE LINKE nach dem Staat ruft, darf der Steuerzahler sicher sein, gerupft zu werden. Aber – und jetzt an die Adresse der Linkspartei – sogar Raoul Castro hat im Juli in Havanna verkündet, wie in der „FAZ“ zu lesen war, es kämen harte Zeiten auf das Land Kuba zu, und man könne nicht mehr ausgeben, als man habe.
Immer daran denken: In diesem Punkt können Sie von Kuba lernen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU ist durchaus der Auffassung, dass eine Berichterstattung über soziale Kennziffern sinnvoll ist. Deshalb unterstützen wir die Sozialberichterstattung, die die Landesregierung auf den Weg gebracht hat. Bekanntlich wird derzeit auch mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege eine solche Berichterstattung erarbeitet.Daher stehen wir einem Armuts- und Reichtumsbericht nicht prinzipiell ablehnend gegenüber.
Nach unserer Auffassung sind aber drei Aspekte strittig, und zwar drei wesentliche Aspekte. Erstens. Brauchen wir für das Vorhaben tatsächlich ein Gesetzgebungsverfahren? Zweitens. Welcher Aufwand ist für eine solche Untersuchung angemessen und vertretbar? Drittens. Wie beurteilen wir den zusätzlichen Erkenntnisgewinn einer solchen Berichterstattung für das politische Handeln?
Werte Kolleginnen und Kollegen, der Spruch ist hier sicher schon des Öfteren gefallen:Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen. – Das gilt auch für diesen Gesetzentwurf. Wenn das Parlament mit Mehrheit einen Beschluss zur Erstellung eines solchen Berichtes fasst, wird die Landesregierung auch entsprechend handeln.
Wir sollten deswegen unnötige Bürokratisierung vermeiden. In den Ländern, in denen es bereits eine solche Be
richterstattung gibt, erfolgt dies auch auf der Grundlage eines Landtagsbeschlusses und nicht aufgrund eines Gesetzes.
Was ist denn Armut eigentlich? Hält man sich an den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung – wir hatten es schon gehört –, so ist jeder Haushalt von Einkommensarmut bedroht, dessen Einkommen weniger als 60 % des durchschnittlichen Haushaltseinkommens beträgt. Das sagt über Armut im Land noch nicht viel aus, wohl aber über das Maß der Einkommensungleichheit.
Wenn wir uns über das Ziel, zukünftig einen Armuts- und Reichtumsbericht zu erstellen, einigen, dann müssen wir uns darüber verständigen, mit welchen Mitteln bzw. mit welchem Aufwand wir dieses Ziel erreichen wollen. Wir bezweifeln, dass die im Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN angegebenen Kosten bei dem geforderten Erhebungsaufwand realistisch sind. Bei einigen Daten, die in Hessen jetzt schon zur Verfügung stehen, wird, wenn die im Gesetzentwurf geforderten Inhalte tatsächlich aussagekräftig bearbeitet werden sollen, zur Erstellung dieses Berichts auch wissenschaftliche Unterstützung notwendig, die bekanntlich Geld kostet.
Andere Bundesländer haben über die tatsächlichen Kosten einer solchen Erhebung bereits Erfahrung gemacht. Deshalb sollten wir hier reinen Wein einschenken und sagen, dass eine solche Untersuchung vermutlich weit mehr als die im Gesetzentwurf prognostizierten Kosten von 150.000 c verursachen wird. In Nordrhein-Westfalen kostet eine solche Berichterstattung gut das Doppelte. Es muss erlaubt sein, festzustellen, mit diesem Geld aus dem Sozialhaushalt kann man wichtige Projekte zur Bekämpfung der Armut unterstützen.
Zur Frage der Kosten gehört nach unserer Auffassung auch die im Gesetzentwurf geforderte Rhythmisierung. Wie auch in anderen Bundesländern praktiziert, empfiehlt es sich, einen Armuts- und Reichtumsbericht alle fünf Jahre zu veröffentlichen. Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, der Bund hat bereits einen Armuts- und Reichtumsbericht erstellt.
Diese Ergebnisse können selbstverständlich auch für Hessen genutzt werden. Die Ursachen für Armut sind doch keine unbekannten Größen,die es neu zu erforschen gilt. Insofern gibt es auch keinen Blindflug.Wir werden in einem solchen Bericht alle die Benachteiligten,die uns am Herzen liegen, wiederfinden können. Bei den einen handelt es sich um die kinderreichen Familien, bei den anderen um die Alleinerziehenden, die Rentner, die Migranten, die geringfügig Beschäftigten und die gering Qualifizierten.Alle werden in einem solchen Armutsbericht auftauchen. Da frage ich Sie: und dann? Wir werden erfahren,dass es in Offenbach mehr Arme gibt als in Bad Homburg.Wo ist hier der nachhaltige Erkenntnisgewinn?
Meine Damen und Herren, wir können jetzt schon ablesen, das wissen auch alle, dass hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere hohe Langzeitarbeitslosigkeit, und Geringqualifizierung Jugendlicher dazu führen, dass Armut ansteigt.
Das ist in Hessen doch nicht anders als in anderen Bundesländern. Dafür bedarf es keines eigenen Berichts, sondern der Vernetzung von Beratungsangeboten, die wir in Hessen mit der Kommunalisierung von Angeboten sicherstellen.
Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt, um Beratung effektiv einzusetzen.Vor allem müssen aber wieder Möglichkeiten geschaffen werden, mehr Arbeitsplätze in Hessen und in Deutschland zu schaffen. Damit kann dem Armutsrisiko vorgebeugt werden. Dann kann es auch gelingen, dass Kinder kein Armutsrisiko mehr sind. Das ist der Fall, wenn deren Eltern Arbeitsplätze haben und von dem Einkommen, das sie damit erzielen, auch leben können. Die Steuerlast für Familien ist nach wie vor viel zu hoch.
Die Freistellungsbeträge für Kinder sind nach wie vor viel zu niedrig. Zunächst wird den Menschen das genommen, was sie eigentlich für ihren Lebensunterhalt brauchen. Danach bekommen sie nur einen kleinen Teil wieder zurück. Hier wird wieder deutlich, wie wichtig es ist, das Thema Arbeitsplätze in den Mittelpunkt zu stellen. Der Armutsbericht des Bundes weist gerade aus, dass junge Familien sehr stark davon betroffen sind.Noch viel größer ist die Gefahr, von Armut betroffen zu sein, bei Alleinerziehenden. Hier kommen die verschiedenen Risiken zusammen: keinen Arbeitsplatz zu haben, den Unterhalt nicht finanzieren zu können. Das ist das eigentliche Armutsrisiko, wenn die Eltern keine Chance haben, auf eigenen Füßen zu stehen. Das sind die eigentlichen Punkte, die angegangen werden müssen. Diese sind auch ohne einen eigenen hessischen Armutsbericht längst bekannt. Wir brauchen keinen Armutsbericht, sondern eine Politik gegen Armut.
Zusammenfassend ist für die CDU-Fraktion festzustellen, dass wir einen Armuts- und Reichtumsbericht nicht prinzipiell ablehnen. Der Aufwand sollte allerdings in vertretbaren Grenzen bleiben.Wir sind der Auffassung, dass wir für dieses Vorhaben kein eigenes Gesetz brauchen. Wir sind auch der Überzeugung, dass die Erkenntnisse eines solchen Berichts keine neuen Offenbarungen beinhalten werden. Entscheidend ist und bleibt, dass wir in der hessischen Politik auch in Zukunft auf bessere Bildung, auf Wachstum und auf die Schaffung von Arbeitsplätzen setzen.
Man kann einen solchen Bericht für sinnvoll halten, wenn er sich nicht in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Sozialwissenschaftler erschöpft. Man darf nicht vergessen, dass es letztlich nur um relative Armut geht. Eine Armut, die sich schon durch ihre Definition nicht beseitigen lässt,da sie sich an den Durchschnittswerten einer reichen Gesellschaft bemisst, lässt sich nicht abschaffen.
Mit weniger als 60 % des durchschnittlichen Haushaltseinkommens – hier liegt die Messlatte des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung – werden in einer freien Gesellschaft immer Menschen zurechtkommen müssen.Im Kommunismus ist das freilich anders.Da dürf
ten alle gleich arm sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.