Heike Habermann

Sitzungen

17/2 17/3 17/6 17/7 17/8 17/9 17/10 17/14 17/18

Letzte Beiträge

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Cárdenas, mehr Investitionen in Bildung und eine solide Haushaltspolitik schließen einander nicht aus.
Deswegen werden wir als Sozialdemokraten zunächst dafür sorgen müssen, dass wir im Haushalt die Bedingungen dafür schaffen, die Bildungspolitik in Hessen zu verbessern. Das, was Sie hier ansprechen und wofür wir in Teilen viel Verständnis haben, ist schrittweise umsetzbar. Es ist realistisch und kann diesem Haushalt zugemutet werden.
Meine Damen und Herren,kleine Klassen allein sind kein Garant für besseren Unterricht. Aber zu große Klassen verhindern guten Unterricht sowie die individuelle Förderung von Kindern. Ich glaube, darin sind wir uns in diesem Hause einig. Zu große Klassen sind in der Tat ein Relikt der CDU-Bildungspolitik der vergangenen Jahre.
In dem Maße, wie die Realität der Lehrerversorgung nicht mehr mit der versprochenen Unterrichtsgarantie Schritt halten konnte, sind in Hessen die Klassen immer größer geworden.
Die Verordnung über die Anzahl und Größe von Klassen des Jahres 1992 – diese stammt noch aus rot-grüner Regierungszeit, damit dies kein Debattenredner mehr sagen muss – sollte mit der Möglichkeit, die Klassenhöchstgrenze um drei Kinder zu erhöhen, eine Ausnahmeregelung schaffen. Heute ist diese Ausnahme in Hessen zur Regel geworden.Durch die Richtwerteregelung im Schulgesetz, die glücklicherweise inzwischen der schulpolitischen Vergangenheit angehört, wurden für Schulstandorte Klassenzusammenlegungen und das Ausschöpfen von Höchstzahlen pro Klasse sogar überlebensnotwendig.
Die immer größer werdende Kluft zwischen Anspruch und Realität der Unterrichtsversorgung wurde durch immer neue Berechnungsformeln bei der Lehrerzuweisung scheinbar aufgehoben. Aber was sich durch die Rechen
kunststücke nicht hat vermeiden lassen, war der Anstieg der durchschnittlichen Klassengrößen.
Meine Damen und Herren, in allen Schulformen ist inzwischen die Überschreitung der Höchstklassenregel ein Normalzustand geworden.Hessen ist im Bildungsmonitor 2008 mit der Grundschule und einem Durchschnitt von 22,4 Kindern pro Lerngruppe inzwischen auf dem letzten Platz der Bundesländer angelangt.
Durchschnittswerte allein sagen jedoch wenig über die tatsächliche Situation an den Grundschulen und weiterführenden Schulen in Hessen aus. Es gibt weiterhin kleine Klassen, in welchen das Arbeiten Spaß macht, Lehrkräfte auf die einzelnen Kinder eingehen und sie fördern können. Es gibt sie insbesondere in Regionen Hessens, in welchen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung früher zum Tragen gekommen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,umso schlechter sind die Lern- und Lehrbedingungen in den Ballungsgebieten und Großstädten. Gerade dort, wo viele Kinder mit schlechteren Startbedingungen in die Schule kommen, resignieren Lehrkräfte vor Lerngruppen,deren Größe keine differenzierte pädagogische Arbeit mehr zulässt – gerade bei Kindern mit hohem Förderbedarf in der sprachlichen und sozialen Entwicklung sowie Kindern, die zu Hause nicht die notwendige Unterstützung finden. Gerade dort ist es besonders notwendig, durch die Zuteilung der Lehrkräfte dafür zu sorgen, dass in kleineren Lerngruppen schlechtere Bildungs- und Startchancen aufgefangen werden können. Deshalb will die SPD, dass die Regelung zur Überschreitung der Klassenhöchstgrenze um drei Schüler aufgehoben wird.
Frau Cárdenas, dies soll nicht mit einem Federstrich in einer Verordnung geschehen, sondern in wohl überlegten Schritten, die wir in unseren Haushaltsberatungen beschließen müssen. Wir wollen das System der Lehrerzuweisung auf eine Orientierung an den tatsächlichen Schülerzahlen sowie auf Indikatoren umstellen, die geeignet sind, die Lernausgangslage von Kindern anhand von Kriterien, wie Migrationshintergrund, soziale Situation der Eltern oder Arbeitslosenquote, einzubeziehen.
Herr Kultusminister, gestatten Sie mir folgende Anmerkung: Um dies zu erreichen, ist es unseres Erachtens wenig hilfreich,wenn das Kultusministerium sozial indizierte Zuweisungsfaktoren ausgerechnet im Hochtaunuskreis erprobt.
Der Antrag der LINKEN ist heute nicht hilfreich, da es darum geht, die Schritte hin zu kleineren Klassen und einer gerechteren Lehrerversorgung festzulegen. Die SPD will die Regelung des Klassengrößenerlasses revidieren. Dazu werden wir den Schulen eine realistische und finanzierbare Perspektive vorlegen. Es genügt nicht, sich in ein Wolkenkuckucksheim zu begeben sowie schlicht zwei Absätze aus einer Verordnung zu streichen.
Damit sind weder zusätzliche Lehrerstellen finanziert noch im Anschluss mit Fachkräften besetzt. Den Schulen ist mit einer realistischen Perspektive für die Verbesserung der Unterrichtssituation und ihrer schrittweisen Umsetzung mehr geholfen, als mit Versprechen, die Sie heute nur deshalb machen, weil Sie sich nicht die Mühe gemacht haben – das muss ich an dieser Stelle sagen –, über ihre Umsetzbarkeit nachzudenken.
Meine Damen und Herren, wir brauchen in Hessen zusätzliche Lehrerstellen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass aus dem Anspruch – „Kein Kind wird zurückgelassen“ – Realität wird.Ich war sehr dankbar dafür, dass Frau Cárdenas aus unserem bemerkenswerten und noch immer gültigen Programm derart ausführlich zitiert hat.
Die SPD steht zu diesem Programm und diesen Versprechen. Wir werden diese Ziele aber nicht mit einem einzigen Schritt erreichen können. Sie haben schon drauf hingewiesen, dass wir in der vergangenen Woche bei einer Podiumsdiskussion der GEW zur Grundschulsituation in Frankfurt waren. Wir waren alle dort, alle bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen,bis auf Herrn Irmer,der in Frankfurt keinen Parkplatz fand und die Podiumsdiskussion leider nicht besuchen konnte.
Dort haben wir von den Grundschullehrkräften geschildert bekommen, dass in den Jahren der CDU-Regierung 1.000 Lehrerstellen durch veränderte Zuweisungsfaktoren verschwunden sind. Die Zuweisungen für die Differenzierungsstunden wurden sukzessive abgeschmolzen. Hessen ist damit auf dem Weg, die guten Leistungen der Grundschule zu gefährden und damit das Fundament für gleiche Bildungschancen weiter auszuhöhlen.
Meine Damen und Herren, deshalb besteht hier akuter Handlungsbedarf. Seit gestern wissen wir, dass allein die Reduzierung der Klassengröße im Grundschulbereich auf 25 Kinder rund 455 Stellen erfordert. Dazu kommen weitere 475 Stellen für die aus unserer Sicht notwendigen und gut eingesetzten Differenzierungsstunden. Um darüber hinaus in einem Zug die von Ihnen gewünschte Reduzierung der Klassengröße um 20 % in allen Schulformen umzusetzen, brauchen wir ad hoc mehrere Tausend neue Lehrer. Das wurde von Ihnen gerade mit 400 Millionen c per anno quantifiziert.
Frau Cárdenas, Sie können mir im Ausschuss gern eine Antwort auf die Frage geben, wie Sie dies im nächsten Haushaltsjahr komplett finanzieren und diese Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt dann auch finden wollen.
Denn das dürfte in Anbetracht der Situation im Moment schwierig sein.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Kleinere Klassen und ein gerechteres Zuweisungssystem sind unser Ziel.Dies muss schrittweise mit einem realistischen Finanzierungskonzept umgesetzt werden. Darüber werden wir mit Ihnen gerne eine Einigung herbeiführen.– Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Irmer, dass Sie nicht rechnen können, haben wir in den letzten Jahren immer wieder dann gemerkt, wenn Sie davon gesprochen haben, dass die Unterrichtsgarantie in Hessen erfüllt ist.
Insofern hätten Sie sich heute die Zahlen, die Sie angeblich unserem Programm entnommen haben, auch schenken können.
Ich will Ihnen lieber noch ein paar andere Zahlen vorhalten. Es wäre nett gewesen, wenn Sie letzte Woche nicht den Weg nach Hause in den Lahn-Dill-Kreis angetreten hätten, sondern wenn Sie den Grundschullehrern in Hessen einmal zugehört hätten, was sie über die Situation in den hessischen Grundschulen zu berichten haben.
500 von ihnen haben einen Brief an den Kultusminister geschrieben,in dem sie darauf hinweisen,dass die Klassen zu groß sind.Das trifft nicht nur auf wenige Einzelfälle zu, sondern das trifft zumindest auf alle Ballungsgebiete und Großstädte zu. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Zuweisung der Differenzierungsstunden, die laut Stundentafel zwei pro Klasse betragen soll, inzwischen bei 0,7 angekommen ist. Das heißt, dass hier entgegen der Verordnung in den letzten Jahren Lehrerzuweisung abgebaut worden ist. Dieser Kultusminister hat den Brief bis heute noch nicht einmal beantwortet. Deswegen haben wir uns die Mühe gemacht – und das haben wir gerne gemacht –, über diese Situation in Hessen mit den Grundschullehrkräften zu diskutieren.
Was das betrifft,was Sie über unsere Wahlversprechen gesagt haben, ist die Zeit zu kurz, Herr Irmer, um all diesen Unsinn auseinanderzuklamüsern, den Sie eben vorgerechnet haben.Aber zur Unterrichtsgarantie plus sage ich Ihnen klipp und klar: Das, was wir in das Gesetz geschrieben haben, bedeutet, dass es keinen Unterricht ohne Lehrkräfte mehr gibt, und wir warten sehnlichst darauf, dass die entsprechende Verordnung und die Ausführungsbestimmungen für die Schulen kommen,
die bis heute nicht wissen, was ihnen an Möglichkeiten – –
Wenn ich noch diesen Satz zu Ende bringen dürfte, bin ich auch schon am Schluss.
Sie wissen bis heute nicht, was ihnen an Möglichkeiten durch diese Gesetzesänderung zukommen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich am Anfang zwei Sätze zu den Reden von Herrn Weinmeister und Frau Henzler sagen. Ich hatte erwartet, dass wir uns heute auf die fachliche Debatte über die Situation der Schulen in freier Trägerschaft konzentrieren, und bin etwas enttäuscht, dass auch Sie beide gerade der Versuchung erlegen sind,dieses Thema zu nutzen,um hier Panikstimmung zu erzeugen
und Bilder zu stellen, die nicht der Realität entsprechen.
Herr Weinmeister hat dankenswerterweise Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes zitiert. Deswegen wissen alle, die im Raume sind, dass es unredlich ist, zu behaupten, die Privatschulen, wie es in Frau Henzlers Presseerklärung steht, dürften „nicht einem rot-grün-roten Experiment geopfert werden“.
Ich glaube, wir sollten jetzt ganz schnell auf den Gegenstand der Debatte zurückkommen. Ich werde das jetzt auch tun.
Meine Damen und Herren, zum 01.01.2007 hat der Hessische Landtag das Gesetz zur Förderung von Schulen in freier Trägerschaft novelliert.
Frau Henzler, vielleicht ist es die FDP gewohnt gewesen, dass sie in Verhandlungen als kleinste Partei obsiegt. Das ist nicht unsere Erfahrung. Ich kann Sie außerdem darauf hinweisen, dass Sie sehr wohl auch einen Antrag – –
Frau Henzler, könnten Sie mir jetzt einmal zuhören? Sie wollten eine Antwort haben. Sie hätten vorhin auch aus einem Antrag der SPD-Fraktion aus dem Jahre 2004 zitieren können. Sie hätten den Antrag der GRÜNEN aus dem Jahre 2006 nicht gebraucht. Hier steht klipp und klar, um was es geht. Deswegen können Sie sich darauf verlassen, dass das die Position der SPD ist und bleibt.
Kommen wir zurück zum Gegenstand der Debatte. Der Novellierung des Gesetzes war in der Anhörung eine intensive Diskussion darüber vorausgegangen, dass die vorgelegte Novellierung nur einen vorläufigen Charakter haben könne, da der Anspruch, eine transparente Berechnungsgrundlage zur Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft zu entwickeln, wegen noch nicht zur Verfügung stehender Zahlengrundlagen nicht eingelöst werden konnte. Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hatte damals den Antrag gestellt, das Gesetz auf Ende 2007 zu befristen, um zu erreichen, dass die Landesregierung die Vorlage der vielfach angekündigten Zahlengrundlagen nicht unnötig verschleppt. Dieser Antrag wurde von CDU und FDP zwar abgelehnt, aber Kultusministerin Wolff äußerte in der Plenarsitzung vom 23.11.2006 die Überzeugung – ich zitiere –, „dass dieses Gesetz mit Blick auf die grundsätzlichen Berechnungsparameter nur eine überschaubare Gültigkeitsdauer haben wird“.
Meine Damen und Herren, wir wissen inzwischen, welche Gültigkeitsdauer die Vorgaben von Frau Wolff beim geschäftsführenden Kultusminister haben.Aber gerade deshalb ist es völlig unbefriedigend, wenn sich knapp zwei Jahre später feststellen lässt: Geschehen ist bis heute nichts.
Die damalige Kultusministerin hat das Jahr 2007 untätig verstreichen lassen. Der geschäftsführende Kultusminister hat sich in seinem Tempo an seiner Amtsvorgängerin orientiert. Offensichtlich hat die Baustelle G 8 auch die kompletten Kräfte im Kultusministerium in Anspruch genommen, sodass nicht nur bei der Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft politischer Stillstand eingetreten ist.
Die notwendige Auswertung der SAP-Daten zur Erfassung der Schülersachkosten wurde mehrmals für den Sommer 2007 angekündigt. Die ausweichende Antwort auf eine Kleine Anfrage,die ich im Juni 2008 gestellt habe, ist allerdings ebenso ernüchternd wie unbefriedigend. Ich zitiere aus der Antwort des Kultusministeriums:
Bei der letzten Novellierung des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes im Jahre 2006 wurde angekündigt, das Berechnungsmodell zur Ermittlung der Personalausgaben pro Schulform grundlegend zu verändern. Die dafür notwendigen Berechnungen werden noch in diesem Jahr durchgeführt.
Also, man merke: inzwischen 2008, nicht mehr 2007.
Nach der Auswertung kann über eine grundlegende Überarbeitung des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes beraten werden.
Ich stelle fest, dass die Schulen in freier Trägerschaft mit dem Hinweis auf noch nicht erstellte Berechnungsgrundlagen hingehalten wurden. Zahlen, die für den Sommer 2007 angekündigt wurden, liegen offensichtlich bis heute nicht vor.
Meine Damen und Herren, Herr Kultusminister, ich bestreite nicht, dass es ein Kraftakt ist, ein offensichtlich in den Grundlagen völlig unzureichendes Gesetz unter Einbeziehung der Träger und ihrer Interessen zu einem zukunftsfähigen Instrument umzugestalten. Ich kritisiere aber, dass diese Landesregierung in den vergangenen zwei Jahren offensichtlich nicht den Willen dazu hatte, voranzukommen. Auch ohne eine fertige neue Finanzierungsgrundlage wäre es möglich gewesen, dem Wunsch der Schulen in freier Trägerschaft zu entsprechen und eine Kommission einzurichten, die sich mit den vielfältigen Problemstellungen auseinandersetzt, die neben der Berechnungsgrundlage in einem neuen Gesetzentwurf gelöst werden müssten. In einer solchen Kommission könnten z. B. die Grundlagen für die Erfassung der Schulkosten der kommunalen Schulträger, Wartefristen für Neugründungen sowie Berechnungsintervalle zur Feststellung der Zuschüsse frühzeitig bearbeitet und dafür eine Position erarbeitet werden.
Dieser Wunsch auf Einrichtung einer Expertenkommission wurde von den Trägern mehrfach an die Landesregierung herangetragen. Frau Henzler hat vorhin die Presseerklärung von Herrn Handwerk zitiert. Dieser Wunsch wurde immer ausweichend beantwortet. Es wäre aus unserer Sicht ein guter Schritt, wenn die Schulen in freier Trägerschaft, die Kommunalen Spitzenverbände und das Land versuchen, für die unterschiedlichen Interessenlagen einen gemeinsamen Weg zu finden.
In der Antwort auf meine Kleine Anfrage steht dazu der lapidare Satz: „Eine Entscheidung, ob, wann und wie eine Arbeitsgruppe institutionalisiert werden sollte, ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.“ – Ich erinnere daran, dass andere Bundesländer diesen Weg längst beschritten haben.Wir können am Beispiel Hamburg sehen, dass es auf diese Art und Weise gelungen ist,in Übereinstimmung mit den freien Trägern eine Grundlage für ein Gesetz zu schaffen und Einigkeit darüber zu erzielen, wie finanziert wird. Das würde Hessen auch gut anstehen.
Frau Henzler,deswegen können wir auch das Anliegen im Antrag der FDP-Fraktion nachvollziehen, eine Anhörung durchzuführen. Das heißt gleichzeitig – darauf möchte ich noch einmal hinweisen –, dass das Parlament sich anschickt, an den Hausaufgaben zu arbeiten, die die Regierung bisher verweigert hat.
Zum Antrag der CDU-Fraktion. Sie loben in immer wieder gleichen Worten das Engagement und den Beitrag der Schulen in freier Trägerschaft für Qualität und Vielfalt im Bildungssystem.
Ich bin sicher, es wäre bei den Trägern noch besser angekommen, wenn dem Lob auch konkrete Handlungsanweisungen an die Regierung gefolgt wären.
Ihr Lob beschränkt sich dabei auf allgemeine Würdigungen, sonst müssten Sie auch viele Dinge loben, die in Ihrer eigenen Schulpolitik keinen Platz gefunden haben. Dabei handelt es sich beispielsweise um Lernen ohne Sitzenbleiben, Leistung ohne Noten, Differenzierung ohne Schulformen – das sind Anstöße, die auch die Qualität unseres staatlichen Schulsystems erhöhen könnten –, frühes Erlernen von Fremdsprachen und bilingualen Unterricht.
Das sind erfolgreiche Konzepte. Die Verzahnung von allgemeiner und beruflicher Bildung gehört ebenfalls zur Vielfalt dieser Angebote,während sie an staatlichen Schulen leider immer noch Ausnahmen sind.
Förderschulen für unterschiedlichste Behinderungen und Beeinträchtigungen garantieren den Eltern eine ganzheitliche Förderung mit integrativen Konzepten, die die Entwicklung und bestmögliche Förderung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellen, und das in Ganztagsschulen oder im Internatsbetrieb. Sie sind weit mehr als private Schulen. Herr Weinmeister, ich gebe Ihnen recht, sie erfüllen subsidiär originäre Aufgaben des staatlichen Schulsystems. Immerhin werden fast 15 % der Förderschülerinnen und Förderschüler in diesem Land in Schulen in freier Trägerschaft unterrichtet. Gerade in diesem Bereich führt das völlig veraltete unzureichende Finanzierungsgesetz zu großen Belastungen für die Träger.
Dies sind Impulse und Leistungen, von denen unser Schulsystem lernen kann. Deswegen setzt sich die hessische SPD für einen kontinuierlichen Dialog mit den Schulen in freier Trägerschaft und für ein gerechtes und faires Finanzierungssystem ein. Wir stehen als Sozialdemokraten aus Überzeugung zu einem staatlich verantworteten Bildungssystem. Wir wissen gleichzeitig, dass es viele Ansätze in den Schulen in freier Trägerschaft gibt, bei denen es sich lohnt, sie zu unterstützen.
Es sind nicht nur konfessionelle oder weltanschauliche Überzeugungen, die Eltern dazu bewegen, ihre Kinder in einer Privatschule anzumelden. Es sind vielfach die hervorragenden pädagogischen Angebote und Konzepte, die sie an staatlichen Schulen leider immer noch nicht finden.
Hier gilt es, diese Ansätze zu fördern und gleichzeitig von ihnen zu profitieren, um Schule in Hessen insgesamt zu verbessern. Eine Anhörung des Landtags kann dazu dienen, den Austausch über Anliegen und Angebote der Schulen in freier Trägerschaft zu intensivieren. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen,dass die Landesregierung diese Aufgabe in den vergangenen Jahren vernachlässigt hat. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen uns Kollegen! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass es bei diesem Antrag nicht allein um die Sache gemäß dem Antragstenor geht, dann haben die Rede von Herrn Irmer und der Beifall der CDU-Fraktion uns dieses gezeigt.
Lassen Sie mich deshalb zur Sache zurückkommen,zu der Herr Irmer erschreckend wenig beigetragen hat. Die Beschäftigung mit allen Perioden der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert und damit auch der Entwicklung in beiden deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg und dem totalitären Regime in der DDR ist für junge Menschen immens wichtig. Ich denke, darüber sind wir uns alle in diesem Hause einig. Sie muss anhand der historischen Entwicklung den jungen Menschen Maßstäbe für die Beurteilung von Demokratie und Diktatur an die Hand geben, sie für die Bedeutung von Menschen- und Bürgerrechten sensibilisieren. Schülerinnen und Schüler sollen die Auswirkungen staatlicher Unterdrückung er
kennen lernen und erfahren, wie sie sich auf Menschen, ihr Verhalten und ihre Lebensführung auswirkt.
Junge Menschen sollen ein Engagement entwickeln, sich für Menschenrechte, gleiche Chancen und Freiheit einzusetzen. Es ist auch Aufgabe von Schule und Unterricht, hierzu Informationen zu liefern und zu Diskussionen anzuregen, denn nur die Auseinandersetzung und die kritische Würdigung von Informationen können unsere Demokratie stärken und demokratisch bewusste Bürger hervorbringen. Das ist der einzige Punkt, wo ich mit den Ausführungen in der Rede des Kollegen Greilich übereinstimme.
Es ist erschreckend, dass Studien immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass das Wissen von Schülerinnen und Schülern über die Diktatur in der DDR, über die sie tragende SED und die Blockparteien völlig unzureichend ist.
Das ist übrigens genauso erschreckend wie die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen, die die Kenntnisse von Schülerinnen und Schülern über die deutsche Geschichte bis 1945 zum Gegenstand haben.
Es ist auch richtig, dass sich die Politiker damit auseinandersetzen und nach Lösungsansätzen suchen müssen. Dass es dabei allerdings ausreichend und erfolgreich ist, die Landesregierung mit der Ausarbeitung einer Handreichung zu beauftragen, ist zu bezweifeln. Es gibt eine Fülle von Materialien, Filmen, Projekten und Handreichungen, die das Leben in der DDR und die massiven Eingriffe des Regimes in die Freiheit und die körperliche Unversehrtheit der Menschen dokumentieren und pädagogisch aufarbeiten.
Ich kann der Landesregierung nur empfehlen, einen Blick auf das brandenburgische Bildungsportal zu werfen, wo ein neues Projekt angeboten wird. Das ist ein Bildungsportal zur DDR-Geschichte, in dem die Schülerinnen und Schüler eigenständig weiterforschen, Geschichte medial aufarbeiten und sich beteiligen können. Ich könnte mir vorstellen, dass wäre eine gute Ergänzung zu dem Material, das bereits vorliegt.
Natürlich gibt es in jeder Schule Lehrkräfte, die diese Materialien im Geschichtsunterricht einsetzen, um ihren Schülerinnen und Schülern die Grundlagen für eine Einordnung der DDR und ihres Staatssystems zu vermitteln. Wir schließen uns deshalb ausdrücklich dem Dank an die Lehrkräfte an, der im Änderungsantrag der GRÜNEN zum Ausdruck gebracht wird.
Ihr Antrag dagegen suggeriert – auch der Beitrag von Herrn Greilich hat das vorhin wieder deutlich gemacht –, eine der Ursachen für das fehlende Geschichtsbewusstsein liege in Versäumnissen der Lehrkräfte. Herr Greilich hat in seiner Rede das wiederholt, was er in seiner Presseerklärung vom 28.07 geschrieben hat. Er hat in dieser Presseerklärung ausgeführt:
Ich habe leider die Kenntnis, dass der eine oder andere Lehrer, insbesondere aus der sogenannten 68er-Generation, die Aufarbeitung dieses Teils der deutschen Geschichte aus ideologischen Gründen schlicht verweigert.
Herr Greilich, dies ist eine üble Unterstellung, eine Verunglimpfung der hessischen Lehrer, und es ist der Problematik völlig unangemessen.
Auch Herr Wagner hat in den Protokollen gestöbert und festgestellt, dass wir am 23.08.07 einen fast gleichlautenden Antrag der CDU im Kulturpolitischen Ausschuss in abschließender Beratung verabschiedet haben, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, ein Konzept zur Aufarbeitung der DDR/SED-Diktatur zu erstellen.
Passiert ist bis heute nichts. Obwohl die antragstellende Fraktion, einschließlich der damals noch amtierenden Kultusministerin, die Bedeutung genauso hervorhob wie jetzt, hat die Landesregierung bis heute kein Konzept entwickelt. Sie hat bis heute nichts vorgelegt.Welche Bedeutung haben Sie damals Ihrem Antrag zugemessen, wenn Ihre eigene Landesregierung offensichtlich nichts getan hat, um ihren Arbeitsauftrag zu erfüllen?
Ich will noch einen Antrag erwähnen, der in derselben Ausschusssitzung, nämlich am 23.August 2007, behandelt wurde. Der Ausschuss hat einstimmig dem Antrag zugestimmt, ein Konzept dafür vorzulegen, wie es den Kindern an hessischen Grundschulen ermöglicht werden kann, ein Instrument zu erlernen. Das sollte in Zusammenarbeit mit den Grundschulen erfolgen.
Dieser Beschluss wurde inzwischen umgesetzt. Hier ist etwas passiert. Zum Schuljahresanfang wurde das Projekt JeKi – jedem Kind ein Instrument – an 70 Grundschulen mit 1,5 Millionen c gestartet. Dem Beschluss für ein Konzept zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat die Landesregierung dagegen bis heute nicht Rechnung getragen.
Die SPD-Fraktion lehnte in der damaligen Ausschusssitzung den Antrag der CDU ab. Sie lehnte ihn gemeinsam mit der FDP, vertreten durch die Kollegin Henzler, ab. Ich halte es nicht für notwendig, das Zitat noch einmal zu bringen. Aber, Frau Henzler, ich muss Ihnen sagen, Ihre Argumentation war schlüssig. Sie haben darauf hingewiesen, die Lehrpläne hätten dafür zu sorgen, dass dieses Thema angeboten wird. Sie haben darauf hingewiesen, dass Schulen eigenverantwortlich über Schwerpunkte entscheiden sollen. Dabei darf die Wichtigkeit dieses Themas allerdings nicht aus dem Auge verloren werden. Wir konnten dieser Argumentation folgen und haben im Ausschuss teilweise in ähnlicher Weise argumentiert.
Wenn Sie heute sagen, die Situation war damals eine andere, weil wir G 8 hatten, frage ich Sie:Was ist denn heute anders? Wir haben immer noch G 8. Sind Sie der Auffassung, dass die Probleme damit gelöst sind?
Wenn Sie auf die Studie hinweisen, kann ich Ihnen nur sagen, es gab bereits im Jahr 2004 solche Studien. Es gibt an vielen Stellen Schülerbefragungen, die immer die gleichen Ergebnisse haben. Die Notwendigkeit, hier über Konsequenzen nachzudenken, ist nicht neu und hat sich nicht erst in diesem Jahr entwickelt. Deswegen halte ich diese Begründung nicht für schlüssig.
Also muss man fragen, was eigentlich in der Zwischenzeit passiert ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was ist passiert, dass Sie damals einen Antrag abgelehnt haben und heute als Antragsteller auftauchen und einen
solchen Antrag sogar zum Setzpunkt erklären? Was ist passiert, dass der Antrag zur Erstellung eines Konzepts damals an den Ausschuss überwiesen und im Plenum noch nicht einmal behandelt worden ist,während er heute mit einer Redezeit von 15 Minuten bedacht wird?
Ja, Herr Rentsch, aber es ist ganz gut, das zu wiederholen; denn offensichtlich haben Sie keine Antwort darauf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von der CDU, ich habe auch noch einige Fragen zu dem Antragstext. Warum sollen die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED im Jahr 1946 und die sich anschließende unmenschliche Verfolgung von Sozialdemokraten im Fokus stehen, während die Alibifunktion insbesondere von CDU und LDPD für eine sogenannte pluralistische Demokratie in der DDR nicht aufgearbeitet werden soll?
Warum soll in dieser Handreichung ausschließlich die Kontinuität zwischen der SED und ihren Nachfolgeorganisationen thematisiert werden, während die Frage des Übergangs politischer Parteien im vereinigten Deutschland und die Vereinigung der ehemaligen Blockparteien LDPD, NDPD sowie der DPD und der Ost-CDU mit FDP und CDU nicht behandelt werden?
„Kein Problem“, sagen Sie. Aber wer in einem Auftrag an die Landesregierung so in die Details geht, muss sich die Frage gefallen lassen, warum hier bestimmte Aspekte ausgelassen werden.
Ich will Ihnen auch eine Antwort auf diese Frage liefern. Das wichtige Anliegen dieses Antrags, einen bewussten Umgang mit der deutsch-deutschen Geschichte zu fördern, soll dazu herhalten, eine ganz andere Botschaft zu transportieren. Sie wollen einmal mehr mit dem Finger auf die Abgeordneten ganz links im Plenarsaal zeigen, die Sie zu Schmuddelkindern abgestempelt haben.Das ist das Problem der LINKEN,und ich denke,diese können damit umgehen.
Aber Sie wollen diejenigen, die über eine Kooperation mit den LINKEN in diesem Land diskutieren,ebenfalls in diese Ecke drängen, wenn sie Ihre teilweise kruden Formulierungen nicht unwidersprochen teilen.
Aber es wird Ihnen nicht gelingen, dieses Bild zu stellen.
Zu groß ist die Diskrepanz zwischen den Anforderungen an den Geschichtsunterricht und den eigenen Versäumnissen während Ihrer Regierungsverantwortung.
Auf das Konzept haben wir schon mehrere Male hingewiesen.Wenn man sich aber die Mühe macht, in die Lehrpläne zu schauen, stellt man fest, dass ausgerechnet die Verkürzung der Mittelstufe des Gymnasiums dazu ge
führt hat, dass von den vorher zwölf Unterrichtseinheiten zur deutsch-deutschen Geschichte jetzt noch elf übrig sind.
Mit G 8 haben Sie auch die Zeit für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte einfach mitgekürzt.
Die Schülerinnen und Schüler der Hauptschule erfahren gemäß dem Plan überhaupt nichts über das DDR-Regime, es sei denn, sie besuchen das fakultative 10. Schuljahr. Denn in diesem Schuljahr wird das im Lehrplan der Hauptschule als Thema aufgeführt. In der Abschlussklasse 9 kommt es nicht vor.
Aber nicht nur der Lehrplan für Geschichte zeigt, wo die Überlegungen der Politik eigentlich einsetzen müssten. Meine Damen und Herren, auch der Stellenwert der politischen Bildung in der Schule wurde während Ihrer Regierungszeit eindeutig geschwächt und bedarf einer Aufwertung. Denn es geht nicht nur darum, die Fakten zu wissen und die Beurteilungsmaßstäbe dafür zu liefern. Es geht auch darum, die Schülerinnen und Schüler anzuregen, sich kritisch mit diesen Fakten auseinanderzusetzen. Dafür bietet der Politikunterricht eine gute Basis.
Meine Damen und Herren, die Diskussion, die Sie heute führen, fällt letztlich auf Sie selbst zurück. Deshalb ist der Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN nach Auffassung der Mitglieder unserer Fraktion eigentlich unnötig. Zumindest versucht er aber, einige tendenzielle Formulierungen zu entschärfen und zu objektivieren. Ich denke, er kann in der Ausschussberatung die Grundlage für einen Beschluss sein, der die Sache in den Vordergrund stellt und auf parteipolitische Wertungen verzichtet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Banzer,es darf nicht zu einem politisch verursachten Reformchaos kommen, stellen Sie in Ihrer Regierungserklärung fest. Ich stimme vollständig mit Ihnen überein, was diese Forderung betrifft.
Nur in einem Punkt würde ich sie verändern, und zwar im Tempus. Richtig ist, es durfte nicht zu einem politisch verursachten Reformchaos kommen. Genau das ist die Situation, mit der die Schulen in Hessen in den vergangenen neun Jahren konfrontiert wurden.
Es gibt immer noch zu viele Baustellen, und zu viele Sackgassen durchziehen die hessische Bildungslandschaft.Viel zu viele Vorhaben sind zwar verkündet und beschlossen, es gab aber niemals die dringend notwendige Unterstützung für die Schulen, um diese auch zu realisieren.
Geblieben ist eine Fülle von Verordnungen, Erlassen, Zielvereinbarungen, Datenverarbeitungssystemen, die Schulen an ihren zentralen Aufgaben mehr hindern als fördern. Geblieben ist ein Schulgesetz, das ungeeignet ist, den Anspruch auf ein gutes und zukunftsfähiges Schulsystem zu erfüllen.
Deshalb ist es richtig, dass überstürzte Initiativen der falsche Weg sind,um das Reformchaos der Vergangenheit zu beseitigen. Genauso richtig aber ist es, dass den Schulen das Signal gegeben werden muss, dass sich etwas ändert und dass sich etwas ändern muss. Nichts anderes tut die SPD-Fraktion mit den Initiativen, die wir in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht haben. Wir haben gestern eine erste Änderung des Schulgesetzes verabschiedet, und die Unterrichtsgarantie plus wurde abgeschafft.
Sie wurde ersetzt durch ein Konzept für eine verlässliche Schule, das die Schulen nicht mehr dazu zwingt, ausfallenden Fachunterricht durch Nichtlehrkräfte vertreten lassen zu müssen.
Wir haben beschlossen, dass die Querversetzung in Klasse 7 ganz wegfällt und in Klasse 5 und 6 nur noch ausnahmsweise zugelassen wird. Das Regelinstrument der Querversetzung ist damit in den hessischen Schulen nicht mehr existent.
Wir haben die Richtwerte zur Klassenbildung abgeschafft,die nicht nur Schulstandorte gefährdet haben,sondern dazu geführt haben, dass Klassenhöchstgrenzen an allen Stellen in diesem Land ausgereizt worden sind.
Dies sind kleine Schritte, aber sie zeigen, wohin für uns der Weg in der Bildungspolitik gehen muss. Schule braucht die Freiheit, die Ressourcen und die Verantwortlichkeit, die besten Chancen für alle Schülerinnen und Schüler zu bieten. Nicht die Schülerinnen und Schüler müssen sich der Schule anpassen, sondern Schule muss Lern- und Lehrbedingungen bieten können, die an das einzelne Kind, an seine Begabungen, an seine persönliche Entwicklung und auch an sein Lerntempo angepasst werden können.
Meine Damen und Herren, unser größtes bildungspolitisches Defizit in Hessen ist weiterhin, dass viel zu viele Kinder zurückgelassen werden, aussortiert werden und scheitern. Herr Banzer, daran ändert auch in Ihrer G-8lastigen Regierungserklärung nicht das erneute Beschwören der Hauptschulabschlussquote etwas. Es beantwortet nämlich nicht die Frage, wie viele dieser Hauptschüler auch nach erfolgreichem Abschluss keine Chance im Berufsleben haben.
Es beantwortet nicht die Frage, wie viele von ihnen ohne Friktionen und ohne Schulwechsel einen anderen Abschluss hätten erreichen können, wenn ihnen die Chance eines integrierten, auf individuelle Förderung setzenden Bildungsgangs geboten worden wäre. Denn längeres gemeinsames Lernen ist auch hier eine Antwort auf die Frage nach der Lösung dieser Probleme.
Es beantwortet auch nicht die Frage, warum die Zahl der Förderschüler, insbesondere in der Lern- und Erziehungshilfe, in den vergangenen Jahren massiv gestiegen ist.
Weil dies so ist und wir als Sozialdemokraten uns nicht damit abfinden, dass vorhandene Begabungen durch eine rückwärtsgewandte Bildungspolitik, die nicht die Kraft hat, aus den internationalen Vergleichsstudien die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, verschüttet werden, brauchen wir zunächst eine Orientierung an den kleinen Schritten.Wir brauchen den Willen, im Austausch mit Eltern, Lehrern und Schülern und unter Berücksichtigung ihrer Interessen als Land ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln.
Herr Kultusminister, ich erinnere daran, dass das gültige Schulgesetz auf den 31.12.2009 befristet ist. Wann, wenn nicht jetzt, sollte ein transparentes Verfahren in Gang gesetzt werden, das die Betroffenen mitnimmt? Ist der vor Veränderungen warnende Zeigefinger wirklich angebracht, wenn man weiß, dass eines sicherlich nicht zur Debatte stehen kann – die korrekturlose Verlängerung des bestehenden Schulgesetzes? Ebenso wie Sie in den Schulen das Bedürfnis nach Ruhe für die pädagogische Arbeit erkennen, erkenne ich auch die Angst vor Stillstand, die Angst,dass alles so bleibt,wie es ist.Denn das ist nicht das, was Schulen und Eltern in Hessen wünschen.
Diesen Widerspruch gilt es aufzulösen durch erkennbare Dialogbereitschaft, aber auch durch das Aufzeigen von Perspektiven und Entschlossenheit zum Handeln. Es genügt eben auf Dauer nicht, zu moderieren und zuzuhören; es muss auch erkennbar sein, dass das Land Bildungspolitik gestalten will, sonst geraten Maßnahmen in Gefahr, beliebig zu werden. Nicht alle Entscheidungen sind unter dem Hinweis auf mehr Eigenverantwortung den Schulen zu überlassen. Die Entscheidung zwischen G 8 und G 9 ist eine,die mit Eigenverantwortung von Schule nichts zu tun hat. Sie muss letztlich von den politisch Verantwortlichen einheitlich gelöst werden.
Die SDP-Fraktion hat gestern trotzdem dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt.Wir haben dies getan, weil wir den kooperativen Gesamtschulen, die zur sechsjährigen Mittelstufe zurückkehren wollen, diese Möglichkeit nicht verwehren wollten. Sie können damit als Gesamtschulen auch wieder verstärkt Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen herstellen. Eine Lösung mit Perspektive ist dies für uns jedoch nicht, sondern allenfalls ein Zwischenschritt.
Das Paket, das Sie uns heute zur Diskussion vorlegen, ist ein Paket, das viele Komponenten enthält, die die Schulen in ihrer Arbeit unterstützen können. Herr Kultusminister, ich erkenne ausdrücklich an, dass Sie in den vergangenen Monaten Eltern und Schulen in der Tat gut zugehört haben. Sie haben nicht versucht, die Verantwortung für die Folgen von G 8 mit neuen Erlassen auf die Schulen abzuschieben, sondern sich ernsthaft bemüht, G 8 erträglich zu gestalten. Ich will auf die Vorschläge im Einzelnen eingehen.
Wir haben in den letzten Monaten oft über Lehrpläne debattiert. Die SPD hat die bestehenden Lehrpläne, und zwar in allen Schulformen, immer als aufgeblasen und überfrachtet kritisiert. Wir haben darauf gedrängt, die Diskussion um die Bildungsstandards zu nutzen, um Kerncurricula zu entwickeln.
Ein Offenbacher Schulleiter hat die bestehenden Lehrpläne in der Presse so charakterisiert – ich habe dies schon an vielen Stellen gehört und teile diese Auffassung –: Es bringe nichts, immer mehr in die Köpfe der Kinder hineinzupressen. Ziel müsse vielmehr sein, die Schüler zu befähigen, sich Sachen selbst anzueignen. Es gehe darum, das Lernen zu lernen.
Ob ein bisschen Entschlackung dazu führt, dass die Schulen diesem Ziel näher kommen, halten wir weiterhin für fraglich.Als Übergangslösung bis zur Einführung der Bildungsstandards wird dies hoffentlich wenigstens dazu führen, dass der Druck auf die Kinder und Lehrkräfte etwas geringer wird.
Herr Kultusminister, wir haben uns gefreut, dass Sie unseren Vorschlag der Kontingentstundentafeln, wenn auch modifiziert, aufgegriffen haben. Die SPD-Fraktion hat dies bereits in ihrem Antrag an das Parlament als Sofortmaßnahme für die Schülerinnen und Schüler beantragt, die jetzt mitten in G 8 stecken.
Im Übrigen halte ich Kontingentstundentafeln nicht nur für eine Möglichkeit, das noch bestehende G-8-Modell zu entlasten. Im Sinne der Eigenverantwortung von Schulen ist es von Vorteil,wenn Schulen so über die Verteilung von Schwerpunkten und Inhalten bis zum Ende des jeweiligen Bildungsabschnitts entscheiden können, wie es für ihre Schüler von Vorteil ist. Die Kontingentstundentafeln begrüßen wir deshalb ausdrücklich.
Mit größerer Skepsis sehen wir Ihre Initiative, allen Gymnasien zu Beginn des neuen Schuljahres die Mittel für eine pädagogische Mittagsbetreuung zur Verfügung zu stellen.Sie haben keine Aussage dazu gemacht,ob es hierfür Stellen geben wird oder ausschließlich Mittel. Festzuhalten bleibt auf jeden Fall, dass Schulen auch Lehrerstellen benötigen, um Ganztagsangebote zu entwickeln.
Herr Kultusminister, außerdem ist es nicht redlich, zu behaupten, dass eine pädagogische Mittagsbetreuung geeignet sei, G-8-Stress abzubauen. G 8 hat in den letzten Jahren an allen Gymnasien zu unzumutbaren Belastungen für die Kinder geführt,nicht nur an den 65 Schulen,die Sie jetzt mit dieser Maßnahme nachrüsten wollen.
Den richtigen Weg hat hier Rheinland-Pfalz eingeschlagen, wo die Einführung der verkürzten Gymnasialzeit an das freiwillige Angebot einer gebundenen Ganztagsschule geknüpft wurde. Es setzen also nur die Gymnasien die verkürzte Schulzeit um, die gleichzeitig auch zu gebundenen Ganztagsschulen werden. Dies folgt der Erkenntnis,dass G 8 in einer um ein Mittagessen erweiterten Halbtagsschule nur zulasten von Schülerinnen und Schülern umzusetzen ist. Aber diesen Weg schlagen Sie nicht ein, weil Sie wissen, dass nicht allen Gymnasien, denen in Hessen G 8 übergestülpt wurde, die notwendigen Stellenzuschläge von 15 bis 20 % zugesichert werden können. Deshalb ist dieser Vorschlag ein Placebo.
Herr Kultusminister, Sie werden gleichzeitig die Frage beantworten müssen, welche Anstrengungen diese geschäftsführende Landesregierung unternimmt, um endlich ein Ganztagsschulprogramm aufzulegen, das allen Schulen die Wahl zwischen offener und gebundener Ganztagsschule lässt.
Wir werden nicht tolerieren, dass die Gymnasien bevorzugt werden müssen, um die Fehler von G 8 zu übertünchen. Die SPD will ein Ganztagsprogramm für alle Schulformen.
Die Ankündigung kleinerer Klassen hören wir gerne. Schließlich hat diese noch amtierende Landesregierung dafür gesorgt, dass die Ausnahme für die Klassengrößen zur Regel wurde. Die SPD erwartet, dass der 10-%-Zuschlag in allen Schulformen gestrichen wird, damit individuelle Förderung keine leere Floskel bleibt.
Herr Kultusminister, kleine Klassen in der Hauptschule können nicht das Alibi dafür sein, jetzt nur bei den Gymnasien etwas zu verändern.
Es bleibt anzumerken, dass entsprechende Anträge der Fraktionen für eine bessere Lehrerversorgung zum Schuljahresbeginn mit Sicherheit an Finanzierungsvorbehalten der Ministerien scheitern werden. Sie dagegen können locker ankündigen, neue Stellen für kleinere Klassen zur Verfügung zu stellen. Wir wollen auch wissen, ob die begrüßenswerte Unterstützung der Gymnasien zulasten anderer Schulformen oder des Vertretungsbudgets geht.
Wir wollen dies insbesondere deshalb wissen, weil im letzten Zuweisungserlass nicht nur die Stellen für den gemeinsamen Unterricht reduziert wurden, sondern auch die Zuweisungen für die Gesamtschulen sich schon wieder verschlechtert haben.Wir werden nicht zusehen,wenn eine missglückte Reform zulasten von Integrationsmaßnahmen und auf dem Rücken anderer Schulformen entschärft wird. Kleinere Klassen und bessere Fördermöglichkeiten sind in jeder Schulform längst überfällig.
Herr Kultusminister, Ihre umfangreichen Vorschläge werten wir aber auch als Zugeständnis, dass G 8 gescheitert ist. Sie tragen dazu bei, das Gesamtbild zu verschönern. Aber Sie lassen den Kern des Problems unangetastet. Der Kern des Problems ist die Verkürzung der Sekundarstufe I. Sie haben einen Pullover gestrickt, der nicht passt. Jetzt setzen Sie überall bunte, attraktive Flicken ein, um den Pullover an den Nähten weiter zu machen. Sie scheuen aber die Mühe, schon Gestricktes wieder aufzutrennen und etwas daraus zu machen, was wirklich Sinn hat.
Ich habe für meine Fraktion in den vergangenen Monaten und bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass wir G 8 mit einer auf fünf Jahre verkürzten Mittelstufe ablehnen. Wir wollen mit den Beteiligten im kommenden Jahr über unser Modell diskutieren. Dieses Modell beinhaltet eine sechsjährige Mittelstufe für alle Schulen der Sekundarstufe I und erfordert ein Konzept einer reformierten Oberstufe. Diese kann in zwei oder drei Jahren durchlaufen werden.Wie viele Schuljahre ein Schüler bis zum Abitur braucht, ob 12 oder 13, sollte alleine von seinem persönlichen Leistungsstand und seiner persönlichen Leistungsbereitschaft abhängig sein. Flexibilisierung individueller Schulzeit ist ein völlig anderer Ansatz als die schematische Festlegung von Regelschulzeiten für Bildungsgänge.
Wir wollen diese flexible Schulzeitverkürzung in der Oberstufe, und wir wollen sie in der Schuleingangsstufe.
Kinder sind verschieden. Sie haben unterschiedliche Interessen und lernen auf unterschiedliche Weise, und sie lernen unterschiedlich schnell.
Ein Bildungssystem, das sich am Kind orientiert, muss mit dieser Unterschiedlichkeit umgehen lernen und flexible Angebote machen.
Herr Boddenberg, ich rede nicht von Ihren drei Schubladen, die Sie immer so gern aufmachen.
Eine solche Initiative haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD gemeinsam in den Kulturpolitischen Ausschuss eingebracht. Herr Kultusminister, dies als politisches Geplänkel zu bezeichnen, halte ich für unangemessen.Ich bin relativ sicher,dass Schulen und Lehrer das nicht als Geplänkel ansehen, sondern als konstruktiven Vorschlag, wie wir weiter mit G 8 umgehen können.
Wir halten ohne Wenn und Aber an der sechsjährigen Mittelstufe fest, die für alle Schüler in allen Schulformen auch weiterhin den mittleren Bildungsabschluss bedeutet. Denn das Problem, dass Schüler und Schülerinnen die Orientierungsstufe eines Gymnasiums ohne Realschulabschluss absolvieren müssen, ist auch weiterhin ungelöst.
Die Verdichtung in der Mittelstufe ist entwicklungspsychologisch Unsinn und erhöht Angst und Druck. Sie verhindert nachdrücklich, dass Durchlässigkeit mehr werden kann als eine Absichtserklärung.
Verehrter Herr Kultusminister, deshalb kann ich es nicht stehen lassen, wenn Sie den Eindruck erwecken, die Mehrheit des Landtags stehe grundsätzlich hinter G 8. Sie sollten bitte auch berücksichtigen, dass wir konstruktive Vorschläge für eine Weiterentwicklung anbieten, die G 12 oder G 13 heißen kann, aber die es nicht schematisch für alle über einen Kamm schert.
Wir wollen keine Rolle rückwärts.Wir wollen ein Modell, das Schulzeitverkürzung den Stellenwert zuweist, den sie hat. Schulzeitverkürzung ist nicht der Motor des Fortschritts und die Voraussetzung für Konkurrenzfähigkeit. Sie ist vielmehr eine von vielen Antworten auf die Herausforderung, Kindern individuelle Bildungswege zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass viele oder die meisten von ihnen den Weg zum Abitur verkürzen können, ohne dafür in der Mittelstufe die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Lernen aufzugeben und durch Pauken ersetzen zu müssen.
Meine Damen und Herren, ich bin auch schon bei den Schlussbemerkungen. Ich finde es bemerkenswert, dass eine Landesregierung – und sei es auch nur eine geschäftsführende – sich gezwungen sieht, eine Regierungserklärung darüber abzugeben, wie sie ihre eigenen Fehler korrigiert. Die Diskussion um G 8 ist mit dem heutigen Tage nicht abgeschlossen. Ich glaube, das habe ich deutlich gemacht.Aber wir sollten uns in den nächsten Monaten sehr viel mehr auch mit dem beschäftigen, was in den
Schulen des Landes passiert, die nicht Gymnasium heißen. Wir sollten die Diskussion um eine Schulpolitik beginnen, in der Chancengleichheit und individuelle Förderung auch umgesetzt werden können.
Wir haben uns gefreut, und das haben Sie gemerkt, dass Sie vorhin gesagt haben: Kein Kind darf zurückgelassen werden. – Das ist original unserer parteipolitischen Programmatik entnommen. Wir hoffen, dass das nicht nur Worte waren. Ich will schließen mit einem Zitat von Andreas Tenzer, der die Lernpraxis in Köln gegründet hat, in der man sich mit Lernbehinderungen und Lernstörungen beschäftigt:
Innerer oder äußerer Klimawandel, das ist hier die Frage.
Daran werden wir Sie in den kommenden Monaten messen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Frau Habermann. – Als Nächste hat für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Henzler das Wort.
Herr Kultusminister, kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass die Landesregierung nicht beabsichtigt, entsprechend dem Bedarf nach gemeinsamem Unterricht die Anzahl der Stellen in diesem Bereich zu erhöhen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat aus der Anhörung beginnen, und zwar von Herrn Handwerk, dem Geschäftsführer der LAG der Waldorfschulen. Er sagte, die Vorschläge, die von der SPD gemacht wurden, seien aus seiner Sicht zwar winzige Schrittchen, aber sie gingen in die richtige Richtung.
Das ist eine Feststellung,die in vielen Stellungnahmen angesprochen wurde. Sie deckt sich auch mit der Intention der SPD-Landtagsfraktion.
Meine Damen und Herren, ich habe bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs betont, dass nur mit einem neuen Schulgesetz aus einem Guss die Grundlagen für ein Bildungssystem gelegt werden können, das ganzheitlich, individuell und früh fördert und die Ziele Chancengleichheit und Qualität miteinander vereinbaren kann. Dieses
Gesetz ist ein erster Schritt, und es ist ein Signal, dass sich in der hessischen Bildungspolitik etwas ändert, dass sich etwas ändern muss, dass wir aber nur gemeinsam mit den Betroffenen über diese Änderungen diskutieren und entscheiden werden.
Ich will zu den einzelnen Punkten noch etwas ausführen, weil bereits im Ausschuss Änderungsanträge beraten und angenommen wurden. Auf breite Zustimmung stieß unsere Neuregelung der verlässlichen Schule. Der unselige Begriff der Unterrichtsgarantie plus wandert damit auf die Müllhalde gebrochener Versprechen und falscher Weichenstellungen, die uns die CDU-Bildungspolitik hinterlassen hat.
Mit dem Streichen dieses Begriffes wird an den hessischen Schulen die Praxis beendet, dass im Fachunterricht externe Kräfte eingesetzt werden, die über keine Lehrbefähigung verfügen.
Wir wissen, dass wir zurzeit nicht die hundertprozentige Abdeckung des Fachunterrichts sicherstellen können. Dazu brauchen wir zusätzliche Lehrerstellen. Aber verlässliche Schule hat die Möglichkeit, externes Personal wie Erzieher, Sozialpädagogen, Menschen mit kreativen oder sportlichen Kompetenzen einzusetzen, die ausschließlich betreuungs- und unterrichtsergänzende Angebote, auch als Ersatz für ausgefallene Unterrichtsstunden, anbieten. Ich bin sicher, dass die Schulen mit den zur Verfügung stehenden 30 Millionen c im Rahmen ihres Schulprogramms Programme und Angebote entwickeln können, die pädagogisch sinnvoll sind und die Kinder voranbringen.
Es ist auch ein erster Schritt hin zu einer Schule, in der viele Professionen gemeinsam an Bildung und Förderung arbeiten – aber gemeinsam und nicht als Lückenbüßer dafür, dass zu wenige Lehrer an der Schule sind. Das ist ein qualitativer Unterschied zu dem, was Sie uns hinterlassen haben.
Wir haben die Anregung aus der Anhörung aufgegriffen, diese Regelung noch flexibler zu gestalten. Wir haben festgelegt, dass eine Betreuung im Rahmen einer verlässlichen Schule mindestens fünf Zeitstunden umfassen soll. Den Schulen soll es aber selbst überlassen bleiben, diese Zeiten festzulegen und sicherzustellen.
Auch die Anregung, dass die Schulkonferenz darüber entscheidet, ob in höheren Klassenstufen von diesen Zeitvorgaben abgewichen werden kann, haben wir berücksichtigt. Ich denke, dies zeigt, dass die SPD dem Wunsch nach mehr Eigenverantwortung ernst nimmt und die Vorschläge der Anzuhörenden aufnimmt. Das ist, glaube ich, eine neue Erfahrung für die, die im Schulbereich in den letzten Jahren in diesem Hause angehört wurden.
Die Aufhebung der Richtwerte wurde von vielen Anzuhörenden begrüßt.Ich nenne z.B.den VBE,die GEW,den Landeselternbeirat und die Kommunalen Spitzenver
bände. Sie alle haben festgestellt, dass Richtwerte ungeeignet sind, um in der Region ein ausgewogenes Bildungsangebot herzustellen. Schulentwicklungsplanung mit dem Rechenschieber hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Klassengrößen weiter angestiegen sind und Bildungsgänge in der Fläche ausgedünnt wurden. Das wollen wir zukünftig verhindern.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Lassen Sie mich noch das Stichwort Querversetzung aufgreifen. Es gab erwartungsgemäß unterschiedliche Stellungnahmen. Wir sehen Querversetzungen und Nichtversetzungen weiterhin als ein Relikt aus der pädagogischen Mottenkiste an, aber wir wissen, dass wir den Schulen Ressourcen an die Hand geben müssen, um diese Sanktionen endgültig aus dem Repertoire der Schulen zu streichen. Deswegen haben wir auch hier den Vorschlag aus der Anhörung aufgenommen, dass es zukünftig keine Querversetzungen mehr in Klasse 5 nach dem ersten Halbjahr und keine in Klasse 7 geben soll. Nur in Ausnahmefällen und nur mit Genehmigung des Schulleiters soll es in den anderen Klassenstufen möglich sein.
Wir glauben, wir haben hier die Weichen in eine neue Richtung in der Bildungspolitik gestellt, und wir werden daran arbeiten, dass der Zug in diese Richtung weiterfährt.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Frau Habermann. – Herr Kollege Irmer hat für die CDU-Fraktion das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, dass ich nach der Rede des Ministers erneut kurz das Wort ergreifen muss. Aber Herr Irmer hat mit seinem Beitrag eben die Ebene der sachlichen Diskussion so weit verlassen, dass ich mich genötigt sehe, adäquat zu antworten.
Wie man in den Wald ruft, so schallt es wieder heraus.
Herr Irmer, in den letzten Monaten haben Sie in der Bildungspolitik so viele Pirouetten gedreht, dass Sie offensichtlich heute nicht mehr wissen, wo sie gestartet sind.
Deswegen will ich Sie einmal daran erinnern. Sie haben den Begriff der Unterrichtsgarantie plus durchgesetzt, und zwar entgegen dem Wunsch aller im Ausschuss Angehörten, gegen die Empfehlung aller Parteien. Damit wollten Sie vorgaukeln, dass Ihre schon vorher gescheiterte Unterrichtsgarantie jetzt durch die Unterrichtsgarantie plus erfüllt werde.
Damit haben Sie es zum Prinzip erklärt, dass Menschen ohne Qualifikation als Lehrkraft ab dem dritten Tag Fachunterricht erteilen können,
um den Eltern vorzugaukeln, die Stundentafel werde so wie versprochen erfüllt. Das ist der wahre Hintergrund der Unterrichtsgarantie plus. Der Begriff „verlässliche Schule“ wurde verschämt in den Hintergrund gerückt, um nach der Wahl, als Sie gesehen haben, dass das so nicht hingehauen hat, wieder ausgepackt zu werden.
Herr Irmer, ich will Ihnen sagen: Aus meinen Reden, die ich in den letzten Jahren hier gehalten habe, kann ich bedenkenlos zitieren, ohne mich in Widersprüche zu verwickeln.
Wenn ich aber einmal in Ihren Redewerken krame – vielleicht mache ich mir in Zukunft einmal die Mühe, Sie hier zu zitieren, das ist ja eine große Spezialität von Ihnen –,
dann werden Sie feststellen,in welch große Erklärungsnot Sie kommen, wenn man vergleicht, was Sie damals gesagt haben und was Sie heute sagen, und Sie Ihren plötzlichen Sinneswandel erklären sollen.
Da Sie die Glaubwürdigkeit so hochhalten, empfehle ich Ihnen allen Ernstes: Herr Irmer, arbeiten Sie bitte an Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit – vorher der größte Scharfmacher, der sagt, die Unterrichtsgarantie plus ist das Nonplusultra, und heute erklären Sie, das haben Sie alles schon immer anders gemeint, nur die SPD habe sich geändert. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, und das wissen Sie auch selbst.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende dieser Aussprache zur zweiten Lesung zu den Änderungen zum Hessischen Schulgesetz.
Damit komme ich zur Abstimmung. Zuerst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,Drucks.17/303,zu der Fassung des Gesetzentwurfs in der Beschlussempfehlung abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – Das sind CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes, inklusive des Änderungsantrags, in der Fassung der Beschlussempfehlung abstimmen. Wer stimmt dem zu? – Das sind SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE.Wer ist dagegen? – Das sind CDU und FDP. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen und zum Gesetz erhoben.
Meine Damen und Herren, ich lasse in zweiter Lesung abstimmen über den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – –
Da gibt es eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung, bitte schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Henzler, ich will damit beginnen, mich schützend vor den Kultusminister zu stellen.
Das ist zwar richtig, Herr Koch.
Aber ich werde es zumindest mit meinen Aussagen versuchen und nicht mit voller Körperdeckung.
Frau Henzler, ich stelle fest, dass ich sehr dafür bin, dass diese geschäftsführende Landesregierung zügig Beschlüsse dieses Landtags umsetzt und dass wir ihr dabei auch immer auf die Finger gucken.Aber selbst der Antrag zur Neueröffnung des Anmeldeverfahrens wird erst heute von uns unter Tagesordnungspunkt 37 beschlossen. Der Kultusminister hat bisher überhaupt keine Handlungsanweisung, so zu handeln, wie er Ihrer Ansicht nach handeln soll.
Wenn er das schon im Vorgriff auf einen Gesetzentwurf tut, der noch nicht einmal in der Anhörung war, dann ist das eine Entscheidung, die er selbst treffen kann, aber keine, die Sie hier einfordern können. Bei aller Eile und bei all dem, was wir den Schulen mit auf den Weg geben wollen, denke ich, dass Sie sich an Ihr gestriges Zitat aus dem Elternbund-Presseartikel erinnern sollten, in dem steht: Aktionismus in den Schulen können wir absolut nicht gebrauchen.
Die SPD-Fraktion hat dem Antrag auf Öffnung des Anmeldeverfahrens zugestimmt, obwohl wir die Bedenken teilen, dass eine Neuregelung so kurz vor den Sommerferien möglicherweise organisatorisch von den Schulen nicht mehr zu bewältigen ist. Diese Bedenken hatten alle Fraktionen. Ich denke, wir haben uns gemeinsam auf die
sen Weg eingelassen. Wir sagen: Die, die sich schon auf den Weg gemacht haben und die das zügig umsetzen könnten, wenn es denn einen Landtagsbeschluss gibt, sollen dies auch tun.
Frau Henzler, unsere Zustimmung zu diesem Antrag hat aber nicht bedeutet, dass wir den Vorschlag, kooperativen Gesamtschulen die Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 zu geben, für den Königsweg halten. Er reiht sich in einen Reigen von halbherzigen Vorstellungen ein, die das eigentliche Problem von G 8 nicht lösen. Dazu habe ich gestern einige Ausführungen gemacht. Das eigentliche Problem ist die Verkürzung der Gymnasialzeit in der Mittelstufe.
Das löse ich nicht dadurch, dass einzelne Schulen Wahlfreiheit bekommen. Das löse ich dadurch, dass ich darüber nachdenke, diese Verkürzung zurückzunehmen und ein Schulmodell aufzubauen,das verkürzte Gymnasialzeit in der Oberstufe zulässt und auch denjenigen Zeit lässt, die ihr Abitur erst nach 13 Jahren machen wollen, und zwar unabhängig davon, in welcher Schulform sie unterrichtet werden.
Wir haben den Antrag auch deswegen unterstützt, weil wir wirklich dafür sind, dass Landtagsbeschlüsse zügig umgesetzt werden. Die Mehrheit dieses Landtags hat auch den Beschluss gefasst, dass sich integrierte Gesamtschulen, die gewünscht wurden und von Schulträgern beschlossen worden sind, auf den Weg machen können. Wir erwarten, dass hier unbürokratisch auch den Schulen, die seit Jahren Konzepte vorliegen haben und die sich seit Jahren auf den Weg zu einer IGS machen wollen, diese Möglichkeit bis zu den Sommerferien gegeben wird.
Das eigentliche Problem an Ihrem Vorstoß, Frau Henzler, ist aber aus unserer Sicht die Frage, wie Sie individuelle Förderung sehen, und die Frage, wie Sie das Lernen in Schulen beurteilen. Sie glauben fest daran, dass die Schwierigkeiten von G 8 die Probleme von einzelnen Kindern sind und nicht das Problem dieses Konstrukts der verkürzten Mittelstufe. Da stimmen wir nicht mit Ihnen überein. Sie verfahren nach der simplen Strategie: Leistungsstarke, schnell lernende Kinder gehen ins Gymnasium, und die anderen, die etwas mehr Zeit und Förderung brauchen, gehen in die Gesamtschulen und dürfen dort G 9 machen. – Das ist nicht das, was wir uns unter einer modernen Schulpolitik vorstellen, Frau Henzler. Wir wissen, dass auch leistungsstarke Kinder mit G 8 große Schwierigkeiten haben.
Wir denken nicht, dass wir auf jedes Problem, das sich stellt, mit einer neuen Zersplitterung des Schulsystems reagieren sollten, indem wir zwei Wege zum Abitur und damit quasi ein Zwei-Klassen-Abitur anbieten.Deswegen halten wir den gesamten Vorstoß auch weiterhin für zu kurz gesprungen. Ich werde jetzt nicht noch einmal anfangen, unser Konzept von gestern zu erörtern.
Das werden Sie sich in den verschiedenen Anhörungen noch wiederholt anhören müssen. Ich glaube, dass wir damit auch bei den Praktikern in der Schule, bei den Eltern und Lehrkräften auf Unterstützung stoßen werden, die es verhindern, dass wir in diesem Land so weit gehen, zu sa
gen, dass die eine Schule es so und die andere Schule es anders macht. Denn wie bewerte ich dann das Abitur? Ist das eine dann ein Abitur light und das andere – –
Ich bin schon am Ende. Ich habe eigentlich nur weitergeredet, um die fünf Minuten zu füllen, wenn wir schon eine Aktuelle Stunde haben.
In diesem Sinne möchte ich sagen: Frau Henzler, ich glaube dieser Aktuellen Stunde hätte es nicht bedurft. Der Kultusminister hat gehandelt. Wir haben eine Gesetzesanhörung. Lassen Sie uns dann erst einmal die Ergebnisse auswerten.
Herr Präsident! Einen wunderschönen guten Morgen, meine Damen und Herren!
Seit dem Jahr 2004 diskutiert dieser Landtag, zum Teil sehr heftig, über die Verkürzung der Gymnasialzeit in der Mittelstufe. Seit dem Jahr 2004 kritisieren Eltern, dass ihre Kinder in der Mittelstufe immer weniger Zeit für Vereinsaktivitäten, Freizeit und für Freunde haben. Sie wehren sich dagegen, die Zeit in der Familie mit der Erledigung von Hausaufgaben oder mit der Wiederholung von Unterrichtsstoff zu verbringen.
Meine Damen und Herren, G 8 hat dafür gesorgt, dass Kinder gerade in einer Lebensphase belastet werden, in der sie die Anforderungen an die eigene Persönlichkeitsentwicklung bewältigen müssen. Das führt nicht zu besserem, sondern zu schlechterem Lernen.
Inzwischen wollen alle Parteien Korrekturen an G 8. Eine total missglückte Reform jedoch kann man nicht durch halbherzige Reparaturmaßnahmen retten.
Meine Damen und Herren, man muss den Mut haben, grundlegend zu ändern, was falsch ist.
Mit dem Konzept, das wir Ihnen heute vorlegen, zeigen wir den Weg für eine grundlegende und mutige Korrektur von G 8. Wir wollen die Verkürzung der Mittelstufe zurücknehmen und ein Oberstufenmodell erarbeiten, das den Weg zum Abitur in zwölf oder in 13 Jahren ermöglicht.
Denn Kinder brauchen Zeit zum Lernen. Jedes Kind hat sein individuelles Lerntempo und braucht unterschiedliche Zeiten zum Lernen. Ein modernes Bildungssystem muss so gestaltet sein, dass Kinder diese Zeit haben – und zwar nicht, indem sie zwischen schnelleren und langsameren Bildungsgängen entscheiden, sondern indem Schulzeit für das einzelne Kind flexibel wird: am Anfang der Schulzeit in einer Schuleingangsstufe und am Ende in einer reformierten Oberstufe.
Meine Damen und Herren, die einzige Begründung für G 8 war immer: Die Konkurrenzfähigkeit unseres Wirtschaftssystems und der Schulabgänger hänge entscheidend davon ab, ob das Abitur nach zwölf oder 13 Jahren abgelegt werde. Man müsse sich dem internationalen Standard anpassen. – Diese Vorgabe ist ebenso unbewiesen wie falsch.Der internationale Standard lässt sich nicht nur an der Länge der Schulzeit festmachen.
Meine Damen und Herren, internationaler Standard sind zunächst Bildungssysteme, die Ernst mit frühkindlicher Bildung machen. Das sind Bildungssysteme, in denen die individuelle Förderung und die Durchlässigkeit der Bildungsgänge Garanten für Qualität, für Leistung und für Chancengleichheit sind. Ein solches Bildungssystem will die SPD in Hessen erreichen.