Sabine Waschke

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Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den Reden, insbesondere der des Herrn Kollegen Greilich am Dienstagnachmittag, habe ich den Eindruck, doch noch einmal etwas zur vergangenen Legislaturperiode sagen zu müssen, denn da gibt es offensichtlich Wissenslücken. Im Dezember 2004 hat die SPD einen Antrag zur Einrichtung der Härtefallkommission eingebracht, Drucks. 16/3318. Herr Kollege Greilich, ich habe mir die Mühe gemacht und ihn extra für Sie ausgedruckt – bei Bedarf, wenn Sie Interesse haben, gerne zum Nachlesen. Darin finden Sie nämlich unter Nr. 4 Folgendes:
Die Härtefallkommission ist zusammenzusetzen aus Personen, die über eine fachliche und sachliche Qualifikation verfügen.
Dies sollten je ein Vertreter der im Petitionsausschuss des Hessischen Landtags vertretenen Fraktionen...
dann kam eine weitere Aufzählung –
sein.
Unter der Begründung finden wir den Satz:
Des Weiteren haben die Erfahrungen in den anderen Bundesländern gezeigt, dass die Einbindung der aufgeführten nicht staatlichen Organisationen bei der Überprüfung von ausländerrechtlichen Einzelfällen... zu einer größeren Akzeptanz in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen sowie zu verantwortungsvollen Entscheidungen geführt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, Sie brauchen hier heute gar keine Krokodilstränen zu vergießen. Herr Bellino hat sich eben hierher gestellt und hat die Öffnung der Härtefallkommission begrüßt.
Das hätten wir schon längst machen müssen, und das finde ich interessant.
Das hätten Sie schon im Dezember 2004 haben können, denn da hätten Sie unserem Antrag zustimmen können. Wenn es, wie von Ihnen behauptet wird, von Anfang an nur um ein wirkliches Interesse an einer sachorientierten und qualifizierten Zusammensetzung der Härtefallkommission gegangen wäre, dann hätten Sie unserem Antrag zustimmen müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Damals haben CDU und FDP unsere Initiative abgelehnt, um heute übrigens ganz ähnliche Anträge selbst vorzulegen.
Damals wie heute laufen CDU und FDP der Entwicklung hinterher. Im Jahr 2004 haben Sie gegen die Auffassung aller Experten mit Ihrer damaligen absoluten Mehrheit, die heute Gott sei Dank Geschichte ist, eine ausschließlich mit Landtagsabgeordneten besetzte Härtefallkommission durchgesetzt.
Heute, nach unserer Anhörung, wollen Sie gegen die erfolgreiche Praxis der anderen Bundesländer und gegen die Auffassung zahlreicher Experten immer noch auf einer Beteiligung von Mitgliedern des Landtags an einer Kommission der Exekutive bestehen. Rückblickend hat dies der Arbeit der Härtefallkommission und damit den Betroffenen mehr geschadet als genützt.
Herr Kollege Beuth, Sie wissen genau, von was ich rede.
Hören Sie mir doch einmal zu, dann erkläre ich es Ihnen einmal. – Im ersten Jahr wurde alles von der CDU-Mehrheit niedergestimmt. Manchmal hat man schon beim zweiten Satz des Kollegen den Eindruck gehabt: Warum habe ich mich eigentlich vorbereitet?
Mindestens im ersten Jahr der Arbeit der Härtefallkommission – alle, die darin gearbeitet haben, wissen, von was ich rede – war sehr deutlich zu spüren, dass es um die Demonstration politischer Macht ging.
Herr Kollege, ich trete den Beweis gern an. Sie wissen genauso gut wie ich – –
Ich habe das Wort. Kommen Sie doch ans Pult, wenn ich fertig bin. – Sie wissen ganz genau, dass im ersten Jahr der Arbeit in der Härtefallkommission nur ein Fall positiv empfohlen worden ist. Wir haben damals als SPD sehr ernsthaft darüber nachgedacht, ob wir die Arbeit in der Härtefallkommission niederlegen. Danach gab es übrigens bei der CDU einen Sprecherwechsel. Der Herr Kollege Beuth ist abgelöst worden.
Insofern gebe ich seinem Nachfolger, Herrn Bellino, gerne recht. Seitdem hat sich das Klima in der Härtefallkommission tatsächlich verbessert.
An vielen Stellen – das sage ich an dieser Stelle – hat uns das Fachwissen Unabhängiger gefehlt.
Herr Kollege Greilich, Sie haben am Dienstag das düstere Bild gemalt, ohne die Politikbeteiligung wäre die Härtefallkommission nicht arbeitsfähig.Jeder,der sich ernsthaft mit diesem Thema befasst, sollte das allerdings besser wissen.
Wie sonst ist zu beurteilen, dass die Härtefallkommissionen in Bayern, in Baden-Württemberg, in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, im Saarland, kurz: in 14 Bundesländern ohne die Beteiligung von Politikern sehr erfolgreich arbeiten? Aufgrund dieser Erfahrung und den Ergebnissen der Anhörung sind wir von der SPD zu der Auffassung gelangt, dass Vertreter des Landtags
ich komme zum Schluss – ganz aus der Härtefallkommission herauszuhalten sind. Dafür gibt es mittlerweile eine Mehrheit in diesem Landtag. Das ist auch gut so.
Die viele Arbeit, die wir seit dem Jahr 2004 geleistet haben, hat sich letztendlich gelohnt. Das freut uns. Ich sage auch ganz ehrlich:
Herr Präsident, mein letzter Satz.
Wenn heute dieses Gesetz mit der Mehrheit des Hessischen Landtags beschlossen wird, dann ist das ein guter Tag für ein tolerantes und weltoffenes Hessen. – Vielen Dank.
Herr Minister Bouffier, bis vor Kurzem sah die Rechtslage in Hessen so aus, dass Kinder, die in der Illegalität leben, per Erlass kein Recht auf einen Schulbesuch hatten. Geben Sie mir recht, wenn ich sage, dass diese Kinder,
wenn die Bundesrepublik Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention 1 :1 ratifiziert hätte,ein Recht auf Klage gegen diese Erlasslage gehabt hätten?
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits im März und im Dezember 2004 hat die SPDLandtagsfraktion Anträge zur Einrichtung einer Härtefallkommission eingebracht. Wir wollten die Härtefallkommission zunächst ganz ohne die Politik besetzen. Als Kompromiss haben wir im Dezember 2004 und auch im April dieses Jahres wieder eine Vertreterin und einen Vertreter je Fraktion vorgeschlagen. Diese Initiative war aber gegen die absolute CDU-Mehrheit nicht durchzusetzen.
Heute sind wir ein großes Stück weiter; das wurde auch gerade in der Rede des Kollegen Bellino sehr deutlich. Allerdings sage ich an dieser Stelle auch sehr deutlich:Die Beteiligung von Politikerinnen und Politikern war für uns als SPD-Landtagsfraktion nie ein Dogma.
Die Anhörung zu dem Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Härtefallkommission hat deutlich gezeigt, dass die Beteiligung von Vertretern der Fraktionen dem überwiegenden Teil der Anzuhörenden nicht zwingend erscheint. Ein Sachverständiger sprach sogar davon, dass man „auf das rudimentäre Halbwissen von Politikern gut verzichten“ könne.
Im Übrigen aber hat die Anhörung unsere Meinung, die wir seit fünf Jahren in diesem Hause vertreten, vollumfänglich bestätigt. So schreibt beispielsweise die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen:
Die dringenden humanitären oder persönlichen Gründe, die ein Ausländer vorträgt, um seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu rechtfertigen..., sollten bei der Betrachtung des Einzelfalls oberste Priorität haben. Alle in der derzeitigen Verordnung genannten Ausschlussgründe müssen in diesem Licht nachrangig betrachtet werden.
Das haben wir seit 2004 immer wieder gesagt.– Es ist auch deutlich geworden, dass ein Gesetz nicht unbedingt nötig gewesen wäre, sondern ein Antrag, wie wir ihn als SPD eingebracht haben, ausreichend gewesen wäre. Das entnehmen wir der Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Wiesbaden Dr. Göbel-Zimmermann.
In Schleswig-Holstein konnten gute Erfahrungen damit gemacht werden, dass in die Härtefallkommission Mitglieder berufen wurden, die aus beruflichen Gründen oder durch persönliches Engagement ein hohes Maß an Erfahrung in die Arbeit einbringen können.
In Rheinland-Pfalz ist ein Härtefallersuchen nicht ausgeschlossen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt zu sichern. In Hessen ist es bis heute praktisch unmöglich, einen Aufenthalt zu bekommen, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Jeder, der einmal in der Härtefallkommission gearbeitet hat, weiß, wovon ich rede.
Humanitäre Gesichtspunkte haben eine untergeordnete Rolle gespielt, aber auch das wird sich in Hessen jetzt ändern.
Die Anhörung hat klar ergeben, dass sich die neu zu berufende Härtefallkommission ihre Verfahrensgrundsätze selbst geben soll, sie also nicht im Gesetz festgeschrieben sein müssen, Herr Kollege Bellino. Allerdings sollten die Ausschlussgründe so formuliert werden, dass genügend Raum für die Würdigung des Einzelschicksals bleibt.
Wichtig ist der SPD-Landtagsfraktion an dieser Stelle aber auch, dass Kommunen nicht zusätzlich finanziell belastet werden. Deswegen hatten wir in den Änderungsantrag die Passage aufgenommen:
... muss eine finanzielle Beteiligung des Landes sichergestellt werden, um bei tatsächlichen Mehrbelastungen der Kommunen für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen.
Das gilt übrigens für alle die Fälle, für die die Härtefallkommission eine positive Empfehlung abgibt, deren Lebensunterhalt aber nicht gesichert ist. Bisher hat Innenminister Bouffier diese Fälle alle nicht angeordnet. Das waren sechs Fälle in zwei Jahren. Mit dem Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Härtefallkommission und dem dazugehörigen Änderungsantrag, in den die Erkenntnisse aus der Anhörung eingearbeitet worden sind, haben wir endlich eine vernünftige Lösung gefunden im Interesse all derjenigen, die ihre Hoffnung in uns setzen. – Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als der Lieferboykott der Milchbauern zum Thema wurde, habe ich mich wirklich gefragt: Bringt es ein Land
wirt übers Herz, jeden Tag Hunderte oder gar Tausende Liter Milch zu vernichten? Aber die Bauern tun es, und daran kann man sehen, wie verzweifelt die Lage der Milchviehhalter in Wirklichkeit ist.
Keinem Milchbauern, mit dem ich in der letzten Woche gesprochen habe, fällt es leicht, seine Milch zu verfüttern oder in den Gully zu schütten – von den Einnahmeausfällen und den eventuellen Regressforderungen wollen wir an dieser Stelle gar nicht sprechen.
Deswegen sage ich sehr deutlich: Wir brauchen einen Erzeugerpreis, der die Existenz insbesondere kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe nicht gefährdet und ihnen Planungssicherheit bietet.
Ein Erzeugerpreis von 27 bis 35 Cent pro Liter ist nicht kostendeckend und treibt die Bauern in den Ruin.
Nach Angaben des Bauernverbandes ist die Milcherzeugung in Hessen seit den Achtzigerjahren um fast 20 % zurückgegangen. Ende 2007 hatten wir noch 4.500 Betriebe mit Milchwirtschaft. Jedes Jahr geben 3 bis 4 % der Betriebe auf. Die Milchwirtschaft schafft nicht nur Wertschöpfung in der Region, sondern sie leistet durch die Pflege, die die Kulturlandschaft durch die Arbeit der Landwirte erhält, auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum ländlichen Tourismus und zum Naturschutz.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter hat eine sehr deutliche Forderung aufgestellt, und er nimmt uns Politikerinnen und Politiker in die Verantwortung. Deswegen sind heute Morgen auch Vertreter des Bauernverbandes hier anwesend.Auch die Milchkönigin ist hier.Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter muss hier eingebunden werden, denn er ist derzeit der stärkste Vertreter der Milchviehhalter.
Die Bauern fordern einen Milchpreis, der ihre Existenz sichert, denn sie haben mit steigenden Futter- und Energiepreisen zu kämpfen. Bei ungewisser Rentabilität des Lebensmittels Milch haben die Erzeuger zum Teil Kostensteigerungen um 30 % zu verkraften. Ich höre aber mittlerweile, dass es nicht nur um den Milchpreis geht. Es geht auch um einen Systemwechsel. Die Bauern fordern von der Politik bestimmte Rahmenbedingungen; sie fordern z. B. flexible Mengensteuerung in Bauernhand. Sie wollen die Milchquote erhalten, weil sie sich davon eine gewisse Sicherheit versprechen.
Um den Ausstieg aus der Milchquote zu organisieren, brauchen wir auf europäischer Ebene zunächst einmal eine ähnliche Ausgangslage, um überhaupt faire Chancen im Konkurrenzkampf zu haben. Milchviehhalter z. B. in Polen oder Rumänien haben ganz andere Umwelt- und Sozialstandards zu erfüllen als unsere deutschen Bauern. Da wundert es mich bei all den schönen Worten, die wir heute Morgen hier gehört haben, schon, dass Minister Dietzel im letzten Jahr auf der Länderkonferenz für die Abschaffung der Milchquote gestimmt hat.
Nur Bayern hat dagegen gestimmt. Ich hätte mir von unserem hessischen Minister schon etwas mehr Mut gewünscht. Ich hätte mir auch gewünscht, Herr Minister Dietzel, dass Sie sich vor unsere hessischen Bauern stellen. In diesem Zusammenhang hat mich auch gewundert, dass der Kollege Dr. Herr vorgestern in der „Fuldaer Zeitung“ die Beibehaltung der Milchquote gefordert hat. Ich denke, die Herren sollten sich in Klausur zurückziehen,
am besten auf den Hof eines Milchviehhalters, und ihre Positionen klären.
Vielleicht geht es aber auch nur um blanken Populismus und um das Einfangen von Wählerstimmen.
Es muss Schluss sein mit der Preisdruckmentalität der Discounter, sagt der Vizepräsident des Bauernverbandes. Es geht hier um die starre Haltung der Molkereien und des Einzelhandels. Der Markt hat monopolartige Strukturen, das macht es so schwer.
Seit gestern Abend wissen wir, es kommt Bewegung in die Diskussion. Lidl hat angekündigt, den Verkaufspreis von Milch um 10 % zu erhöhen, und Rewe wird wahrscheinlich folgen. Im Berchtesgadener Land gibt es eine Molkerei, die in Zukunft 34 Cent für den Liter Milch bezahlen wird. Das wird spannend. Ich bin aber sehr gespannt, wie lange das anhält, denn die Bauern stehen nach wie vor alleine gegen die Marktmacht der Molkereien und des Lebensmittelhandels. Sie fordern zu Recht unsere Unterstützung. Sie fordern unsere Solidarität. Ich verweise auf die „Frankfurter Rundschau“ vom 31. Mai. Die Solidarität der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Hause haben die Milchviehhalter in Hessen ganz bestimmt.
(Beifall bei der SPD Vizepräsident Dieter Posch: Herzlichen Dank,Frau Kollegin Waschke.– Für die CDU- Fraktion erteile ich Frau Kollegin Apel das Wort. Elisabeth Apel (CDU):
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Majestät, ich freue mich, dass wir heute Morgen über ein eminent wichtiges Thema reden. Ich hatte bis vorhin eigentlich die Hoffnung, dass es sich um ein Thema handelt, bei dem wir uns fraktionsübergreifend einig sind. Ich habe von der Kollegin Waschke allerdings gehört, es müsse Schluss sein mit Populismus. Die SPD fühlt sich in der Solidarität mit den Milcherzeugern verpflichtet, und die SPD will keinen Quotenausstieg.
Frau Kollegin Waschke, wenn Sie hier von Populismus und von der Solidarität der SPD sprechen, empfehle ich Ihnen, bei Gelegenheiten ein Gespräch mit Ihrem Fraktionskollegen in Brandenburg zu führen, mit Udo Folgart, der auch Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes ist. Herr Folgart fordert einen schnellen Ausstieg aus der Quote, weil er im Jahr 2008 mit noch deutlich höheren Auszahlungspreisen als im Jahr 2007 rechnet.
Er fordert, dass sich die Politiker frühzeitig auf einen Quotenausstieg vor 2015 festlegen. Das sagt ein Sozialdemokrat. In Hessen dagegen fordert eine Sozialdemokratin, dass es keinen Ausstieg aus der Quote gibt und dass mit dem Populismus Schluss gemacht wird.– So viel zu der fraktionsübergreifenden Zustimmung.
Herr Schmitt, Sie können gern hierher kommen und etwas zum Lieferstreik der Milchbauern sagen.
Zunächst einmal möchte ich den Bauern, die am Milchlieferboykott beteiligt sind, meinen großen Respekt aussprechen.
Ihr Lieferboykott hat in der Öffentlichkeit eine großartige Resonanz erfahren. Es wird tagtäglich in den ersten Meldungen der Nachrichtensendungen über den Lieferboykott berichtet. Es wird aber auch geschildert, welche Not dahintersteht, wenn Bauern Hunderttausende von Litern Milch wegschütten.
Dahinter steht ihre Sorge, ob sie ihre Betriebe in Zukunft weiterführen können, wenn sie in hessischen Mittelgebirgslagen, also in kleinräumigen Strukturen, weiterhin unter Weltmarktbedingungen produzieren sollen. Unsere Betriebe verfügen aufgrund der natürlichen Gegebenheiten – der Topografie und des Klimas – eben nicht über vergleichbare Produktionsbedingungen wie Großbetriebe in Ostdeutschland, in Dänemark, in Frankreich oder gar in den USA und in Argentinien.
Die Milchproduktion ist bei uns also schon allein aufgrund der natürlichen Gegebenheiten teurer als in den günstigen Lagen in Europa oder auf anderen Kontinenten. Deshalb brauchen wir hier eine andere Sensibilität, was die Milcherzeugung in den Mittelgebirgsregionen betrifft.
Wir brauchen hier eine Preisfindung, bei der die Erzeuger und die Vertreter der Nachfragerseite auf Augenhöhe über den Preis verhandeln.Das war bisher leider nicht immer der Fall.
Ich habe den Eindruck, dass aufgrund des Milchlieferboykotts beim Handel und den Molkereien die Bereitschaft gestiegen ist, mit den Milcherzeugern auf einer Augenhöhe – sozusagen unter gleichwertigen Partnern – über die Notwendigkeiten einer angemessenen Preisfindung zu diskutieren.Das ist ein großartiger Erfolg dieses Milchlieferboykotts. Ich habe die Hoffnung, dass sich auf dieser Grundlage in den kommenden Jahren die Situation ergibt, dass unsere Landwirte trotz der schwierigen Bedingungen,unter denen sie hier produzieren müssen,ihre Betriebe werden halten können.
Wir brauchen eine flexible Mengensteuerung, die es ermöglicht, auf unterschiedliche Nachfragesituationen des Markts zu reagieren. Wenn auf dem Markt viel Milch nachgefragt wird, muss den Bauern zeitlich befristet eine höhere Milchlieferquote zugesagt werden.
Ich frage die geschäftsführende Landesregierung:
Wie hat sich das Verkehrsaufkommen auf der B 279 in Gersfeld in den vergangenen drei Jahren entwickelt?
Herr Minister Rhiel, teilen Sie meine Auffassung, dass die Belastung der Bevölkerung an dieser Bundesstraße – der Verkehr geht mitten durch das Dorf – nach wie vor hoch ist? Die Eltern haben zum Teil Angst, ihre Kinder ohne Begleitung über die Bundesstraße laufen zu lassen und in die Schule zu schicken.
Herr Minister Rhiel, wenn Sie meine Auffassung teilen, dann frage ich Sie, welche Maßnahmen Sie ergreifen werden, um die Bevölkerung in Gersfeld zu schützen und die Belastung zu minimieren.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt ausdrücklich, dass endlich Bewegung in die Diskussion um die Besetzung der Härtefallkommission in Hessen gekommen ist. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach über Anträge versucht, die Kommissionsbesetzung politikfern zu gestalten. Leider ist uns das nicht gelungen. Absolute Mehrheiten eröffnen nicht einmal die Diskussion über ein Sachthema, geschweige denn das Bemühen um die beste Lösung.
Heute haben sich die Mehrheitsverhältnisse in diesem Landtag geändert,und ich bin sehr zuversichtlich,dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschreiben in ihrem Gesetzentwurf das Problem wie folgt:
Die... Härtefallkommission ist aktuell mit Landtagsabgeordneten besetzt. Im Zuge der Arbeit... hat sich herausgestellt, dass mit dieser Konstella
tion immer das politische Tagesgeschäft sowie unterschiedliche... Standpunkte die sachliche Arbeit der Kommission beeinträchtigt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diese Problembeschreibung unterschreiben wir sofort.
Herr Kollege Beuth hat in seiner Rede anlässlich der Einbringung seines Antrags auf Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen im Mai 2004 in diesem Haus Folgendes gesagt – ich zitiere aus dem Protokoll –:Abgeordnete treffen „wahrscheinlich sogar bessere Entscheidungen, als sie eine Härtefallkommission treffen könnte, weil wir eine politische Einordnung“ vornehmen. – Da hat die CDU die Einrichtung einer Härtefallkommission mit NGOs vollends abgelehnt. Wir sind heute schon ein bisschen weiter. Ich habe dem Kollegen an dieser Stelle damals schon vehement widersprochen. Denn wenn wir zunächst eine politische Einordnung vornehmen und dann entscheiden, werden wir den Hilfesuchenden nicht gerecht. Hier spielt die Humanität die entscheidende Rolle und nicht die politische Einordnung.
Meine Befürchtungen von damals haben sich leider bewahrheitet. Ich möchte nur an unsere Arbeit im ersten Jahr in der Härtefallkommission erinnern – das Jahr, in dem gerade einmal ein einziger Fall positiv empfohlen wurde. Sehr oft wurden Fälle durch die absolute Mehrheit negativ abgestimmt. Der Kollege Beuth wird sich daran vielleicht noch erinnern, denn er war damals Sprecher der CDU-Fraktion im Petitionsausschuss. Das ging so weit, dass wir Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion sehr ernsthaft überlegt haben, die Arbeit niederzulegen und die Härtefallkommission zu verlassen.Gespräche insbesondere mit Vertretern der Kirchen haben uns aber davon abgehalten, denn dann hätten wir überhaupt nichts mehr für die Menschen tun können.
Die Kommissionsarbeit hat sich daraufhin verändert, und es wurde ein bisschen besser. Im bundesweiten Vergleich finden sich die Ergebnisse der Arbeit der hessischen Härtefallkommission aber immer noch im hinteren Drittel. Das hat zum einen ganz bestimmt etwas damit zu tun,dass sehr viele Entscheidungen politisch motiviert waren. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Hürden bei uns in Hessen vergleichsweise sehr hoch sind.
Erstens. Ein Beschluss der Härtefallkommission, dem Innenminister die Aufenthaltsgewährung aufgrund eines Härtefalls zu empfehlen, muss mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden. Dieses Quorum ist willkürlich festgelegt und hat überhaupt keine Grundlage im Aufenthaltsgesetz.Wir haben das schon damals kritisiert.Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf genügt die einfache Mehrheit. Das tragen wir als SPD-Landtagsfraktion mit.
Zweitens. Die derzeitig geltende Rechtsverordnung der Landesregierung sieht vor, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a Aufenthaltsgesetz generell ausgeschlossen sein soll, „wenn... der Ausländer nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt einschließlich des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes zu sichern“. Das ist ebenfalls eine sehr hohe Hürde. Das Aufenthaltsgesetz regelt die Sicherung des Lebensunterhalts so überhaupt nicht, sondern zielt immer auf eine Einzelfallbetrachtung ab. Hessen kehrt also die Systematik des
Bundesgesetzes an dieser Stelle zulasten der Hilfesuchenden um. Mit unserem Antrag, den wir bereits im letzten Plenum diskutiert haben, möchten wir das ändern.
Auch in der fraktionsinternen Anhörung, die wir damals durchgeführt haben, wurde von Vertretern beider Kirchen dringlich darauf hingewiesen, dass die Anerkennung als Härtefall nicht von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden darf. Um einzelne Sozialhilfeträger nicht über Gebühr zu belasten, kann man durchaus über die Einrichtung eines Ausgleichsfonds nachdenken. Solche Fonds gibt es in einigen Bundesländern bereits.
Drittens. Die zwingende Vorschaltung der Beratung der Fälle im Petitionsausschuss halten wir für verzichtbar, denn sie stellt wiederum eine Hürde dar. Das Verfahren ist intransparent und zufällig. Der Weg, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen hat, ist gut und findet unsere Zustimmung. Es soll in Zukunft, wie in allen anderen Bundesländern, eine Geschäftsstelle der Härtefallkommission geben, an die sich die Betroffenen wenden können. In einer Vorprüfungskommission wird dann entschieden, ob sich die Härtefallkommission mit dem Anliegen befassen wird.
Zum Schluss noch ein Aspekt, den ich bereits bei der Einbringung unseres Antrags betreffend politikfernere Besetzung der Härtefallkommission im vergangenen Plenum angesprochen habe. Wir als SPD wollen eine Zusammenarbeit aller Mitglieder auf Augenhöhe und mit gleichen Rechten. Das ist für uns nicht verhandelbar.
Wenn man, wie in anderen Bundesländern, an einem Tisch sitzt, lernt man voneinander und kann Verständnis für die Entscheidungen und die Arbeit des anderen aufbringen. Diese Chance sollten wir auch in Hessen wahrnehmen.
Gerne sind wir bereit,über die einzelnen Mitglieder in der Härtefallkommission zu reden. Die SPD-Landtagsfraktion kann sich durchaus eine Kommission vorstellen, in der überhaupt keine Abgeordneten vertreten sind. Das war Inhalt unseres ersten Antrags im März 2004. Unser heutiger Vorschlag zur Entsendung je eines Mitglieds aller im Hessischen Landtag vertretenen Fraktionen ist ein Kompromiss, und zwar zwischen einer Kommission, die ausschließlich von Politikern besetzt ist, und einer Kommission, die vollkommen politikunabhängig arbeitet.
Die von uns vorgeschlagenen Mitglieder beschäftigen sich in ihrem beruflichen Umfeld tagtäglich mit den Problemen von Migrantinnen und Migranten. Diese Fachkompetenz sollten sie in die Arbeit der Härtefallkommission einbringen. Mit Verlaub und mit Blick auf die Debatte im letzten Plenum: Die Qualifikation, die Menschen mitbringen, die sich beruflich tagtäglich mit nichts anderem als mit den Angelegenheiten und Problemen unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern beschäftigen, können wir Abgeordneten beim besten Willen nicht mitbringen. Ich möchte niemandem absprechen, seine Arbeit im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission bestmöglich und umfassend erledigt zu haben.Aber wenn Sie ganz ehrlich sind, meine Damen und Herren, dann geben Sie zu, dass das allein schon aus Zeitgründen einen großen Unterschied macht. Ich bin davon überzeugt, dass die neu zu berufenden Mitglieder der Kommission – wie schon die bisherigen Mitglieder – sehr verantwortlich entscheiden werden.
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Vorschläge betreffend die Zusammensetzung der Härtefallkommission gemacht. Ob das über eine Änderung der Rechtsverordnung,wie es die SPD-Fraktion beantragt hat und wie es das Aufenthaltsgesetz vorsieht, oder ob es über einen Gesetzentwurf geschieht, wie es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorschlägt, ist nicht so relevant. Wichtig ist aber, dass Entscheidungen der Härtefallkommission nicht vom politischen Tagesgeschäft überlagert werden und dass externer Sachverstand in die Arbeit eingebunden wird.
Meine Damen und Herren, es liegen betreffend die Besetzung der Härtefallkommission ein gemeinsamer Antrag von CDU und FDP, ein Antrag der SPD und ein Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Wir werden uns im Innenausschuss mit den jeweiligen Initiativen weiter beschäftigen.Ich gehe davon aus,dass uns diesmal eine Anhörung nicht verwehrt werden kann, wie es 2004 geschehen ist. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir eine vernünftige Lösung finden werden.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Frau Waschke. – Herr Greilich, Sie haben Gelegenheit, für die FDP-Fraktion Ihre Position darzulegen.
Herr Kollege Greilich, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass in 14 Bundesländern eine solche Geschäftsstelle vorgeschaltet ist? So funktioniert das in 14 anderen Bundesländern. Haben Sie das zur Kenntnis genommen?
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man hat es vielleicht in unseren Reihen gemerkt, wir sind – Petra, wie hast du gerade gesagt? – fassungslos. Herr Bellino, aber okay. Zur Sache. Mit dem Aufenthaltsgesetz hat der Bundesgesetzgeber die Landesregierung ermächtigt, eine Härtefallkommission zu berufen. Damit wurde auch eine Aufenthaltsgenehmigung in Härtefällen geregelt, die von festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen abweicht. So weit zu den Fakten.
Bereits im März und im Dezember 2004 hat die SPDLandtagsfraktion Anträge auf Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen gestellt. Allerdings wollten wir damals schon externen Sachverstand in diese Kommission berufen.Alle unsere Anträge wurden von CDU und FDP abgelehnt. Stattdessen haben die Christdemokraten gemeinsam mit den Liberalen einen eigenen Antrag eingebracht. Seitdem arbeiten in Hessen, anders als in 14 anderen Bundesländern, Politikerinnen und Politiker in der Härtefallkommission.
Wir haben in unserem Antrag erneut sehr konkret vorgeschlagen, wie wir diese Kommission in Zukunft besetzen wollen. Sie können das alles nachlesen. Das ist der Weg, den wir von Anfang an verfolgt haben. Wir begrüßen allerdings ausdrücklich, dass CDU und FDP offensichtlich doch erkannt haben, dass unser Weg der bessere ist.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit Ihrem Antrag wollen Sie nun die Besetzung der Härtefallkommission überdenken und überprüfen. Aber eines möchte ich heute schon sehr deutlich sagen: Eine beratende Rolle für die NGOs, und Politikerinnen und Politiker entscheiden – das wird es mit der SPD nicht geben.
Wir wollen eine Zusammenarbeit auf einer Augenhöhe mit gleichen Rechten für alle Mitglieder, weil alle gemeinsam die Verantwortung für die getroffene Entscheidung tragen werden. Das fordert übrigens die Caritas in einer Pressemitteilung von heute Morgen auch.
Allerdings habe ich mich schon gefragt,wie es zu dem Sinneswandel in Ihrem Antrag gekommen ist – just ein paar Tage, nachdem ich mit Minister Bouffier über die Umsetzung unseres Antrages gesprochen habe.
Besonders freut mich der Satz in dem CDU-Antrag: „Die Entscheidungen der Härtefallkommission können hierdurch auf eine noch breitere gesellschaftliche Basis gestellt werden
und die Akzeptanz der Entscheidung erweitert werden.“
Das nämlich ist genau das, womit ich unseren Antrag gegenüber dem Minister begründet habe. Es ist genau das Ergebnis, das damals herausgekommen ist, als wir dazu eine Anhörung gemacht haben.
Aber okay. Ich freue mich, dass meine Argumentation Eingang in diesen Antrag gefunden hat. Entweder zeugt diese Tatsache von guter Argumentation oder von Lernfähigkeit.
Zum Schluss möchte ich noch zu einem wichtigen Punkt kommen: die überaus hohe Hürde der Lebensunterhaltssicherung. Jeder, der in der Härtefallkommission gearbeitet hat, weiß, dass es Fälle gab, in denen wir nicht helfen konnten, weil der Lebensunterhalt nicht gesichert war. Insbesondere ältere und kranke Menschen und Familien haben diese Hürde oft nicht geschafft. Auch der Minister hatte Schwierigkeiten gehabt, anzuordnen, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert war.Menschliche Schicksale waren zweitrangig. Der Lebensunterhalt bzw. der Sozialhilfebezug zählte.
Das wollten wir in der vergangenen Legislaturperiode bereits ändern und haben auch entsprechende Anträge dazu gestellt. Ich erspare Ihnen und mir, darüber weiter zu philosophieren, was mit diesen Anträgen passiert ist.
Heute wollen wir die Verordnung zur Härtefallkommission in Hessen an die Bundesgesetzgebung angleichen. Das heißt – ich zitiere –:
Die Empfehlung nach § 23a Aufenthaltsgesetz kann im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen, ob die Ausländerin oder der Ausländer den Lebensunterhalt sichern kann oder ob eine Verpflichtungserklärung... abgegeben wird.
Bisher ist es so, dass in Hessen der Lebensunterhalt zwingend gesichert sein muss.Verpflichtungserklärungen bzw. das Einvernehmen des Sozialhilfeträgers sind möglich, aber wir wissen aus der Erfahrung der Härtefallkommission: Sie sind sehr selten.
Wir wollen übrigens auch Vertreter der kommunalen Familie in die Härtefallkommission berufen, um ihnen gerade in diesem Punkt ein Mitspracherecht einzuräumen.
Um bereits heute einer Legendenbildung vorzubeugen: In Hessen wurden von 2005 bis 2007, also in drei Jahren, 36 Fälle von der Härtefallkommission positiv empfohlen und 32 Fälle vom Innenminister angeordnet.
Ich komme zum Schluss. – Nachzulesen ist das im Tätigkeitsbericht der Härtefallkommission.
Ich bin sehr davon überzeugt, dass diese überschaubare Zahl von Menschen, die ein schweres Schicksal zu tragen haben, den zuständigen Sozialhilfeträger nicht in den Ruin treiben wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass – wenn die Konnexität greift – das Land Hessen dies irgendwie verkraften wird.
Ich freue mich auf die Diskussionen im Innenausschuss und hoffe, dass wir endlich zu einer vernünftigen Lösung kommen, und zwar im Sinne der Menschen, die ihre Hoffnung auf uns setzen. – Vielen Dank.