Wolfgang Decker

Sitzungen

17/11 17/18

Letzte Beiträge

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Es mag die 16. oder 17. Welle der Neustrukturierung der Telekom sein. Sie überrollt nunmehr auch die Callcenter in Kassel und Gießen.
Wir wissen, dass sich auch ein Unternehmen wie die Telekom Modernisierungs- und Neustrukturierungsprozessen stellen muss.Wir wissen, dass es das machen muss, um auf dem immer härteren Markt wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben. Wir wissen aber auch eines: So geht man mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht um.
Die Art und Weise, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter quasi über Nacht vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, war kein guter unternehmerischer Stil. Schon in der Vergangenheit haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhebliche Zugeständnisse machen müssen und auch Einbußen hingenommen – und das alles, um ihre Arbeitsplätze zu sichern.
Umso bitterer ist die bevorstehende Schließung der Callcenter an diesen Standorten. Sicher hat die Telekom – nach ihren eigenen Worten – alle Anstrengungen unternommen, um die Standortschließungen und Arbeitsplatzverlagerungen sozial verträglich zu gestalten. Aber seien wir einmal ehrlich und sehen es ganz pragmatisch: Das nützt einer Teilzeitkraft mit ein oder zwei Kindern gar nichts, wenn sie dafür jeden Tag nach Fulda oder nach Eschborn 100 km hin- und wieder zurückfahren muss.
Wir sind ebenso der Auffassung, dass die Schließungspläne nicht einer Standortverantwortung gerecht werden, die auch ein solches Unternehmen an den Tag legen sollte. Wir haben zudem die nicht unbegründete Sorge, dass die Telekom aufgrund der Standortschließungen in Kassel und Gießen gerade in diesen Regionen einen Vertrauensverlust bei den Kunden, die ihr bisher treu geblieben sind, wird hinnehmen müssen.
Bisher waren fast jedes Mal,wenn eine solche Welle rollte, Kassel und Gießen betroffen. Dies hat die einstmals traditionellen Standorte – ehedem der Post, später der Telekom – bereits mehrere Hundert Arbeitsplätze und, was uns am meisten ärgert, auch Ausbildungsplätze gekostet.
Es ist aus unserer Sicht auch strukturpolitisch in keiner Weise vertretbar, wenn Standorte mit relativ hoher Arbeitslosigkeit geschlossen und die Arbeitsplätze an Standorte mit relativ geringer Arbeitslosigkeit verlagert werden. Der Hinweis darauf, dass durch diese Umstrukturierung in Hessen insgesamt 400 zusätzliche Telekom-Arbeitsplätze entstanden sind, mag aus Sicht der geschäftsführenden Landesregierung positiv bewertet werden. Ich will das gar nicht negativ darstellen.Aber den betroffenen Menschen an den Standorten Gießen und Kassel nützt das gar nichts.
Übrigens sehen wir bisher keinen nachvollziehbaren Grund – es gibt auch keine Fakten, die das belegen –, warum ein Callcenter, dessen Mitarbeiterzahl von 400 auf 700 wächst, künftig rentabel arbeiten soll. Ich bin unserer Fraktionsvorsitzenden Andrea Ypsilanti sehr dankbar dafür,dass sie sich klar und deutlich für einen Stopp der Verlagerungspläne eingesetzt hat.
Ich will auch dem Kasseler Oberbürgermeister,den Stadtverordnetenversammlungen beider Städte sowie den Abgeordneten vor Ort danken, die sich dafür eingesetzt haben.
Leider haben wir dieses Engagement bei der geschäftsführenden Landesregierung nicht in gleicher Weise wahrnehmen können. Oder es ist im Verborgenen geschehen.
Das ist im Übrigen auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor Ort aufgefallen. Es kursierte dort die Vermutung, die Landesregierung sei bereits im Vorfeld von den Verlagerungsplänen informiert gewesen. Das reichte bis zu der Vermutung, man habe aus bestimmten Gründen die Standorte Fulda und Eschborn präferiert.
Herr Staatsminister Dr. Rhiel hat allerdings in einem persönlichen Schreiben versichert – das will ich an der Stelle konzedieren –, dass dies nicht zutreffend sei. Deshalb will ich nicht weiter darauf eingehen.
Sehr wohl will ich an dieser Stelle anmerken, dass das Gefühl zurückbleibt, dass die geschäftsführende Landesregierung in dieser Sache einiges mehr hätte tun können.
Wenn es noch eine kleine Chance geben sollte, diese Standortverlagerung zu verhindern, sollte sie sofort genutzt werden.
Wir fordern daher hier und heute die Landesregierung auf, beim Vorstand der Telekom zu intervenieren und für die Beibehaltung der beiden Standorte zu kämpfen. Auf jeden Fall muss dem Vorstand die Zusage abgerungen werden, dass wir in anderen Telekom-Geschäftsbereichen in Kassel und Gießen adäquate Arbeitsplätze anbieten können, damit die Betroffenen nicht hin- und herfahren müssen.
Im Übrigen verweise ich auf den von uns vorgelegten Dringlichen Antrag. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön, wenn man bereits zuvor so viel Sympathie besitzt. Ich denke aber, dass ich diese nach meinem Vortrag bei der Mehrheit dieses Hauses noch immer haben werde. – Es war klar, dass sich diese Grundstücksangelegenheit – das hat sich im Haushaltsausschuss bereits abgezeichnet – ein Stück weit zu einer kleinen Generaldebatte zu diesem Projekt entwickeln würde. Wir haben soeben die Auffassung von Herrn Kaufmann sowie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr deutlich gehört.Meine Fraktion sieht dies aber anders.Ich will versuchen, anhand einiger weniger Punkte darzulegen, warum wir diesem Antrag heute zustimmen werden.
Aus der Antragsvorlage sowie aufgrund der ausführlichen Diskussion im Haushaltsausschuss ergibt sich für uns demnach folgendes Bild: Die vorgesehene Grundstücksveräußerung ist in ein Konzept zum Flächenmanagement für den Ausbau des Flughafens Kassel-Calden eingebettet. Das Land will, um eine Existenzgefährdung angrenzender Landwirtschaftsbetriebe – hierzu gehört auch der angesprochene Betrieb – zu verhindern, die eben angesprochenen Grundstücke zum Verkehrswert zur Verfügung stellen.
Wie seitens des Fachressorts erläutert wurde – wir haben im Moment keinen Grund, anzunehmen, dass dies nicht richtig sein könnte, und dies werden wir im Anschluss sicherlich noch hören –, werden sämtliche Grundstücksgeschäfte mit 200 Betroffenen, hierzu gehören die eben angesprochenen Landwirte, nach einem einheitlichen und üblichen Verkehrswert behandelt. Das heißt, die Verhandlungen werden auf einer hierfür festgelegten Grundlage mit allen Betroffenen gleich geführt.
Bei der Diskussion ist wiederum angemerkt worden, dass ein einzelner Betroffener mit Sonderkonditionen aus dem Klageverfahren herausgekauft werden solle. Es mag nun jeder seine eigenen Vorstellungen haben und dies für sich selbst interpretieren,doch sagen wir ganz einfach:Fakt ist, dass ganz offensichtlich alle Betroffenen, gemäß den üblichen Verkehrswerten,gleich behandelt worden sind.Das ist nach unseren Informationen auch von landwirtschaftlichen Sachverständigen attestiert worden.
Meine Damen und Herren, kurzum: Es wird Betriebsvermögen genommen, und Betriebsvermögen wird im Gegenzug durch landwirtschaftliche Flächen und Forstflächen ersetzt.
Auch bei den eben in Rede gebrachten zusätzlichen Entschädigungssummen von 250.000 c und Ähnlichem handelt es sich laut Fachressort um eine übliche Vertragssumme, die für den Fall vereinbart wird, dass ein Vertrag am Ende nicht zustande kommt. Dies ist im Ausschuss bereits ausführlich dargelegt worden.
Meine Damen und Herren, alles in allem ist die beabsichtigte Grundstücksveräußerung daher nach unserer Auffassung fiskalisch nicht zu bemängeln und auch nicht zu beanstanden. – Das ist die eine Seite.
Die zweite Seite befasst sich mit dem Kern der Sache. Natürlich wird mit der vertraglichen Einigung mit den Betroffenen ein Rechtsstreit beigelegt – aber doch auch deswegen, weil die Betroffenen ihre wirtschaftlichen Interessen mit dem Angebot gewahrt sehen.Wenn die das so sehen,dann ist es am Ende auch so.Die existenzgefährdeten Betriebe klagen nicht mehr aktiv; das ist eben schon angedeutet worden. Das Gericht hat, soweit uns bekannt ist, auf Antrag der bisherigen Kläger das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Damit ist auch aus unserer Sicht eine Hürde für dieses regionalpolitisch wichtige Vorhaben beseitigt worden.
Dass die Grundstücksangelegenheit bereits jetzt vertraglich geklärt werden soll und nicht erst nach Abschluss des derzeit vor dem VGH laufenden Klageverfahrens, gehört nach unserer Auffassung ebenfalls zu einem ordentlichen Verfahren. Der notwendige Grunderwerb war und ist nach unserer Auffassung wichtiger Bestandteil sorgfältiger Vorbereitungen und Umsetzungen im Planfeststellungsverfahren.
Im Übrigen wird mit der heutigen Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag auch nichts vorweggenommen; so sehen wir das. Es werden im Vorfeld einer anstehenden Entscheidung des VGH – das Verfahren läuft zurzeit – hierdurch nach unserer Auffassung auch keine Fakten im Vorweg geschaffen. Denn der Kaufvertrag soll unter der befristeten aufschiebenden Bedingung geschlossen werden, dass die Flughafen GmbH Kassel das Vorhaben auch tatsächlich ins Werk setzt. Würde das derzeit vor dem VGH anhängige Klageverfahren dazu führen, dass der Beschluss des RP Kassel vom Juli 2007 tatsächlich gekippt werden sollte, kann – so einfach ist die Logik – auch nichts ins Werk gesetzt werden.Das heißt,der Vertrag wäre dann ohnehin hinfällig.
Ich will es einmal auf den Punkt bringen. Der Grundstücksverkauf ist aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Baustein für das Projekt Flughafen Kassel-Calden insgesamt. Das Projekt hat große Bedeutung für die Entwicklung der gesamten Region. Es geht um die wirtschaftliche Weiterentwicklung Nordhessens, die auch weiterhin dringend erforderlich ist. Ich glaube, auch das ist unstrittig in diesem Hause. Dabei geht es uns Sozialdemokraten, wie bei dem vorhergehenden Antrag auch, immer um wichtige Arbeitsplätze, die neu geschaffen werden sollen, und um Arbeitsplätze, die in der Region erhalten werden müssen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ja, das ist eine Punktlandung. Ich wollte nur noch sagen: Ich bitte um breite Zustimmung des Hauses. – Herzlichen Dank dafür.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Kollege Decker. Der Beifall vor der Rede war wohl als Mutmacher gedacht. Dies war Ihre erste Rede im Hessischen Landtag. Herzlichen Glückwunsch dazu.
Ich wünsche Ihnen, dass bei allen Reden die Stimmung im Hause so ist. – Meine Damen und Herren, ich darf Herrn Kollegen Blum für die FDP-Fraktion ums Wort bitten.