Britta Ernst

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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, dass unser Antrag so eine Dynamik in die Diskussion gebracht hat, weil es in der Tat seit vielen Jahren ein überfälliger Missstand ist, dass die Gewerkschaften nur am Katzentisch in diesem Kuratorium sitzen können.
Wir möchten zum einen, dass endlich erreicht wird, dass die Sozialpartner auch in diesem Teil der beruflichen Bildung gemeinsam arbeiten, wie es sonst auch ein Markenzeichen der deutschen Berufsbildung ist. Wir wollen aber auch erreichen, dass der staatliche Einfluss auf die beruflichen Schulen gesichert bleibt. Deshalb freuen wir uns auch, wenn unser Antrag weitere Zustimmung erhält.
Ich glaube, es ist ein gutes Signal, das wir heute – wie ich hoffe, mit breiter Unterstützung – geben können, und ich bin sicher, dass wir in der nächsten Legislaturperiode eine Konkretisierung finden, die dem entspricht, was wir heute auf den Weg bringen. – Danke.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Seit vielen Jahren gelingt es einer großen Zahl von Jugendlichen in Hamburg nicht, nach der Schule eine Berufsausbildung zu beginnen, obwohl sie das gerne tun würden. In der Altersgruppe der 15- bis Unter-25-Jährigen sind viele Menschen arbeitslos, darunter viele sogenannte Altbewerber. Es fehlen immer mehr echte duale Ausbildungsplätze. In konjunkturell guten Zeiten werden die Rückgänge der Vorjahre nie vollständig ausgeglichen, sodass der langfristige Trend bei den Ausbildungsplätzen negativ ist. Das hat sich auch bei den Jugendlichen herumgesprochen. Viele sehen schon während ihrer Schulzeit keine berufliche Perspektive und kennen in ihrem Freundeskreis nur Jugendliche, denen es misslungen ist, eine Ausbildungsstelle zu finden.
Viele Hamburger Jugendliche verlassen die Schulen mit unzureichenden Kenntnissen. Wir können uns zwar darüber freuen, dass die Quote der Jugendlichen, die die Schulen ohne Abschluss verlassen, auf 8 Prozent gesunken ist, aber wir wissen aus empirischen Untersuchungen, dass die Gruppe der Risikoschüler, denen die Basiskompetenzen zum Lesen, Schreiben und Rechnen und damit die Voraussetzungen, um eine Ausbildung zu beginnen, fehlen, rund 25 Prozent umfasst.
Als Reaktion auf diese Missstände hat sich in den letzten Jahren ein sogenanntes Übergangssystem aufgebaut, das viele Maßnamen umfasst, die den Jugendlichen helfen sollen. Dieses System ist sehr
groß geworden, viele Jugendliche landen dort. Wir wissen aber, dass dieses System den Jugendlichen häufig nicht hilft, sondern sich eine Warteschleife an die andere reiht.
Wir stehen hier vor einem der wichtigsten Probleme in Hamburg. Wer es nicht schafft, einen Beruf zu erlernen, wird immer Schwierigkeiten haben, sein Leben eigenverantwortlich zu organisieren und wird auch immer wieder von Arbeitslosigkeit bedroht sein. Wir wollen, dass alle Hamburger Jugendlichen, die nicht studieren wollen, in Hamburg eine Ausbildung machen können.
Wie das zu schaffen ist, gehört nach unserer Auffassung ganz oben auf die politische Tagesordnung.
Hamburg hat sich auf den Weg gemacht, das Übergangssystem umzustrukturieren mit dem Ziel, allen Jugendlichen eine Perspektive zu ermöglichen, die Maßnahmen neu zu konzipieren und die Warteschleifen zu verbessern. Diese Ziele sind richtig und werden von der SPD-Fraktion auch unterstützt. Die Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt allerdings, dass dieser Prozess erst begonnen hat. Ich möchte daher auf einige Themen näher eingehen.
Über 60 Millionen Euro werden in diesem Übergangssystem ausgegeben. Es ist das Verdienst des Rechnungshofes, diese Zahlen zusammengestellt zu haben, und ich meine, dass sein Bericht wichtig ist. Er zeigt das enorme Volumen an Geld, er zeigt aber auch, dass wir diese Mittel sicherlich effizienter anwenden könnten, um mehr Jugendlichen besser zu helfen, denn die aufgewendete Summe ist erheblich. Wenn wir uns anschauen, wie vielen Jugendlichen es wirklich gelungen ist, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, dann können wir das sicherlich noch besser hinbekommen.
Der zweite Punkt berührt den Bereich der Umstrukturierung des Übergangssystems. Die Schulbehörde sagt – und das finde ich auch völlig richtig –, dass die Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden und noch Förderbedarfe haben, eine Ausbildungsvorbereitung bekommen sollen. Das ist zwar eine Reparaturmaßnahme, aber solange wir die allgemeinbildenden Schulen nicht noch besser machen, werden wir das brauchen. Die Jugendlichen, die weder im dualen System noch im schulischen System einen Ausbildungsplatz erhalten, sollen dann im Rahmen des Hamburger Ausbildungsplatzmodells eine Perspektive bekommen. Das ist der Kern der Reform der Schulbehörde und diese Reform finden wir auch richtig.
Etwas enttäuscht waren wir dann aber über die Zahlen. Gerade einmal 50 Jugendliche profitieren von dieser neuen Ausbildungsgarantie, die ein Kernstück der Reform sein soll, und nur 98 Jugendlichen wurde im Rahmen des Hamburger Ausbildungsmodells ein Ausbildungsplatz angeboten. Angesichts der großen Problemlage sind das eher bescheidene Zahlen. Wir hätten uns gewünscht, dass insbesondere die Ausbildungsgarantie die erfolgreichen Maßnahmen von QuAS und EQJ früher mit einbezieht. Das ist wichtig, damit sich unter Hamburgs Jugendlichen herumspricht, dass der Staat sie nicht alleine lässt, und damit wir der fehlenden Motivation, die sich häufig schon in Klasse 7 einstellt, entgegenwirken können.
Als nächstes möchte ich kurz auf die Produktionsschulen eingehen. Wir haben zu den Produktionsschulen einige Daten abgefragt und die Antworten haben uns ehrlicherweise nicht so erfreut. Frau Senatorin Goetsch, Sie wissen, dass wir es mit gewisser Skepsis begleitet haben, dass Sie die Anzahl der Produktionsschulen auf zehn ausweiten wollen. Durch die Senatsantwort auf unsere Große Anfrage sehen wir uns darin auch bestätigt. Die Produktionsschulen haben ausdrücklich nicht das Ziel, Jugendlichen zu einem Hauptschulabschluss zu verhelfen, sondern sie eine Anbindung an Ausbildung finden zu lassen. Wenn wir aber einmal auf die Bilanz der vier Produktionsschulen schauen, die nach Altona auf den Weg gebracht worden sind, so haben, das sagen Sie selber in Ihrer Senatsantwort, 94 von 304 Jugendlichen den Besuch dieser Schulen abgebrochen. Das sind über 30 Prozent, Frau Senatorin, und das ist eine Größenordnung, bei der man nicht einfach so weitermachen kann wie bisher. Wir brauchen keine neue Warteschleife mit einem tollen Namen, sondern Maßnahmen, die wirklich eine Verbesserung bringen.
Wir haben eine Ausbildungsplatzlücke in Hamburg. Das liegt auch daran, dass die Hamburger Wirtschaft trotz vieler Anstrengungen nicht genügend ausbildet. Wir haben aber auch das Problem, dass der Staat dort, wo er selber ausbildet – in den Bereichen Kranken- und Altenpflege und im Erziehungsbereich – in seiner Ausbildungsbereitschaft stagniert. Diese Entwicklung lässt sich leider bundesweit beobachten. Es werden Maßnahmen im sogenannten Übergangssystem angeboten, aber dort, wo wirklich Ausbildungen gemacht werden könnten und wo wir als politische Gestalter nicht von der Privatwirtschaft abhängig sind, stagniert es. Das Schulberufssystem, so nennt es sich, stagniert in Hamburg bei 16 Prozent und diese Quote liegt sogar unter dem Bundesdurchschnitt. Hier muss auf jeden Fall mehr ausgebildet werden. Wir brauchen die Fachkräfte, gerade im pflegerischen Bereich, und wir sollten auch mit gutem Beispiel
vorangehen, wenn wir von der Privatwirtschaft weitere Ausbildungsanstrengungen verlangen.
Ein weiteres Thema, über das wir gerne im Ausschuss beraten wollen, ist die Berufsorientierung an den Stadtteilschulen. Es ist eine richtige Entwicklung, dass an allen Hamburger Stadtteilschulen mit der Berufsorientierung begonnen wird. Wer aber in Hamburg unterwegs ist und sich darüber informiert, was denn in der Praxis gemacht wird, der findet neben viel Licht auch viel Schatten. Wir müssen erreichen, dass das Licht sich in die Fläche ausbreitet und die Schatten reduziert werden. Es gibt zwar Konzepte, die auf dem Papier stehen, die aber nicht wirklich dazu beitragen, dass Jugendliche eine bessere Berufsorientierung bekommen.
Trotz aller Bemühungen ungelöst – und das trifft uns als Schulpolitiker immer hart – ist weiterhin das Problem der Statistik. Wir würden es gern erreichen, dass die Zahlen auch irgendwie zusammenpassen, wenn wir Dokumente verschiedener Träger zur Hand nehmen. Das ist nach wie vor nicht so, da gibt es großen Handlungsbedarf. Wir wissen, dass die Schulbehörde das nicht anders sieht, und hoffen da auf Besserung.
Auf einen letzten Punkt wollen wir unser Augenmerk legen; auch der Rechnungshof hat ihn angesprochen. Es tagen eine ganze Menge Arbeitsgruppen zu diesem Thema. Es gibt ein Planungsteam – ehemals AG Zusammenarbeit –, in dem sich die verschiedenen Behörden mit den Bezirken und team.arbeit.hamburg treffen und die Lenkungsgruppe des "Aktionsbündnisses für Bildung und Beschäftigung", in der noch einmal die gleichen Leute zusammensitzen, allerdings mit Handelskammer, Handwerkskammer und den Gewerkschaften. Natürlich gibt es auch im HIBB, das den Prozess gestaltet, Arbeitsgruppen – insgesamt acht – plus einer Koordinierungsgruppe. Wenn man das unstrukturierte Übergangssystem neu und gut strukturieren will, dann sollte man das nicht mit einer Arbeitsstruktur machen, die selber unübersichtlich ist und in der es lauter Überschneidungen gibt. Es wäre deshalb klug, dem Rat des Rechnungshofs zu folgen und diese immense Anzahl von Arbeitsgruppen zu reduzieren, in denen häufig dieselben Leute sitzen, die sich in verschiedenen Runden über die gleichen Themen unterhalten. Das ist doch Ressourcenverschwendung.
Soweit unsere Einblicke. Eines noch zum Schluss: Die Klagen der Wirtschaft über den drohenden Fachkräftemangel sind nicht zu überhören. Aufgrund des demografischen Wandels haben wir jetzt die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen Ausbildungsplatz finden. Wir müssen
dieses Zeitfenster sehr energisch nutzen, denn sonst vernachlässigen wir ein wichtiges Potenzial an Arbeitskräften. Da passiert nichts von alleine; der Fachkräftemangel auf der einen Seite und die unausgebildeten Jugendlichen auf der anderen Seite werden nicht automatisch zusammenfinden. Deshalb ist die Politik gefragt, gerade jetzt aktiv zu werden. Wir wünschen uns, dass die Schulbehörde da noch ein bisschen mehr Schwung in die Sache bringt und freuen uns auf die Beratung im Schulausschuss. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Einige wenige Anmerkungen möchte ich noch machen. Zum einen ist gefragt worden – Frau Heyenn, Sie waren es –, warum wir überhaupt einen Antrag eingebracht haben. Wir hatten nach diesem Volksentscheid, der uns alle
sehr betrifft, in der Tat die große Sorge, dass die Hamburgische Bürgerschaft nach der Sommerpause gar nicht mehr darüber diskutiert. Wenn wir diesen Antrag nicht eingebracht hätten, dann wäre das auch nicht passiert. Das wäre untergegangen in Fragen von Nichtregierungserklärung und Bürgermeisterwahl und das hätten wir als sehr unangemessen empfunden, weil wir politisch in dieser Frage sehr engagiert sind. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass wir auch deshalb eine Sondersitzung vor Schulbeginn gefordert haben, weil wir es nötig fanden, dass über diese Dinge auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Es stimmt, dass wir einen besseren schulpolitischen Austausch zwischen den Fraktionen als zu manch anderer Zeit haben, aber wir müssen auch feststellen, dass wir nicht die Gesamtheit der hamburgischen Öffentlichkeit darstellen und nicht alles, was wir hier richtig finden, an den Schulen auch auf Akzeptanz stößt. Deshalb gehört eine größere Öffentlichkeit, eine öffentliche Debatte, eine Ausschussberatung dazu und deshalb auch dieser Beitrag und die Überweisung an den Schulausschuss. Mein Eindruck ist, dass es der Schulbehörde nicht geschadet hat, dass wir ein bisschen Druck gemacht haben, hier etwas zügiger Klarheit herzustellen.
Ich wollte zum Ausgang des Volksentscheids noch zwei, drei grundsätzliche Bemerkungen machen. Es ist so, dass wir eine große Niederlage bei der Frage des längeren gemeinsamen Lernens erlitten haben. Schaut man ein wenig über Hamburg hinaus, sieht man, dass sich bei der Frage des längeren gemeinsamen Lernens viele streiten, aber sich auch viele scheuen, diesen Weg zu gehen. Bei schulpolitischen Strukturfragen haben wir in Deutschland seit vielen Jahrzehnten einen großen Streit und eine Auseinandersetzung. Das unterscheidet dieses Thema von anderen Fragen. In der Frage kleiner Klassen gibt es eine viel größere Einigkeit als in der Frage, wie gegliedert unser Schulsystem sein soll. Schauen wir ein wenig zurück, so haben wir doch immerhin in Hamburg erreicht, dass es hier einen großen parteipolitischen Konsens darüber gibt, die Hauptschule nicht fortzuführen, sondern abzulösen und sich vom dreigliedrigen Schulsystem zu verabschieden. Das haben wir gemeinsam erreicht, das ist auch unstrittig in der Stadt. Wir haben nicht geschafft, die Trennung von zehnjährigen Kindern und die Sortierung auf weiterführende Schulen zu verhindern. Aber ich möchte zum Gesamtpaket sagen, dass die Schulstruktur in Richtung Stadtteilschule dennoch ein großer Schritt und eine große Verbesserung ist, weil Kinder eben nicht mehr in einem dreigliedrigen Schulsystem verteilt werden, sondern zwei
weiterführende Schulen vorfinden, die beide alle Wege bis zum Abitur offenlassen. Das ist eine Verbesserung und bei allem Kummer über das Ergebnis des Volksentscheids möchte ich noch einmal feststellen, dass wir jetzt doch eine Schulstruktur vorfinden, die die Voraussetzung bietet, um zu mehr Chancengleichheit und Leistungsorientierung zu kommen.
Seit dem Volksentscheid ist ziemlich viel Zeit vergangen und wir haben nach wie vor keinen Gesetzentwurf, mit dem der Volksentscheid umgesetzt wird. Meine Fraktion drängt sehr darauf. Es gibt grundsätzlich immer wieder die Diskussion, welche Relevanz Volksentscheide in dieser Stadt haben, und wir möchten auf jeden Fall den Eindruck verhindern, dass hier irgendetwas nicht ernst genommen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich, Herr Gwosdz, die Frage der Kommunikation der Starterschulen ansprechen. Die Verwirrung hat überhaupt nichts mit der Diskussion der SPD zu tun. Die Verwirrung hat damit zu tun, dass unmittelbar nach dem Volksentscheid aus der Schulbehörde das Signal gegeben wurde, dass diese 23 Schulen selbstverständlich alle geschlossen in einen Schulversuch übergehen würden. Das halte ich in der Tat für einen großen Fehler, der auch zu dieser Empörung in der Stadt geführt hat und dazu, dass wir als SPD uns dagegen geäußert haben, denn so kann es nicht gehen. Selbstverständlich brauchen wir für die Kinder, die jetzt in diesen Starterschulen sind, eine klare Lösung.
Ja.
Ich habe an der Pressekonferenz teilgenommen, die Senatorin Goetsch unmittelbar nach dem Volksentscheid einberufen hat, und da ist dieses Signal deutlich gegeben worden. Das ist auch in der Öffentlichkeit so wahrgenommen worden und hat zu den kritischen Diskussionen geführt. Ich bin sehr froh, dass es inzwischen eine ganz deutliche Aussage gibt – Frau Föcking hat das klargestellt –, dass das nicht der Fall ist und so nicht gemeint ist, denn das hätte in der Tat zwei Dinge berührt. Zum einen gab es das
Signal, der Volksentscheid werde nicht akzeptiert und es werde durch die Hintertür versucht, die Starterschulen einzusetzen, und zum anderen wird man auch den Eltern nicht gerecht, weil diese unter völlig anderen Bedingungen entschieden haben, ihre Kinder an den Starterschulen anzumelden. Deshalb ist unsere Forderung, dass diese Kinder selbstverständlich erst einmal da bleiben, wo sie sind, aber dass die Eltern umfassende Informationen über ihre Möglichkeiten bekommen, die sich sehr verändert haben. Da müssen wir als Bürgerschaft sehr schnell gesetzliche Klarheit schaffen, wie sich das Elternwahlrecht gestaltet, denn diese Eltern werden für die Entscheidung, ob sie ihr Kind dort ein halbes Jahr, ein Jahr oder zwei Jahre lassen, wissen wollen, ob sie nach Klasse 6 ihr Elternwahlrecht wahrnehmen können oder nicht. Dafür haben wir bisher keine ausreichende gesetzliche Klarheit. Diese müssen wir schaffen, damit die Eltern auch die Rahmenbedingungen gut verstehen. Ich hoffe, das hat noch einmal zur Verdeutlichung unserer Sichtweise beigetragen.
Wir teilen Ihre optimistische Einschätzung nicht, dass die Rechtsgrundlagen zu den Starterschulen so toll sind, wie Sie das dargestellt haben.
Zum zweiten Punkt, Frau Senatorin Goetsch, haben Sie eben sehr massiv gesagt, dass die gesetzlichen Grundlagen eingehalten werden müssten. Auch hinsichtlich der Fusionsschulen gibt es eine Reihe von Fragezeichen. Sie haben im Schulausschuss die Notwendigkeit dargelegt, dass die Schulen, die noch gar nicht fusioniert sind, jetzt fusionieren müssen, um dann in Ihren Gremien wieder die Trennung zu beschließen. Ich bin mir nicht sicher, ob man nicht auch einen einfacheren Weg finden kann und wir sind uns im Übrigen nicht sicher, ob die rechtliche Grundlage der Fusionsschulen überhaupt schon vorhanden ist. Insofern ist das Mindeste, was wir als Gesetzgebung erwarten können, dass die rechtlichen Grundlagen, auf denen eine Schulbehörde arbeitet, sauber sind. Mein Eindruck ist, dass das nicht so ist, wie es eigentlich sein könnte.
Dennoch gibt es viel zu tun und diese Debatte hat auch gezeigt, dass wir uns freuen, wenn wir diese Diskussion konstruktiv kritisch im Sinne der Kinder in Hamburg führen können. Wir werden uns in sicherlich vielen Schulausschusssitzungen damit befassen und hoffen, dass der Volksentscheid vor den Herbstferien auch mit seinen Ergebnissen umgesetzt wird und die vielen Fragen, die es noch in Hamburg gibt, auch beantwortet werden können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Jede Schulstudie bestätigt Hamburgs Schülerinnen und Schülern immer wieder, dass sich ihre Leistungen in den Kernkompetenzen am unteren Ende der Skala aller Bundesländer wiederfinden.
Ja, seit 2001, seit wir empirische Studien haben, ist es so.
Es muss ganz klar gesagt werden, dass trotz der vielen Reformen der letzten Jahre nach wie vor ein sehr hoher Anteil Jugendlicher in der Klasse 9 die Fähigkeiten zum Lesen, Schreiben und Rechnen nur auf dem Niveau von Grundschülern beherrscht, was absolut nicht hinnehmbar ist.
Zweitens ist die Abhängigkeit des Bildungswegs von der sozialen Herkunft in Deutschland und auch in Hamburg nach wie vor extrem hoch. Das große Problem ist, dass wir das nicht nur empirisch wissen, sondern dass viele Eltern dies auch spüren. Am deutlichsten artikulieren das zurzeit die Eltern mit Migrationshintergrund, die sich zusammengeschlossen haben und für die Schulreform aussprechen. Sie kennen inzwischen die Studien, haben aber auch die Erfahrungen ihrer eigenen Kinder und die von Freunden und Bekannten, die ihnen oft zeigen, dass die eigene Anstrengung nicht ausreicht, weil ihren Kindern von den Lehrerinnen und Lehrern nicht genug zugetraut wird. Sie haben auch die Ungerechtigkeit der Gymnasialempfeh
lung kennengelernt und sich deshalb zu Recht massiv für den Elternwillen eingesetzt, der Gott sei Dank erhalten bleibt. Wir müssen dringend verhindern, dass sich Kinder und Jugendliche schon sehr früh von der Schule abwenden, weil sie nicht glauben, dass sie dort etwas Gutes erwartet, somit der Weg der Integration also nicht gegangen wird, weil er als unrealistisch eingeschätzt wird. Diese Anstrengungen, die Kinder für ihre Bildung auf sich nehmen, müssen Erfolg haben und dürfen nicht durch systematische Benachteiligung, die es in unserem Schulsystem leider gibt, hintertrieben werden.
Wie Herr Freistedt gesagt hat, dürfen wir auch nicht übersehen, dass diese Studie erneut zeigt, dass auch die Schülerinnen und Schüler an der Leistungsspitze deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Auch diesen Kindern, die durch unser Bildungssystem nicht gut genug gefördert werden, nehmen wir Chancen. Einzig erfreulich ist das Abschneiden von Hamburger Kindern im Fach Englisch, was meiner Meinung nach gut zur Stadt passt, aber auch zeigt, dass man mit Bildungspolitik etwas erreichen kann, obwohl man manchmal schon am Verzweifeln ist, wenn diese Studien immer wieder diese schlechten Ergebnisse offenlegen. Auch ich finde es richtig, endlich alle Städte in Deutschland empirisch miteinander zu vergleichen, auch wenn wir ein Problem damit haben, Flächenländer mit Stadtstaaten zu vergleichen, wie Herr Freistedt gesagt hat. Ich teile jedoch auch die Auffassung, dass wir trotzdem bessere Ergebnisse brauchen und uns hinter diesen Statistiken nicht verstecken dürfen.
Die Schulreform setzt deshalb an vielen richtigen Stellen an. Am wichtigsten sind die deutlich kleineren Klassen in der Primarschule, die die Grundlage für individuelle Förderung bilden. Herausgestellt hat sich aber auch, dass der gute Fachunterricht nicht vernachlässigt werden darf, wie insbesondere die Ergebnisse in Englisch zeigen. Deshalb ist es wichtig, den guten Fachunterricht in den Klassen 5 und 6 tatsächlich zu realisieren. Sechs Jahre gemeinsames Lernen bieten die große Chance zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Wer in diese Studie tief einsteigt, bemerkt, dass es in Berlin tatsächlich gelingt, in der Empfehlung beim Übergang zum Gymnasium die soziale Herkunft nicht mehr wirken zu lassen. Berlin hat an diesem Punkt ein gerechtes Bildungssystem und was Berlin schafft, das sollten wir mit unserer Schulreform in Hamburg auch erreichen.
Überfällig ist die Einführung der Stadtteilschule, mit der endlich erreicht wird, dass lernfeindliche Milieus aufgelöst werden, die in Hamburg an vielen
Schulen anzutreffen sind, die als sogenannte Restschulen empfunden werden. Die Forscher sind inzwischen erstaunlich genau und sagen auch in dieser Studie, dass die Leistungsunterschiede, die Schülerinnen und Schüler in diesen Schulen beim Leseverständnis haben, zur einen Hälfte auf schlechte eigene Fähigkeiten und zur anderen Hälfte auf institutionelle Diskriminierung zurückzuführen sind. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler befinden sich in Milieus, in denen eigentlich überhaupt nicht gelernt wird und man sich gegenseitig nach unten zieht. Auch hier schneidet Hamburg besonders schlecht ab und deshalb brauchen wir dringend die Stadtteilschulen.
Eine kritische Anmerkung möchte ich zu der vorliegenden Studie machen. Sie ist von der KMK in Auftrag gegeben worden, weil überprüft werden sollte, ob die Schülerinnen und Schüler in Deutschland die Bildungsstandards, auf die sich die KMK verständigt hat, bei einem mittleren Abschluss erreichen. Ich bin etwas überrascht, dass in der Kurzfassung der Studie davon so gut wie gar nicht die Rede ist. Wir haben zwar die BundesländerRankings, die wir uns gerne ansehen, aber im Wesentlichen interessiert uns, ob die Standards, auf die sich die Bundesländer verständigt haben, von Hamburgs Jugendlichen erreicht werden, und hierzu habe ich in der Studie fast gar nichts gefunden. Auf der Homepage der BSB ist zu lesen, dass fast 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Jahrgangsstufe 9 beim Lesen nicht die Regelstandards erreichen; sie haben noch ein bisschen Zeit bis zu ihrem Abschluss, aber es ist trotzdem eine erschreckende Zahl. Mit diesem Thema, das wir auch im Schulausschuss auf der Tagesordnung haben, müssen wir uns weiter befassen.
Am wichtigsten aber ist die Abstimmung am 18. Juli und ich hoffe, dass viele Hamburgerinnen und Hamburger, die bisher noch nicht abgestimmt haben, hingehen, damit diese Reform auf den Weg gebracht werden kann. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wer für Hamburgs Kinder und Jugendliche bessere Bildung will, muss Geld in die Hand nehmen und die Hamburgische Bürgerschaft zeigt heute, dass sie das auch tut. Die Finanzierung, die in der Drucksache darlegt ist, steht im Zusammenhang mit der großen Schulreform, über die
wir am 18. Juli in einem Volksentscheid abstimmen, und sie weist in die richtige Richtung. Die Kosten werden sehr detailliert aufgeschlüsselt, worüber wir sehr froh sind, weil die Schulbehörde beim Thema Transparenz in Bezug auf die Ausgaben für Bildung auch einen gewissen Nachholbedarf hat, wenn man die letzten Jahre verfolgt, und insofern ist es auch angemessen, das einmal zu machen.
970 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer, Ausgaben von fast 75 Millionen Euro, das kann sich wirklich sehen lassen in Hamburg. Der Schwerpunkt liegt bei der frühen Bildung. In den Primarschulen wird es einen Rechtsanspruch auf kleine Klassen mit höchstens 23 Kindern und 19 Kindern in sozialen Brennpunkten geben, da setzt Hamburg wichtige Maßstäbe. Aber auch die Abschaffung des Büchergeldes, mehr Fortbildung und nicht zuletzt die wissenschaftliche Begleitung verbergen sich in dieser Drucksache. Uns ist es wichtig, diesen Beschluss hier und heute zu fassen, auch deutlich vor dem 18. Juli, damit die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg wissen, dass wir es wirklich ernst meinen mit der Schulreform und dass diese auch finanziell so ausgestattet wird, dass sie zu einem Erfolg werden kann.
Die Drucksache zeigt auch die Verbesserungen auf, die die SPD im Rahmen des Schulfriedens ausgehandelt hat, zum Beispiel der von mir genannte Rechtsanspruch auf Klassen mit 19 oder 23 Schülerinnen und Schülern und die verbindliche, sichere Einführung von Oberstufen an den Stadtteilschulen. Wir glauben, dass gerade diese Argumente sehr dazu beitragen, Eltern, die Zweifel an der Schulreform hatten, noch zu überzeugen. Deshalb ist es uns sehr wichtig, das heute hier auch finanziell zu untermauern.
Dieser große Zuwachs an Lehrerstellen korrigiert auch eine Altlast früherer CDU-Senate, die in ihrer Regierungszeit die größten Grundschulklassen Deutschlands in Hamburg zu verantworten hatten. Wir haben hier mehrfach das Märchen gehört, die Klassengröße sei egal für den Bildungserfolg, und wir sind froh, dass mit dieser Drucksache mit diesem Märchen endgültig Schluss ist.
Sie hätten in der Aktuellen Stunde die fünf Minuten nutzen können, um darauf hinzuweisen.
Ich möchte noch einmal einen Blick in die anderen Bundesländer werfen, weil kürzlich eine erneute OECD-Studie vorgelegt wurde. Diese belegt wie
der, dass Deutschland bei den Bildungsausgaben aufpassen muss, nicht abgehängt zu werden. Wir sind in diesem Vergleich der OECD-Länder nicht an führender Stelle, sondern Deutschland ist im hinteren Bereich. Da gibt es etwas aufzuholen und wir müssen auch wissen, dass es in anderen europäischen Ländern keinen Stillstand gibt, sondern dass man dort auch die Zeichen erkannt hat und deutlich in Bildung investiert. Schaut man sich die anderen Bundesländer an, dann erkennt man, dass Hamburg es eigentlich schwerer hat, weil der Anstieg der Bildungsausgaben in anderen Bundesländern mit der sogenannten demografischen Rendite finanziert werden soll. Dort sagt man, wir haben sinkende Zahlen von Schülerinnen und Schülern und die Ausgaben, die wir sparen, wollen wir im Bildungssystem belassen. Hamburg hat an der Stelle einen Nachteil, da in unserer Stadt die Schülerzahlen nicht sinken und wir diesen Effekt nicht haben. Insofern sind die Anstrengungen, die hier gemacht worden sind, auch besonders lobenswert.
Am 10. Juni fand der dritte Bildungsgipfel unter Kanzlerin Merkel statt, der gescheitert ist. Auch hier ist es der Kanzlerin nicht gelungen, auf die Herausforderungen des Landes zu reagieren. Der Streit ging ums Geld, man hat sich nicht geeinigt und durch diesen dritten Bildungsgipfel Deutschland nicht vorangebracht. Es gab eine Kommentierung in der "tageszeitung", die die Bundesländer in drei Kategorien eingeteilt hat, die Versager, die Schummler und als einziges Bundesland Hamburg mit Christa Goetsch die Streberin. Wir sind froh, dass Hamburg diesen Titel erhalten hat, der zwar etwas unfair ist, aber eben zeigt, dass auch in anderen Bundesländern gesehen wird, dass in Hamburg Ausgaben für Bildung getätigt werden und wir da eine Vorreiterrolle haben. Wir hoffen, dass durch diese Drucksache die Skepsis beseitigt werden kann, die es in Hamburg gegen die Schulreform gibt. Wir haben heute schon viele Reden zur Bildung gehört und wir sind uns im Haus auch alle einig. Nutzen wir die Zeit bis zum 18. Juli, um für eine Mehrheit in der Stadt zu sorgen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion fordert den Ersten Bürgermeister von Beust auf, Paragraf 7 des Senatsgesetzes anzuwenden und dafür zu sorgen, dass Finanzsenator Frigge die Amtsgeschäfte ruhen lässt.
Das ist ein notwendiger Schritt. Finanzsenator Frigge ist tief in den Parteispendenskandal der CDU in Rheinland-Pfalz verstrickt.
Wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Mittel ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz und hat Wohnung und Büroräume des Finanzsenators Frigge durchsucht. Spätestens diese Ermittlungen müssen Konsequenzen für den Finanzsenator haben. Er kann nicht für den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg weiterhin als aktiver Politiker agieren. Ein Finanzsenator, gegen den wegen der Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Mittel ermittelt wird, ist nicht glaubwürdig.
Während dieser Senat gerade den normalen Hamburger Familien bis zu 100 Euro mehr abknöpft und dies mit Sparzwängen begründet,
ist der Finanzsenator dem Vorwurf ausgesetzt, fast 400 000 Euro aus öffentlichen Mitteln zu Unrecht bezogen zu haben. Das ist eine unhaltbare Situation in Hamburg.
Haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU eigentlich alle Maßstäbe des politischen Anstands aufgegeben?
Die CDU-Fraktion in Rheinland-Pfalz steht unter dem dringenden Verdacht, Gelder der Fraktion für den Wahlkampf der CDU in Rheinland-Pfalz und den Spitzenkandidaten Böhr verwendet zu haben. Der Rechnungshof in Rheinland-Pfalz ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die CDU-Landtagsfraktion rund 386 000 Euro nicht bestimmungsgemäß verwendet hat.
Im Zentrum der Vorwürfe steht ein Betrag dieser Größenordnung, den die Firma C4 Consulting aus Mitteln der CDU-Fraktion erhalten hat. C4-Geschäftsführer war zu der Zeit unser Finanzsenator Frigge. Weder die CDU-Fraktion in RheinlandPfalz noch Finanzsenator Frigge konnten erklären, was mit diesem vielen Geld geschehen ist. Die CDU-Fraktion in Rheinland-Pfalz hat sich sogar an den damaligen Spitzenkandidaten Böhr und auch an Herrn Frigge gewandt und um Auskunft gebeten. Ohne Erfolg. Senator Frigge behauptet, es habe nur einen mündlichen Vertrag gegeben – bei einem Tagessatz übrigens von über 7 000 Euro –, er habe das Leistungsverzeichnis vor Ort abgegeben,
er habe keine Kopie und könne sich im Übrigen auch nicht so recht erinnern. Bei einem Auftrag in dieser Größenordnung ist das eine unglaubwürdige Einlassung und eine Ausrede, die für einen Senator nicht gelten kann.
Der Rechnungshof geht in seinem vorgelegten Bericht nach sehr umfangreicher Prüfung daher davon aus, dass die CDU-Fraktion in Rheinland-Pfalz rechtswidrig ein Konzept Wahlsieg 2006 mitfinanziert hat. Er legt weiterhin dar, dass es sehr deutliche Indizien für die Einbindung von C4-Geschäftsführer Frigge in Parteiaktivitäten im Wahlkampf gibt, und auch den Medien liegt eine ganze Reihe von Dokumenten vor, die genau dieses belegen.
So soll die Teilnahme von Senator Frigge an Wahlkampfbesprechungen belegt sein. Er habe Empfehlungen für Briefe des Landesvorsitzenden Böhr an Mitglieder abgegeben, Redebausteine für Böhr als Spitzenkandidat geschrieben und Leserbriefe für die CDU verfasst. Uns liegt auch eine Mail vor, in der er mitteilt, sie hätten sich noch einmal mit dem Mitgliederbrief befasst und die gesamte Tonalität des Briefes sollte aus ihrer Sicht persönlicher, wärmer und konkreter werden, um Christoph Böhr stärker als Mensch rüberzubringen. Formuliert wird dort auch, dass dieser Brief der Beginn einer umfassenden Kampagne sein soll, und es ist auch ein Entwurf für einen Mitgliederbrief beigefügt. All das weist auf eine rechtswidrige Form der Parteienfinanzierung hin.
Da es der CDU-Fraktion in Rheinland-Pfalz trotz Ihrer Anfragen nicht möglich war, die ordnungsgemäße Verwendung dieser fast 400 000 Euro nachzuweisen, hat sie die Rückzahlung dieser Steuergelder akzeptiert. Sie alle verwalten Fraktionsgelder und wissen, was für ein hoher Betrag das ist und was es für eine Fraktion bedeutet, dieses Geld nach einem Schuldeingeständnis zurückzahlen zu müssen.
Die Vorwürfe gegen den damaligen C4-Geschäftsführer Frigge werden seit Herbst 2008 öffentlich diskutiert. Trotzdem wurde Herr Frigge zum Staatsrat der Wirtschaftsbehörde durch den Ersten Bürgermeister von Beust berufen. Im Jahr 2009 ist der damalige Geschäftsführer der CDU-Fraktion in Rheinland-Pfalz verurteilt worden. Er hat ein Geständnis abgelegt und auch darüber informiert, dass der Wahlkampf aus Fraktionsmitteln finanziert wurde. All das konnte man den Hamburger Zeitungen entnehmen. Bekannt war auch, dass der dortige Rechnungshof die Fraktionskasse prüft. Das zog sich lange hin, weil eine vollständig chaotische Situation hinterlassen wurde. Aber alle wussten, dass dieser Bericht bald vorgelegt werden würde,
und vermutlich hat die CDU-Fraktion in RheinlandPfalz vorab eine Stellungnahme erhalten.
Während also alle wussten, dass noch längst nicht alles aufgeklärt ist und die Verstrickung weiterer Personen aufgearbeitet wird, benennt in Hamburg der Erste Bürgermeister von Beust am 31. März eine Schlüsselfigur des dortigen Parteispendenskandals in Hamburg zum Finanzsenator. Wie kann jemand so tief im Parteisumpf in Rheinland-Pfalz verstrickt sein
und dennoch Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg werden? Das hat sich wahrscheinlich jeder Einzelne der CDU-Fraktion auch schon einmal gefragt.
Am 16. April wurde der Rechnungshofbericht vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft hat, nachdem sie den Bericht zu den Ermittlungen hinzugezogen hat, daraufhin am 5. Mai Wohnungen und Büros mehrerer Beteiligter, auch die des Finanzsenators Frigge, durchsucht – Razzia beim Finanzsenator – und wieder zog der Erste Bürgermeister daraus keine Konsequenzen. Er mutet den Hamburgerinnen und Hamburgern einiges zu.
Die Widersprüche nehmen kein Ende. Senator Frigge lud nach der Hausdurchsuchung ausgesuchte Journalisten zu einem Hintergrundgespräch ein, denen das Märchen aufgetischt wurde, es handele sich nur um eine kleine Unstimmigkeit im Zusammenhang mit zwei Rechnungen. Diese Aussage wurde bereits am nächsten Tag von der Staatsanwaltschaft Rheinland-Pfalz dementiert, denn ermittelt wird über diesen Gesamtbetrag.
Aber auch der Erste Bürgermeister verwickelte sich in Widersprüche. In meiner Kleinen Anfrage fragte ich,
ob es zutreffend sei, dass Senator Frigge in seiner damaligen Funktion als Geschäftsführer von C4 dem damaligen Spitzenkandidaten der CDU in Rheinland-Pfalz, Herrn Böhr, vom Ersten Bürgermeister von Beust als Berater empfohlen wurde. Die klare Antwort des Senats war nein. Kurz danach kam schon das Dementi, denn die Senatssprecherin in Hamburg musste einräumen, dass es zwischen Böhr und von Beust wohl doch ein Gespräch über den Einsatz des C4-Geschäftsführers Frigge in Reinland-Pfalz gegeben hat.
Noch empörender sind jedoch die Äußerungen, die Senator Frigge zu den Vorwürfen gemacht hat. Er
hat gesagt, dass es ihm als Berater völlig gleichgültig hätte sein können, woher das Geld komme. Dies habe ich beim ersten Hören als Geständnis gewertet. Sagt er damit nicht, er dürfe als Berater die Partei im Wahlkampf aus Mitteln einer Fraktion beraten und wenn das unzulässig sei, wäre das deren Problem? So ist offenbar seine Sicht der Dinge.
Dem deutschen Gesetzgeber ist es allerdings nicht egal. Nach dem deutschen Strafrecht handelt es sich wohl um eine Straftat. Wer wissentlich öffentliche Mittel einnimmt, die für andere Zwecke vorgesehen sind, dem darf dies nicht egal sein. Er ist in Gefahr, sich der Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Mittel schuldig zu machen. Es ist unhaltbar, dass ein Senator diese Rechtsauffassung öffentlich vertritt.
Darüber hinaus ist es ein Skandal, dass ein Senator, der unter diesem dringenden Tatverdacht steht und gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt und Hausdurchsuchungen durchgeführt hat, die Finanzen der Freien und Hansestadt Hamburg verwaltet, als sei nichts gewesen.
Wie in den vergangenen Monaten möchten Sie wohl gerne den Kopf unter die Decke stecken, aber die Geschichte ist noch nicht vorbei. Wer in einem Geschäft eine Jacke stiehlt und am Ausgang erwischt wird, kann nicht die Jacke zurückgeben und sagen, damit sei die Sache erledigt.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Bundestagspräsident prüft eine Strafe gegen die Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz und die SPD-Fraktion in Rheinland-Pfalz erwägt einen Untersuchungsausschuss. Die Hamburger rätseln nun, was Ole von Beust dazu bewogen hat, ausgerechnet diesen Mann zum Finanzsenator zu machen. Man sagt, sie beide verbinde eine lange Freundschaft. Das muss kein Hinderungsgrund sein, jemand in den Senat zu berufen. Es darf aber auch kein Hinderungsgrund sein, Konsequenzen zu ziehen, wenn diese erforderlich sind. Das öffentliche Wirken von Senator Frigge ist eine Belastung für die Hamburger Politik
und gibt auch der Meinung Nahrung, Politiker könnten sich alles erlauben.
Der nicht widerlegte Vorwurf, zu Unrecht aus öffentlichen Mitteln finanziert worden zu sein, verträgt sich aus unserer Sicht nicht mit dem Amt eines Senators. Damit kann man als Berater weiter unterwegs sein, wenn die Kunden das akzeptieren, aber man kann nicht glaubwürdig nach außen dafür stehen, keinen anderen Interessen außer dem Wohle der Stadt zu dienen.
Der Bürgermeister von Beust ist in dieser Frage ein gebranntes Kind. Schon einmal hat er sehr lange gewartet, bis er einen guten Freund, der Senator war, Herrn Kusch, entlassen hat. Nachdem er es dann endlich fertiggebracht hatte und Herr Kusch vor die Tür gesetzt worden war, ist er demütig in Hamburger und überregionalen Zeitungen aufgetreten und hat auf die Frage, ob es ein Fehler war, zu enge Freunde in die Politik zu berufen, geantwortet: Ich werde keinen persönlichen Freund mehr in eine verantwortliche Position berufen. So lautete zum Beispiel der Titel in der "Bild"-Zeitung, aber es gab auch Artikel im "Stern" und in der "Zeit" und das Thema hat ihn damals sehr bewegt. Das war seine Erkenntnis im Jahr 2006 und heute, vier Jahre später, befindet er sich in der gleichen Lage, mit der gleichen Reaktion und mit einem immensen Schaden für die Stadt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn schon der Erste Bürgermeister die Konsequenz nicht aufbringt, dann helfen wenigstens Sie mit, dass Politik nicht weiter beschädigt wird. Wir haben noch die vielen Verteidigungsreden im Ohr, die aus Ihrer Fraktion für Herrn Kusch gehalten wurden. Ersparen Sie uns dieses unwürdige Schauspiel und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Schira.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Diese Wahl für den Richterwahlausschuss hat uns wieder einmal gezeigt, dass die Gleichstellung von Frauen nicht vorankommt, wenn wir uns selber nicht aktiv daran beteiligen. Wir haben in Hamburg die Situation, dass die Verfassung auch ausdrücklich die Bürgerschaft auffordert, hier aktiv zu werden, wenn es darum geht, öffentliche Gremien zu besetzen. Wir haben
das auch getan und die Wahl zum Richterwahlausschuss sogar vertagt, weil wir die in dieses Gremium Entsendende aufgefordert haben, doch noch einmal darüber nachzudenken, ob der Frauenanteil nicht erhöht werden kann. Wir sind sehr froh, dass es dem DGB gelungen ist, uns innerhalb von 24 Stunden im letzten Jahr einen weiblichen Vorschlag zu machen.
Wir sind aber sehr enttäuscht darüber, dass es der Rechtsanwaltskammer und den Vereinigungen der Unternehmensverbände leider nicht gelungen ist, hier nachzubessern. Wir sollten uns für die Zukunft vornehmen, unser Anliegen von vornherein etwas energischer vorzutragen und vielleicht auch einmal über eine höhere Verbindlichkeit dieser Regelung nachzudenken. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass in der Stadt eine große Einigung darüber besteht, dass nach der großen Zahl von Stimmen, die auf das Volksbegehren von "Wir wollen lernen" entfallen sind, wir alle nicht zur Tagesordnung übergehen dürfen. Mein Eindruck ist, dass das aus den Reden, die wir gerade gehört haben, noch nicht alle so verstanden haben. Deshalb möchte ich noch einmal dafür werben. Ich glaube in der Tat, dass diese hohe Zahl von Stimmen bedeutet, dass wir an einem Scheideweg stehen, und zwar entscheiden können, ob es in dieser Stadt eine Schulpolitik gibt, die breit getragen wird, oder ob es eine Schulpolitik gibt, die im Streit gegen eine breite Mehrheit durchgesetzt wird. Ich möchte dafür werben, dass dieses Parlament sich daran beteiligt, dass Schulpolitik von einer großen Mehrheit in dieser Stadt getragen wird.
Die Rednerinnen und Redner von CDU und GAL und auch Sie, Frau Senatorin Goetsch, haben auf den Beteiligungsprozess verwiesen, den Sie durchgeführt haben und ich gestehe Ihnen auch zu, dass daran vieles richtig war. Dennoch müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass Sie viele in dieser Stadt nicht erreicht haben oder auch nicht ange
sprochen haben. Sie haben eben auch wiederholt die Argumente für Ihre Schulreform gebracht, die wir alle kennen. Ich glaube, auch diese sind in der Stadt durchaus gehört worden, sie werden von vielen aber nicht getragen. Das ist es, womit Sie sich auseinandersetzen müssen.
Ich habe es irritierend gefunden, dass dieser schwarz-grüne Senat die direkten Gespräche mit der Initiative verweigert hat und ich habe auch irritierend gefunden, Herr Bürgermeister, dass Sie sich sehr persönlich degradierend an die Eltern gerichtet haben, die diese Initiative unterstützt haben. Ich glaube, dass es nicht klug war, dass den Eltern entgegenzuhalten, die sich auch in Sorge um ihre Kinder in der Schulpolitik in den letzten Monaten eingesetzt haben.
Ich glaube, all dies zeigt, dass Sie in Ihren politischen Einschätzungen falsch lagen und dass jetzt ein Zeitpunkt ist, an dem Sie zur Besinnung kommen sollten, ob man vielleicht den vorgeplanten Weg nicht in dieser Art und Weise weitergehen sollte; dafür möchte ich ausdrücklich werben.
Letztlich würde ich auch so weit gehen zu sagen, dass gerade die Politik, die die CDU in diesem Bereich gemacht hat, den Weg des Volksbegehrens erst geebnet hat; vielleicht wäre er vermeidbar gewesen. Das sind aber Dinge, die Sie intern diskutieren müssen.
Ich möchte aber noch einmal auch für unsere Volksgesetzgebung werben. Sie springen jetzt ins nächste Jahr und sagen, es sei gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger endlich abstimmen könnten. Unsere Volksgesetzgebung besteht nicht nur aus dem Volksbegehren, das jetzt erfolgreich war, und aus einem Volksentscheid, der sich dann anschließt, sondern unsere Volksgesetzgebung hat im Kern die Möglichkeit einer Verhandlungsphase zwischen Volksbegehren und Volksentscheid. Ich finde es irritierend, dass dazu von Ihnen überhaupt nichts gesagt wurde. Ich weiß, dass diejenigen, die diese Volksgesetzgebung auf den Weg gebracht haben, das ausdrücklich begrüßt haben. Es waren auch Vertreter der Fraktionen von GAL und CDU, die gesagt haben, dass die Volksgesetzgebung nicht einen Automatismus zu einem Volksentscheid beinhalte, sondern dass es ausdrücklich die Möglichkeit gäbe, dass das Parlament oder die Regierungsmehrheit sich verständigt. Ich finde es fatal, wenn über diesen Punkt überhaupt nicht diskutiert wird,
auch vor dem Hintergrund, dass wir in der Stadt mit diesem Bereich gute Erfahrungen gemacht haben.
Herr Bürgermeister, Sie selbst sind 2004 auf das erfolgreiche Kita-Volksbegehren eingegangen und
wir haben gemeinsam in diesem Parlament wesentliche Bestandteile der Kita-Reform beschlossen. Wir haben vor gar nicht langer Zeit über das Wahlrecht diskutiert, das in Hamburg nicht im Rahmen eines Volksentscheids diskutiert wurde, sondern alle Parteien in der Bürgerschaft haben sich sogar mit der Initiative verständigt. Ich sage deutlich, das, was uns für das Wahlrecht gut war, das kann für die Schulpolitik nicht falsch sein und deshalb muss dieser Weg auch hier gesucht werden.
Ich möchte noch einmal appellieren, dass es bei der Akzeptanz des Schulwesens nicht um irgendetwas geht. Wir haben in Deutschland die besondere Situation, dass wir nach wie vor eine hohe Akzeptanz des öffentlichen Schulsystems haben. Wir erfahren an vielen Stellen, dass dies bröckelt, aber es ist ein viel zu hohes Gut, mit dem nicht leichtfertig umgegangen werden darf. Ich denke, dass alle Parteien ein Interesse daran haben, dass sich die übergroße Mehrheit der Eltern für eine öffentliche Schule entscheidet als wichtigen Beitrag des Gemeinwesens auch unseres Landes. Deshalb wäre es richtig, dort das Gespräch zu suchen. Ich sage ausdrücklich, dass niemand in diese Gespräche gehen kann mit vorgefertigten Vorstellungen über die Ergebnisse. So etwas kann nicht sein, sondern jeder wird von ursprünglichen Ideen auch Abstand nehmen müssen; das finde ich selbstverständlich. Aber hier nicht einmal den Versuch zu unternehmen, zu einem breiteren Konsens zu kommen, würde ich für einen großen historischen Fehler halten und mein Appell ist, diesen Fehler nicht zu machen. Herr Bürgermeister, Sie sind herausgefordert, zum Wohle der Stadt einen breiten Konsens zu suchen und ich wiederhole es: Die SPD ist bereit, bei diesem Prozess zu helfen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Schulgesetzentwurf soll die Einführung einer sechsjährigen Primarschule und eines anschließenden ZweiSäulen-Modells umgesetzt werden. Die SPD-Fraktion sieht in dem Versuch, Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen zu lassen, grundsätzlich eine Chance zum Abbau sozialer Ungerechtigkeit. Wir sehen jedoch genauso deutlich, dass die konkrete Einführung der Primarschule in Hamburg mit beträchtlichen Risiken behaftet ist. Ein großer Kritikpunkt betrifft die Ausgestaltung der künftigen schulischen Angebote in den Klassen 5 und 6.
Die weiterführenden Schulen haben im vergangenen Jahr ein differenziertes Profil entwickelt und spezielle Angebote, die dort in diesen Klassen vorgehalten werden. Will man erreichen, dass Schülerinnen und Schüler eines Stadtteils gemeinsam lernen, müssen alle Kinder in der Primarschule die gleichen Angebote haben. Das geht dann nur unter Verlust dieser vielfältigen Angebote. Profiliert man hingegen die Primarschulen mit besonderen Angeboten und erlaubt dann auch noch den Eltern, Schulen nach diesem Profil zu wählen, statt die Primarschule im Anmeldeverbund verbindlich zu machen, werden sich die Schülerströme nach den Wünschen der Eltern sortieren. Dann hat man kein gemeinsames Lernen.
Unsere Befürchtungen, dass das eintreten könnte, wurden heute bestätigt. Einige Primarschulen sollen bestimmte Profile wie Latein oder Französisch anbieten und diese Schulen werden dann von den Eltern frei angewählt werden können. Andere Grundschulen werden eng mit Gymnasien kooperieren. Jeder hier weiß doch, was die Folgen sein werden. Viele Eltern werden die Primarschule ihres Stadtteils meiden. Längeres gemeinsames Lernen aller Kinder eines Stadtteils wird es so nicht geben. Es folgt faktisch eine Zunahme der sozialen Spaltung. Diese fatale Regelung des Koalitionsvertrages wird nun leider auf Druck der CDU bittere Realität in Hamburg.
Der Gesetzentwurf und die öffentlichen Diskussionen zeigen auch, dass wenig Energie in die zweite Säule des Schulsystems, die Stadtteilschule, ge
richtet worden ist. Es drohen zahlreiche Schulen zu entstehen, die an ihrem Standort nur die Jahrgangsstufen 7 bis 10 umfassen. Man braucht wirklich keine prophetischen Gaben um vorauszusehen, dass das die Restschulen des künftigen Schulsystems in Hamburg werden. Die Schwächsten im Bildungssystem, die keine laute Lobby haben wie andere, bekommen das unattraktivste Bildungsangebot. Ich finde, das ist ein Skandal.
Völlig unverständlich finden wir auch, dass Sie eine einfache Lösung dieses Problems verhindern, die sogenannte Langform, die es an Gesamtschulen und an Haupt- und Realschulen in Hamburg bisher gibt. Primarschule und Stadtteilschule gemeinsam arbeiten zu lassen, würde sicherstellen, dass liebenswerte Schulstandorte entstehen. Sie verhindern das aktiv und sind damit verantwortlich für diese Restschulen, die künftig in Hamburg entstehen werden.
Die Zerschlagung der Langform hat weitere Folgen, das haben wir auch schon diskutiert. Gerade besonders erfolgreiche Schulen wie die Max-Brauer-Gesamtschule, die Reformschule in Winterhude oder auch die Albert-Schweitzer-Schule werden zerstört, weil sie gezwungen werden, sich zwischen Stadtteilschule und Primarschule zu entscheiden. Ich finde es unmöglich, dass die besten Schulen Hamburgs, die über Hamburg hinaus bekannt und berühmt sind, derartig kaputt gemacht werden und kann den Sinn dieser Aktion wirklich auch immer noch nicht nachvollziehen.
Mit dieser Schulreform wird auch das Elternwahlrecht abgeschafft. Eltern in Hamburg verlieren künftig jeglichen Einfluss darauf, welche Schulform ihre Kinder besuchen können. Da reden wir seit vielen Jahren darüber, wie wichtig es ist, Eltern in Bildungsprozesse einzubeziehen, aber ausgerechnet die wichtige Frage der Form der künftigen weiterführenden Schule ihres Kindes soll die Eltern nichts mehr angehen. Aus unserer Sicht hat das mit demokratischer Schulkultur überhaupt nichts zu tun.
Statt Eltern einzubinden wird eine Elternschaft, die sich für den Bildungsweg ihrer Kinder einsetzt, neuerdings von den Regierungsparteien auch beschimpft. Es ist richtig, dass Eltern sich wehren und dass sie sich das nicht gefallen lassen.
Nun wird behauptet, das Elternwahlrecht begünstige soziale Ungleichheit. Das ist nicht so eindeutig, das haben auch die Beratungen der Anhörungen gezeigt. Es gibt auch Eltern, die wollen, dass ihre Kinder einen höheren Bildungsabschluss errei
chen, als sie selbst haben, und ihnen das ermöglichen wollen. Und das sind so viele, das haben die Anfragen des Kollegen Rabe gezeigt, dass der Wegfall dieser Eltern die Gymnasien in den sozialen Brennpunkten mittelfristig gefährdet. Es ist aus unserer Sicht kein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, wenn eine Schulentwicklung auf den Weg gebracht wird, die dazu führen wird, dass es Gymnasien in den wohlhabenderen Stadtteilen gibt und sie in den schwächeren Stadtteilen vor dem Aus stehen. Ich finde es zynisch, dass diese Entwicklung in Kauf genommen wird.
Zur ganzen Wahrheit bei der Beurteilung dieses Übergangs gehört auch, dass die staatliche Grundschulempfehlung auf jeden Fall sozial ungerecht ist. Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern bekommen bei gleicher Leistung deutlich seltener eine Empfehlung für den Besuch eines Gymnasiums. Nach Ihrer Logik müsste diese Empfehlung abgeschafft werden, wenn sie denn sozial ungerecht ist. Das machen Sie aber nicht, sondern Sie nehmen den Eltern die Möglichkeit, diese Entscheidung zu korrigieren und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Das ist falsch.
Das Schlimme ist, dass diese Empfehlungen nicht nur sozial ungerecht sind, sondern häufig auch schlichtweg falsch, auch das hat die Anhörung noch einmal gezeigt. 40 Prozent der Kinder, die keine Gymnasialempfehlung hatten, schaffen den Weg zum Abitur. 40 Prozent – wie kann es sich der Staat bei einer so hohen Fehlerquote eigentlich anmaßen, hier Schicksal zu spielen? Ich finde das unerhört.
Mit diesem Schulgesetzentwurf ist nicht zuletzt auch ein Prozess politischer Verantwortungslosigkeit der CDU verbunden. Wer in Hamburg unterwegs ist, begegnet vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich zutiefst verraten und getäuscht fühlen von einer CDU, die sich mit großem Getöse vor der letzten Bürgerschaftswahl als Retterin der Hamburger Gymnasien und des Elternwahlrechts aufgespielt hatte.
Sie haben die Kehrtwende ihres Bürgermeisters nicht nachvollzogen. Und in Wahrheit haben viele Abgeordnete und Mitglieder der CDU diese inhaltliche Kehrtwende des Bürgermeisters auch nicht mitgemacht. In der Hamburger CDU gibt es schlicht keine wirklich verankerte Mehrheit für Ihre Schulreform, trotzdem werden Sie als Regierungspartei am 14. Juli gegen Ihre Überzeugung diese
Schulreform fröhlich abnicken. Ihre Politik ist nicht glaubwürdiger geworden,
Sie haben es bei der Europawahl gemerkt und Sie werden es bei der Bundestagswahl erneut merken.
Schulfrieden hat der Bürgermeister in einem Interview versprochen. Was hier passiert, wird keinen Schulfrieden bringen. Schauen wir nach Bremen, dann sehen wir, wie man es richtig macht. Die rotgrüne Koalition in Bremen hat es geschafft, sich gemeinsam mit der CDU und der FDP, die dort in der Opposition sind, auf ein Zwei-Säulen-Modell zu verständigen. Dort wird diese Schulstruktur einmütig auf den Weg gebracht und man hat sich verabredet, bis zum Jahr 2019 Fragen der Schulstruktur aus dem politischen Parteiengezänk herauszuhalten und stattdessen alle Energien in guten Unterricht zu stecken. Das ist der richtige Weg, das ist ein Weg, der Schulfrieden bringen würde. Was Sie hier auf den Weg bringen, wird nicht dazu führen.
Die Hamburger Schulreform wird in Wahrheit von den Regierungsfraktionen inhaltlich nicht getragen, ich habe das für die CDU schon ausgeführt.
Ja, Sie schreien hier nicht nur im Parlament, Sie reden auch mal in den Gängen, Herr Beuß. Wir wissen das schon genau.
Die grüne Schulsenatorin hingegen lehnt die zweite Säule des Schulsystems ab. Wir haben ihre vielen Reden hier und auch im Wahlkampf noch in den Ohren. Deshalb wird sie lieblos eingeführt und es wird vermieden, darüber zu sprechen. Die CDU lehnt die Primarschule ab und wird dennoch aus machtpolitischen Gründen zustimmen. Und Hamburgs Eltern sollen nun ein Schulsystem akzeptieren, das inhaltlich noch nicht einmal von den Regierungsfraktionen getragen wird. Es ist doch völlig absurd, was hier passiert.
Verspielt wird damit auch eine breite öffentliche Akzeptanz unseres Schulwesens. Hamburgs Eltern werden nicht akzeptieren, dass ihre Kinder als Versuchskaninchen dafür herhalten müssen, dass zum ersten Mal eine schwarz-grüne Koalition in einem Bundesland geschlossen werden konnte. Sie werden mit den Füßen abstimmen und sie werden sich aus dem öffentlichen Schulsystem in Richtung Privatschulen verabschieden. Der Rückzug vieler aus dem öffentlichen Schulsystem ist den Regie
rungsfraktionen anscheinend egal. Ich kann für die SPD sagen, dass wir das mit großem Bedauern sehen
und der Auffassung sind, wenn uns das Gemeinwesen, das wir im staatlichen Schulsystem haben, verlorengeht, werden wir es nie wieder zurückbekommen. Ich finde es schade und zynisch, dass Sie diesen Weg so aktiv ermöglichen.
Wir fordern Sie daher erneut auf, von dieser Schulreform Abstand zu nehmen und eine Schulreform auf den Weg zu bringen, die mit Augenmaß agiert und die auf eine breitere Akzeptanz stößt als das, was Sie heute vorgelegt haben. – Danke.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren. Als Erstes ist hier einmal festzuhalten, dass es gut ist, dass es eine Einigkeit darüber gibt, sich mit diesem Thema intensiv zu befassen und auch die Ausschussberatungen zu nutzen, um den Schutz von Frauen wirksam zu verbessern. Das war im letzten Jahr nicht so, als Sie sich geweigert haben, unsere Großen Anfra
gen im Ausschuss zu beraten, und insofern kommen wir jetzt vielleicht wirklich einen Schritt weiter.
Wir haben in den letzten Jahren erreicht, dass Gewalt gegen Frauen kein gesellschaftliches Tabu mehr ist, und wir haben ein umfangreiches Hilfesystem geschaffen. Das leugnet niemand hier im Raum, das wissen wir und das gilt auch für Hamburg. Dennoch ist unser Antrag notwendig, weil wir diese Hilfe überprüfen müssen und weil wir noch mehr Schutz für Frauen brauchen. Das angestrebte Ziel, die Gewalt gegen Frauen deutlich abzubauen und den Schutz zu erhöhen, war in vielen Bereichen noch nicht zu erreichen. Dem muss man sich dann auch kritisch stellen.
Ich will das verdeutlichen an der Zahl der sogenannten Wegweisungen, die es seit einigen Jahren in Hamburg gibt. Gewalttätige Männer können im akuten Gewaltfall von der Polizei für einige Tage aus der Wohnung entfernt werden. Das passiert in Hamburg jedes Jahr 700 bis 850 Mal. Diese Anzahl sinkt nicht und wenn man darüber nachdenkt, ist es eine große Zahl, denn das bedeutet, dass die Hamburger Polizei mehr als zweimal täglich einen gewalttätigen Mann aus einer Wohnung holt. Es gibt keine klare rückläufige Tendenz, die wir uns eigentlich wünschen würden. Das heißt, es gibt viele Frauen, die diese Hilfe noch brauchen.
Auch Anträge auf gerichtliche Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz, die es ja noch gar nicht so lange gibt, sind in den letzten Jahren bis 2007 von 240 auf 322 beziehungsweise 327 gestiegen. Auch das zeigt, dass Gewalt in Hamburg nach wie vor an der Tagesordnung ist, erfreulicherweise aber auch, dass Frauen sich dagegen wehren.
Ich möchte noch einige andere Bereiche ansprechen, in denen wir auch klüger werden sollten. Die Studie des Bundesfamilienministeriums, die sehr verdienstvoll ist, wurde schon zitiert. Die Anregungen aus dieser Studie sollten wir in Hamburg aufgreifen, um unser Hilfesystem zu überprüfen. Hier wird sehr deutlich das Problem benannt, dass gerade Frauen mit einem niedrigen Bildungsgrad, die besonders von Gewalt betroffen sind, am wenigsten über das Hilfeangebot wissen. Wir müssen uns immer klar machen, dass das, was wir an Kenntnis über ein Sozialsystem haben, weit von dem entfernt ist, was andere in der Stadt wissen, die eigentlich gerade die Hilfe brauchen würden.
Aber in der Studie wurde auch eine zweite Gruppe sehr klar identifiziert, Frauen, die besser gebildet sind und die Hilfeangebote kennen, die aber aus Scham und Rücksichtnahme, weil es ihnen unangenehm ist, diesen Weg nicht gehen. Daraus kann man schließen, dass es wahrscheinlich bei vielen von uns im Bekanntenkreis Frauen gibt, die regel
mäßig Opfer von häuslicher Gewalt sind, bei denen wir es nicht vermuten, die es verschweigen, weil sie vielleicht sogar selber Scham empfinden, denn es passt nicht zu dem Bild der Frau der modernen Gesellschaft, so mit männlicher Gewalt konfrontiert zu sein. Wir sollten uns immer deutlich machen, dass das ein Thema ist, das nicht der Vergangenheit angehört, dass es hier viele Frauen gibt, die Hilfe brauchen und die durch die Hilfe nicht erreicht werden.
Die Studie benennt eine dritte Gruppe, das sind insbesondere ältere Frauen, die die Hilfsangebote nicht kennen und die vielleicht auch schon viele Jahre Gewalt erduldet haben.
Unser Anliegen ist es auch, diese Erkenntnisse, die noch einmal sehr zugespitzt zeigen, wo es weiteren Bedarf gibt, in Hamburg aufzugreifen. Wir wollen durch unseren Vorschlag erreichen, dass die Hilfe gebündelt wird. Und ich möchte noch eine weitere Gruppe beschreiben, für die aus unserer Sicht die Hilfe besser sein könnte, nämlich Frauen in ganz extremen Risikosituationen. Das sind die Fälle, die wir häufig mit Erschrecken in den Medien wahrnehmen. Frauen, die in Trennungssituationen sind, die ausbrechen wollen aus ihren Familiensituationen, werden häufig sehr gewalttätig, auch lebensgefährlich bedroht. Diese Frauen haben häufig schon das Hilfesystem in Anspruch genommen, waren vielleicht schon bei der Polizei gewesen und trotzdem gelingt es nicht, schwere Verletzungen, manchmal den Tod der Frau zu verhindern.
Ich muss einmal sagen, ich finde die Nebengeräusche unangemessen. Gehen Sie doch hinaus, wenn es Sie nicht interessiert.
– Vielen Dank, Herr Präsident.
Wir schlagen in unserem Antrag erneut vor, eine Gesetzeslücke zu schließen, denn das könnte wirklich helfen. Wir haben erreicht, dass Frauen durch die Wegweisung den Mann für einige Tage aus der Wohnung weisen können. Die Frauen haben in dieser Zeit die Gelegenheit, auch vor Gericht durchzusetzen, dass die Männer nicht wieder in die Wohnung kommen dürfen. Das ist ein großer Fortschritt. Es ist in diesem Zeitraum aber noch nicht möglich, ein Kontakt- und Näherungsverbot durch die Polizei aussprechen zu lassen und zu er
wirken, dass die Männer sich nicht nähern dürfen, und zwar weder an der Wohnung noch am Arbeitsplatz oder in der Kita oder der Schule der Kinder. Das ist Landesrecht, das könnte in Hamburg geregelt werden und wir hoffen, dass unsere Diskussionen dazu führen, dass wir hierüber Einigkeit erzielen.
Es gibt noch einen weiteren Bereich, Frau Koop hat es angesprochen, die Gesellschaft befindet sich im Umbruch, das Frauenbild hat sich verändert, die Männerbilder verändern sich und es gelingt nicht allen Männern gleichermaßen gut, dieser gesellschaftlichen Entwicklung zu folgen. Gerade in solchen Situationen, in denen Frauen ausbrechen und für sich mehr individuelle Freiheit in Anspruch nehmen, kommen Männer vielfach nicht so mit und reagieren auch mit Gewalt. Auch das zeigt, dass wir hier noch Hausaufgaben zu machen haben, um den Schutz von Frauen, die Opfer von Gewalt sind, zu verstärken. Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/3282 an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss zu? – Gegenprobe? – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig beschlossen.
Tagesordnungspunkt 22, Drucksache 19/3269, Bericht des Haushaltsausschusses, Haushaltsplan 2009/2010, Einzelplan 3.1 Behörde für Schule und Berufsbildung, "Außerschulische Berufsvorbereitung" – Einrichtung neuer Produktionsschulen in freier Trägerschaft.
[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 19/2928: Haushaltsplan 2009/2010 Einzelplan 3.1 Behörde für Schule und Berufsbildung, Titel 3200.685.39 „Außerschulische Berufsvorbereitung“ – Einrichtung neuer Produktionsschulen in freier Trägerschaft (Senats- antrag) – Drs 19/3269 –]
Wird das Wort gewünscht? – Herr Gwosdz, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die letzten beiden Redebeiträge so hört, merkt man, dass unsere Kritik im Ausschuss Sie schwer getroffen hat; ich glaube, auch zu Recht. So richtig ausgeräumt haben Sie nicht, was wir dort gesagt haben, aber Sie müssen es sich irgendwie gemerkt haben.
Wir wollen, dass alle Jugendlichen nach der Schule eine Perspektive haben, die Perspektive, einen Beruf zu erlernen, der ihnen Freude macht und der auch die Grundlage dafür bietet, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Von diesem Ziel sind wir in Deutschland weit entfernt, wir alle kennen die Zahlen, rund 10 Prozent der deutschen Schüler verlassen die Schule ohne einen Abschluss, in Hamburg sind es über 8 Prozent, und jeder weiß, dass in heutigen Zeiten der Schulabschluss das Mindesteintrittsticket für eine Berufsausbildung ist, und in vielen Bereichen ist noch nicht einmal das ausreichend. Über die Bedeutung werde ich gleich noch etwas sagen.
Um diesen Jugendlichen zu helfen, hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren ein unüberschaubares Dickicht an verschiedensten Maßnahmen entwickelt, Maßnahmen der früheren Arbeitsämter, der Arbeitsagenturen, der Jugendberufshilfe, der Schulen von freien Trägern. Eigentlich gibt es überhaupt niemanden mehr in Hamburg, aber auch in Deutschland, der da durchsteigt. Die Website der Behörde, die einen Überblick darüber geben soll, macht das deutlich. Die Adresse ist www.ichblickdurch.de. Das ist ja schon der Hilfeschrei einer Schulverwaltung, wenn man zu solchen Bezeichnungen greifen muss, um die eigene Politik überhaupt darzustellen.
Wir haben den Überblick in Hamburg eigentlich immer noch nicht. Wir haben ihn mehrfach gefordert, wir haben immer gesagt, wir wollen eine Schwach
stellenanalyse des bestehenden Systems, aber das haben wir nie durchgesetzt. Der frühere Schulsenator Lange in der von-Beust-Regierung hat sich stattdessen damit beschäftigt, die beruflichen Schulen vollständig zu privatisieren. Das ist ihm, Gott sei Dank, nicht gelungen, weil sich in Hamburg viele Bürgerinnen und Bürger dagegen gewehrt haben, sodass es dann irgendwie beim HIBB geblieben ist. Aber das war Ihre Konzeption in den letzten Jahren. Statt sich wirklich damit auseinanderzusetzen, wie wir die Hilfe verbessern können, haben Sie ideologisch einfach nur auf Privatisierung gesetzt und sind, Gott sei Dank, mit diesem Weg gescheitert.
Die Altonaer Produktionsschule hat wirklich gute Arbeit geleistet. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sich die Vorredner wirklich klar machen, welche Konsequenzen dieses Modell eigentlich hat. Da geht es nicht um ein bisschen Berufsorientierung und ein bisschen Berufspraxis. Das ist inzwischen Standard an allen beruflichen Schulen und auch an Gesamtschulen und Haupt- und Realschulen. Es geht darum, dass Jugendliche ausschließlich produzieren und dass der Lernvorgang um diese Produktion gerankt wird. Das ist das Besondere und das ist das erfolgreiche pädagogische Konzept, das in der Tat bei Jugendlichen funktioniert, die schulmüde sind und die keine Tafel mehr sehen wollen. Man muss sich klar machen, wie es wirklich aussieht, bevor man hier laut eine Ausweitung in die Fläche fordert und gar nicht weiß, wie konsequent dieses Modell wirklich vor Ort durchgeführt wird.
Es trägt ebenfalls sehr zum Erfolg bei, dass diese Schülerinnen und Schüler ein Teilnehmerentgelt bekommen. Auch das muss doch gesagt werden. Das ist etwas, das wir bisher nirgendwo im Schulsystem haben, worüber man nachdenken könnte, denn es bedeutet natürlich eine Motivation für Schülerinnen und Schüler und vor allem eine Sanktionsmöglichkeit, wenn sie nicht kommen. Das ist ein ganz wichtiger Faktor, den man sehen muss und der mit anderen Bereichen im Hamburger Schulsystem überhaupt nicht vergleichbar ist.
Nun liegt der Bürgerschaft heute diese Drucksache vor und ich fand schon bemerkenswert, dass die beiden Vorredner von Schwarz-Grün das ganze Thema Übergangssystem hier sehr stark betont haben. Dazu muss man natürlich wissen, dass zu dem Zeitpunkt, als wir die Drucksache im Ausschuss beraten haben, die Rahmenkonzeption überhaupt noch nicht vorlag. Das war einer unserer zentralen Kritikpunkte, dass das Konzept der Produktionsschule überhaupt nicht eingepasst ist in das Übergangssystem. Sie haben Hals über Kopf hier eine Drucksache auf den Weg gebracht, weil Sie schon angefangen hatten, die Ausschreibung vorzubereiten. Da ist der Behörde aufgefal
len, dass es an Geld mangelt, und man hat diese Drucksache auf den Weg gebracht, ohne hier das Gesamtkonzept vorzulegen, wie es sich gehört hätte, und ohne deutlich zu machen, in welchem Verhältnis diese Produktionsschule eigentlich zu dem steht, was sie für das gesamte Übergangssystem vorhaben. Das ist der große Mangel und daher ist Ihre Planung der Produktionsschule an vielen Stellen zu kritisieren.
Nach unserem Eindruck passt die Produktionsschule, so wie Sie sie vorhaben, gar nicht in das Übergangssystem, sondern ist ein totaler Fremdkörper, der im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Bevor Sie sich hier gegenseitig bejubeln, kann ich Ihnen nur raten, einmal durch die Stadt zu gehen und mit Menschen zu sprechen, die sich in diesem Bereich auskennen. Sie werden viel Lob und Zuspruch für das Übergangssystem, für das Rahmenkonzept finden, das Sie hier vorgelegt haben. Das bekommen Sie auch von uns, was Sie da auf den Weg bringen, finde ich vernünftig und klug. Sie werden aber überhaupt keinen Zuspruch für diese Ausweitung der Produktionsschulen bekommen, sondern es wird in der Stadt nur eines gesagt, dass dies ein Lieblingsprojekt der Grünen mit dem Charme der 90er Jahre ist, das jetzt im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Da kann ich Ihnen nur sagen, das machen wir nicht mit. Wir prüfen das genau und ich glaube, dass Sie dort wirklich Ihren eigenen Ideologien so ein bisschen erlegen sind und hier etwas kreiert haben, was überhaupt nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und auch in Ihre Gesamtkonzeption eigentlich überhaupt nicht hineinpasst.
Um noch einmal zu den Ausschussberatungen zu kommen, Sie konnten dort überhaupt nicht beantworten, welche Gruppe von Jugendlichen denn nun eigentlich in die Produktionsschule gehen und was mit anderen Jugendlichen in der Stadt passieren soll. Das ist nicht beantwortet worden.
Der zweite Punkt ist, das muss man auch sehr deutlich sagen, dass wir zuallererst das allgemeinbildende Schulsystem so gut machen müssen, dass wir nicht so viele Jugendliche haben, die ohne Abschluss die Schulen verlassen. Sie produzieren hier weitere Reparaturmaßnahmen für die Zukunft. Man könnte denken, Sie glauben nicht an Ihre eigene Schulpolitik, wenn man sich diese Drucksache genauer ansieht. Sie wollen hier eine Ausdehnung in die Fläche für Schülerinnen und Schüler, die ohne Schulabschluss das allgemeinbildende Schulsystem verlassen und können noch nicht einmal begründen, was mit denen passiert, die daran scheitern. Diese Schwerpunktsetzung ist falsch.
Zum Thema Hauptschulabschluss haben wir dann vielleicht einen deutlichen Dissens. Ich finde, die Argumentation, der Hauptschulabschluss sei nicht wichtig, abenteuerlich. Das ist auch keine neue Argumentation, ich dachte, es sei in dieser Stadt längst überholt, immer ein Gegeneinander zwischen der Orientierung auf die Berufsausbildung und der Orientierung auf den Hauptschulabschluss zu sehen. Ich weiß, dass viele Träger das in der Vergangenheit auch so gesehen haben und ich habe gehofft, dass dieser Unsinn nicht fortgesetzt wird. Wer Jugendlichen den Hauptschulabschluss vorenthält und eine Maßnahme kreiert, die nicht darauf abzielt, dass sie diesen Abschluss machen, produziert doch im Leben dieser jungen Menschen immer wieder neue Brüche; bei jeder Kündigung, die jemanden später treffen kann, fehlt dann diese Basisqualifikation. Ich finde es geradezu zynisch, in dieser Zeit Projekte auf den Weg zu bringen, die nicht das ausdrückliche Ziel verfolgen, dass die Jugendlichen auch einen Hauptschulabschluss erreichen können.
Zu den Zahlen; Sie halten es für möglich, dass 60 Prozent der Jugendlichen erfolgreich die Produktionsschule durchlaufen, das heißt, sie werden einen Ausbildungsplatz finden. Bei 40 Prozent gehen Sie selbst davon aus, dass sie es nicht schaffen. Hier besteht die Gefahr, dass sie noch nicht einmal den Schulabschluss haben. Sie konnten uns im Ausschuss jedenfalls nicht beantworten, was dann mit diesen Jugendlichen passieren soll. Da sieht man, dass Ihre Rahmenkonzeption nicht darauf ausgerichtet ist.
Zu den inhaltlichen Konzeptionen; das wollen wir erst einmal sehen, ob die neuen Schulen überhaupt irgendetwas mit dem Altonaer Modell zu tun haben. Für einen Schüler, der in die Altonaer Produktionsschule geht, hat diese Schule bis zum Ende ungefähr 15 000 Euro zu bezahlen. Sie stellen hier in der Drucksache dar, dass gut 7000 Euro für diese Schülerinnen und Schüler ausgegeben werden sollen. Dann wollen Sie uns erzählen, dass sei die gleiche pädagogische Konzeption. Das glaubt niemand, deshalb werden wir diese Angelegenheit sehr kritisch begleiten. Ich habe große Zweifel daran, dass das, was die Altonaer Produktionsschule macht, sich in den vielen Projekten, die Sie auf den Weg bringen, überhaupt wiederfindet. Ich glaube, dass da mit völlig anderen Rahmenbedingungen gearbeitet wird und dass die Konzeption völlig unzureichend ist, deshalb werden wir dieser Drucksache auch nicht zustimmen. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Heyenn.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Kollege Müller! Für meine Fraktion war das ein bisschen zu viel Pathos, deshalb auch die Unruhe.
Es gehört aber zum Thema, dass wir uns einander von sehr unterschiedlichen Ausgangspunkten angenähert haben und das soll die Debatte dann auch zeigen. Der heutige Beschluss der Bürgerschaft zur Verfassungsänderung und derjenige in zwei Wochen zu den Wahlgesetzen könnte der Schlusspunkt zu einer sehr langen Geschichte über die Einführung eines neuen Wahlrechtes in Hamburg sein. Zu dieser Geschichte gehören schon die Debatten in den 90er-Jahren, als man über die Einführung von Wahlkreisen diskutiert hat, die aber nicht zu entsprechenden Beschlüssen in der Bürgerschaft geführt haben. Den Hamburger Parteien war dies damals nicht gelungen. Sogar als es im Prinzip schon Mehrheiten für die Einführung von Wahlkreisen gab, wurden sie nicht eingeführt. Sie scheiterten nicht am Ob, sondern mehr am Wie, an der Frage, wie viele Wahlkreise sollen es denn sein, wie viele Stimmen soll es geben und wo könnten die Wahlkreisgrenzen liegen. All das waren zentrale Fragen, die zu einer Blockade geführt haben. Zu dieser Geschichte gehört aber auch ein Volksentscheid im Jahr 2004, bei dem der Vorschlag der Initiative Mehr Demokratie eine Mehrheit fand, während der von SPD und CDU unterstützte Vorschlag diese Mehrheit verfehlte.
Zu dieser Geschichte gehört auch der Missbrauch politischer Macht durch die CDU in der letzten Legislaturperiode. Nach dem Erfolg des Volksentscheids über das Wahlrecht hat die CDU mit ihrer absoluten Mehrheit in der Bürgerschaft dieses Wahlrecht verändert. Die Möglichkeit, auch bei den Landes- bzw. Bezirkslisten zu kumulieren und zu panaschieren, wurde abgeschafft. Statt zweimal fünf Stimmen wie es der Volksentscheid vorsah, gab es nur noch einmal fünf Stimmen und einmal eine Stimme für die Listen. Die CDU hat den Einfluss der Wählerinnen und Wähler weit zurückgeschraubt und sogar vor dem Verfassungsgericht dafür eine Niederlage erlitten – auch das gehört dazu.
Nach der Missachtung des Volksentscheids gegen den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser war dies der zweite Fall schwerster Ignoranz gegenüber dem Willen von Bürgerinnen und Bürgern, die sich sogar in einer Abstimmung in Hamburg durchgesetzt hatten.
Ihr Verhalten ist zu Recht als Wahlrechtsraub beschrieben worden. Sie haben damit Politikverdrossenheit geschürt, obwohl doch Volksentscheide gerade zum Gegenteil beitragen sollen, und Sie haben der Demokratie in Hamburg insgesamt schweren Schaden zugefügt.
Bei den letzten Wahlen zu Bürgerschaft und Bezirksversammlung haben wir immerhin erstmalig auch in Wahlkreisen gewählt.
Die Initiative Mehr Demokratie hat nun in dieser Legislaturperiode einen neuen Anlauf genommen. Sie hat ihre Ursprungsforderung nach der Entkoppelung der Wahlen zu den Bezirksversammlungen mit der der Bürgerschaft und den Wegfall der Fünf-Prozent-Klausel bei den bezirklichen Wahlen erneut zur Abstimmung gestellt. Auch die Forderung, dass Bürgerinnen und Bürger auf den Listen der Parteien Personen wählen können, wurde wieder erhoben, allerdings mit einer ganz wesentlichen Änderung gegenüber dem Volksentscheid 2004. Nach dem Volksbegehren sollte die Möglichkeit, eine Partei zu wählen, künftig vollständig entfallen. Diese Forderungen waren Anfang des Jahres in einem Volksbegehren erfolgreich.
Die Hamburger SPD hält diese zentralen Forderungen aus dem Volksbegehren für falsch. Eine Entkoppelung der Wahlen zur Bürgerschaft und zur Bezirksversammlung führt zu einer ganz deutlichen Absenkung der Wahlbeteiligung bei der Wahl der Bezirksversammlung. Für uns ist es nicht mehr, sondern weniger Demokratie, wenn die Geschicke der Bezirke künftig von weniger Bürgerinnen und Bürgern mitentschieden werden.
Gleichermaßen sind wir gegen die Abschaffung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Bezirke. Jeder weiß, dass dadurch rechtsextremistische oder rechtsradikale Personen in die Bezirksversammlungen gewählt werden. Auch das ist kein Zugewinn an Demokratie, sondern begünstigt diejenigen, die unsere demokratische Verfassung ablehnen und bekämpfen.
Der Wegfall der Möglichkeit, bei den Listen auch eine Partei zu wählen, ist für uns überhaupt nicht zu akzeptieren. Wir wissen um die Bedeutung von überzeugenden Politikerinnen und Politikern für eine wache und lebendige Demokratie. Wir wissen aber genauso gut, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihre Wahlentscheidung anhand von Grundwerten oder Sachentscheidungen treffen und dies tun, indem sie eine bestimmte Partei wählen. Die letzte Bürgerschaft hat das auch noch einmal gezeigt. In den Wahlkreisen konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Stimmen sowohl Parteien als auch Personen geben und die Mehrheit der Stimmen sind nach wie vor für Parteien und nicht für Personen gegeben worden. Deshalb muss diese Wahlmöglichkeit auch in Zukunft erhalten werden.
Wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihre Wahlkreisabgeordneten, auch ihre Kandidatinnen und Kandidaten, am besten persönlich kennen. Das ist aber in der Realität nicht der Fall. Wir se
hen, dass ein personalisiertes Wahlrecht an Grenzen stößt, wenn diese Schranke entfallen würde, vielleicht nicht so sehr in Wahlkreisen, aber vor allen Dingen bei den Landes-und Bezirkslisten. Eine Abschaffung der Parteistimme an dieser Stelle würde niemandem gerecht, weder den Kandidaten, die sich bekannt machen noch den Wählerinnen und Wählern, die sich ein Bild von der Gesamtzahl der Kandidatinnen und Kandidaten machen wollen. Wir haben auch verfassungsrechtliche Bedenken, ob bei einer Landtagswahl so verfahren werden kann, und wir sehen, dass diese nicht ignoriert werden dürfen.
Nun gibt es aber eine Verständigung, die zum Teil heute zur Abstimmung steht, zum Teil in zwei Wochen. Bei dieser Verständigung ist die Möglichkeit erhalten worden, bei den Listen zur Bürgerschaft, zur Bezirksversammlung, eine Partei zu wählen. Ich will deutlich sagen, ohne diese Möglichkeit hätte es mit der SPD diese Verständigung nicht gegeben und daher finden wir gut, dass die Initiative sich an diesem Punkt bewegt hat.
Bei der Frage, in welchem Verfahren die Kandidatinnen und Kandidaten aufgrund der Partei- oder Personenstimme gewählt werden, haben wir uns an dem Bremischen Verfahren orientiert. Wir sind außerdem froh, dass es bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen weiterhin eine Sperrklausel, immerhin von drei Prozent, geben soll. Im Wahlkreis wird künftig auf die Parteistimme verzichtet, die Zahl der abgegebenen Stimmen auf die Person ist unmittelbar ausschlaggebend.
Heute steht auf der Tagesordnung der Teil der Verfassungsänderung. Wir werden heute beschließen, dass künftige Wahlrechtsänderungen an sehr, sehr hohe Hürden gebunden sein werden. Die Bürgerschaft wird sich so weit binden, dass künftige Wahlrechtsänderungen nur mit einer Zweidrittelmehrheit hier im Haus verändert werden können. Gleichzeitig werden wir durch einen sogenannten fakultativen Volksentscheid Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, durch ein vereinfachtes Verfahren zu erzwingen, dass Entscheidungen, die wir hier getroffen haben, auch den Wählern vorgelegt werden.
Ein weiterer Teil dieses Kompromisses ist es aber auch, dass künftige Volksentscheide zum Wahlrecht quasi in Verfassungsrang gehoben werden und auch nur durch eine Zweidrittelmehrheit verändert werden können. Es sind hohe Hürden und es war nicht der prioritäre Wunsch der SPD, diese Hürden so hoch anzusetzen. Wir hätten uns sehr gut vorstellen können, Wahlrechtsfragen auch künftig mit einfacher Mehrheit auf allen diesen beschriebenen Ebenen zu verändern. In den Gesprächen war aber deutlich, dass dann ein Kompromiss nicht zustande gekommen wäre. Wir hatten den
Eindruck, dass die Initiative die Hürden wollte, weil sie sich vor den Parteien fürchtete und vielleicht aus den Erfahrungen der letzten Legislaturperiode mit der CDU auch Recht hatte, hier misstrauisch zu sein.
Auf der anderen Seite war es klar der Wunsch der CDU, den gefundenen Kompromiss nicht durch erneute Volksentscheide schnell wieder hinfällig werden zu lassen. Wir hatten aber auch den Eindruck, dass Sie sich vielleicht vor Ihren eigenen Untaten der Vergangenheit schützen wollten, indem die Hürden so hoch sind, dass bei Ihnen klar ist, dass dieser Kompromiss so getragen werden muss.
Dennoch tragen wir diese hohen Hürden mit. Wir wollen uns aktiv an dem Kompromiss beteiligen und wir haben auch entscheidend dazu beigetragen, dass er überhaupt zustande gekommen ist.
Zweidrittelmehrheiten haben auch positive Seiten. Wir werden sicherstellen, dass Wahlrechtsveränderungen, die wir in den nächsten Jahren sicherlich hier und da machen werden, auf jeden Fall nur stattfinden, wenn es breite Mehrheiten dafür gibt. Es ist im Kern auch nicht verkehrt, wenn Veränderungen am Wahlrecht nicht mit knappen Mehrheiten durchgestellt werden. Außerdem drücken diese Zweidrittelmehrheiten auch aus, dass das Wahlrecht, auf das wir uns jetzt verständigt haben, möglichst lange Bestand haben wird, sodass die Bürgerinnen und Bürger sich in einem längeren Zeitraum darauf einstellen können.
Die Verhandlungen der letzten Wochen waren nicht ganz einfach, das wurde schon gesagt, jede Seite hat viele Kröten schlucken müssen. Wir hoffen nun, dass dieses Wahlrecht von den Hamburgerinnen und Hamburgern verstanden, akzeptiert und klug angewandt wird. Dann könnte das das Ende einer langen Geschichte sein.– Vielen Dank!
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Senator Wersich, in gewisser Art und Weise bin ich Ihnen dankbar für Ihre Ausführungen, weil Sie sehr deutlich gemacht haben, dass Sie bis heute die Vorsorgeuntersuchungen überhaupt nicht verbindlicher gestalten wollen. Sie haben ein Argument an das andere gereiht, um deutlich zu machen, warum Sie von dieser Maßnahme nichts halten.
Da sind Sie sich in gewisser Weise treu geblieben, denn Sie waren auch zu Gast im Sonderausschuss und haben schon damals erkennen lassen, dass Sie der Meinung sind, dass der Staat nicht zu aktiv werden solle, wenn es darum gehe, Kinder vor Vernachlässigung zu schützen.
Ich will aber rückblickend noch einmal sagen, dass ich es sehr bedauerlich finde, dass wir hier in einen sehr heftigen, mit üblen Vorwürfen gespickten parteipolitischen Streit geraten und der Ausgangspunkt ein völlig anderer war. Wir haben nach dem Tod des Mädchens Jessica einvernehmlich einen Sonderausschuss eingesetzt und einvernehmliche Handlungsempfehlungen beschlossen. Und allen, die damals mitgearbeitet haben, war sehr daran gelegen, diesen parteipolitischen Hickhack, der heute wieder aufflackerte, nicht zu machen – Herr Müller, ich meine Sie –, weil uns das in der Sache zu wichtig war. Alle Fraktionen haben damals darauf verzichtet, konsequent ihre Ansichten durchzusetzen, sondern wir haben uns auf einen gemeinsamen Forderungskatalog verständigt, in dem
stand, dass U-Untersuchungen verbindlicher werden sollen. Das war ein einstimmiger Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft, der vor drei Jahren gefasst wurde.
Herr Müller, Sie hatten die Sorge, dass es arrogant klinge, was Sie hier dargelegt haben. In der Sache wussten Sie nicht genau, worüber Sie sprechen; das war das Problem. Als der Sonderausschuss eingesetzt wurde, hat es bundesweit eine Diskussion darüber gegeben, wie man die U-Untersuchungen verbindlicher machen kann und ob das der richtige Weg sei. Zum einen gibt es in jeder der hier anwesenden Parteien bis heute unterschiedliche Auffassungen darüber, weil ein Teil der Jugendhilfe das nicht möchte, ein anderer Teil in jeder Partei aber glaubt, dass man auf dieses Instrument als ein Baustein nicht verzichten könne. Das Erfreuliche war aus meiner Sicht, dass sich in der Hamburgischen Bürgerschaft diejenigen durchgesetzt haben, die diese Verbindlichkeit für einen unverzichtbaren Baustein hielten. Diesen Beschluss haben wir hier getroffen, ein Widerspruch zur Diskussion in jeder Partei, in Ihrer, in der SPD und auch bei den Grünen.
Der zweite Punkt, den wir damals im Sonderausschuss nicht genau wussten, war, wie man das eigentlich regelt, weil es einen heftigen Streit darüber gegeben hat, ob die Bundesebene zuständig sei oder ob es Ländersache ist. Erst nach dem Ende des Sonderausschusses hat sich herausgestellt, dass die Bundesländer für das Gesundheitswesen zuständig sind und deshalb in diesem Rahmen diese Untersuchung als Bundesland auch regeln können. Der Vorwurf ist, dass Sie das in Hamburg seit drei Jahren unterlassen haben.
Herr Wersich hat hier wieder versucht, die Nebelkerze der Bundeszuständigkeit zu werfen. Sie müssen sich doch einmal fragen, warum Hamburg inzwischen fast das einzige Bundesland ist, das keine landesgesetzliche Regelung getroffen hat; wir sind die Ausnahme geworden. Ich habe noch einmal die Debatten nachgelesen. Herr von Frankenberg, der im Ausschuss mitgestritten hat, als wir das erste Mal unseren Gesetzesentwurf eingebracht haben, hat dies damals abgelehnt und gesagt, wir wollen keine Insellösung. Sie merken gar nicht, dass Hamburg eine Insel der Untätigkeit ist, denn wir laufen Gefahr, bald das einzige Bundesland zu sein, das landesgesetzlich immer noch nicht zu einer höheren Verbindlichkeit kommt. Darum melden wir dieses Thema solange an, bis wir auch in Hamburg zu einer Veränderung kommen.
Ich kann ehrlicherweise auch das Argument nicht mehr hören, wir würden den Eindruck erwecken, damit seien alle Probleme gelöst. Es gibt über
haupt niemanden, der dieses Argument benutzt. Es wird aber von Gegnern der verbindlichen U-Untersuchung immer benutzt. Jeder weiß, dass verbindlichere Einladungen nur ein Baustein sind. Aber man muss sich doch angesichts des neuen Todesfalls fragen, ob dieser Baustein nicht notwendig ist, Frau Blömeke. Wir haben doch die schreckliche Situation, dass Familienhilfe vorhanden ist und trotzdem Kinder zu Tode kommen. Wenn man diese vielen Fälle analysiert, dann wird deutlich, dass die U-Untersuchungen wirklich verbindlicher sein müssen, dass dies ein unverzichtbarer Baustein ist.
Ich möchte abschließend noch erwähnen, Herr Senator Wersich, dass es uns nicht nur darum geht, dass eine verbindliche Einladung die Familien erreicht – auch darin unterscheiden wir uns vermutlich –, sondern es geht uns darum, dass diese Untersuchungen auch durchgeführt werden. Ich halte es für ein Menschenrecht von Kindern, dass der Staat ihnen dabei hilft, sich gesundheitlich normal zu entwickeln. Es kann festgestellt werden, ob Kinder Haltungsschäden haben, ob sie mangelernährt sind, ob sie kaputte Zähne haben. Das sind wichtige Dinge und da möchten wir, dass in Hamburg Kinder diesen Schutz, wie in allen anderen Bundesländern inzwischen auch, bekommen. – Danke.
Meine Damen und Herren! Herr Beuß, letztendlich müssen Sie nicht uns überzeugen, ob Sie hier wortbrüchig geworden sind, sondern Ihre Wählerinnen und Wähler, und ich glaube, dass Sie da schlechte Chancen haben mit dem, was Sie hier ausgeführt haben.
Sie haben im Wahlkampf mit einer großen Kampagne die Sicherung der Gymnasien in ihrer bestehenden Form zum Essential erklärt. Sie waren kurz davor, sich persönlich vor Hamburgs Gymnasien anzuketten, um das noch zu untermauern. Diese Aussage konnten Sie nicht halten. Da nützt auch Ihr Gerede hier nichts. Hamburgs Eltern wissen sehr gut, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten, was die Gymnasien angeht, bei Ihnen nicht mehr so gut aufgehoben sind.
Nun hat der Bürgermeister das Wort des Schulfriedens in die Debatte geworfen und ich möchte das
einmal aufgreifen. Der Bürgermeister hat den Mund deutlich zu voll genommen, als er Schulfrieden versprochen hat, denn es wird so viel über Schulpolitik gestritten wie schon lange nicht mehr. Die Handelskammer streitet sich, die Lehrerschaft streitet sich, die Eltern streiten sich und die CDU selber streitet sich in nicht unerheblicher Art und Weise, denn wenn man die Äußerungen des Bürgermeisters liest, dann scheint er hinter dieser Reform voll und ganz zu stehen. Ich weiß nicht, ob er wieder einen Film geguckt hat, denn der Al-Gore-Film hat ja auch seinen Wechsel zum Klimawandel begünstigt.
Vielleicht hat er sich eine DVD mit der "Feuerzangenbowle" oder "Kevin allein zu Haus" hereingezogen.
Jedenfalls bekundet der Erste Bürgermeister, dass er einen Meinungswandel vollzogen habe, aber so ist es nicht bei Ihrem Landesvorsitzenden. Herr Freytag erklärt doch sehr deutlich, dass er hinter dieser Reform überhaupt nicht stehe, sondern nur aus Koalitionsräson, aus machtpolitischen Interessen diesen Weg gegangen sei. Das zeigt doch die Zerrissenheit, die sich in der CDU sehr deutlich abbildet.
In Wahrheit sind Sie dazu übergegangen, überhaupt nichts mehr zu sagen. Am Anfang wollten Sie für die Langform an den Gymnasien kämpfen. Dann wollten Sie die humanistischen Gymnasien unter eine Form von Artenschutz stellen. Das war Ihnen doch zu peinlich, davon sind Sie abgerückt. Jetzt habe ich mir Ihr Schulpapier angeguckt und da steht eigentlich fast nichts mehr drin.
Wahrscheinlich war das die Voraussetzung, um zu einem einstimmigen Beschluss zu kommen, denn sonst wäre es Ihnen nicht gelungen; also ein ziemlich nichtssagendes Papier.
Soweit ich als Außenstehende den Prozess in der CDU beurteilen kann, glaube ich, dass sehr wohl einige durch den Koalitionsvertrag aufgeschreckt waren und große Sorge hatten, dass sie ihr Wort gegenüber den Eltern nicht halten konnten und sich Mühe gegeben haben, das ernst zu nehmen. Wenn man das bewertet, was in den letzten Wochen passiert ist, dann sind Sie als Tiger gestartet und als niedliches Plüschkätzchen auf dem Schreibtisch des Ersten Bürgermeisters gelandet. Das ist das, was die Hamburger CDU den Eltern in Hamburg zu sagen hat und die werden ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Nun möchte ich noch einige Worte zur Senatorin sagen, die mit dem Verweis auf den Schulfrieden das irgendwie mit Erstarrung verwechselt. Im Moment passiert eigentlich relativ wenig, was die Qualität von Hamburgs Schulen voranbringt. Sie haben verhindert, dass die Stadtteilschule im Jahr 2009 eingeführt wird, Sie verhindern, dass es zu neuen Ganztagsschulen kommt. Beides sind notwendige Maßnahmen, um den Problemen der großen Zahl der Risikoschüler gerecht zu werden. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass an der Situation von Hamburgs Förderschulen in dieser Legislaturperiode nichts verändert werden darf. Auch das ist ein Prozess, der dazu beiträgt, dass die schwächeren Schülerinnen und Schüler überhaupt keine Unterstützung bekommen.