Lorenz Caffier
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Sonntag war es auf den Tag genau 30 Jahre her, dass die Volkskammer den Einigungsvertrag – und der Bundestag ebenfalls – verabschiedet hat. Nur wenige Tage zuvor wurde in Moskau der Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet. Damit waren überhaupt erst mal die Voraussetzungen geschaffen, damit Deutschland ab dem 3. Oktober wiedervereinigt würde. Auch das gehört beim Rückblick „30 Jahre“ dazu.
Und mit diesem Datum,
und mit diesem Datum konnte auch die Geschichte des wiedergegründeten Bundeslandes beginnen. Wir haben allen Grund – und insofern bin ich durchaus ein bisschen
enttäuscht über die eine oder andere Rede –, wir haben allen Grund, alle gemeinsam mit Stolz auf das zurückzublicken, was die Menschen in diesem Land in den zurückliegenden 30 Jahren für beachtliche Leistungen erbracht haben.
Gemeinsam mit meinem Kollegen Backhaus, der auch als einziger Vertreter der damals frei gewählten Volkskammer hier in diesem Parlament dann auch den Landtag 1990 mitbegründet hat, kann man sich gut an die Ereignisse dieser Tage vor 30 Jahren zurückerinnern, an nächtliche Beratungen von uns Politikerneulingen, an die Begeisterung, an etwas mitzuwirken, was im wahrsten Sinne des Wortes Weltgeschichte war.
Der 3. Oktober 1990 war der Neuanfang für unser Bundesland. Aber viel mehr noch, er war der Neuanfang für 1,9 Millionen Menschen. Bei aller Freude über das erreichte Ziel, die Wiedervereinigung selbst, war doch auch mehr und mehr spürbar, was den Menschen dabei im Alltag abverlangt wurde. Der wirtschaftliche Umbruch hatte schwerwiegende Folgen. Die rasch wachsende Wirkung und die Zahl der Arbeitslosen mit all ihren Folgen wurde so etwas wie ein Krebsübel der 90er-Jahre. Ich sage aber auch, wir dürfen Ursache und Wirkung nicht durcheinanderbringen,
denn wir müssen uns immer wieder mal an den Zustand der Industrien, unserer Stadtzentren, unserer Straßen, unserer Umwelt erinnern, wie er 89/90 war.
Die wirtschaftliche Talfahrt war nicht das Ergebnis von friedlicher Revolution und deutscher Einheit, sondern sie war das Ergebnis von 40 Jahren Misswirtschaft in der damaligen DDR, meine Damen und Herren.
Denken wir hier in Schwerin nur beispielsweise an den Zustand der Schelfstadt zurück, die heute ein Prunkstück ist! Der Abriss war längst durch die DDR beschlossen. Das zuvor jahrelange Nichtstun hatte häufig leider Methode. Oder denken wir an den Geruch der Kohleöfen, an die Zweitaktmotoren der Autos, die Entsorgung von Industrieabfällen in der Natur! Die DDR war nicht nur ein politischer Unrechtsstaat, sondern der Sozialismus war auch ökologisch eine Bankrotterklärung.
Darauf muss man heute auch mal angesichts der Klimadebatten hinweisen können. Das erstaunt mich häufig wieder aufs Neue.
Meine Damen und Herren, als Abgeordnete des Landtages genießen wir heute sehr, sehr gute Arbeitsbedingungen. Sie werden ahnen, dass die Anfangszeit der Arbeit dieses Hauses oft noch etwas ungeordnet war. Die Fraktion, jede Fraktion, hatte eine Standleitung von Hamburg, um mit Bonn telefonieren zu können, und man
musste immer wieder erklären, wieso wir eine Hamburger Vorwahl haben, wenn wir aus Schwerin telefonieren. Die Kommunikation war viel herausfordernder. Sich gegenseitig telefonisch auszutauschen, war noch herausfordernder als heute im Zeitalter von Funklöchern. Gerade die Kollegen aus etwas weiter entfernten Landesteilen standen immer vor der Herausforderung, die Wege zurücklegen zu müssen. Die Rüganer fuhren am Montag früh los und fuhren am Freitagabend wieder nach Hause. Heute ärgern wir uns über das Loch in der A 20. Aber dass es die A 20 gibt, ist für alle längst selbstverständlich. Auch das sollten wir berücksichtigen.
Ich will gar nicht so sehr vergleichen zwischen 1990 und heute. Ich bin überzeugt, dass sich die zentrale Aufgabe für Abgeordnete nicht geändert hat: zuhören vor Ort, Themen mitnehmen und dann handeln – vollkommen egal, aus welcher Fraktion, einfach mitnehmen und handeln. Und wir sollten auch nicht immer vorrechnen, wer was wann wo getan hat. Ich kann mich auch noch an Plakate „A 20 nur mit uns“ erinnern und so etwas. Hilft uns ja alles nicht weiter, wir müssen das Land gemeinsam voranbringen.
Mir ist aber vor allen Dingen wichtig, was die Menschen in dieser Zeit geleistet haben, denn die wunderbare Entwicklung unseres Landes ist nicht in erster Linie Ergebnis der politischen Entwicklung, sondern es ist das Ergebnis der Menschen, des Mutes, die Ideen zu verwirklichen, die sie hatten. Es ist das Ergebnis von Anstrengungen, die Mecklenburg-Vorpommern zu dem machen wollten, was es ohne Mauer und Stacheldraht schon längst gewesen wäre.
30 Jahre Mecklenburg-Vorpommern löst natürlich auch immer wieder Erinnerungen aus. Ich denke an die emotionale Entscheidung zur Landeshauptstadt zwischen Rostock und Schwerin und Güstrow. Im Rückblick muss man wirklich immer noch einmal sagen, wie richtig diese Entscheidung war, denn Rostock hat sich auch ohne den Status der Landeshauptstadt, liebe Rostocker, exzellent entwickeln können.
Ich denke aber gerade auch als Innenminister an die Ereignisse, die für unser Land beschämend waren. 1992 entlud sich in Rostock-Lichtenhagen der Hass. Der Rechtsextremismus, der in diesen Tagen für alle sichtbar wurde, kam nicht aus dem Nichts. Er hatte seinen Nährboden in der Verunsicherung dieser Zeit genauso wie im Totschweigen eigener Verantwortung und einem von oben herab unreflektiert verordneten Antifaschismus 40 Jahre zuvor. Der Rechtsextremismus ist seither auch ein Teil, der unsere politische Arbeit begleitet. Hass und Hetze mögen heute in einem anderen Gewand daherkommen, aber Lichtenhagen lehrt uns, wie wichtig es ist, nichts zu verharmlosen. Der Staat, aber auch die Gesellschaft insgesamt müssen gemeinsam zusammenstehen gegen Hass und Gewalt.
Wie aktuell manche Lehren doch häufig sind! Als Innenminister denke ich zurück an den G8-Gipfel in Heiligendamm. Vor allem mit Blick auf den Gipfel einige Jahre später in Hamburg kann man doch sagen, das Land hat sich exzellent dargestellt und positioniert zur damaligen Zeit.
Als Kommunalminister denke ich natürlich auch an die Gebietsreform. Die Diskussion um den Zuschnitt der Landkreise hat gezeigt, wie sehr die Frage der Verwurzelung die Menschen in unserem Land umhertreibt. Und gerade mit Blick auf die Geschichte bis 1990 habe ich es damals immer als ein Glück begriffen, dass wir solche Debatten offen und ohne Ängste miteinander führen können, jeder mit seinem Argument, aber jeder auch mit seiner jeweiligen Leidenschaft – egal, ob Mecklenburg, ob Vorpommern, ob der Landkreis oder der Landkreis. Es war eine lebhafte und intensive Diskussion. Die Dörfer, Städte und Landkreise sind eben nicht einfach ein politisches Anhängsel der großen zentralen Parteiführung, wie bis 1990, sondern sie bilden eben mit ihren Besonderheiten – das sollten wir nie vergessen – den Kern unseres Bundeslandes, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nicht zuletzt denke ich eben auch als Europaminister an all das, was sich hier in den letzten 30 Jahren verändert hat. Aus der Europäischen Gemeinschaft der 12 ist längst die Europäische Union der 27 geworden. In 19 Ländern zahlen wir mit der gleichen Währung, zugleich haben wir aber in der Eurokrise 2009 erlebt, dass der immer weiter gehende Weg der Integration auch erstmals auf größere Reserviertheit stieß. In Bezug auf Europa muss man vielleicht auch sagen, die Menschen wollten in das Freiheits- und Wohlstandsversprechen Europas eintreten und sie erlebten dann auch ein Europa des Glühbirnenverbots. Auch das gehört in der Gesamtdiskussion dazu.
Ich habe zu Beginn gesagt, wie sehr der 3. Oktober für uns alle ein Neubeginn war. Ja, das stimmt, aber die gesamten 30 Jahre waren ein weiterer Veränderungsprozess. Unsere gesamte Kommunikation ist anders geworden, unsere Arbeitswelt, unser Konsum, die gesamte Weltordnung ist eine andere. Insofern war die Herausforderung, dass wir im Grunde in einer Generation gleich zwei Brüche hatten, natürlich eine besondere, für alle. Ich erwähne das deshalb, weil ich glaube, dass dies ein zentraler Grund dafür ist, wie sich die Debatten in unserem Land verändert haben. Nicht jeder begreift diese Veränderung und diese Geschwindigkeiten immer als einen persönlichen Gewinn. Wir haben hier im Landtag deshalb auch die Aufgabe, Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Wir müssen sie uns nicht immer zu eigen machen, aber wir dürfen uns nicht einfach arrogant über sie stellen.
Mecklenburg-Vorpommern war auch 1990 eins, wenn nicht das schönste Stück Deutschlands. Dank des Zusammenhalts im Land gilt das heute noch, vielleicht sogar ein bisschen mehr. Und gerade die aktuelle Pandemie zeigt, wie wichtig Zusammenhalt ist und wie viel Gestaltungskraft in uns allen gemeinsam steckt. Es waren vielleicht gerade die Erfahrungen dieser 30 Jahre, die uns auch vor etwas wie einer Pandemie nicht verzagen lassen, und deshalb ist mir mit Blick auf die Zukunft des Landes überhaupt nicht bange, sondern ich bin überzeugt, dass wir jede Herausforderung meistern werden. Dafür wünsche ich uns viel Kraft und Gottes Segen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin meiner Fraktion dankbar, dass man auch mal das eine oder andere Thema etwas geraderücken kann, denn was hier ausgeführt worden ist, lieber Kollege Ritter, ist eben in der Tat nicht so. Fakt ist, dass ursprünglich vorgesehen war, die Polizei auf 5.500 zurückzuführen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Fakt ist, dass die Regierungsfraktionen entschieden haben, dass wir wieder den Aufwuchs haben und um 400 aufwachsen.
Fakt, lieber Kollege Manthei, ist auch, dass ich offene Stellen haben muss, denn wenn die neuen 300 Absolventen jetzt beginnen zu studieren, dann müssen die auf eine Stelle gehen, die muss ich auch freihalten, denn im Gegensatz zu Berlin übernehmen wir auch alle, die wir ausbilden. Das ist eine kluge Politik und dementsprechend müssen wir auch so verfahren, und deswegen wehre ich mich dagegen, dass man in den Raum Zahlen stellt ohne das dementsprechende Hintergrundwissen, was dafür notwendig ist.
Wir haben in diesem Jahr erstmals mehr Aufwuchs als Abgang, lieber Kollege Ritter, in diesem Jahr, wenn jetzt alle in den Dienst versetzt werden, ihren Abschluss haben,
aber es ist ein ganz geringer Aufwuchs, das ist vollkommen unstrittig.
Und die nächsten Jahre haben wir weiter Aufwuchs, weil wir dann auf die 6.200,
so hoffe ich ja, im Jahr 2021 kommen. Aber dementsprechend müssen die Studentinnen und Studenten auch ihre
Abschlüsse schaffen. Auch das ist ein Problem, was uns gleichermaßen befasst, ähnlich wie in den Universitäten. Wir haben eine Durchfallerquote, das ist unstrittig. Das sind Kolleginnen und Kollegen, die uns nachher nicht zur Verfügung stehen.
Und ja, die Schule war mal für einen viel geringeren Bedarf an Polizistinnen und Polizisten, aber auch an Verwaltungsmitarbeitern geplant, was den Ausbau betrifft. Da wird jetzt Gott sei Dank gegengesteuert. Aber alle wissen, dass das Bauen ein langwieriger Prozess
in Mecklenburg-Vorpommern innerhalb des BBL ist, und deswegen bin ich auch dankbar, dass wir gemeinsam mit den Abgeordneten es geschafft haben, dass wir in Güstrow auch wieder Unterkünfte, Schulungsräume und andere Räume jetzt dementsprechend für die Ausbildung gewährleisten können. Und das wird auch weiter in den nächsten Jahren vorangehen. Ich bin optimistisch, dass wir weiterhin eine gute Ausbildung für Polizistinnen und Polizisten gewährleisten können.
Und was die Kriminalität, was die Beschäftigten in der Kriminalpolizei betrifft, wir haben in diesem Jahr erstmals einen erheblichen Anteil an jungen Polizisten in die Kriminalpolizei versetzt. Das ist auch ganz wichtig, weil in der Tat viele ältere Kollegen in den Ruhestand gehen, und wir müssen aufpassen, dass das Wissen, was die haben, nicht mit verloren geht. Deswegen ist die Versetzung in die KKs, aber auch in die KPIs eine ganz wichtige gemeinsame Aufgabe. Das Ziel bleibt, und das wird erfüllt werden auch, in jedem Revier zwei Streifenwagen auf die Straße, alles andere ist hier Erzählung, die dementsprechend nicht der Realität entspricht, sondern das ist die Aufgabe, der wir uns stellen.
Sie braucht aber einen Zeitraum,
um den Aufwuchs auch gewährleisten zu können. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Dringlichkeit zu diesem Antrag besteht nicht. Es gibt ein geregeltes Verfahren zu der Frage „Rückführung nach Afghanistan“. Es gibt in regelmäßigen Abständen eine Bewertung durch das Auswärtige Amt. Derzeit befindet sich der Bericht in der Endabstimmung für die Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan. Der Bericht wird
den Innenministern im Sommer zugeleitet, auf deren Grundlage ein weiteres Verfahren beschlossen wird. Derzeit ist die Rechtslage so, dass Kriminelle, diejenigen, die sich bei der Überprüfung der Identität verweigern oder falsche Daten liefern, beziehungsweise Gefährder rückgeführt werden. An der Haltung halten wir nach wie vor fest. Insofern besteht auch keine Dringlichkeit. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe den Paragrafen 88a genutzt, um noch mal deutlich zu erklären, warum ich an der Abstimmung nicht teilgenommen habe. Ich halte den Antrag für ungeheuerlich, nicht wegen des Inhalts. Ich halte ihn für ungeheuerlich, weil ich mir nach 27 Jahren Parlamentszugehörigkeit nicht hätte träumen lassen, dass eine Fraktion/Partei den anderen Abgeordneten vorschreibt, was sie sagen und denken dürfen. Das finde ich ungeheuerlich!
Ich bin 1989 auch auf die Straße gegangen, um Meinungsfreiheit zu haben. Und egal, ob Sie Minister sind oder Abgeordneter, Sie müssen den Menschen auch eine persönliche Meinung zuordnen. Wie ich über das Thema denke, können Sie gerne auf meinem privaten Facebook-Account nach wie vor nachlesen. – Vielen Dank.