Birgit Huonker

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie morgens Ihre E-Mails öffnen, dazu den Pressespiegel lesen, jeden Tag Informationen von Verbänden bekommen, dazu die neuesten Schlagzeilen aus dem Internet, dann kämpfen Sie genauso gut wie ich sicherlich gegen eine Informationsflut. Vor 20 Jahren haben wir das noch nicht gekannt. Heute befinden wir uns in einer sogenannten Informationsgesellschaft.
Kommunikation ohne E-Mail wäre heute nicht mehr denkbar. Schnell und einfach ist es. Es hat aber auch seine Kehrseite. Die Redaktionen von Hörfunk, Fernsehen und Zeitungsverlagen stöhnen unter der Flut von Pressemitteilungen, Stellungnahmen, Informationen oder einfach nur Werbung. Eine Journalistin sagte mir kürzlich, sie schaffe es kaum noch, alles zu sichten. Die Menge an ungebetenen Mails habe in den letzten Jahren explosionsartig zugenommen. Und trotzdem, Journalisten helfen uns als Lotsen durch den Nachrichten-Dschungel. Sie wählen das Wichtigste aus, bereiten Informationen auf, kommentieren, kritisieren und erklären. Kurz, sie geben den Menschen in dieser Informationsflut eine Orientierung.
Jede Entwicklung hat aber auch eine Kehrseite. Sosehr wir mithilfe des Internets in die Informationsgesellschaft katapultiert worden sind - wir verfügen über einen unerschöpflichen Zugang zu Informationen -, haben und hatten aber insbesondere Zeitungen und Zeitungsverlage schmerzhafte Einbußen zu verzeichnen; denn das Internet führte zu Einbrüchen bei den lukrativen Anzeigenkunden. Ich erinnere Sie daran: Samstags waren die Zeitungen voll mit großen Stellenanzeigen. Aber das Internet führte zu einem deutlichen Rückgang von Abonnenten. Diese Entwicklung führte zu einer verschärften Marktsituation. Der Druck auf Verlage, den Interessen und Wünschen der Werbekunden nachzukommen, führte wiederum bundesweit dazu, dass das Trennungsgebot, nämlich die deutliche Kennzeichnung von bezahlten Anzeigen und Veröffentlichungen einerseits und den redaktionellen Texten andererseits, zunehmend nicht beachtet wird. Aber genau dieses Trennungsgebot soll dem Schutz der Leserinnen und Leser vor Manipulationen dienen. Die journalistische Unabhängigkeit wird durch Schleichwerbung bedroht. Die Leserinnen und Leser können nicht mehr erkennen, was bezahlt ist, was Werbung ist, und was unabhängige Meinung oder auch Wertung ist.
Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sagte anlässlich des 50. Jahrestages des Deutschen Presserates im Jahr 2006 - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis,
Herr Präsident -: „Noch schwerer wiegt die Bedrohung der journalistischen Unabhängigkeit durch Schleichwerbung: Immer mehr Verlage knicken ein vor Anzeigenkunden, die sich nicht nur ein gefälliges redaktionelles Umfeld für ihre Anzeigen wünschen, sondern anregen, der Anzeigentext könne doch auch gleich in den Redaktionstext einfließen.“ Später sagte er: „Wir brauchen eine neue Debatte über die Trennung von Nachricht und Werbung. Denn ein Journalismus, der bloß noch zur Garnierung oder vielleicht sogar zur Tarnung von Werbebotschaften dient, der hat sich selbst aufgegeben.“
Dass es notwendig ist, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sieht man auch an den Rügen des Deutschen Presserates. Wurden 2006 noch 30 Prozent aller Rügen wegen Verstoßes gegen das deutliche Trennungsgebot ausgesprochen, waren es schon ein Jahr später 60 Prozent und im letzten Jahr immer noch über die Hälfte, 51 Prozent. Verstöße gegen das Trennungsgebot werden derzeit gemäß dem Saarländischen Mediengesetz noch mit 5.000 Euro Bußgeld bestraft.
Diese Höhe dürfte keine abschreckende Wirkung mehr haben und sollte daher wie in einigen anderen Bundesländern auch angehoben werden, sodass Verstöße gegen das Trennungsgebot zukünftig angemessen sanktioniert werden können. Es geht um nichts mehr als um den Schutz der Leserinnen und Leser vor möglichen Manipulationen. Zugegebenermaßen ist das Saarland nicht unbedingt ein Zentrum des Verlagswesens, trotzdem erscheint uns eine Änderung des Saarländischen Mediengesetzes in diesem Punkt notwendig, denn die Anregung kommt vom Saarländischen Journalistenverband selber. Dies sicherlich nicht ohne Grund.
Der französische Nobelpreisträger für Literatur Albert Camus sagte einmal: „Eine freie Presse kann gut oder schlecht sein, aber eine Presse ohne Freiheit kann nur schlecht sein.“ Ich gehe davon aus, dass Sie meiner Auffassung folgen und bitte Sie darum, dem vorgelegten Gesetzentwurf zuzustimmen. Es ist nur eine kleine Änderung, aber mit einer hoffentlich großen Wirkung. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den vorliegenden Gesetzentwurf kann man nur mit dem Ausruf „Endlich!“ begrüßen. Endlich haben die Forderungen unserer Partei Gehör gefunden.
Ja, wir hatten diese Forderungen schon gestellt, bevor wir im Landtag waren. Das als Nachhilfe für Sie. - Endlich wird die Aufsicht über den Datenschutz im öffentlichen und nicht öffentlichen Bereich auch im Saarland zusammengelegt, wie das in Berlin, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und vielen anderen Ländern schon längst der Fall ist. - So viel, um hier einmal zur Klarstellung beizutragen. Natürlich haben auch andere Fraktionen dies gefordert. Da sind wir uns einig.
Herr Kollege Jochem, das weiß ich. Trotzdem haben wir diese Forderungen auch außerhalb der Fraktionsarbeit gestellt. Ich bitte, dies umgekehrt zur Kenntnis zu nehmen. Danke schön. - Bisher ist die Landesdatenschutzbeauftragte nur für den öffentlichen Teil, also für Schulen und Behörden, zuständig. Längst war dieses Gesetz überfällig, denn angesichts des digitalen Zeitalters häufen sich die Beschwerden und Datenschutzskandale. Auch Beschwerden über den leichten Zugang zu privaten Daten werden vermehrt registriert. Ich möchte kurz in Erinnerung rufen, dass an der Universität Magdeburg mal eben Daten von 44.000 Studenten der Universität im Netz frei einsehbar waren. Ich erinnere
daran, dass 500 Lidl-Filialen videoüberwacht waren oder bei der Telekom Daten von 17 Millionen Kunden gestohlen wurden. Für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ist es nicht nachvollziehbar gewesen, warum zwei Stellen für den Datenschutz zuständig sein sollten, einmal für den öffentlichen und dann für den nicht öffentlichen, also den privaten Bereich. Daher begrüßt die Fraktion DIE LINKE diesen Gesetzesentwurf.
Es war unbestritten eine schwere Geburt. Mehrfach war der Datenschutz im öffentlichen und privaten Bereich in den vergangenen Jahren Thema im Landtag. Im Koalitionsvertrag der Jamaika-Koalition wurde zwar die Schaffung des unabhängigen Datenschutzzentrums angekündigt, was der Kollege Hans auch ausgeführt hat. Allerdings, Kollege Hans, haben Sie vergessen zu erwähnen, dass es eine Klausel gibt, in der es heißt, dass man es vom Ergebnis des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof abhängig machen wollte. Sollte es dann tatsächlich so sein, wollte man „umgehend“ die Kontrolle des nicht öffentlichen Datenschutzes aus dem zuständigen Ministerium, also dem Innenministerium, ausgliedern.
Staatssekretär Jungmann rechnete im Januar 2010 laut Angaben im zuständigen Ausschuss noch mit einer Wartezeit von bis zu einem Jahr. - Nun, wie es kam, wissen wir alle. Noch nicht einmal zwei Monate später, nämlich am 09. März 2010, lag das Urteil der EU auf dem Tisch. Klasse, so dachten wir, nun würde das von der Jamaika-Koalition angekündigte unabhängige Datenschutzzentrum umgehend in die Wege geleitet. Aber wiederum Fehlanzeige. Wir hatten außerdem gehofft, dass der Übergang des Vorschlagsrechts auf den Landtag umgehend in die Praxis umgesetzt wird. Stattdessen, kurze Zeit später, im Mai 2010, wurde Frau Thieser zur Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewählt. Zwar steht im Koalitionsvertrag, man wolle das alleinige Vorschlagsrecht für die Wahl des Datenschutzbeauftragten dem Landtag einräumen, aber was soll es, es reicht ja auch, wenn es ein Jahr später umgesetzt wird. Schnell wurde Herr Lorenz entsorgt, der unbestritten gute Arbeit geleistet hat. Ich freue mich, Sie zu begrüßen, Herr Lorenz.
Frau Thieser wurde nach altem Recht eingesetzt. Was juckt uns schon die schnelle Umsetzung, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wurde? - Meine sehr geehrten Damen und Herren, Papier ist geduldig. Frau Thieser selbst äußerte fünf Monate später gegenüber der Presse, sie rechne damit, dass der öffentliche und private Datenschutz in eine Hand gelegt wird. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus der damaligen Presse: „Die bisherige Planung sieht als Termin den 01. Januar 2011 vor.“ Na also, geht doch! Mittlerweile haben wir fast wieder Mai,
liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich denke, Sie sind alle mit mir einer Meinung, dass es nach langen Geburtswehen eine schwere Geburt war. Es war nicht nur eine schwere Geburt, es war, wie ich meine, eine Zangengeburt.
Nun soll es ja besser werden. Ich gehe davon aus, dass auch die Bevölkerung umgehend über Gefahren des Datenklaus besser informiert wird, was zum Beispiel bei der Benutzung der Kundenkarten, der sogenannten Rabattkarten, zu beachten ist oder welche Daten man bei Facebook & Co. besser nicht angibt. Wir erwarten Präventionsarbeit in der Schule, Aufklärung über Verbraucherrechte und Informationen darüber, was denn eigentlich mit den Daten geschieht, die im virtuellen Raum so schnell freigegeben werden. Das sind Aufgabengebiete, die nun anstehen.
Spannend dürfte sein - der Kollege Waluga hat es schon erwähnt -, mit wie vielen Mitarbeitern die neuen Aufgaben geschafft werden sollen; denn in welchem Umfang diese Tätigkeiten wahrgenommen werden können, ist ja auch eine Frage der personellen Ausstattung. Frau Thieser hatte das in dem entsprechenden Pressebericht auch schon gesagt. Auch nach der technischen Ausstattung wird zu fragen sein.
Ich freue mich schon auf die Diskussion im zuständigen Ausschuss und möchte zum Schluss noch einmal festhalten: Spät kommt es, dieses Gesetz, aber besser spät als gar nicht. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE erachtet die Landtagswahl 2009 für gültig und bittet um Zustimmung zur Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses. Bevor ich jedoch nachfolgend auf die Gründe eingehe, erlauben Sie mir noch ein paar einführende Bemerkungen.
Herr Kollege Theis, wir haben in sehr langen, intensiven Sitzungen lange darüber diskutiert, was wir wie wo tun müssen. Wir haben uns alle sehr intensiv damit beschäftigt. Daher fand ich die Polemik am Anfang und am Ende Ihres Beitrages nicht konstruktiv, auch nicht zielführend. Es sei Ihnen unbenommen, aber ich denke, es war nicht notwendig. Ich möchte auch auf diese Polemik nicht weiter eingehen, denn wir haben uns auch im Hinblick auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes intensiv damit beschäftigt.
Ich möchte auf die Gründe eingehen und komme zunächst zur Gestaltung der Wahlzettel. Es ist wohl jedem klar, dass dieser Wahlzettel nur einer Partei gefallen haben dürfte. Uns hat er jedenfalls nicht gefallen und eine Beeinflussung ist auch nicht auszuschließen. Das ist bereits begründet worden, ich möchte darauf nicht näher eingehen. Aber auch die Sachverständigen - auch wenn sie nach dem Urteil
des Verfassungsgerichtshofes nicht die richtigen gewesen sind - konnten zu der möglichen psychologischen Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler durch den Orientierungsfall keine aussagekräftigen Ausführungen machen. Daher lagen auch dem Ausschuss keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob eine ausreichende psychologische Beeinflussung stattgefunden hat, die zu einer Änderung der Sitzverteilung im Landtag geführt hätte.
Mit anderen Worten, wir konnten nicht sagen, wie viele Menschen sich durch den Orientierungspfeil haben beeinflussen lassen und ihre Stimme der CDU gegeben haben. Wir konnten aber auch nicht sagen, bei wie vielen Menschen dieser Orientierungspfeil genau das Gegenteil bewirkt hat, frei nach dem Motto: Ich lass mir doch von denen nicht vorschreiben, wie ich zu wählen habe, ich mach jetzt grad erst recht mein Kreuz woanders. Wir konnten es nicht nachvollziehen.
Man befindet sich also im Bereich der Mutmaßung, sodass eine Wahrscheinlichkeit für die Mandatsrelevanz des Wahlfehlers in diesem Fall nicht angenommen werden konnte.
Ich möchte jetzt zur Wahlwerbung der damaligen CDU-Landesregierung kommen. Auch hier sind keine gesicherten Erkenntnisse darüber möglich, ob eine signifikante Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler vorgelegen hat. Die Frage, ob durch die unzulässige Wahlwerbung das Landtagswahlergebnis derart beeinflusst wurde, dass ohne sie eine andere Sitzverteilung im Landtag in Betracht kommt, ist durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 01. Juli 2010 nicht entschieden worden. In diesem Urteil stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Wahlwerbung unzulässig war. Eine mögliche Beeinflussung der Sitzverteilung des Landtages kann daher weder ausgeschlossen noch angenommen werden. Auch hier können wir nicht beurteilen, inwieweit diese Werbung die Wähler tatsächlich beeinflusst hat, vor allem nicht, zu welchen Stimmverhalten die Wähler beeinflusst wurden. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für die Mandatsrelevanz des Wahlfehlers nur aufgrund von Mutmaßungen kann auch hier nicht angenommen werden.
Ich komme jetzt zur Listenaufstellung der LINKEN im Wahlkreis Neunkirchen. Ich möchte zunächst betonen, dass wir die Auffassung vertreten, dass der Landtag nicht über die Gültigkeit und Zulässigkeit einer Listenaufstellung einer Partei entscheiden kann. Die Gefahr einer politischen Instrumentalisierung tritt bei der gegenseitigen Überprüfung der Listenaufstellung offen zutage. Herr Theis, es widerspricht nach meiner tiefen Überzeugung demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn die politische Mehrheit im Landtag über die Gültigkeit und Zuläs
sigkeit der Listenaufstellung einer politischen Minderheit, nämlich der Opposition, zu urteilen oder zu befinden hat. Meine Damen und Herren, hier wäre einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Deshalb ist nur der Verfassungsgerichtshof dazu berufen, über eine angefochtene Listenaufstellung einer Partei zu entscheiden.
Da es sich der Landtag aber zur Aufgabe gemacht hatte, die Listenaufstellung der LINKEN zu überprüfen, nehmen wir zu den erhobenen Vorwürfen wie folgt Stellung. Die Vorwürfe sind teilweise bereits rechtlich nicht relevant, weil sie keinen Wahlfehler begründen.
Dies wurde auch vom Verfassungsgerichtshof in seiner jüngsten Entscheidung deutlich gemacht - ob Sie das zur Kenntnis nehmen wollen oder nicht, Herr Kollege Schmitt. Ich wollte ja gerade auf die Einzelheiten eingehen, wenn Sie erlauben.
Der Vorwurf der geheimen Wahl wurde aus der Sicht des Kreiswahlleiters und des Landeswahlleiters entkräftet. Der mehrmalige Hinweis, die Stimmzettel in den vorhandenen sechs Wahlkabinen auszufüllen und zu falten, habe ich selbst miterlebt; ich war vor Ort. Es ist auch von Herrn Rechtsanwalt Dr. Warken mehrfach wiederholt worden, ich habe es damals auch vor der Kamera gesagt. Ein Vorwurf wird nicht besser und nicht richtiger, wenn man ihn mehrmals wiederholt. Ich verweise hier auf die räumlichen Gegebenheiten des Bürgerhauses in Neunkirchen. Es dürfte jedem bekannt sein, dass man dort rausgehen kann und geheim sein Kreuzchen machen kann. Das dürfte unbestritten sein.
Auch der Vorwurf, die Gleichheit der Wahl sei verletzt, ist nicht begründet. Hier verweise ich auch auf die Landeswahlleiterin. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar oder vorgetragen worden, dass ein bestimmter Teilnehmer an einem bestimmten Wahlgang tatsächlich zwei oder mehr Stimmen abgegeben hat. Unstreitig ist auch, dass ein nicht wahlberechtigter türkischer Staatsangehöriger nach dem Vortrag der Vertrauensperson und vor allem nachweislich der Aktenlage - ich betone das -, der vorgelegten Mandatsprüfungsliste sowie mehrerer eidesstattlicher Versicherungen, ebenfalls keine Stimmkarte erhalten und auch nicht an der Wahl teilgenommen hat.
Zum weiteren Vorwurf betreffend angeblich nicht stimmberechtigte Teilnehmer. Die Eheleute J. - wir
haben uns ja geeinigt, hier keine Namen zu nennen - haben eine gültige Meldebescheinigung vorgelegt, in der als Wohnsitz eine Adresse in Homburg ausgewiesen ist. Die Vertrauensperson hat auch hier überzeugend dargelegt, dass sich das Ehepaar länger als drei Monate vor der Versammlung gewöhnlich im Saarland aufgehalten hat. Aber auch hier ist der Vorwurf rechtlich nicht relevant; denn ein Wahlfehler würde nur dann vorliegen - das war auch Thema im Ausschuss -, wenn die Mandatsprüfungskommission zumutbare organisatorische Maßnahmen unterlassen hätte, um die Stimmberechtigung näher zu prüfen. Das ist aber zweifelsfrei nicht der Fall.
Im Übrigen ist der Tatbestand der Wahlfälschung bei einer Listenaufstellung einer Partei nicht einschlägig. Auch der Vorwurf der nicht ausgewogenen Personen entbehrt jeglicher Grundlage. Wenn die Bevorzugung weiblicher Kandidaten gerügt wird, weise ich darauf hin, dass Quotierungsvorschriften im Rahmen des autonomen Satzungsrechts von Parteien grundsätzlich zulässig ist. Eine Verletzung dieser Vorschriften wäre im Übrigen nicht geeignet, die Ungültigkeit der Wahl zu bewirken, denn die Einhaltung des Satzungsrechts einer Partei ist für die Beurteilung der Gültigkeit der Landtagswahl eben nicht maßgeblich.
Der Vorwurf, einige Kandidaten hätten keine ausreichende Redezeit gehabt, weise ich ebenfalls entschieden zurück. Wir haben dafür 300, 400 Zeugen, die das alles vortragen können. Der Vorwurf des Stimmenkaufs lässt sich bereits aus den Akten nicht konstruieren. Es gibt auch keinerlei Beleg für einen derartigen Verdacht, sondern das basiert lediglich auf unsubstantiierten Behauptungen. Aus den dargelegten Gründen weisen wir alle Wahlanfechtungen zurück.
Mit der heutigen Abstimmung machen wir den Weg frei zum Verfassungsgerichtshof, denn die Beschwerdeführer haben unserer Meinung nach ein Anrecht darauf, dass wir den Weg zum Verfassungsgerichtshof unverzüglich und schleunigst freigeben. Auf weitere Polemik Ihrerseits einzugehen, erspare ich mir. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll wie in der vergangenen Debatte zum Rundfunkän
derungsstaatsvertrag - wiederum ein Gesetz auf den letzten Drücker durchgewunken werden. Die Anhörung musste im Schweinsgalopp über die Bühne gebracht werden, weil dieses Gesetz am 01. Januar 2011 in Kraft treten soll und muss, damit es keine Lücke gibt. Um es wieder auf den Punkt zu bringen: Hier soll ein lückenhaftes Vertragswerk schlichtweg durchgepeitscht werden. Aber ich sage es hier noch einmal ganz klar und deutlich: Wir sind kein Abnickverein, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Dieses Gesetz hätten wir im Laufe des Jahres nachbessern können, damit es am 01. Januar kommenden Jahres in Kraft treten kann, aber das ist schlicht und ergreifend verschlafen worden. Doch wenn wir dieses Informationsfreiheitsgesetz hier noch auf die Schnelle verabschieden sollen, dann möge dies vorläufig mit drei kleinen Änderungen geschehen, die niemandem wehtun. Erstens bitten wir um Zustimmung dafür, dass von gemeinnützigen Vereinen und Verbänden keine Gebühren mehr verlangt werden können; zweitens wollen wir den Auslagenersatz auf die tatsächlichen Kosten beschränkt wissen; drittens wollen wir keine Befristung, so wie es in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und anderer Bundesländer auch der Fall ist. So weit, so gut.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum vorliegenden Informationsfreiheitsgesetz sagen. Eine offene und transparente Informationspolitik wird bei der Bevölkerung die Akzeptanz von Entscheidungen seitens der Behörden erhöhen. Deren Handeln sollte erstens transparent, zweitens nachvollziehbar und drittens öffentlich sein. Ich bin überzeugt: Hätte es bei den Vorgängen um „Stuttgart 21“ von Anfang an Transparenz gegeben, hätten wir heute keine Massenproteste. Ein Informationsfreiheitsgesetz ist also ein erster Schritt zu einer Kultur der Offenheit. Heimlichtuerei oder herrschaftliches Obrigkeitsdenken müsste ein moderner Staat überwunden haben.
Eines ist uns allen klar: Dieses uns vorliegende Gesetz ist dringend renovierungsbedürftig. Das ist auch im Ausschuss angeklungen. Lassen Sie mich nur ein paar Beispiele nennen. Vom 15. September 2006 bis zum 31. März 2010 sind im Saarland gerade einmal sage und schreibe 52 Anfragen registriert worden. Von einem allgemeinen Durchbruch für mehr Transparenz kann also beileibe nicht gesprochen werden. Von den 52 Anfragen waren 30 auch noch strittig; sie landeten also beim Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Grund dafür dürften einerseits die zahlreichen Ausnahmetatbestände sein, die die Bürgerinnen und Bürger von einer Akteneinsicht abhalten sollen, und andererseits - das ist jedenfalls unsere Meinung ein Gesetzesname, der durchaus zu Missverständnissen führen kann.
Ich komme zu den zahlreichen Ausnahmetatbeständen, die sich im saarländischen Gesetz am Bundesinformationsfreiheitsgesetz orientieren. Um es klar zu sagen: Dieses Gesetz lässt den Verwaltungen einfach viel zu viele Hintertürchen offen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Der Saarländische Journalistenverband hat beispielsweise kritisiert, dass behördliches Handeln, das irgendwie mit finanziellen Auswirkungen zu tun hat, dem informatorischen Zugriff entzogen ist. Und dass die Freigabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von der Einwilligung der Betroffenen abhängt, wurde ebenfalls oft moniert. Dabei haben andere Länder wie Berlin, Brandenburg, SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen beim Umgang mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen schon längst eine Abwägungsklausel eingeführt. Das bedeutet, es muss abgewogen werden zwischen dem Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit einerseits und den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen andererseits. Für das Saarland sollte gelten: Lassen Sie uns endlich Schluss machen mit den zahlreichen Verschlusssachen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Jetzt komme ich noch zu dem Gesetzesnamen, der offenbar zu Missverständnissen führt. Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE müsste das Gesetz nicht „Informationsfreiheitsgesetz“ heißen, sondern „Informationszugangsgesetz“. Bremen und Sachsen-Anhalt haben den Namen übrigens schon geändert. Das Gesetz gewährt nämlich keine Informationsfreiheit im Allgemeinen, sondern Zugang zu bestimmten amtlichen Informationen, die eben bei den Behörden liegen. Wir gehen davon aus, dass viele Saarländerinnen und Saarländer ihre Rechte aufgrund dieses Gesetzes gar nicht kennen.
Wie sonst kann erklärt werden, Herr Kollege Schmitt, dass saarlandweit durchschnittlich nur fünfzehnmal pro Jahr Akteneinsicht verlangt wird?
Die Landesregierung sollte unserer Meinung nach offensiver darauf hinweisen, dass es die Möglichkeit der Akteneinsicht gibt. Schließlich gehe ich davon aus, dass sie nichts zu verbergen hat.
Viele Menschen wissen offenbar gar nicht, dass sie den Behörden in die Karten schauen können, dass sie beispielsweise nachprüfen können, ob die Gründe für aktuelle Gebührenerhöhungen stichhaltig sind oder wer die Sponsoren für bestimmte Empfänge sind.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung. Zu großen Irritationen und großem Unverständnis haben bei den Journalisten die Äußerungen der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Frau Judith Thieser, geführt. Sie ist der Auffassung, das Saarländische Informationsfreiheitsgesetz gelte nicht für Journalisten. Ich habe gestern mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Herrn Peter Schaar, telefoniert. Er hat gesagt, dass er eine solche Ausschlussklausel in seinem Bereich nicht sehe. Das Bundesinformationsfreiheitsgesetz gelte selbstverständlich auch für Journalisten.
Ich hatte es bereits im Ausschuss gesagt: Das Informationsfreiheitsgesetz ist meiner Ansicht nach ein Jedermann-Gesetz. Jeder Mensch hat Zugang zu amtlichen Informationen. Da kann man nicht einfach bestimmte Berufsgruppen ausschließen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Informationsfreiheit - oder besser gesagt: der Informationszugang - steht im Gesetz. Lassen Sie es uns mit Leben füllen! Daher bitte ich zum Schluss meiner Ausführungen um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und bedanke mich recht herzlich bei Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zum 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll Kinder und Jugendliche vor Gefahren aus dem Internet schützen. Wer will das nicht! Aber, um es gleich vorweg zu sagen, ich habe bisher noch nie einen Gesetzentwurf gelesen, der bundesweit partei- und länderübergreifend derart in die Kritik geraten ist.
Herr Minister Rauber - schade, er ist gerade nicht da -, es ist beileibe nicht so, wie Sie uns glauben machen möchten, dass es nur positive Rückmeldungen gibt. Dem ist nicht so! Dieser Gesetzentwurf wirft viele Fragen auf, deshalb will ich mich auf drei Bereiche konzentrieren. Der Kollege Commerçon hat schon einiges genannt. Erstens ist für mich die Frage nach der Vorgehensweise und der Bedeutung von Länderparlamenten bei der Novellierung von Rundfunkänderungsstaatsverträgen wichtig. Zweitens stellt sich für mich die Frage, welche Aufgaben auf die Anbieter von Internetinhalten zukommen und vor allen Dingen, wie das praktisch umgesetzt werden kann. Drittens ist die Frage nach der Vermittlung von Medienkompetenz zu stellen. Das hatten wir hier schon gehört.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der saarländische Landtag bekommt im Oktober einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in anderen Länderparlamenten bereits im April in den zuständigen Ausschüssen behandelt worden ist. Ich frage mich, unter welchen Bedingungen und mit welcher Ernsthaftigkeit wir noch darüber diskutieren sollen, wenn dieser Entwurf bereits am 01. Januar 2011 in Kraft treten soll. Der Einfluss der Länderparlamente ist ohnehin gering. Es kommt mir so vor, als ob das saarländische Parlament am besten nur noch abnicken sollte. Wenn wir jetzt den Gesetzentwurf in den Ausschuss verweisen und dort noch eine Anhörung beantragen, dann dürfte es knapp werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Hier soll ein lückenhaftes Vertragswerk durchgepeitscht werden, und wir werden einfach nur noch zum Abnicken benutzt.
Das haben wir nicht zu verantworten, Herr Rauber, das hat Ihre Staatskanzlei zu verantworten. Ich hätte
mir eine längerfristige Einbindung der Länderparlamente, insbesondere unseres Parlamentes, gewünscht und außerdem noch mehr Transparenz.
Ich komme zu den Aufgaben der Inhalteanbieter. Da ist einiges zu sagen. So sollen sie unter anderem ihre Inhalte mit einer freiwilligen Alterskennzeichnung versehen, sie sollen die Sendezeiten begrenzen oder - wir haben es schon von Herrn Rauber gehört - Jugendschutzprogramme einbauen, sozusagen Filter. Eine Unterscheidung zwischen Content-Provider, Host-Provider oder Access-Provider? Fehlanzeige! Wie soll denn jemand, der eine Website, einen Blog oder ein Forum betreibt, sicherstellen, dass Jugendliche für sie schädliche Inhalte nicht lesen können? Wir haben in Deutschland 5 Millionen Blogger. Alle müssten ihre Inhalte kennzeichnen, ob sie für Kinder ab 6, 12, 16 oder 18 Jahren geeignet sind, wobei mir jemand noch einmal erklären sollte, warum da 14-Jährige außen vor gelassen worden sind. Zumindest sind sie doch in diesem Alter, wenn ich mich recht entsinne, religionsmündig. Aber das nur nebenbei.
Um Ihnen die ganze Absurdität vor Augen zu führen, erlaube ich mir, § 5 Abs. 3 zu zitieren, wobei es sicherlich noch bücherfüllende, heiße Diskussionen unter den Sachverständigen geben wird, was „Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote“ eigentlich sind. Ich zitiere: „Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter die Einbeziehung oder den Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert“ und so weiter und so fort. Kurz, ich will es Ihnen ersparen. Jeder weiß, was ich damit sagen will. Es ist wirklich an Absurdität nicht mehr zu überbieten.
Wie sollen es Millionen Menschen eigentlich leisten, Zigtausend Beiträge nachträglich zu kennzeichnen? Ich will es am Beispiel Wikipedia einmal klarmachen. Es gibt 1 Million Einträge im deutschsprachigen Lexikon. Wer soll die kennzeichnen, da Wikipedia aus vielen Beiträgen einzelner User erst entstanden ist? Muss man diese Inhalte überhaupt kennzeichnen? Liegt doch der Server vom deutschsprachigen Wikipedia in den USA. Wie sieht es da aus mit der Rechtslage? Oder wie sollen Twitter, Facebook, studiVZ und all die anderen verpflichtet werden, Millionen Beiträge zu überprüfen, ob sie jugendtauglich sind?
Sie sehen schon, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist sicherlich gut ge
meint, aber - seien wir doch ehrlich - schlichtweg nicht praktikabel. Große Anbieter können sich vielleicht noch Personal leisten, kleinere ganz bestimmt nicht. Was ist mit der Strafandrohung von 500.000 Euro, wenn das Angebot nicht den Jugendschutzbestimmungen dieses Staatsvertrages entspricht? Es wird ganz bestimmt Rechtsanwaltskanzleien geben, die sich auf genau dieses Gebiet spezialisieren. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Sendezeitbegrenzungen. Spätestens hier wird es dann richtig spannend. Übrigens sieht man an diesem Beispiel ganz deutlich, dass mit den typischen Mitteln der Rundfunkregulierung nun das Internetverhalten auch reguliert werden sollte. Mir ist das nicht so ganz klar. Ich stelle mir vor, soll denn wirklich ein Websitebetreiber tagsüber seine Seite löschen und abends wieder hochladen, wenn Nutzerkommentare enthalten sind, die man nicht jedem zumuten will? Welche Sendezeiten sind denn genau gemeint? Schließlich ist das Internet weltweit rundum verfügbar. Das war alles nicht so ganz klar. Dass der Jugendschutz über Sendezeiten analog dem Fernsehen reguliert werden soll, das ist meiner Meinung nach absurd. Letztendlich dient das nur als Alibi.
Als Letztes möchte ich noch den Filtereinsatz erwähnen, wie eben auch von Herrn Rauber ausführlich beschrieben. Dabei stellt sich doch die Frage, wie schnell es genau dauern wird, bis die Kids die von den Eltern installierten Filter umgehen. Kurz gesagt, auch die Filterprogramme - das prognostiziere ich jetzt schon - werden sich als untauglich erweisen.
Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt, die Vermittlung von Medienkompetenz. Das hat der Kollege Commerçon auch schon erwähnt. Wir als Linksfraktion sind der felsenfesten Überzeugung, dass die Vermittlung von Medienkompetenz oberste Priorität haben sollte. Darauf muss das Hauptaugenmerk liegen. Hier liegt auch die Alternative zum vorgelegten Gesetzentwurf. Die Frage muss erlaubt sein, wie wir im Internetzeitalter den Umgang mit den neuen Medien schulen können. Hier sind Eltern, Pädagogen sowie das gesamte Bildungssystem gefragt.
Meine Damen und Herren, ich zitiere drei Politiker anderer Parteien, die sich zum vorgelegten Gesetzentwurf geäußert haben. Ich sage es noch einmal: Politiker anderer Parteien. Ich bin heute gespannt, wie sich die FDP und die GRÜNEN dazu äußern werden.
Ich zitiere erstens: Wir halten den Jugendmedienschutz-Vertrag bereits jetzt für überholt und für nicht zukunftsfähig. Der Staatsvertrag in seiner jetzigen Ausgestaltung wird weder dem Internet gerecht noch bringt er den Jugendschutz voran. Das zweite
Beispiel: So gut ein Gesetz auch sein mag, dieses ist es nicht. Drittens: Ich muss sagen, dass dieser Staatsvertrag an der digitalen Realität definitiv vorbeigeht.
Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Ich bin gespannt, inwieweit wir hier noch Änderungen vortragen können. Danke schön.
Auch ich will mich nur noch ganz kurz äußern, und zwar zu dem, was die Kollegin Willger-Lambert gesagt hat. Frau Willger-Lambert, es ist schon erstaunlich, wie sich Kolleginnen der GRÜNEN in anderen Länderparlamenten zu diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag äußern, während Sie hier zustimmen wollen. Ich möchte einfach Ihre Kollegin im Berliner Abgeordnetenhaus zitieren. Sie hat gesagt: Es ist technisch, juristisch und gesellschaftlich bedenklich, was mit diesem Staatsvertrag gemacht werden soll.
Es ist ein untaugliches Mittel, um einen wirklichen Jugendschutz im Netz zu gewährleisten.
Ich habe überhaupt nichts von unserem Abstimmungsverhältnis gesagt. Ich gehe vielmehr auf die Abstimmung der GRÜNEN ein. Das möchte ich Ihnen einfach noch einmal vor Augen halten. Es ist auch sehr interessant, wie sich Ihre Kollegin im Bundestag dazu geäußert hat. Vielleicht sollten Sie sich das noch einmal zu Gemüte führen. Es ist schon erstaunlich, wie Ihre anderen Kollegen abstimmen und wie Sie hier im Landtag abstimmen.
Darf ich Sie einfach noch einmal zitieren? Sie haben gesagt: Die GRÜNEN stimmen zu. Ich habe das gerade noch einmal mitgeschrieben. Und es ist wirklich erstaunlich, wie die GRÜNEN im Bund reagieren
und wie die Berliner Abgeordneten der GRÜNEN reagieren.
Ich bin gleich fertig. Es ist der letzte Satz.
Ich bin wirklich gleich fertig.
Wir können es gern auch hinterher machen; das ist total in Ordnung. Es ist also wirklich sehr bemerkenswert, wie Sie sich hier dazu äußern. - Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gründung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland ist ganz eng verbunden mit einem Namen: Hugh Carleton Greene. Er war britischer Chief-Controller und später der erste Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks. Als Greene 1948 sein Amt an Adolf Grimme übergeben hat, betonte er in seiner Abschiedsrede, wie wichtig es sei, dass der Rundfunk unabhängig von parteipolitischen Einflüssen sei. Nachdem sich Greene nach seiner Rede wieder hingesetzt und neben dem damaligen Hamburger Bürgermeister Platz genommen hatte, beugte dieser sich er zu ihm und raunte ihm zu: Es wird Ihnen nicht gelingen, Mr. Greene, es wird Ihnen nicht gelingen.
Meine Damen und Herren, ich finde, dem damaligen Bürgermeister der Hansestadt kann man durchaus hellseherische Fähigkeiten attestieren. Man schaue sich nur die seit Langem andauernden heftigen Debatten um den ZDF-Staatsvertrag an. Man blicke nach Berlin und von dort zum Bayerischen Rundfunk nach München; ich komme darauf später zurück.
In Artikel 5 Grundgesetz heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Das Bundesverfassungsgericht hat aus dieser knappen Bestimmung durch seine Rundfunkurteile weitgehende Anforderungen an die Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet. So soll der vom Rundfunk vermittelte Meinungsbildungsprozess in der Bevölkerung frei und ungesteuert ablaufen können. Daher darf sich der Staat nicht in die Funktion des Rundfunks einmischen, den Rundfunk beeinträchtigen, instrumentalisieren oder gar beherrschen. Es geht also um eine weitgehende Staatsferne, die eine freie Meinungsbildung in der Bevölkerung ermöglichen soll. Doch genau dieser Grundsatz ist bei der gescheiterten Wiederwahl von ZDF-Chefredakteur Brender im November 2009 nicht zum Tragen gekommen, im Gegenteil.
Sie dürfen sich nachher gerne zu Wort melden. Was ist passiert? Eine überregionale Zeitung schrieb am 06. Mai, und jetzt hören Sie mir einfach
mal zu! Falls sie so etwas nicht gelesen haben sollten, leiste ich jetzt gerne etwas Nachhilfeunterricht.
Dort heißt es: „ZDF-Intendant Markus Schächter wurde unter Druck gesetzt, ZDF-Chefredakteur Brender wegen seiner drastischen Kritik an Merkel zurückzupfeifen. Brender war im Kanzleramt da schon unten durch, und seine Kritik, bei der Kanzlerin gehe es wie bei Hofe zu, wurde als undiplomatische Art getadelt. Die Quittung kam im November. Wie erwartet, scheiterte Brenders Vertragsverlängerung im von Union dominierten ZDF-Verwaltungsrat. Über Brender zu Gericht saß unter anderem Medien-Staatsminister Bernd Neumann (CDU). Und einer der Drahtzieher im Hintergrund war der unter Journalisten so beliebte Ulrich Wilhelm.“
Wer ist Wilhelm? CSU-Ministerpräsident Stoiber holte ihn 1991 ins bayerische Innenministerium. Und Wilhelm folgte ihm später als Sprecher in die bayerische Staatskanzlei. Das ist aber nur Teil 1. Teil 2: Später wurde Ulrich Wilhelm Regierungssprecher und gilt auch als Vertrauter von Angela Merkel. Anfang dieses Monats, am 06. Mai, wurde er Intendant einer der größten öffentlich-rechtlichen Medienanstalten in Europa, des Bayerischen Rundfunks. Ich konnte es kaum fassen. Die Verflechtung von Medien und Politik hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Rigoros wurde eine Position besetzt, die zur Machtabsicherung wichtig ist.
Es wurde eine Position mit jemandem besetzt, auf den man sich verlassen kann. Dreister geht es kaum. Von Staatsferne kann hier keine Rede mehr sein. Man könnte auch sagen: Kritiker einer Partei werden mundtot gemacht, Parteivasallen hingegen werden in Schlüsselpositionen gehievt, meine Damen und Herren. Man stelle sich mal vor, der SPDFraktionspressesprecher würde SR-Intendant. Den öffentlichen Aufschrei mag ich mir gar nicht vorstellen. Es hätte Aufstände gegeben.
Und doch zeigt das Beispiel Wilhelm auch sehr schön, wie sehr es die Politik geschafft hat, die Medien zu beherrschen. Wehret den Anfängen, kann ich da nur sagen. Mit diesem Votum nimmt die Staatsnähe von ARD und ZDF ein gefährliches Maß an, eine neue Dimension in der medialen Beeinflussung durch die Politik ist entstanden. Medien - und dazu gehören auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF - haben die Aufgabe, die Politik zu kritisieren und zu kontrollieren - und nicht umgekehrt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Doch vor der Causa Wilhelm kam die Causa Brender. Die war so heftig, dass sich der Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa genötigt sah, in einem Schreiben an die Bundesregierung seine Sorge um die politische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auszudrücken. Zu Recht, meine Damen und Herren. Am 27. November 2009 hat der ZDFVerwaltungsrat auf Betreiben des hessischen Ministerpräsidenten Koch verhindert, dass ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender eine Vertragsverlängerung erhält. Das ist ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Daraufhin ist aus Protest - Kollege Commerçon hat es schon gesagt - Peter Voss aus der CDU ausgetreten, Kurt Biedenkopf hat sich lautstark beschwert und der medienpolitische Sprecher der FDP attestierte Koch eine parteipolitische Testosteronattitüde, die dem Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Schaden zugefügt habe. Der hessische Ministerpräsident habe mal wieder brutalstmöglich darüber aufgeklärt, dass ihm die Rundfunkfreiheit und die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks egal seien. Wahre Worte eines FDP-Politikers.
Man könnte jedoch Koch dafür dankbar sein, dass er brutalstmöglich klar machte, wer das Sagen hat und wie stark die ZDF-Gremien parteipolitisch besetzt sind. Zur Erinnerung für die Kolleginnen und Kollegen, die vielleicht nicht so tief im Thema drin sind: Wir haben einen Verwaltungsrat aus 14 Mitgliedern. Er besteht aus vier amtierenden Ministerpräsidenten, einem ehemaligen Ministerpräsidenten, einem Vertreter der Bundesregierung; acht Vertreter wählt der Fernsehrat. Im Fernsehrat sitzen 77 Mitglieder: drei Vertreter vom Bund, 12 Vertreter von den Parteien im Bundestag - ich verkürze es ein wenig -, 16 Vertreter aus den Ländern, 25 Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgebern und so weiter. Sie haben lediglich ein Vorschlagsrecht. Sie dürfen zwar jeweils drei Namen nennen, die Ministerpräsidenten suchen sich aber einen aus. 16 weitere Vertreter aus dem Bereich Erziehungs- und Bildungswesen und so weiter werden der Einfachheit halber von den Ministerpräsidenten gleich selbst bestimmt. Lediglich die fünf Vertreter der Religionsgemeinschaften dürfen ihre Vertreter selbst entsenden.
Zusammengefasst heißt das für mich: Von 77 Mitgliedern im Fernsehrat sind 72 von der Politik ausgesucht. Von Staatsferne kann spätestens hier keine Rede mehr sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Alle wichtigen Dinge zur Verteidigung der Rundfunkfreiheit in Deutschland wurden übrigens vom Bundesverfassungsgericht entschieden und leider nicht von der Politik in Gang gebracht, sondern im Gegenteil: Gegen den Widerstand der Politik.
Ich möchte gerne an dieser Stelle an das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1991 erinnern. Das Bundesverfassungsgericht hat damals angemahnt, die Kontrollgremien sollen nicht der Repräsentation von organisierten Interessen und Meinungen dienen, sondern der Sicherung der Meinungsvielfalt.
Die Kontrollgremien sollen der Allgemeinheit dienen und nicht Partei- oder Politikinteressen. Rundfunk muss nicht politikfrei sein, aber Rundfunk muss staatsfern sein. Das Bundesverfassungsgericht sagt sogar, staatsfrei. Der ZDF-Staatsvertrag sollte eigentlich einvernehmlich zwischen den Länderregierungen unter Beteiligung der Länderparlamente geändert werden, sodass er künftig den Grundgesetzanforderungen genügen kann.
Ich möchte Folgendes in Erinnerung rufen, was der Kollege Commerçon schon angesprochen hat. Wir hatten am 08. März dieses Jahres eine Podiumsdiskussion. Ich hatte bereits damals meine erheblichen Zweifel geäußert, dass es den Ministerpräsidenten gelingen würde, diese Vorschläge zur Änderung des ZDF-Staatsvertrages einvernehmlich zu erarbeiten. Leider habe ich recht behalten. Ich bin auch der Meinung: Nun hilft nur noch ein Normenkontrollverfahren.
Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat ein Normenkontrollverfahren initiiert, das von der LINKENFraktion unterstützt wird. Es fehlen noch 12 Bundestagsabgeordnete anderer Parteien, die sich diesem Verfahren anschließen müssten. Damit wäre der Weg nach Karlsruhe frei. Es wäre so einfach.
Herr Commerçon hat vorhin die Saarbrücker Zeitung zitiert. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Hinschberger zitieren. Er hat gesagt: „Es ist nichts Unanständiges, wenn man in einem Land wie dem unseren ein Verfahren gerichtlich überprüfen lässt. Das halte ich in diesem Fall für notwendig. Deshalb sind wir diejenigen, die bereit sind zuzustimmen.“ Auf Nachfrage, wenn jetzt ein Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion sagen würde, wir schließen uns der Initiative von GRÜNEN und LINKEN an, würden Sie sagen, okay, verstehe ich, finde ich in Ordnung, haben Sie, Herr Hinschberger, gesagt: „Ich bin damit einverstanden.“ In diesem Fall gehe ich davon aus, dass sich die FDP-Landtagsfraktion unserem Antrag anschließen wird oder sich wenigstens der Stimme enthält. Das wäre glaubwürdig. Von den GRÜNEN erwarte ich das Gleiche. Es kann meines Erachtens auch nicht sein, dass sich die Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN dem Normenkontrollverfahren anschließen, die Landtagsfraktion der GRÜNEN sich auf Landesebene einem Normenkontrollverfahren jedoch verweigert.
Die Bevölkerung des Saarlandes hat wie in den anderen Bundesländern auch ein Anrecht auf eine unabhängige Presse, um sich frei von Staat und Parteien unbeeinflusst eine eigene Meinung bilden zu können. Wir möchten kein Berlusconi-Fernsehen. Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf einen staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dafür zahlt sie Rundfunkgebühren.
Die Bevölkerung hat daher ein Anrecht, dass der ZDF-Staatsvertrag dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt wird. Wenn sich dafür keine Bundestagsabgeordneten finden, müsste die Landesregierung des Saarlandes diese Initiative übernehmen. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich möchte auf den Hinweis des Ministerpräsidenten eingehen, der auf die zurückgegangen Einschaltquoten in der Ära Brender hingewiesen hat. Ich möchte hier gerne etwas klarstellen. 2008 sahen durchschnittlich 3,74 Millionen Menschen die RTLNachrichtensendung und 3,73 Millionen die heuteNachrichten. Doch „heute“ läuft auch auf 3Sat, Herr Müller. Nimmt man diese Zuschauerzahlen dazu, dann liegt die heute-Sendung wieder vor RTL. Also stimmt diese Rechnung, die auch Herr Koch in die Diskussion eingebracht hat, nicht.
Auf die Kurve komme ich noch. Ich kann es auch gleich sagen, danke für den Hinweis. Es ist so, dass alle Nachrichtensendungen Zuschauer verloren haben. Brender sagt: "Nachrichtensendungen ohne Politiker sind quotenträchtiger, das zeigt die private Konkurrenz. Diesem verführerischen Hinweis von Herrn Koch werden wir nicht nachgeben.“ Das wollte ich damit sagen und klarstellen: Alle Nachrichtensendungen haben Zuschauerzahlen verloren. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir konnten heute viel über das Sparen hören. Zu Sparzwecken, haben wir gelesen, habe der Ministerpräsident auch die Funktion des Justizministers übernommen. Ich habe vorhin die Ausführungen des Kollegen Theis sehr wohl gehört und werde trotzdem darauf eingehen. Diese Art zu sparen hätten wir uns bei anderen Ministerien gewünscht, nicht aber bei diesem. Gewaltenteilung ist nämlich für eine gegenseitige Gewaltenkontrolle da, schlicht und ergreifend, um Machtmissbrauch zu verhindern. Gewaltenteilung ist aber nicht möglich, wenn die Spitze von Justiz und Verwaltung durch die gleiche Person besetzt ist. Hier wurde eindeutig an der falschen Stelle zulasten einer effektiven Kontrolle gespart, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn nämlich der Justizminister ein Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft hat und das Justizministerium festlegen kann, wer in der Justiz arbeiten darf, dann kann nicht wirklich von einer Kontrolle der Regierungstätigkeit ausgegangen werden. Ich zitiere jetzt aus Fachkreisen: Wenn Peter Müller Stellen einsparen will, könnte er konsequenterweise auch die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit auflösen und von den Verwaltungsbehörden und Finanzämtern eine bloße Selbstkontrolle ausüben lassen. Das Saarland bestätigt, wie wichtig der Ausbau einer selbstverwalteten Justiz für den Rechtsstaat und die Demokratie ist. - Soweit Ihre Berufskollegen, Herr Justizminister. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Für den saarländischen Anwaltsverein ist sogar die Doppelfunktion Ministerpräsident im Hauptberuf und Justizminister im Nebenberuf ein Skandal. Damit verleihe sich Müller als Justizminister Unfehlbar
keitsstatus. Schlimmer geht’s nimmer, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn der Justizminister behauptet, dem Steuerzahler bleibe ein Ministerium und damit ein Kostentreiber erspart, so beleidigt das die Intelligenz der saarländischen Bevölkerung. Es wird doch nur ein Minister, aber nicht der Apparat eingespart!
Auch ein möglicher Hinweis darauf, dass andere Politiker in anderen Ländern ebenfalls beide Ämter innehaben, macht Ihre Entscheidung, Herr Justizminister, nicht besser. Wenn jemand bei Rot über die Ampel fährt, ist das eine Überschreitung, auf die man sich besser nicht beruft. Es ist eine Errungenschaft des freiheitlichen Rechtsstaates, dass die politische Verantwortung für Verwaltung und Justiz getrennt ist. Dieser bewährte Grundsatz wurde hier im Saarland mit dem Deckmäntelchen Einsparungen nach einhelliger Meinung von namhaften Juristen aus ganz Deutschland ad absurdum geführt. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Sie, Herr Ministerpräsident, haben den Versuch vor zehn Jahren schon einmal unternommen. Der bundesweite Aufschrei hat Sie damals zurückschrecken lassen. Beim zweiten Mal sind Sie davor nicht mehr zurückgeschreckt, frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
Aber es gibt im Bereich Justiz auch Gutes zu berichten. Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden. Die Landesregierung berichtete im Haushaltsausschuss, dass die Staatsanwaltschaft über 6,5 Kilometer hängende Akten verfüge, die nun archiviert werden sollen, weil es oft so gewesen war, dass die dort hängenden Akten nicht mehr gefunden wurden. Wir finden, diese Investition ist gut und richtig angelegt. Vielleicht trägt sie dazu bei, dass nicht nur Akten wiedergefunden werden können, sondern dass auch bestimmte Akten in Zukunft schneller wiedergefunden werden können. Sie sehen, wir als LINKE kritisieren nicht nur. An dieser Stelle bekommen Sie auch einmal ein Lob, damit es nicht immer ganz so schlimm aussieht. Ausdrücklich honoriere ich die Einführung des Dokumentenmanagementsystems im Justizministerium, was zu einem innerdeutschen Exportschlager mutiert ist. Darauf kann man sehr wohl stolz sein.
Worauf man aber nicht stolz sein kann, ist das Thema Fortbildung im Justizwesen. Das Kontingent an den Richterakademien für saarländische Richterinnen und Richter muss dringend erhöht werden, entweder durch mehr Veranstaltungen oder der Länderproporz muss geändert werden. Es kann nicht sein, dass beispielsweise bei der Einführung von grundlegenden Reformen - ich erinnere an die große Unter
haltsrechtsreform vom Januar 2008 - die saarländischen Richterinnen und Richter nicht gründlich darauf vorbereitet worden sind. Sie haben notgedrungen auf andere Fortbildungsmaßnahmen zurückgegriffen, die nicht von der saarländischen Justiz angeboten wurden. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann und darf nicht sein.
Wir brauchen gut aus- und fortgebildete Richter. Sie sollten genauso hoch spezialisiert sein wie die Anwälte. Wenn im Haushaltsausschuss die Landesregierung einräumt, dass man jetzt sogar so weit sei, dass man zwischenzeitlich Richter in Fachkammern die Fachanwaltsausbildung machen lassen könne, damit sie auf dem Niveau der Fachanwälte sind und sie dann auf Augenhöhe mit den hoch qualifizierten Anwälten richten könnten, dann ist das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Offenbarungseid erster Klasse. Wir brauchen Richter in Spezialgebieten wie Baurecht, Medizinrecht und Ähnliches mehr. Sie müssen genauso hoch spezialisiert sein wie die hoch spezialisierten Anwälte, auf die sie täglich treffen. Auf gut aus- und fortgebildete Richter müssen die Saarländerinnen und Saarländer ein Recht haben, damit es nicht weiter heißt: „Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand.“ Investieren Sie bitte hier mehr! Das verringert die Verfahren und damit auch die Kosten.
Es ist bekannt, dass sich in den letzten Jahren die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft und natürlich auch im Saarland erhöht hat. Beispiele von Gewalttaten in den deutschen Gerichten füllten in den vergangenen Jahren die Titelseiten. Im Haushaltsausschuss wurde auch bekannt, dass die Landesregierung bestrebt sei, die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie des Gerichtspublikums umfassend zu gewährleisten. Man sprach von Zugangskontrollen, Schleusen, Videoüberwachung, von Notruftasten, Brandmeldern und so weiter und so fort. So weit der Haushaltsausschuss, so weit die Theorie.
Die Praxis sieht oft ein klein wenig anders aus. In Saarlouis und in Völklingen existieren zwar Sicherheitsschleusen, die allerdings lediglich dazu dienen, dass man klingeln kann und es wird geöffnet. Kontrollen? Fehlanzeige. In Merzig kann alles hineingeschleppt werden, was man will. Ähnliches gilt in St. Ingbert und Homburg. Manche Richter wünschen sich nichts sehnlicher als wenigstens eine Notruftaste. Wenn die Landesregierung im Haushaltsausschuss betont, man sei bestrebt, die Sicherheit der in den Gerichten arbeitenden und zuschauenden Menschen zu gewährleisten, dann hört sich das an wie in einem Zeugnis: „Peter Müller hat sich bemüht.“
Wir unterstellen Ihnen hier keine böse Absicht. Ganz sicher nicht. Wir sind der Überzeugung, dass Ihnen die Sicherheit in den Gerichten wichtig ist. Da gibt es keinen Zweifel. Aber unser Appell ist: Investieren Sie hier in Zukunft mehr! Das gute Funktionieren des Rechtsstaates ist ein viel zu hohes Gut. Auf einen guten, funktionierenden Rechtsstaat hat die Bevölkerung in diesem Land ein Anrecht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erfolg braucht in der Demokratie insbesondere Ausdauer, und vor allem, so wie es scheint, hier im Saarland. Jahrelang versuchte die saarländische Opposition vergeblich, die schier unüberwindbaren Hürden für Volksentscheide und Volksbegehren zu senken und den strikten Finanzvorbehalt abzuschaffen - vergeblich. Müßig, noch mal in die Details einzusteigen. Es ist in diesem Hause schon mehrfach alles gesagt, seit Jahren. Und jahrelang schon belegt das Saarland im sogenannten Demokratietest unter allen 16 Bundesländern tapfer den letzten Platz. Das ist zwar allen gut bekannt, geändert hat sich aber bis heute nichts.
Nun wurde im Koalitionsvertrag angekündigt - wir haben es gerade gehört -, „die gesetzlichen Regelungen zu Volksbegehren und Volksentscheiden so zu verändern, dass diese Elemente direkter Demokratie zu einem stärker praktikablen Mitwirkungsrecht für Bürgerinnen und Bürger werden. Hierzu werden wir den absoluten Finanzvorbehalt abschaffen, die Quoren senken und das Verfahren insgesamt erleichtern sowie das Instrument der Volksinitiative einführen“. - Meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich lese nichts anderes in diesem vorgelegten Antrag!
Erst vor ein paar Tagen wurde der Volksbegehrensbericht von "Mehr Demokratie" veröffentlicht. Darin fällt auf, dass in den Bundesländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein die direktdemokratischen Verfahren am intensivsten genutzt werden. Bayern ist das Bundesland mit den meisten Anträgen auf Volksbegehren. Das sind exakt die Länder, welche die niedrigsten Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide haben. Nirgends ist Bürgerbeteiligung so einfach wie in Bayern. Es beginnt beim niedrigen Einleitungsquorum von 10 Prozent und endet bei einem Zustimmungsquorum für eine Verfassungsänderung von 25 Prozent. Im Saarland sind Verfassungsänderungen per Volksentscheid bis heute grundsätzlich ausgeschlossen. Das muss sich schnellstens ändern, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Demokratie kann sich nicht in Wahlen erschöpfen.
Deswegen muss Ihnen nicht vor Schreck das Handy herunterfallen, Herr Ministerpräsident.
Vielen Menschen ist es mittlerweile zu wenig, alle paar Jahre zur Wahl zu gehen - wenn sie es denn überhaupt tun. Diese Menschen versuchen, auf direktem Weg Politik zu machen. So hat sich die Zahl der kommunalen Bürgerbegehren und -entscheide bundesweit seit Mitte der Neunzigerjahre verdreifacht! Das zeigt ganz deutlich: Der Wunsch nach Mitbestimmung wächst! Demokratie ist eine gute Sache, wenn sich Menschen daran beteiligen können. Es stärkt die politische Zufriedenheit, wenn Bürgerinnen und Bürger auf bestimmte Vorhaben und Sachthemen direkt Einfluss nehmen können und damit vielleicht sogar Erfolg haben. Es stimmt nicht, wenn viele sagen, man könne ja sowieso nichts ändern, die da oben machten ja eh, was sie wollen. Volksinitiative und Volksbegehren spielen eine wichtige Rolle in unserer parlamentarischen Demokratie. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie das repräsentative System und den Vorrang des Parlaments bei der politischen Willensbildung und der Gesetzgebung nicht infrage stellen, sondern es vielmehr ergänzen, soweit es notwendig ist. Und als notwendig kann sich diese unmittelbare Beteiligung der Bürger gerade in einer Zeit erweisen, in der so viel von Politikverdrossenheit die Rede ist.
Wir als Fraktion DIE LINKE sind der festen Überzeugung: Ein Mehr an Bürgerdemokratie wäre ein Weniger an Politikverdrossenheit! Den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit einräumen, auch zwischen
den Wahlen ihre Stimme abzugeben, das wäre ein richtiges Signal. Und zwar nicht demnächst oder bald, wie Herr Ulrich gerade gesagt hat, sondern gleich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Gewartet haben wir schon lange genug.
Stattdessen kündigen die Fraktionen von FDP, GRÜNEN und CDU einen eigenen Gesetzentwurf an. Die Frage ist nur: Wann? Herr Ulrich hat angekündigt, es werde noch in dieser Wahlperiode geschehen; er hat gesagt, der Antrag, der hier vorgelegt wurde, sei nicht hilfreich. Er sagt, dieser Antrag wäre in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entstanden. Da muss ich sagen: Worüber haben Sie denn hier die letzten fünf Jahre diskutiert? Das ist doch schon mehrfach gekommen. Das ist doch keine Nacht-undNebel-Aktion, sondern das ist seit Langem durchdiskutiert worden!
Anstatt endlich zügig Reformen in dieser bereits seit Jahren ausführlich diskutierten Frage anzugehen, wird im Saarland als Erstes ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet, von dem das FDP-Mitglied Baldauf in der Öffentlichkeit berichtet hat, es werde von 56 Prozent der Saarländer abgelehnt. Zwar habe die FDP beim Nichtraucherschutzgesetz Zugeständnisse machen müssen, aber zum Trost versprach er Anfang Januar Völklinger Wirten, die Liberalen hätten sich festschreiben lassen, dass die Zulassungskriterien für ein Volksbegehren deutlich gesenkt werden. Übersetzt heißt das für mich: Um mit an die Macht zu kommen, mussten wir zwar mächtig Federn lassen, auch unser Wahlversprechen brechen, aber dafür helfen wir euch, dass ihr mit geringeren Hürden als zurzeit dieses Gesetz wieder kippen könnt. - Die Frage, die sich dabei stellt, ist nur: Ja, wann denn nun endlich?
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Jahren wurde der CDU von den anderen im Landtag vertretenen Parteien eine „Arroganz der Macht“ vorgeworfen - ich will das noch einmal in Erinnerung rufen -, die das Wohl der Bürger unberücksichtigt lasse. Und vor fünf Jahren verlangte der jetzige Innenminister vom jetzigen Wirtschaftsminister eine Entschuldigung, weil dieser den Christdemokraten eine „Diktatur über das Volk“ vorgeworfen hatte. Das Thema, worüber gestritten wurde, war in beiden Fällen dasselbe wie heute. Wir können auf diesem Niveau weiterstreiten, wir können noch jahrelang so weitermachen. Wir können aber auch endlich zügig zu einem Ergebnis kommen, das die Mehrheit in diesem Hause mitträgt. In einem sind wir uns doch alle einig: Reformen für mehr Demokratie sind längst überfällig. Wir unterstützen daher ein zügiges und vor allen Dingen schnelles Vorgehen, damit die
Saarländer endlich auch zwischen den Wahlen mitbestimmen können. - Danke schön.
Herr Kollege Hans, Sie haben bezeichnenderweise mit den Worten aufgehört: Ich bin zu Ende. Mich hat es an ein ganz berühmtes Zitat erinnert: „Ich habe fertig!“ Ich wollte Ihnen nur noch sagen: Nicht wir haben diese Ängste geschürt! Wir haben die Vorschläge nicht in die Presse lanciert! Es gibt nach langer Zeit eine große öffentliche Debatte zu diesem Thema.
Wir haben das Wort Kopfpauschale nicht eingebracht. Wir möchten lediglich wissen, wie sich Herr Weisweiler hier platziert. Ich glaube, das ist legitimes Recht. Alle anderen Vorwürfe von Ihrer Seite sind damit deplatziert. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.