Isolde Ries
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der Gründung der EU vor 70 Jahren hat es keine Krisensituation mit solchen Herausforderungen gegeben, wie das nun mit der Corona-Krise der Fall ist. Es gab viele Herausforderungen und Konflikte in der Europäischen Union, ja, doch diese binnen kürzester Zeit eingetretene komplexe Bedrohung für die gesamte Weltbevölkerung ist bisher in jeder Hinsicht einmalig. In den Grenzregionen leben wir Europa im Kleinen. Die deutsch-französische und die deutschluxemburgische Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg sind für uns politische Normalität. Auch die Zusammenarbeit mit der Wallonie und mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft zählt dazu.
Aber das Zusammenwachsen von Regionen über Staatsgrenzen hinweg ist kein Selbstläufer. Giscard d'Estaing hat das einmal, bezogen auf die deutschfranzösische Freundschaft, formuliert: Die deutschfranzösische Freundschaft ist nicht natürlich und sie geht auch nicht von selbst. - Was hat er damit gemeint? Er wollte damit sagen, dass sie gepflegt werden muss, immer wieder. Das tun wir, indem wir sozusagen mit vielen kleinen Mosaiksteinchen ein Gesamtbild legen, um das gemeinsame Zusammenleben zu fördern. Das tun wir im Interregionalen Parlamentarierrat. Wir konnten auch schon einiges bewegen, der Antrag legt das dar. Es lohnt sich, Grenzen zu überwinden und sie einzureißen. Denn „Grenze“ bedeutet Abgrenzung, und Abgrenzung ist der Nährboden für Vorurteile, für Misstrauen und für Berührungsängste.
In unserer Region haben die Menschen Kontakte miteinander. Sie arbeiten zusammen, wir sind die Region mit den meisten Grenzpendlern - 250.000 Pendler, keine andere Region in Europa hat so viele Grenzpendler. Wir arbeiten zusammen, wir sind gemeinsam in Vereinen aktiv, wir essen zusammen, hüben und drüben, wir kaufen zusammen ein, und
wir leben und erleben die Kultur des jeweils anderen.
Wir haben uns immer als Einwohnerinnen und Einwohner der Großregion, der Grenzregion, gesehen, und nicht nur als Saarländerinnen und Saarländer, sondern als Europäerinnen und Europäer. Deshalb waren die Grenzschließungen etwas ganz Schlimmes, ist doch die Bewegungsfreiheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger eine d e r Errungenschaften der Europäischen Union, ein Europa ohne Schlagbäume. Dass dann plötzlich wieder Grenzen kontrolliert wurden, dass Kontrollen stattgefunden haben, das war sehr schwer zu ertragen.
Auch 70 Jahre nach der Schuman-Erklärung gibt es immer noch diesen Ur-Reflex: Wenn irgendetwas in der EU passiert, wird zuerst einmal die Grenze dichtgemacht. Das war bei der Terrorismusfrage so, das war bei der Migrationsfrage so und das war auch bei Corona so. Als würde das Virus vor der Grenze haltmachen und als würden Schlagbäume die Krankheit regeln. Das tun sie nicht.
Wir müssen vielmehr, und das hat diese Grenzschließung gezeigt, grenzüberschreitend denken, handeln und planen. Europa ist nur stark, wenn es über die nationalen Interessen hinweg zusammensteht, mit einer Stimme spricht und gemeinsam handelt. „Die Großregion als europäisches Labor für eine gemeinsame Krisenbewältigung stärken, grenzüberschreitende Kooperation ausbauen“ - so ist der heutige Antrag überschrieben, denn wir brauchen eine stärkere und engere Zusammenarbeit. Wir brauchen weniger Grenzen und mehr geeintes Handeln.
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben es uns vorgemacht. Dort gab es keine Grenzschließungen. Der Europaminister dort hat sich von Anfang an stark gemacht und gesagt, bei uns gibt es das nicht. Und das, obwohl Belgien ganz besonders betroffen war, mehr als Italien und Spanien. Hinter San Marino gab es in Belgien die zweitmeisten Betroffenen im Land. Die Niederlande waren ebenso als Risikogebiet eingestuft. Die beiden Bundesländer haben sich gegen die Pläne von Horst Seehofer gestemmt. Ein solches Verhalten, Kolleginnen und Kollegen, hätte auch uns sehr gut angestanden. Stattdessen haben wir bedauerlicherweise den Sheriff an die Grenze geschickt.
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben eine Cross-Border-Task-Force eingerichtet, die mehrmals die Woche grenzüberschreitend gemeinsam mit Niederländern und Belgiern getagt hat. Dabei wurden gemeinsame Strategien entwickelt, die eine Grenzschließung überflüssig machten.
Ich schaue aktuell mit großen Sorgen nach Frankreich, nach Grand Est, wo die Corona-Zahlen wieder steigen. Ich appelliere an alle Verantwortlichen, kei
ne neuen Grenzschließungen vorzunehmen. Die Bekundungen in den letzten Tagen waren ja auch sehr positiv von unserer Seite.
Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn, gerade in so einer schwierigen Situation, damit nicht weiteres diplomatisches Geschirr zerschlagen wird. Die Krise hat gnadenlos die Schwächen der Europäischen Union offengelegt und Reformbedarf offenbart.
Kolleginnen und Kollegen, die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass die Gesundheit und das Leben von Europäerinnen und Europäern davon abhängen, wie gut die Gesundheitssysteme ausgestattet sind und auch davon, in welchem Staat mit welcher Gesundheitspolitik die Menschen leben, und das deshalb, weil Gesundheitsschutz in erster Linie nationale Angelegenheit und Zuständigkeit ist.
Was wir brauchen, und diese Lehre sollten wir aus dieser Krise ziehen, sind verbindliche Mindeststandards im Gesundheitswesen, also mehr Europa und nicht weniger Europa. Nur das ist geeignet, die Prävention gegen solche Krisen zu stärken und zu verbessern. Die Grundlage dazu bietet der LissabonVertrag, der eine Möglichkeit der Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich explizit vorsieht. Auch im Bereich der Forschung brauchen wir mehr Unabhängigkeit, auch das hat die Krise gezeigt.
Wichtige Medikamente und Schutzkleidung dürfen nicht aus außereuropäischen Ländern kommen. Die Fähigkeit der Europäischen Union, die notwendigen Artikel selbst herzustellen und zu bevorraten, muss einen höheren Stellenwert bekommen als das Bestreben, so billig wie möglich zum Beispiel in China produzieren zu lassen. Wohin eine solche Abhängigkeit führt, konnten wir in geradezu grotesker Weise insbesondere zu Beginn der Pandemie erfahren, als zum Beispiel plötzlich alle Welt Jagd auf so etwas Banales wie Schutzmasken machte.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, durch Krisen kann Reformdruck entstehen. Schon häufig ist es der EU gelungen, aus Krisen gestärkt hervorzugehen. Uns allen muss es gelingen, den Bürgern echtes gemeinsames Handeln sichtbar zu machen, auch und gerade in dieser Region, bei der Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen ebenso wie bei der ungelösten Migrationsfrage.
Wer heute über die Europäische Union als Wertegemeinschaft spricht, der kommt an Moria nicht vorbei. Moria ist Europas hässliches Gesicht. Es ist ein Gesicht ohne eine Spur jenes Humanismus, auf dem allein die Grundwerte unserer Gemeinschaft fußen. Artikel 2 des Lissaboner Vertrages beinhaltet zuallererst die Achtung der Menschenwürde, Gleichheit, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die
Wahrung der Menschenrechte und vor allem die Rechte der Minderheiten.
Humanismus verbietet es, Menschen auf der Straße verkommen zu lassen, da muss man nicht einmal Christ sein. So ist es mir völlig unverständlich, wie man sich als Christ verstehen will und gleichzeitig Bilder von Babys am Straßenrand ertragen kann, ja vielmehr noch letztendlich für die Situation mitverantwortlich ist. Wer von uns hat sich ernsthaft Gedanken gemacht, wie Menschen empfinden, die über Jahre hinweg unter katastrophalen Bedingungen in einem total überfüllten Lager ohne Perspektive leben müssen, und die letzten Monate auch noch unter Quarantäne? Wir müssen uns nicht wundern, dass es dort zu diesem Feuer der Verzweiflung kam.
Moria ist Verrat, Verrat an den Flüchtlingen, Verrat an den Griechen und Verrat an uns selbst und an den Werten, die wir uns selbst gegeben haben. Hier zeigt sich auch bedauerlicherweise das Versagen der EU-Flüchtlingspolitik. Wir müssen die Menschen so schnell wie möglich dort herausholen und auf die zehn willigen Länder verteilen, es sind ja sogar noch mehr, wie ich heute Morgen lesen konnte. In Deutschland sind es über 170 Kommunen, die bereit sind, Menschen aufzunehmen.
Diese ungelöste Flüchtlingsfrage und diese nationalen Egoismen zeigen, dass rechtspopulistische Hasardeure und demokratiefeindliche Elemente und das Streben nach dem eigenen Vorteil ganz gefährlich auf dem Vormarsch in der Europäischen Union sind. Für mich ist das jedoch kein Grund zur Resignation. Es gilt vielmehr, gemeinsam mit fortschrittlichen Kräften das Europa zu verteidigen und weiterzuentwickeln, das mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Überlassen wir unser Europa nicht den Kleingeistern, nicht den Bedenkenträgern und den Populisten. Treiben wir unser Europa voran, wann, wenn nicht jetzt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Redebeiträge von Rechtsextremisten gehe ich grundsätzlich nicht ein. Ich denke, wir sollten uns auch nicht auf dieses Niveau begeben.
Die Landesregierung hat uns den Gesetzentwurf für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches, Großbritannien und Nordirland, aus der EU zur Beratung und Abstimmung in Erster und Zweiter Lesung vorgelegt. Viele von uns Sie haben es ja angesprochen - stellen sich nun die Frage: Muss man über diesen Gesetzentwurf heute überhaupt noch abstimmen? Immerhin hat gestern das britische Unterhaus das Austrittsabkommen zum zweiten Mal mit einer satten Mehrheit abgelehnt - am 15. Januar zum ersten Mal, gestern zum zweiten Mal. Heute wird das Unterhaus darüber abstimmen, ob es einen No Deal geben soll. Ich habe mir gestern die Debatte im Unterhaus angetan. Da hat sich Boris Johnson, der ehemalige Bürgermeister und Außenminister, voll für einen No Deal ausgesprochen. Er wird sicherlich auch heute Abend in der Debatte das Wort für einen No Deal ergreifen. Ich hoffe, dass die meisten vernünftig sind und dass es heute Abend anders ausgehen wird.
Morgen wollen die Briten dann über eine Verschiebung des Brexits abstimmen. Das können sie eigentlich gar nicht alleine, weil für eine Verschiebung des Brexits alle 27 EU-Länder zustimmen müssen.
Es stellt sich in der Tat die Frage: Was wollen die denn mit dieser Verschiebung? Die kann ja höchstens bis Mai gehen - das sehe ich auch so -, weil dann die Wahlen folgen. Was soll denn diese Gnadenfrist überhaupt bringen? Sie wollen ja das Austrittsabkommen überhaupt nicht. Es kann aber nicht aufgeschnürt werden. Juncker hat gestern zu Recht gesagt: Wir haben euch eine zweite Chance gegeben, eine dritte wird es nicht geben. - Deshalb wird, je länger es dauert und je näher der 29. März kommt, ein No-Deal-Brexit sehr wahrscheinlich.
Das vorliegende Gesetz, zugegebenermaßen ein sehr schlankes Gesetz, soll nur in dem Fall für Rechtsklarheit sorgen, wenn es einen geregelten Austritt gibt - der im Moment aber in weiter Ferne liegt. Das Gesetz basiert nämlich auf der Annahme, dass es ein Austrittsabkommen mit anschließender Übergangsfrist gibt, entweder bis 2020 oder vielleicht sogar 2022. Und die Hoffnung stirbt zuletzt, deshalb werden wir heute auch über dieses Gesetz abstimmen.
Mit dem Gesetz soll klargestellt werden, dass das Vereinigte Königreich und Nordirland im Landesrecht während dieser Nachfrist, die im Austrittsabkommen vorgesehen ist, in der Übergangsphase bis 2020 oder 2022 so zu behandeln ist wie ein EULand, ohne dass sie eigene Rechte haben. Das heißt insbesondere auch, dass die Rechte der bei uns lebenden britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger - darum machen wir ja das Gesetz - im Wesentlichen unverändert bleiben. Eine Ausnahme hiervon sieht der Gesetzentwurf vor. Es heißt, das aktive und passive Wahlrecht bei der Kommunalwahl wie auch bei der Europawahl gilt nicht mehr. Britische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die im Saarland leben, können somit nicht mehr an den Kommunalwahlen am 26. Mai teilnehmen.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf trägt auch dem Umstand Rechnung, dass der Ausgang der Brexit-Verhandlungen total ungewiss ist. Die Landesregierung hat das Inkrafttreten des Gesetzes an das Zustandekommen des Austrittsabkommens geknüpft. So sehen es auch die anderen Länder vor. Das heißt, das saarländische Brexit-Übergangsgesetz tritt nur dann in Kraft, wenn das Europäische Parlament und das britische Unterhaus diesem Austrittsabkommen zustimmen.
Zwei Wochen haben wir noch Zeit, genau. - Und noch einen Vorteil hat dieser - wie es rechtstechnisch heißt - dynamische Verweis auf das Austrittsabkommen. Er gewährleistet auch die notwendige Flexibilität, falls es zu einer derzeit immer noch nicht absehbaren Änderung der Sach- oder Rechtslage kommen sollte. Das heißt, dass der Vertragstext modifiziert wird im Rahmen des Backstop oder in Form
einer Verschiebung des Austrittsdatums. Da muss man nichts ändern, da ist dieser Gesetzentwurf dynamisch genug.
Kolleginnen und Kollegen, ob ungeregelt oder geregelt, der Brexit trifft auch uns hier im Saarland. Herr Flackus hat es angedeutet, er trifft vor allem die Automobil- und Zulieferindustrie. Negatives Paradebeispiel sind ja - leider - die Ford Werke. Einen dramatischen Exportrückgang im Handel mit Großbritannien gibt es ja schon jetzt. Waren die Briten unser erster Handelspartner, ist das seit einem Jahr wieder Frankreich - das hat schon dazu geführt. Die Importe aus Großbritannien sind auch deutlich eingebrochen.
Diese Hängepartie ist zudem ein nicht zu unterschätzendes Problem für viele Bürgerinnen und Bürger, nämlich für Familienbesuche, für Urlaube, für Studienaufenthalte, für Schüleraustausche und für vieles mehr. Ich kenne ganz viele in meiner Bekanntschaft, die jetzt wegen dieser Unsicherheit die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt haben, so viele wie nie in der Vergangenheit. Es wird für die Betroffenen in der Praxis noch viel schwieriger werden. Es war gestern in der Zeitung zu lesen: Was passiert mit den 14.000 jungen Europäern, die gerade Stipendiaten des Programms Erasmus+ in England sind, wenn es ein No Deal gibt? Und was ist mit den 7.000 britischen Studierenden und Auszubildenden, die in Ländern der Europäischen Union unterwegs sind? Das sind alles Fragen, die nicht geklärt sind. Da sind einfach die Hausaufgaben nicht gemacht worden.
Das vorliegende Gesetz gilt nur für einen geregelten Austritt. Kommt es jetzt zu einem harten Brexit, dann wären die Folgen für die saarländische Wirtschaft deutlich. Dann gelten in Zukunft nämlich die gleichen Hürden wie beim Handel mit Weißrussland, Usbekistan, dem Sudan oder China. Es gelten nämlich die WTO-Regeln. Das heißt, es gibt Zölle, Zollkontrollen, Zollabfertigung, zwangsläufig längere Lieferzeiten und -fristen. Es gibt mit Großbritannien keinen gemeinsamen Binnenmarkt mehr, es gibt keine Dienstleistungsfreiheit mehr. Produkte werden teurer, was zu Absatzrückgängen führen wird. Das ist ein Szenario, das wir uns eigentlich gar nicht vorstellen wollten, das bedauerlicherweise aber immer realistischer wird.
Viele kleine und mittlere Unternehmen im Saarland, die in Handelsbeziehungen mit England stehen, verfügen nicht über die umfassenden Möglichkeiten großer Unternehmen, die Stäbe von Anwälten haben. Sie brauchen besondere Hilfe und Unterstützung vor allen Dingen von der Landesregierung, weil die Existenz dieser Betriebe davon abhängt. Für circa 50 saarländische Betriebe stellt sich ein ganz besonderes Problem. Sie haben nämlich die englische Gesellschaftsform der „Limited Company“. Das
heißt, sie laufen Gefahr, diese Gesellschaftsform zu verlieren. Die Alternativen dazu sind Einzelunternehmen oder Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, deren Besitzer uneingeschränkt persönlich haften. Wir können uns alle vorstellen, welche katastrophalen Folgen das haben kann. Viele kleine Unternehmen werden deshalb - ich kenne auch einen Betrieb aus meiner Heimat - den Handel mit Großbritannien aufgeben.
Die Landesregierung, hier das Wirtschaftsministerium, hat auch dafür Vorsorge getroffen, soweit das überhaupt möglich ist. Es hat seit der Brexit-Abstimmung gemeinsam mit Saaris und den Kammern Gespräche, Diskussionsrunden, Informationsveranstaltungen, Brexit-Checklisten und Seminare für die Firmen durchgeführt, die davon betroffen sind. Seit Februar dieses Jahres gibt es sogar eine Informationsoffensive für alle Betriebe im Saarland.
Klar ist, der Brexit kennt nur Verlierer. Es muss sich hier niemand darüber freuen. Wir erleben nun, was passiert, wenn sich stumpfer Nationalismus gegen europäische Zusammenarbeit durchsetzt.
In einer immer komplexeren Welt sind die einfachen Antworten verlockend, aber selten richtig, denn eine Sache zeigt der Brexit: Er steht exemplarisch für das, was passiert, wenn seriöse Politiker von Angst getrieben die Argumente der Populisten übernehmen. Denn erst aus dem Versuch David Camerons, der UKIP den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde schließlich die nicht mehr zu stoppende politische Lawine. Das Beispiel UKIP zeigt uns auch, dass rechte Parteien keine eigene politische Mehrheit brauchen, um das Land ins Chaos zu stürzen. Es reicht, wenn die anderen nicht früher und entschieden genug dagegen auftreten oder sogar - was in England der Fall war - das Dilemma für eigene, kurzsichtige Spiele nutzen.
Deswegen sage ich auch sehr deutlich, am Ende geht es um die Bewahrung von Frieden und Wohlstand in der Europäischen Union. Schon deswegen müssen wir den Nationalisten und Europahassern von rechts mit aller Entschiedenheit entgegentreten.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch ein paar grundsätzliche Worte hinzufügen. Wir erleben den Brexit als eine Abfolge von Falschbehauptungen, Egotrips und völliger Ignoranz. Brexitees spielen ganz bewusst mit dem Schicksal und der Lebensplanung von Millionen von Menschen auf beiden Seiten des Kanals. Wir fühlen uns an eine alte griechische Tragödie erinnert, wenn wir dieses Schauspiel im britischen Unterhaus erschüttert betrachten - gestern Abend kam es mir genauso vor -,
in der eine völlig inkompetente, zerrissene und zu großen Teilen in der Vergangenheit lebende politische Kaste dabei ist, ein Land sehenden Auges vor die Wand zu fahren.
Gerade der Brexit zeigt uns jetzt, was die EU in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Gutes erreicht hat: der Binnenmarkt, die Dienstleistungsfreiheit, die Zollunion. Frauenrechte wurden gestärkt wie nie zuvor. Der Herr Minister hat auch die verbesserten Verbraucherrechte aufgeführt, die wir gar nicht hätten, wenn es die EU nicht geben würde und und und. Der Brexit hält nämlich diese eine Lehre für uns bereit: Er zeigt den Menschen in Europa, was ohne die Europäische Union, was ohne die Zusammenarbeit der Länder und Regierungen in Europa alles nicht mehr funktioniert. Viele Menschen sind nun überrascht, was ohne die EU plötzlich nicht mehr geht, weil viele das gar nicht so wahrgenommen haben. Wir sehen deutlich, wie tief die Freiheiten und Chancen gehen, die die EU den Menschen in Europa bietet. Das ist eine wichtige Lehre. Ich hoffe, dass alle Menschen in ganz Europa diese Lehre verstehen - gerade vor den Wahlen des Europaparlaments. Meine Damen und Herren, die EU ist das Beste, was jedem einzelnen Mitgliedsstaat jemals passiert ist. Daran müssen wir festhalten, das müssen wir verteidigen, damit unser gemeinsames Europa nicht zerbricht und Frieden und Wohlstand gewahrt bleiben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne wie gewohnt mit einem Zitat von François Mitterrand: Die deutsch-französische Freundschaft versteht sich nicht von selbst. Sie ist weder natürlich noch automatisch, und sie ist in dieser Region vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte, vielleicht mehr als anderswo, eine permanente Einrichtung, die mit jeder neuen Generation erneuert werden muss. - Zitat Ende. 56 Jahre auf den Tag genau nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle wurde dieser Vertrag mit dem Aachener Vertrag erneuert. Das Jawort zwi
schen Deutschland und Frankreich ist in Zeiten eines bedrohlichen Rechtsruckes in Deutschland, in Europa, wichtiger denn je. Damit bieten wir vor allem Populisten und Nationalisten die Stirn. In Zeiten, in denen immer mehr Politiker, nicht nur in Deutschland und Frankreich, sondern leider auch hier im saarländischen Landtag, wieder nationalistische Töne anstimmen, zeigen wir mit der Erneuerung des Élysée-Vertrages auf, dass die Zukunft unserer beiden Länder nur eine gemeinsame, nur eine europäische sein kann.
Das war sicherlich ein Grund für die Neufassung. Ein weiterer Grund ist, dass sich unsere Welt verändert und deutlich komplexer geworden ist, und damit auch die Herausforderungen für unsere beiden Länder. Vor 56 Jahren war zum Beispiel Klimawandel, Digitalisierung oder Globalisierung überhaupt kein Thema. Der neue Vertrag soll deshalb auch eine Antwort beider Länder auf diese Herausforderungen sein.
Manchen Kritikern geht der Vertrag nicht weit genug. Einige sagen, er hat nur Symbolcharakter, weil er keine konkreten Ziele festlegt, sondern lediglich die Richtung vorgibt, die die deutsch-französischen Beziehungen einschlagen sollen. Das mag in einigen Formulierungen durchaus der Fall sein, aber, das wurde bereits mehrfach erwähnt, die Grenzregionen sollen einen Sonderstatus bekommen, um sich durch Angleichung gesetzlicher Regelungen besser austauschen zu können. Die regionale Zusammenarbeit ist das Kernstück dieses Aachener Vertrages. Gerade hier in den Grenzregionen erleben wir ja Europa, seine Realität, seine Qualitäten, aber auch seine Mängel. Man soll Hürden im Alltagsleben von Menschen beseitigen, die im Nachbarland arbeiten, die im Nachbarland wohnen, oder schlicht einfach nur regionale Fragen gemeinsam lösen, weil Probleme nicht an der Grenze enden. Das haben wir bei dem Unwetter in Großblittersdorf und Kleinblittersdorf gesehen, das ist dann unsere gemeinsame Aufgabe.
Der Vertrag von Aachen legt einen besonderen Fokus auf diese alltäglichen Beziehungen. Dort gibt es eine Ausnahmeklausel, die es möglich macht, mit nationalem Recht zu experimentieren. In Kapitel 4 Artikel 13 heißt es, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident: Die Regionen sollen mit angemessenen Kompetenzen, zweckgerichteten Mitteln und beschleunigten Verfahren ausgestattet werden, um Hindernisse in allen Bereichen wie Wirtschaft, Soziales, Umwelt, Gesundheit, Energie und Transport zu überwinden. - Vor allem die Formulierung, dass zu diesem Zweck Rechts- und Verwaltungsvorschriften angepasst oder Ausnahmeregeln erarbeitet werden können, war lange umstritten. Nicht in Deutschland, eher in Frankreich, wo das nicht nur bei Poli
tikern des extremen Rands für Widerstand sorgte. Dem elsässischen Abgeordneten Sylvain Waserman ist es zu verdanken, dass sich die Franzosen in dieser Frage bewegt haben. Das ist eine Chance für unsere Region, für die Großregion.
Herr Ministerpräsident, Sie nehmen in Ihrer Regierungserklärung den Vergleich mit dem europäischen Cross-Border-Mechanismus auf. Ja, ich sehe das auch so, das ist ein gutes Instrument, wir sollten es in der Tat hier praktisch umsetzen.
Um die deutsch-französische Freundschaft konkret mit Leben zu erfüllen, müssen wir den Städtepartnerschaften, aber auch den Schulpartnerschaften, wie Patrick Weiten es erwähnt hatte, den Austauschprogrammen und auch den Kooperationen in allen Bereichen der Bildung und der Wirtschaft wieder neue Impulse und neue Ideen geben. Die Zusammenarbeit in den deutsch-französischen Grenzregionen sollte im Alltag eigentlich erleichtert werden. Da gibt es noch einiges zu tun. Hinzu kommt ja, dass wir jetzt nicht nur den Aachener Vertrag haben, sondern dass wir für zwei Jahre die Gipfelpräsidentschaft und die Präsidentschaft des Interregionalen Parlamentarierrates übernommen haben. Da ist es für uns als das französischste aller Bundesländer, das wir ja sein wollen, auch eine Verpflichtung, in zwei Jahren auch konkrete Ergebnisse zu liefern.
Im Aachener Vertrag gibt es 15 prioritäre Vorhaben. Für die Gipfelpräsidentschaft wie auch für die IPRPräsidentschaft haben wir uns ebenfalls bestimmte Ziele gesetzt. Einige Mosaiksteine, die man bewegen muss, möchte ich hier erläutern. Wir sind die Grenzregion mit den größten Pendlerströmen: 230.000 Pendler. Mehr gibt es in ganz Europa nicht. Der Ausbau von Mobilitätsprogrammen muss deshalb an allererster Stelle stehen. Und das Folgende ist auch schon angesprochen worden: Die Fernverbindung zwischen Saarbrücken und Paris, der POS Nord, ist explizit im Aachener Vertrag prioritär erwähnt. Sie muss erhalten bleiben, aber nicht nur das, sondern sie muss auch ausgebaut werden. Hier ist die Bundesregierung in ganz besonderer Weise gefordert.
Und wir brauchen die Verbesserung der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen. Ein funktionierender öffentlicher Personennahverkehr ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen sich begegnen können, zusammen arbeiten können, hüben und drüben wohnen können, einkaufen gehen und Kultur erfahren können. Da haben wir noch einige Baustellen. Ich beginne mit der Saarbahn von Saarbrücken nach Saargemünd. Dieses wichtige Infrastrukturprojekt muss langfristig gesichert werden. Demnächst steht wieder eine Einigung über die Finanzierung der Streckennutzungsbeiträge an. 2020
läuft der Vertrag aus. Die Frage ist, ob die Fahrdienstleiter auf beiden Seiten der Grenze bleiben, ob es bei der Taktung bleibt oder ob es sogar eine Erweiterung geben sollte. Wenn wir die Menschen im Grenzbereich zusammenführen wollen, dann brauchen wir Projekte in dieser Richtung und auch Ziele, zum Beispiel den Ausbau der Saarbahn von Saarbrücken nach Forbach am ZF-Werk vorbei. Dort arbeiten 8.500 Menschen, die die Bahn nutzen könnten, auch viele Franzosen. Wir könnten die Innenstadt von Saarbrücken damit enorm entlasten und auch die Verbindung zu Frankreich stärken.
Ein weiteres wichtiges Infrastrukturprojekt ist für mich der Erhalt der Niedtalstrecke. Sie ist im Aachener Vertrag zwar nicht als prioritäre Maßnahme aufgelistet, aber das sollte uns nicht davon abhalten, der DB Netz AG weiterhin die Stirn zu bieten, die den Abschnitt der Niedtalstrecke von Niedaltdorf bis zur Grenze stilllegen möchte. Die Weiterführung dieser Strecke bis zur Grenze ist dringend erforderlich und sie hat auch europäische Dimensionen. Es besteht nämlich die Möglichkeit, über Siersburg und Thionville eine Anbindung nach Luxemburg zu schaffen. Die Strecke sollte natürlich auch für den Personennahverkehr geöffnet werden, dann bestünde nämlich die Möglichkeit, von Saarbrücken bis Luxemburg mit der Bahn zu fahren. Ich denke, ein lohnenswertes Ziel, eine kleine Bahnstrecke, liebe Kolleginnen und Kollegen, die aber gerade für unsere Stahlindustrie von ganz besonderer Bedeutung ist. 600.000 Tonnen Kalkstein werden zum Beispiel pro Jahr von den Hochöfen in Lothringen zur ROGESA nach Dillingen gefahren.
Ein weiteres grenzüberschreitendes Problem für mich oder für viele von uns sind die Befahrungsoder Schifffahrtsabgaben. Das war letzte Woche Thema im Interregionalen Parlamentarierrat. Für die gewerbliche Güter- und Frachtschifffahrt auf den deutschen Wasserstraßen sind die Befahrungsabgaben mit Datum zum 01. Januar dieses Jahres abgeschafft worden. Vor dem Hintergrund des Ausbaus nachhaltiger Verkehre ist die Belastung dieser sehr umweltfreundlichen Binnenschifffahrt nicht mehr zeitgemäß. Das war die Begründung und das ist auch richtig. Wenn jedoch die Erhebung von Schifffahrtsabgaben wie etwa auf der Mosel internationalen Beziehungen unterliegt, können nationale Regelungen die Abschaffung der Schifffahrtsabgaben für die Logistikwirtschaft und die verladende Wirtschaft keine Wirkung entfalten. Wir fordern deshalb aus Wettbewerbsgründen die Gleichbehandlung aller Betriebe in der Grenzregion und die Abschaffung dieser Schifffahrtsabgaben auch auf der Mosel. Das sind zum Beispiel gerade für die Kraftwerkswirtschaft und die Stahlindustrie keine unerheblichen Beträge, die da gezahlt werden müssen.
In Deutschland sind die Gebühren jetzt abgeschafft. Wir haben letzte Woche in meiner Kommission im Interregionalen Parlamentarierrat gehört, dass die Mitglieder der Moselkommission aus Luxemburg bereit sind, auf diese Gebühren zu verzichten. Leider haben aber die französischen Kollegen der MoselKommission deutlich gemacht, dass sie auf die Einnahmen für die Binnenschifffahrtsverwaltung in Frankreich nicht verzichten können. Wir brauchen nun Gespräche und Lösungen mit der französischen, aber auch mit der deutschen Regierung, um die Ungleichbehandlung der verladenden Wirtschaft in der Grenzregion zu beenden. Herr Ministerpräsident, ich glaube, das ist eine ganz wichtige Aufgabe für die Gipfelpräsidentschaft. Wir sollten die Aufgabe so ernst nehmen, dass die verladende Wirtschaft im Januar nächsten Jahres von diesen Gebühren befreit ist.
Die Folge könnte nämlich auch sein - und das wollen wir natürlich nicht -, dass die Wirtschaft auf die Idee kommt zu sagen: Dann werden die Güter eben über Lkw auf der Straße befördert. - Das kann nicht in unserem Sinne sein. Das ist auch nicht der ökologischste Weg.
Nennen will ich auch noch die Task Force Grenzgänger, die in der Regierungserklärung ein wichtiger Punkt gewesen ist. Mit ihr konnten wir schon öfter grenzüberschreitende Probleme lösen. Ich denke da an die Beförderung von Paketen, an den Taxiverkehr, die Arbeitnehmer-Entsendung, an das Steuerrecht, das grenzüberschreitenden Arbeitsrecht und das Sozialrecht. Diese so wichtige Einrichtung ist INTERREG-finanziert. Die Finanzierung läuft 2020 aus. Wir sollten wirklich alle daran arbeiten, dass diese so wichtige Einrichtung weiterhin Bestand hat.
Der freie Handel von Waren ist für uns alle, vor allem für die Jüngeren, eine Selbstverständlichkeit. Aber was ist mit der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Unternehmen? - Wie Sie alle wissen, haben die Wirtschaftsminister der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland im November letzten Jahres in einem gemeinsamen Schreiben an die französische Arbeitsministerin Pénicaud appelliert, Hürden bei der Entsendung von deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Frankreich abzubauen. Erfreulich war, dass die französische Regierung sofort zugesagt hat, dass geplante Verschärfungen bei der Arbeitnehmerentsendung nicht kommen. Sie hat auch zugesagt, die bisherige Praxis zu überprüfen und Hindernisse abzubauen.
Die Absichtserklärung haben wir, jetzt müssen nur noch Taten folgen. So muss zum Beispiel diese unsinnige Schikane wegfallen, dass saarländische Unternehmen, die in Frankreich arbeiten, im Nachbar
land täglich und im Voraus die eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anmelden müssen. Die Folge dieser Vorschrift ist, dass die deutschen Handwerker, egal ob Klempner, Schreiner, Bauarbeiter oder Maler, überhaupt nicht mehr in Frankreich arbeiten, weil das nämlich viel zu kompliziert ist. Nun gibt uns der Aachener Vertrag die Möglichkeit, diese Hürden abzubauen. Ich habe mit Oliver Groll von der IHK, dem neuen Präsidenten des Wirtschaft- und Sozialausschusses der Großregion, gesprochen, der das ebenfalls positiv sieht. Denn aus Frankreich gibt es leider immer noch keine Präzisierungen durch untergesetzliche Rechtsverordnungen. Ich denke, die politische Lage in Frankreich ist derzeit so, dass es andere Sorgen gibt. Es hängt nicht am Willen, das glaube ich nicht. Deshalb sollten wir versuchen, auf Grundlage des Aachener Vertrages durch ein bilaterales Abkommen zu einer Lösung zu kommen.
Aktuell liegt die Zuständigkeit im Bereich Arbeitsrecht und auswärtige Angelegenheiten beim Bund. Das hat mir die Task Force so berichtet. Das Bundministerium für Arbeit und Soziales hat mit den Verhandlungen begonnen. Da unsere Handwerker aber endlich Klarheit brauchen, sollten wir alle Möglichkeiten nutzen und deshalb auf den Aachener Vertrag, der uns hier eine wirklich gute Grundlage gibt, zurückgreifen.
Noch eines: Ich könnte mir auch hier im Grenzbereich eine europäische Arbeitsmarktbehörde vorstellen, in Grand Est oder hier im Saarland. Seit dem 01. Januar dieses Jahres gibt es dieses Instrument. Wir haben dies im AdR beschlossen, das Europäische Parlament und auch die EU-Kommission haben den Weg freigemacht für eine europäische Arbeitsmarktbehörde, damit Lohn- und Sozialdumping bekämpft werden können. Bisher ist es so, dass mit welchem Erfolg auch immer - deutsche und französische Behörden Lohn- und Sozialdumping strikt getrennt auf nationaler Ebene bekämpfen. Bei uns sind es der Zoll und das Arbeitsamt. Lohn- und Sozialdumping machen aber an Ländergrenzen nicht halt. Die richtige Antwort auf diese Situation kann eigentlich nur sein, weil uns sowohl in Frankreich wie in Deutschland Milliarden an Geldern verloren gehen, dass sich die deutschen und französischen Behörden zur Bekämpfung des Dumpings vernetzen und zusammenarbeiten. Die deutschen und französischen Arbeitsämter können sich mit dieser europäischen Arbeitsmarktbehörde vernetzen und austauschen, dann können wir sicherlich einen Erfolg zeitigen.
Noch zwei Sätze zur Präsidentschaft des IPR. Ich durfte am 07. Dezember für unseren Präsidenten den Staffelstab von Luxemburg übernehmen. Wir haben drei Ziele. Ein großes Ziel ist, dass die
Deutsch-Französische Universität zur Europa-Hochschule wird. Wir sind mit unseren sechs Standorten Trier, Kaiserslautern, Lüttich, Luxemburg, Saarbrücken und Metz-Nancy in vier Ländern und mit drei Sprachen eine sehr europäische Universität. Wir werden uns aufhübschen, dafür ist auch ein bisschen Geld in die Hand genommen worden, damit das gelingt. Ich denke, das ist ein lohnenswertes Projekt. Wir haben große Konkurrenz, das ist ganz klar, aber ganz erfolglos werden wir sicherlich nicht sein.
Das zweite Instrument, das auch schon angesprochen wurde, ist der Cross-Border-Mechanismus. Was ist das? - Wir machen eine gemeinsame Raumplanung der Großregion. Wenn wir dann Projekte mit Frankreich haben, können wir, wenn es administrative oder juristische Hindernisse gibt, ein Recht anwenden. Gerade in Frankreich haben wir öfter Probleme. Dann könnten wir uns einigen, dass etwa deutsches Recht angewandt wird und wir so besser zu einer Lösung kommen. Wenn wir mit Luxemburg etwas gemeinsam auf den Weg bringen, zum Beispiel eine gemeinsame Bahnstrecke, könnten wir sagen: Die Luxemburger sind da schneller, wir wenden Luxemburger Recht an. - Es ist also ein Instrument, das uns in der Zusammenarbeit sicherlich sehr viel helfen wird.
Das Dritte war die Bürger-Begegnung. Wir haben gesagt, wir wollen vor allem junge Menschen für den europäischen Gedanken begeistern. Die Luxemburger haben es uns mit dem Jugendkolloquium vorgemacht. Das wollen wir übernehmen. So können wir also feststellen: Wir haben genügend Handlungsfelder für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und deren Verbesserung. Unsere Aufgabe ist es nun, den schönen Worten Taten folgen zu lassen. Lassen Sie uns Vorhandenes stärken und Neues anfangen. - Vielen Dank.
Herr Landtagspräsident Toscani! Monsieur le Président Weiten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Chers amis! Die deutsch-französische Zusammenarbeit und die Kooperation über Staatsgrenzen hinweg ist inzwischen politisches Alltagsgeschäft. Das haben wir eben gehört. Aber das Zusammenwachsen von Regionen über Staatsgrenzen hinweg ist kein Selbstläufer. Es sind viele kleine Mosaiksteinchen, die man bewegen muss, um ein gemeinsames Zusammenleben zu fördern, und Schritt für Schritt gelingt uns das.
Wir haben in den letzten Jahren vieles bewegen können. Es lohnt sich, Grenzen einzureißen. Es lohnt sich, Grenzen zu überwinden. Es ist richtig, wir brauchen auf der einen Seite Staatsverträge und wir brauchen auch die vielen Fördergelder der EU. Aber die größte Antriebsfeder für die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind die Menschen diesseits und jenseits der Grenze. Sie, Herr Präsident, haben es anfangs gesagt: Europa wächst aus den Herzen der Menschen. Das ist richtig so. Wenn man sich nämlich kennt, wenn man zusammen arbeitet, zusammen lebt, hüben und drüben der Grenze Kultur genießt, essen geht, dann führt das zu Vertrauen und Verständnis zwischen den Nachbarn. Es hat einmal ein kluger Mensch gesagt: Menschen, die sich kennen, schießen nicht so schnell aufeinander.
Wir sind die Grenzregion mit den größten Pendlerströmen. Herr Präsident Weiten hat gesagt, es ist nach Frankreich gerade ein bisschen rückläufig. Wir sind aber auch die Grenzregion mit den meisten Städtepartnerschaften. Das bindet Freundschaften. Deshalb greife ich auch Ihren Vorschlag auf, den Sie gemacht haben, indem Sie sagten, eigentlich sollten alle Schulen mit Schulen in Frankreich Partnerschaften eingehen und umgekehrt. Ich denke, das ist ein lohnendes Ziel. Das sollten wir aufgrund der heutigen Veranstaltung wirklich aufnehmen.
Wir haben alleine im Saarland mehr als 20 deutschfranzösische Einrichtungen. Auf zwei möchte ich
ganz kurz eingehen, vor allem auf den Eurodistrict Saar-Moselle, dessen Präsidentin unsere Oberbürgermeisterin Charlotte Britz ist. Dort haben sich insgesamt acht deutsche und französische Gemeindeverbände seit 2010 im Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit, also Eurodistrict SaarMoselle, zusammengefunden. Er vertritt die Interessen von 600.000 Menschen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Vereinen und betreut auch zahlreiche Projekte im Bereich Tourismus, Wirtschaftsentwicklung und Verkehr. In der aktuellen Förderperiode sollen jetzt zwei grenzüberschreitende Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder - der Kurztitel ist „Babylingua“; Sie haben es gerade auch angesprochen - eingerichtet werden, und zwar in Brebach in der Wiedheckschule und in L’Hôpital. Ich finde, das ist der richtige Weg, weil der Spracherwerb - das haben wir jetzt von allen, die hier gesprochen haben, gehört - so früh wie möglich beginnen sollte. Deshalb ist „Babylingua“ des Eurodistricts genau der richtige Weg.
Die Mobilität - das hat sich der Eurodistrict auf die Fahne geschrieben - soll für die Jugendlichen bei der Ausbildung und beim Beruf verbessert werden. Da haben wir ja kleine, zarte Pflänzchen. Da hängt es in der Tat teilweise am Spracherwerb, aber es hängt auch an einer anderen Mobilität, nämlich am grenzüberschreitenden ÖPNV. Grenzüberschreitendes Ticketing-System soll deshalb über den Eurodistrict eingeführt werden. Anhand der Buslinie „Moselle Saar“ soll das erst einmal erprobt werden. Das ist das, was Sie gesagt haben: die erste grenzüberschreitende Buslinie, die von St. Avold bis Saarbrücken alle Orte verbindet. Diese Buslinie - Herr Präsident Weiten, Sie waren ja beim Startschuss im April des letzten Jahres dabei - ist nun schneller, hat erweiterte Taktzeiten, erweiterte Fahrzeiten und eine dichtere Taktung. Das ist alles richtig. Viele haben gesagt, es ist ein Meilenstein, was die deutsch-französische Zusammenarbeit und die Stärkung der Großregion betrifft.
Sie selbst, Herr Weiten - ich zitiere Sie -, haben damals gesagt, sie ermöglicht Tausenden von Personen auf der Achse Saarbrücken-St. Avold, mit dem ÖPNV zur Arbeit, zum Ausbildungsort oder zu Freizeiteinrichtungen zu gelangen. Solche Maßnahmen, Herr Präsident Weiten, brauchen wir mehr. Das ist eine wichtige Maßnahme.
Sie haben auch noch gesagt, wir haben die erste grenzüberschreitende Straßenbahn. Auch das ist richtig. Wir haben die Saarbahnstrecke im Antrag mit aufgeführt. Allerdings kämpfen wir ständig um den Erhalt der Saarbahnstrecke. Wir haben da auch große Hürden. Die Strecke ist sehr teuer. Wir müssen kämpfen, dass der Fahrplan nicht ausgedünnt wird, dass Fahrdienstleiter nicht auf französischer Seite abgeschafft werden und es weniger Anbin
dung gibt. Und wir kämpfen gegen erhöhte Streckengebühren, die immer wieder aufschlagen und uns dann ein Weiterführen der Saarbahn fast unmöglich machen würden.
Vor allem junge, aber auch ältere Menschen brauchen einen gut ausgebauten ÖPNV. Wir müssen umdenken, wir dürfen nicht immer nur die Fahrgastzahlen sehen, sondern wir haben hier ein ganz anderes Ziel. Wenn man Deutschland und Frankreich zusammenführen will, wenn Menschen sich begegnen sollen, gerade Jugendliche und ältere Menschen, so muss man beachten, dass das oft nicht mit dem Auto geht. Wir brauchen also einen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr. Denn der Austausch scheitert oft am nicht vorhandenen ÖPNV.
Die Angebotsdichte gerade im grenzüberschreitenden Bus- und Schienenverkehr, aber auch im Güterverkehr ist verbesserungswürdig. Das ist keine Frage. Eine Anbindung mit der Saarbahn zum Beispiel zwischen Forbach und Saarbrücken würde 113 Millionen Euro auf deutscher Seite und nochmals 58 Millionen Euro auf französischer Seite kosten. Das ist viel Geld, aber ein lohnendes Ziel. Wir sollten es nicht aus dem Auge verlieren, wir sollten die Bundesregierung und Paris einbinden und uns in Brüssel verstärkt dafür einsetzen. Denn nicht nur die regionalen Fernverbindungen sind von Bedeutung, sondern gerade der Nahverkehr und der kleine Grenzverkehr erhalten immer größere Bedeutung. Für das grenzüberschreitende Zusammenleben, für das Entdecken der Kultur, für das Einkaufen und Arbeiten und auch für die Wirtschaft brauchen wir eine intakte Infrastruktur. Dies wäre ein lohnendes Ziel. Ein besserer Takt im ÖPNV ist also notwendiger denn je. Als Vorsitzende der Kommission 3 im Interregionalen Parlamentarierrat habe ich mir auf die Fahnen geschrieben, hier verstärkt tätig zu werden.
Wir müssen noch viel intensiver zusammenarbeiten. Es wurde genannt: Wir haben keinen Mangel an Handlungsbereichen. - Das ist richtig. Ich möchte noch eine Organisation erwähnen, die Sie, Herr Präsident, ebenfalls erwähnt haben. Es ist die Task Force Grenzgänger. Ich möchte von einer ganz besonderen Erfolgsgeschichte berichten. Vor Jahren gab es Probleme im grenzüberschreitenden Taxiverkehr. Die Deutschen durften nicht mit dem Taxi nach Frankreich fahren und die Franzosen nicht nach Deutschland. Es gab unheimlich viele Argumente, warum das alles nicht geht. Die französischen Taxis beispielsweise haben ein rotes Licht auf dem Autodach als Zeichen, dass sie besetzt sind. Es wurde gesagt, dies könnte in Deutschland als Symbol für einen Rettungswagen missverstanden werden und so weiter. Ich habe kurzerhand alle deutschen und französischen Taxiunternehmen im Grenzbereich in
den saarländischen Landtag eingeladen. Die Task Force Grenzgänger hat ein Formular entwickelt. Und siehe da, alleine durch das Kennenlernen der Menschen, die die gleiche Arbeit verrichten, haben wir es erreicht, dass es keine Probleme mehr gibt, und so ist es bis heute. Genau dies hat Aristide Briand gemeint, als er sagte: Reden wir europäisch, handeln wir europäisch, reden wir miteinander. - Dann kann man einiges umsetzen.
Wenn sich die Menschen kennen, dann können Probleme viel schneller gelöst werden. Ich könnte hier noch eine Menge Projekte erwähnen, wir haben zum Beispiel eine Zusammenarbeit des SHG-Klinikums mit dem Centre Hospitalier de Forbach, auch der Feuerwehr-Rettungsdienst wurde angesprochen. Hier bin ich sehr engagiert. Wir im Grenzbereich leben Europa, seine Realitäten und Qualitäten, aber auch seine Mängel, die wir immer wieder feststellen. Die deutsch-französische Kooperation und der Austausch sollten deshalb keine Eintagsfliege bleiben. Herr Weiten, Sie haben gesagt: Lasst es uns an den Anfang einer Debatte stellen. Ich sage: Cet échange parlamentaire ne doit pas rester un feu de paille. Ich möchte mit einem Zitat von François Mitterrand schließen, der einmal gesagt hat: „Die deutsch-französische Freundschaft versteht sich nicht von selbst, sie ist weder natürlich noch automatisch.“ - Lasst uns in diesem Geiste weiterarbeiten. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jean Monnet hat gesagt - oder man meint, dass er es gesagt hat -: Würde ich noch einmal mit dem Aufbau Europas beginnen, dann würde ich die Kultur wählen.
Rückwirkend bin ich froh, dass der EGKS - der Vertrag zur Schaffung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl - den Anfang gemacht hat. Das gilt speziell für unser saarländisches Montanland.
Aber dennoch hat er nicht ganz unrecht. Heute Morgen hat Ihr Fraktionsvorsitzender gesagt, Kultur hat etwas Verbindendes. Wir haben 2018 das Europäische Kulturerbejahr. Wir haben in der Großregion mehr als 20 Weltkulturerbestätten. Das wissen die wenigsten. Kultur verbindet und setzt keine Grenzen, weil Kultur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist. Wir erleben es auch jetzt bei der Ausstellung Slevogt und Frankreich. Aus ganz Europa kommen Menschen zu dieser Ausstellung in der Modernen Galerie, weil Kultur lokal ist, aber auch europäisch.
Es gibt weitere Themen, die verbinden, manchmal auch traurige. Jean-Claude Juncker hat einmal gesagt, wer an Europa zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen. Das wissen wir alle. Seit der Gründungsidee - Herr Oberhausen hat es schon gesagt - haben wir mehr als 70 Jahre Frieden. Das ist Europa!
Aber die Sorgen in Europa und in der Welt sind aktuell sehr groß: Handelsbeschränkungen durch die USA, Brexit, Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit in Teilen Osteuropas, Konflikte über Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU und wachsende Europaskepsis. Aber die wirkliche Gefahr droht Europa von innen. Sie droht von Nationalismus, Isolationismus und Populismus. Sie droht von Regierungen, die es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht so ernst nehmen. Sie droht von Politikern und Parteien, die fälschlicherweise behaupten, es ginge den Menschen ohne Europa besser als mit Europa.
Hier möchte ich mit einer Mär beziehungsweise Lebenslüge aufräumen, nämlich, dass wir die Nettozahler in Europa und der Lastesel Europas sind. Was für ein Unfug! Deutschland ist der größte Profiteur der Europäischen Union - politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell.
Aber was wir im Moment erleben, wirft in letzter Konsequenz nicht nur die Frage auf, in welche Richtung sich Europa entwickelt. Es stellt auch infrage, ob es in Zukunft überhaupt noch das gemeinsame Europa geben wird, dem wir ein Großteil unseres Wohlstandes, unserer Freiheiten und unseres friedlichen Miteinanders verdanken. Der Brexit zeigt uns aktuell, es war eine rein nationalstaatliche Taktik in Großbritannien. Ganz Europa hat negative Auswirkungen auszubaden und nicht nur Großbritannien. Wir erleben es gerade jetzt mit Ford. Ford sagt, wir haben Angst vor den Wechselkursschwankungen, die kommen werden, wenn es das gemeinsame Europa nicht mehr gibt und wenn es diesen ungeordneten Brexit geben wird. Deshalb hoffen wir, dass May mit ihrer Reise durch Europa jetzt Glück hat, im Unterhaus Vernunft eintritt und der Brexit
Vertrag angenommen wird. Es wird noch schwer genug, wenn in Zukunft alle 27 Länder diesem zustimmen müssen. Aber der Vorvertrag reicht dem Europäischen Parlament und dem Unterhaus.
Welche Lehren ziehen wir jetzt aus dem Brexit? Die Menschen müssen Europa positiv erfahren und mitgestalten. Das heißt, Europa darf nicht nur als ein Europa des Binnenmarktes und der Wirtschaft rüberkommen. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Da sage ich: Die Rückbesinnung auf ein soziales Europa - wie in Göteborg auf dem Sozialgipfel beschlossen - ist der richtige Weg. Es gibt 20 Maßnahmen, die in Europa beschlossen wurden und die als Mindestbedingungen vieles bringen. Das sind zum Beispiel transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen.
Ab Januar nächsten Jahres wird es die Europäische Arbeitsmarktbehörde geben. Die wird Sozial- und Lohndumping bekämpfen. Da gehen den ganzen Ländern Milliardenbeträge durch Entzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer verloren. Diese europäische Behörde kann dann den nationalen Behörden helfen und sie unterstützen.
Das Nächste ist der Grundsatz aus der Entsenderichtlinie: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Das bedeutet, dass Menschen, die bei uns in Deutschland und Europa zum Beispiel am Bau, im Spargelfeld oder im Weinanbau arbeiten, das Recht auf eine ordentliche Bezahlung - einen Anspruch auf Mindestlohn - und die gleichen Rechte haben. Das ist ein guter Weg, den die EU gegangen ist. Es fehlt noch ein gemeinsamer Mindestlohn in Europa, der sich am Inlandsprodukt orientiert, und eine Arbeitslosenversicherung. Aber es ist der richtige Weg.
Wir haben heute schon öfters darüber gesprochen: Auch die Stahlindustrie hat von Schutzmaßnahmen profitiert, die Deutschland alleine nie hätte umsetzen können. Wir wissen alle, dass in den USA Trump 25 Prozent Zölle auf Stahl und Aluminium ausgesprochen hat. Das hat zur Folge, dass die Länder, die europanah sind wie zum Beispiel die Türkei oder Russland, sagen: Ich gehe nicht den weiten Weg bis USA und bezahle 25 Prozent Zoll, sondern ich liefere mehr Stahl nach Europa. Um das abzuwenden, hat die EU ganz schnell reagiert. Und da möchte ich dem widersprechen, was Herr Lafontaine heute Morgen gesagt hat. Dass man in Europa von hier aus nichts bewirken, ist falsch. Es waren das Europaparlament - unsere Abgeordneten, da möchte ich auch Jo Leinen erwähnen - und der Ausschuss der Regionen, die dafür gesorgt haben, dass die Handelsinstrumente schneller werden. Die sind schnell und wurden ganz schnell in Kraft gesetzt, als im Juli bekannt wurde, dass 25 Prozent auf Zölle erhoben werden.
Die saarländische Stahlindustrie hat von diesen „safeguard measures“, von diesen Schutzmaßnahmen, sehr profitiert, weil sie dadurch Aufträge erhalten hat. Es wird viel nach Europa importiert. Man hat den Durchschnitt von 2015 bis 2017 genommen. Alles, was darüber hinausging, wurde mit 25 Prozent Zoll belegt. Dadurch konnte man die Industrie schützen. Das wäre niemals gelungen, wenn sich Deutschland allein hätte wehren müssen. Das geht nur mit einem starken Europa.
Wir haben jetzt noch ein Riesenziel. Die Emissionshandelsrichtlinie muss so umgesetzt werden, dass die Stahlindustrie in Europa, die die sauberste Industrie in Europa ist, überlebt. Klimaschutz muss weltweit umgesetzt werden. Es nützt uns wenig, die Stahlindustrie hier plattzumachen. Dann bekommen wir den schmutzigen Stahl aus China, weil Stahl gebraucht wird, zum Beispiel für alternative Energien. Es gibt kein Windrad oder Elektroauto ohne Stahl. Stahl hat Zukunft. Wir werden alles dafür tun, dass Europa ein Stahlstandort bleibt und das Ziel 20 Prozent Industrie in Europa gesichert bleibt.
Ich sehe schon, dass meine Zeit davonschwirrt. Ich wollte noch ein paar Beispiele nennen. Es gibt ganz viel Geld aus Europa. In die Regionalfonds werden von 2014 bis 2020 143 Millionen Euro eingespielt: 74 Millionen Euro über die Förderung von ESF, dann 34 Millionen Euro für die Landwirte, deren Einkommen zu 40 Prozent von europäischem Geld abhängt.
Wir haben in der Großregion - das hat Herr Oberhausen schon gesagt - den IPR-Vorsitz übernommen. Ich hatte die Gelegenheit, am vergangenen Freitag für unseren Präsidenten den Stab zu übernehmen. Wir haben große Ziele mit einer europäischen Universität und dem Cross-Border-Mechanismus. Wir wollen eine Modellregion werden. Die Luxemburger haben diesen Vorschlag gemacht, den die EU aufgegriffen hat.
Das Letzte ist: Wir wollen auch bürgernäher werden. Europa ist es wert. Wir sollten alle dafür sorgen. 2019 wird ein Schlüsseljahr für die Europäische Union. Kämpfen wir gegen Abspaltungsfantasien und gegen den giftigen Rechtspopulismus für ein soziales Europa. Reden wir europäisch, wie Aristide Briand es gesagt hat. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Gäste! Viele Menschen erwarten von uns politische Antworten auf wichtige Entscheidungen und Trends, die ihren Alltag und den Verbraucherschutz betreffen. Welche konkreten Anforderungen stellen nun Verbraucherinnen und Verbraucher in diesen globalisierten, digitalisierten und fragmentierten Zeiten an einen guten Verbraucherschutz? Diese sind total unterschiedlich, den einen Verbraucher oder die eine Verbraucherin gibt es nämlich nicht. Je nach Konsum und Lebensbereich sind die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr unterschiedlich. So kann ich zum Beispiel im Digitalmarkt ein vertrauender Verbraucher seien. Ich vertraue dem Markt und bin dankbar für gute Informationen. Am Finanzmarkt bin ich vielleicht ein verletzlicher Verbraucher. Wenn ich die Komplexität des Marktes nicht verstehe und eine falsche Entscheidung zum Beispiel bezogen auf ein Geldanlagenprodukt treffe, dann kann ich mich in existenzielle Nöte bringen. Im Lebensmittelmarkt bin ich vielleicht eine verantwortungsvolle Verbraucherin, weil ich mich auskenne und mich sicher durch den Siegel-Dschungel manövriere, um nachhaltig zu konsumieren.
Sie sehen also, es gibt unterschiedliche Kenntnisse und unterschiedliche Erwartungen an den Verbraucherschutz und damit auch an uns Politikerinnen
und Politiker. Deshalb ist es unsere Aufgabe, komplexe Sachverhalte im Verbraucheralltag einfacher und verständlicher zu gestalten, damit sie verstanden werden und souveräne Entscheidungen getroffen werden können. Wir haben zudem die Aufgabe, Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verbessern und zu erweitern, vor allem gegenüber der Industrie.
Heute geht es um den Kauf von Elektrogeräten. Wer kennt das nämlich nicht, die Garantie ist kaum abgelaufen und schon gibt der neue Toaster, der Fön, der Stabmixer oder die Waschmaschine den Geist auf. Wer zu Billigware greift, muss mit höherer Anfälligkeit rechnen, sagt die Stiftung Warentest. Die Frage ist, ist der Preis ein zuverlässiger Indikator für die Haltbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten? Ich sage, der Preis ist nur sehr bedingt aussagekräftig. Es gibt verschiedene Arten von Obsoleszenz, so heißt das auf Neudeutsch, wenn Geräte frühzeitig altern beziehungsweise ausgetauscht werden müssen: Es gibt minderwertige Materialien, Konstruktionsfehler oder Bauweisen, die schnell zu Brüchen oder Überhitzung führen, und/oder fest eingebaute Verschleißteile wie Akkus, verklebte Gehäuse sowie fehlende Ersatzteile, die eine Reparatur erschweren oder meistens sogar unmöglich machen.
Ob kaputt oder einfach nur veraltet, jährlich werden in Deutschland alleine 100.000 Tonnen Elektrogeräte ausrangiert. Das, Kolleginnen und Kollegen, macht uns nicht nur als Verbraucherinnen und Verbraucher Probleme. Nein, der steigende Ressourcenverbrauch belastet massiv die Umwelt und führt auch zu sozialer Ausbeutung in Billiglohnländern. Deshalb ist die Langlebigkeit von Produkten nicht nur ein Qualitätsmerkmal, sondern hat auch etwas mit Ökologie und sozialen Folgen unseres Konsums zu tun. Laut Umweltbundesamt ist eine sogenannte geplante Obsoleszenz, also die gezielte Begrenzung der Lebenserwartung von Produkten, nicht nachweisbar. Ich würde eher sagen, nicht immer nachweisbar. Wir bemängeln hier eine fehlende Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Preis, das habe ich eben schon gesagt, ist nicht immer ein zuverlässiger Indikator, aber klar ist, wenn ich immer nur billig, billig kaufe, dass diese Geräte schneller kaputt sind, weil sie weniger stabile und langlebige Teile enthalten.
Welche Lösungsmöglichkeiten sehen wir, welche Forderungen beinhaltet der vorliegende Antrag? Wir fordern erstens, dass es eine Informationspflicht über die Mindestlebensdauer von Verbrauchsgütern gibt. Das heißt zum Beispiel Mindestnutzungsstunden etwa bei Leuchtmitteln. Wir wollen, dass Verschleißteile deklariert werden oder dass zugunsten der Verbraucher die geltende sechsmonatige Beweislastumkehr auf zwei Jahre verlängert wird. Das heißt, der Hersteller hat dann in diesen zwei Jahren
nachzuweisen, dass er nicht Schuld daran ist, dass mein Gerät so früh kaputtgegangen ist oder nicht mehr funktioniert. Aktuell ist es so, dass der Verbraucher das tun muss. Wir wollen das umkehren. Wir wollen viertens eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist für langlebige Produkte auf fünf Jahre. Aktuell sind es zwei Jahre. In vielen anderen Ländern gelten die Fristen mittlerweile schon länger. Natürlich kommen auch mehr Aufgaben auf die Marktüberwachung zu, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.
Heute und morgen findet die Verbraucherministerkonferenz unter dem Vorsitz unseres Ministers Reinhold Jost hier im Saarland statt. Die Forderungen aus dem vorliegenden Antrag sind auf Initiative des Saarlandes wichtiger Bestandteil dieser Konferenz.
Wenn wir von gezielter Begrenzung der Lebensdauer, also von Obsoleszenz, von Elektrogeräten reden, dann betrifft das nicht nur diesen Bereich. Die gezielte Begrenzung der Lebensdauer gibt es zum Beispiel bei Jeans, bei Kleidern generell, indem Baumwollfasern kürzer sind als notwendig, wenn sie verarbeitet werden, bei Nylon werden einfach die Stabilisatoren weggelassen. Damit ist der UV-Schutz weg, damit verschleißt es früher. Oder Schuhe werden mit einem dünneren Leder verarbeitet, damit sie früher kaputtgehen. Unsere Kollegin Schramm hat da heute ihre Erfahrungen sammeln dürfen. Sie sehen also, es ist ein weites Feld -
Nein, es waren keine billigen, es waren teure Schuhe, aber früh kaputt. - In unserem Nachbarland Frankreich drohen Herstellern, wenn sie die Lebensdauer ihres Produktes vorsätzlich verkürzen, zwei Jahre Gefängnis und mindestens 300.000 Euro Strafe. Frankreich ahndet damit den gezielten Einbau von Schwachstellen, etwa auch bei Elektrogeräten. Auch wir wollen in unserem Antrag ein Zeichen setzen für besseren Verbraucherschutz und Umweltschutz. Deshalb bitte ich um Unterstützung dieses Antrags.
Herr Abgeordneter Zimmer, wäre es nicht sinnvoll, dass hier die Bundesregierung -
Zum eigenen Redner nicht zulässig? Okay, dann das nächste Mal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gar nicht damit gerechnet, dass ich so schnell hier vorne stehe, aber wenn die LINKE sich noch nicht gemeldet hat, dann ist es so.
Der 22. Januar vor genau 55 Jahren und 16 Tagen hat nicht nur die politischen Beziehungen Deutschlands und Frankreichs verändert - aus Feinden sollten Freunde werden, aus Gegnern Nachbarn -, nein, die Unterschrift unseres Bundeskanzlers Konrad Adenauer und des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unter der gemeinsamen Erklärung und dem Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, man nennt ihn kurz Élysée-Vertrag, legte den Grundstein für die Freundschaft zwischen den beiden Ländern und für einen dauerhaften Frieden in Europa.
Kaum einer kann das wohl besser würdigen als wir im Herzen Europas. Für de Gaulle und Adenauer waren der Weg und das Ziel klar. Wenn Menschen zusammenfinden, wird es in Europa keinen Krieg mehr geben. Wenn man sich kennt und zusammen arbeitet, wenn man zusammen lebt, dann führt das zu Vertrauen und Verständnis zwischen den Nachbarn. Das ist das Erfolgsrezept des so langen Friedens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich gleich zu Beginn eines zum Ausdruck bringen. Als überzeugte Europäerin und selbstbewusste Saarländerin sage ich heute gerne, diesen Frieden und diese Freundschaft bis heute gewahrt zu haben, ist für mich - ich glaube, ich kann für uns alle sprechen ein großes Glück, das es zu bewahren gilt. Aber die Welt verändert sich und mit ihr die Herausforderungen für unsere beiden Länder. Deshalb ist es ein mutiges und richtiges Signal, dass sowohl der Bundestag als auch die französische Assemblée nationale zusammen zu einer Erneuerung und Fortschreibung des Vertrages der Freundschaft aufgefordert haben. Mutig, weil wir in Deutschland und in Frankreich, ja auch hier im Saarland immer mehr Politiker wieder nationalistische Töne anstimmen und wir damit aufzeigen, dass die Zukunft unserer beiden Länder nur eine gemeinsame europäische sein kann. Richtig, weil wir neue Initiativen und Impulse für unsere Wirtschaftsbeziehungen und Bür
gerbegegnungen aller Gesellschaftsschichten dringend brauchen. Nur wenn die Bande zwischen Deutschland und Frankreich stark sind, kann auch die Europäische Union stark sein.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber deutlich Folgendes sagen. Was die Bürgerinnen und Bürger besonders hier im Saarland in der Grenzregion sicher nicht erwarten und auch nicht brauchen, ist eine weitere wolkige Sonntagsrede zur Bedeutung von Europa. Die Menschen wollen von uns Politikern konkrete Ideen und Vorschläge, die sie in ihrem Leben weiterbringen und die die Hürden, die in der Grenzregion immer noch bestehen, abbauen und ihr alltägliches Leben vereinfachen. Ein paar Beispiele hat Frau Kuhn-Theis genannt.
Gerade hier wird Europa im Kleinen gelebt. Die Probleme, die im großen Europa bestehen, schlagen hier im Saarland im Alltag genauso auf. Wir brauchen also mehr Konkretes, damit wir die Menschen weiterhin von Europa überzeugen können. Dass wir im Saarland schon einiges geleistet haben, liegt auf der Hand. Auf diese Arbeit bin ich als saarländische Politikerin wirklich sehr stolz.
Es gibt alleine im Saarland mehr als 20 deutschfranzösische Einrichtungen. Ich möchte nur ein paar nennen. Eurodistrict SaarMoselle wird in unserem Antrag genannt. Insgesamt acht deutsche und französische Gemeindeverbände haben sich 2010 im europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit Eurodistrict SaarMoselle zusammengeschlossen. Er vertritt die Interessen von circa 600.000 Menschen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Vereinen und betreut zahlreiche Projekte im Bereich Tourismus, Wirtschaftsentwicklung und Verkehr. Gerade Vereine und die vielen Städtepartnerschaften halten diese Freundschaft zusammen.
Maison Ouverte des Services pour l’Allemagne. Unternehmen, Arbeitnehmer und Arbeitssuchende haben durch diese Institution seit 2015 zum ersten Mal eine zentrale Kontaktstelle, die sich speziell um die Belange französischer Grenzgänger kümmert. Die neue Servicestelle berät Hilfesuchende in Fragen der Kranken- und Rentenversicherung und hilft auch bei der Arbeitsplatzsuche.
Die Task Force Grenzgänger. Die Arbeit ist ohne diese Stelle gar nicht mehr denkbar. Über eine ganz eigene Erfolgsgeschichte kann ich durch die Zusammenarbeit des Interregionalen Parlamentarierrats mit der Task Force Grenzgänger berichten. Wir alle wissen, vor zwei Jahren gab es Probleme mit dem Taxi. Es konnte kein Taxi nach Frankreich fahren und ein französisches Taxi nicht nach Deutschland. Wir haben gemeinsam mit der Task Force Grenzgänger alle Taxiunternehmen aus dem Saarland und aus Frankreich hierher in den saarländischen Land
tag eingeladen. Die Task Force hat einen Vorschlag unterbreitet, wie ein Formular aussehen kann, das man in Zukunft ausfüllt. Alleine durch dieses Kennenlernen der unterschiedlichen Menschen, die die gleiche Arbeit beiderseits der Grenze machen, haben wir erreicht, dass es bis heute keinerlei Probleme mehr gibt. Die Zusammenarbeit funktioniert. Wir können heute durchaus mit einem Taxi zum Woll fahren und uns dort wieder abholen lassen. Umgekehrt geht es genauso. Das sind nur kleine Hürden, deren Überwindung notwendig ist. Das ist aber ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Hier könnte man ganz viele Beispiele bringen. Das ist ein Beispiel von gelungener Zusammenarbeit.
Weiterhin gibt es die Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung. Das funktioniert schon in einigen Berufen. Es gibt den Wirtschafts- und Sozialausschuss, die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle oder den Kulturraum der Großregion und viele Einrichtungen mehr. Neben diesen starken Strukturen haben wir im Land auch einige Baustellen, bei denen wir anpacken müssen.
Ich möchte hier die Frankreichstrategie nennen. Das Saarland ist mit der Frankreichstrategie einen mutigen Schritt gegangen. Deren Ziel ist es, das Saarland innerhalb einer Generation zu einer leistungsfähigen, bilingualen Region deutsch-französischer Prägung zu entwickeln. Ich bekenne mich ausdrücklich zu diesem Ziel. Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen aber nicht zulassen, dass wir diese Zielsetzung als bloße Überschrift, Willensbekundung und Floskel in der Mottenkiste verstauben lassen. Nein! Wenn wir es hier im Land ernst meinen, dann müssen wir mehr tun und die Frankreichstrategie mit Leben erfüllen. Das bedeutet etwa, dass endlich mehr Geld für bilinguale frühkindliche Bildung und für die Schulen bereitgestellt wird. Da muss einfach noch mehr geschehen. Nur wenn wir bei den Jüngsten in unserem Land beginnen, kann die Frankreichstrategie wirklich gelingen. Das Saarland würde dadurch zum einzigen mehrsprachigen Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland werden. Wir hätten damit die Basis geschaffen für die Entstehung einer europäischen Referenzregion mit einem starken Standort im Herzen Europas, die dem Motto folgt: Mehr Sprachen - mehr Chancen.
Besonders wichtig ist mir auch der nächste Punkt, Frau Kuhn-Theis hat ihn auch angesprochen. In dem uns vorliegenden Antrag fordern wir eine Stärkung des EU-Ausschusses der Regionen in der Europäischen Union als Interessenvertretung der Kommunen und der Länder mit dem Ziel, dass alle Ebenen innerhalb der Europäischen Union besser und gleichberechtigter gemeinsame Ziele formulieren können, denn Europa findet nicht nur in Brüssel
statt, sondern täglich vor Ort - von Saarbrücken bis Hornbach und von Berus bis Utweiler.
Als unterste administrative Ebene stehen die Städte und Gemeinden den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten. Sie sind die erste Anlaufstelle für alle Fragen. Deshalb brauchen wir eine Stärkung des Ausschusses der Regionen, der die Interessen der Kommunen und der Länder wahrnimmt. Ich möchte dies an einem ganz aktuellen Beispiel aus der Plenarsitzung in Brüssel in der letzten Woche deutlich machen. Ein Thema war die Subsidiaritätskontrolle. Das heißt, welche Ebene soll was zu welchem Zeitpunkt und in welcher Detailtiefe regeln.
Wir als Mitglieder des Ausschusses der Regionen haben große Bedenken gegen den jüngsten Vorschlag der EU-Kommission, die Vorschriften für die Regionalfonds - die sind für den Zeitraum von 2014 bis 2020 beschlossen - so zu ändern, dass Mittel zur Unterstützung von Strukturreformen der Mitgliedsländer davon abgezweigt werden. Das soll ab 2018 geschehen. Wir sagen, das widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip, weil das Ziel der Regionalfonds nämlich nicht darin liegt, Strukturreformen in den einzelnen Ländern zu unterstützen, sondern vielmehr darin, wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen der EU zu verringern. Das ist der wichtige Ausgangspunkt der Regionalfonds.
Dieses Grundprinzip der Europäischen Union darf nicht durch den Versuch der Renationalisierung der Kohäsionspolitik bedroht werden. Warum benötigen wir diesem Beispiel folgend mehr Rechte für den Ausschuss der Regionen? Wir haben im Ausschuss der Regionen in der letzten Woche beschlossen, wenn die Kommission trotz unseres Widerstandes dieses Vorhaben der Länder umsetzt und die Mittel der Regionalfonds ab 2018 gekürzt werden sollen, dann werden wir Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben. Das gab es in der Geschichte des Ausschusses der Regionen bis heute noch nicht.
Das Recht haben wir, aber ich sage, dass das ein langwieriges Verfahren werden wird. Wir brauchen deshalb Durchgriffsmöglichkeiten, die nicht so lange dauern, zum Beispiel ein Vetorecht, damit wir solche Maßnahmen stoppen können. Gerade in einer Zeit, in der Bürgerinnen und Bürger zu Recht ein Europa fordern, das sich mehr und wirkungsvoller um ihre täglichen Sorgen kümmert, dürfen wir nicht zulassen, dass diese Grundprinzipien wie das Subsidiaritätsprinzip ausgehebelt werden.
Wir fordern außerdem in unserem Antrag eine Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland in der Großregion. Wir tun das schon seit 1986 mit dem Interregionalen Parlamentarierrat. Schon jetzt arbeiten die Ausschüsse des Rates zur Beseitigung von
grenzüberschreitenden Hürden und Alltagsproblemen für unsere Bürgerinnen und Bürger zusammen. Wir haben schon einiges bewegen können.
Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU hier im Lande haben wir 2012 und 2017 den Wunsch zum Ausdruck gebracht, die Rechte des Interregionalen Parlamentarierrates zu stärken, 2012 sogar noch ein bisschen deutlicher. Ziel unseres heutigen Antrages wäre es, die Rechte dergestalt stärken zu wollen, dass es eine Direktwahl der Abgeordneten für den Interregionalen Parlamentarierrats oder die Mitglieder des Interregionalen Parlamentarierrates in der Großregion geben könnte, damit die Identifikation größer wäre. Das haben wir damals im Vorfeld des Koalitionsvertrages diskutiert. Wir haben es dann nicht mehr so explizit hineingeschrieben, aber das war damit gemeint, als wir gesagt haben, dass wir eine Stärkung des Interregionalen Parlamentarierrates wollen.
Ein weiteres Ziel auch des vorliegenden Antrages ist es, das demokratisch gewählte Europaparlament zu stärken. Wenn wir über eine gute und ernst zu nehmende Repräsentation unserer Heimat innerhalb der europäischen Strukturen zu Recht diskutieren, dann führt kein Weg an der demokratischen Herzkammer der EU, dem Europäischen Parlament, vorbei. Wie kaum ein anderer schafft es unser Europaabgeordneter Jo Leinen immer wieder, direkte Interessen aus unserer Region mit in die Entscheidungsstrukturen in Brüssel einfließen zu lassen.
Aber wir erkennen auch, dass nicht immer das Parlament der zentrale Ort aller Entscheidungen ist. Die EU befindet sich aktuell immer mehr in Zeiten einer Vergipfelung, in denen immer mehr Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden. Gerade aber, um antieuropäischen Stimmungsmachern entgegenzuwirken, muss das Parlament sichtbarer und hörbarer werden.
Seit dem Vertrag von Lissabon 2009 sind die Rechte des Europäischen Parlamentes zwar gestärkt worden, aber das Europaparlament kann bis heute keine eigenen Gesetzentwürfe vorlegen. Das Initiativrecht bleibt bei der EU-Kommission, das heißt der politischen Verwaltungsspitze in Brüssel. Eigentlich ist das ein Unding.
Ich möchte die Wichtigkeit dieses Rechts auch an einem ganz aktuellen Beispiel deutlich machen, nämlich an der Stahlindustrie. Als Berichterstatterin im EU-Ausschuss der Regionen für die Stahlindustrie habe ich gemeinsam mit Vertretern des EU-Parlaments für mehr Gratiszertifikate im Rahmen der Umsetzung der Emissionshandelsrichtlinie gestritten. Das Parlament hat sich dann gegen den Kommissionsvorschlag durchgesetzt. Ebenso hat das Parlament gemeinsam mit dem Ausschuss der Regionen eine Befreiung von Zusatzkosten für Kuppel
gase beschlossen. Das war ein wirklicher Kraftakt. Das ist eigentlich eine typisch deutsche Sache, dass wir Energie herstellen, indem wir Kuppelgase ansaugen und weiterverarbeiten. Das war gerade für die saarländische Stahlindustrie von großer Bedeutung und das Europaparlament hat es beschlossen. Der Gesetzentwurf nun sieht aber leider ganz anders aus, weil die Regierungen der Länder in den Trilogverhandlungen den Beschluss des Parlaments ignorierten und verschlechterten. Das ist nicht demokratisch, meine Damen und Herren. Das EU-Parlament ist dafür gewählt, nicht die Kommissare und auch nicht die Länderchefs.
Wer glaubt, man könne ein Mehr an Europa durch ein Weniger an Demokratie und Parlamentarismus schaffen, ist auf dem Holzweg. Demjenigen stellen wir uns in den Weg. Mit diesem Antrag stellen wir daher die Forderung auf, die Rechte des Europäischen Parlaments gegenüber den übrigen EU-Organen zu stärken. Kolleginnen und Kollegen, es stimmt, wir brauchen eine Erneuerung des ÉlyséeVertrages. Aber was wir vor allem brauchen, ist eine starke Bürgerschaft, die hinter dem europäischen Projekt steht. Am Ende nämlich wachsen in der Tat Europa und die zwischenstaatlichen Beziehungen nicht aus den Verträgen, sondern aus den Herzen seiner Bürgerinnen und Bürger, oder gar nicht. Damit dies weiterhin geschieht, wollen wir mit konkreter und spürbarer Politik dafür Sorge tragen. - Vielen Dank für Ihr Zuhören.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Fokus auch auf den Europateil dieses Haushaltes legen. In einer Zeit, in der der europäische Gedanke immer mehr hinterfragt wird, ist es ganz wichtig, dass wir uns im saarländischen Landtag klar für die europäische Integration aussprechen; denn wir brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa. Meine beiden Vorrednerinnen haben es schon gesagt: Gerade hier im Grenzbereich zu Frankreich und zu Luxemburg leben wir Europa. Wir greifen in den unterschiedlichsten Gremien den Alltag und die Probleme der Menschen auf. Oftmals sind es ganz kleine Hürden, die wir überwinden müssen. Wir finden auch vielfältige Lösungen für das alltägliche Zusammenleben entlang der Grenze. Die vielen von der EU geförderten Projekte helfen uns dabei.
Ich habe mir einmal aufgeschrieben, was da so alles ins Saarland fließt. Direkt von europäischer Politik profitieren wir durch die EU-Regionalförderung, also durch den EFRE-Topf. Dort fließen von 2014 bis 2020 143 Millionen Euro ins Saarland und werden hier auch wieder kofinanziert, und zwar für die Schaffung von Arbeitsplätzen - 520 sind dadurch schon entstanden -, für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, für die Verbesserung der Lebensqualität, für regenerative Energie, für Forschungsvorhaben; 15 Forschungsvorhaben wurden zusätzlich gefördert. Allein für 2018 stehen hierfür 20 Millionen Euro zur Verfügung, plus Kofinanzierungsmittel also 40 Millionen Euro.
Aus dem Europäischen Sozialfonds erhält das Saarland im gleichen Förderzeitraum 74 Millionen Euro. Das wird auch wieder kofinanziert. Für 2018 heißt das 10 Millionen Euro, dazu gehören grenzüberschreitende Ausbildungen - unser Bildungsminister ist da sehr aktiv -, Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben für lebenslanges Lernen und die soziale Eingliederung.
Zur Förderung der Landwirtschaft erhalten wir 34 Millionen Euro über ELER-Projekte, Förderprogramme für nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und ländliche Entwicklung. Aus dem Europäischen Garantiefonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes fließen in diesem Förderzeitraum 6,35 Millionen Euro ins Saarland. Im Durchschnitt machen diese Zahlungen 30 bis 40 Prozent des Einkommens der landwirtschaftlichen Betriebe aus.
Hinzu kommen noch weitere Gelder aus EU-Bildungsprogrammen und Erasmus-Plus. Viele unserer Kinder haben über Erasmus-Plus während ihres Studiums auch schon Erfahrungen in anderen Ländern gesammelt. Das sind Programme, die für die Jugendlichen ganz wichtig sind.
Vieles, was hier durch diese Programme gefördert wird, wäre gar nicht umsetzbar, hätten wir die Mittel aus Europa nicht. Deshalb müssen wir uns ganz besonders dafür stark machen, dass diese Strukturfondsmittel weiterhin fließen. Es gab nämlich Diskussionen nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches, nach dem Brexit, auch von unserem Kommissar Oettinger, der gesagt hat, dass dann diese Strukturfondsmittel, weil weniger Gelder zur Verfügung stehen, nur noch für die neuen Beitrittsländer zur Verfügung stehen werden.
Es hat aber eine starke Bewegung in Europa gegeben. Unterstützt wurden wir dabei von Jo Leinen im EU-Parlament. Auch auf unseren Einflussebenen im Ausschuss der Regionen, in allen grenzüberschreitenden Gremien haben wir das zum Thema gemacht, beim Gipfel der Großregion, im Interregionalen Parlamentarierrat, im Wirtschaftsausschuss der Großregion und im Interregionalen Gewerkschaftsrat. Die Städte und Gemeinden mit ihren Organisationen QuattroPole und Eurodistrict SaarMoselle haben uns dabei unterstützt, natürlich auch ganz stark die Landesregierung. Ich bin mir deshalb sicher, dass die Mittel in Deutschland auch in Zukunft weiterhin in Regionen fließen werden, die das notwendig haben. Ich denke, das haben wir gemeinsam erreicht.
In diesem Haushalt haben wir noch einen kleinen Schwerpunkt zusätzlich gesetzt, Frau Schmitt-Lang und Frau Spaniol haben es schon erwähnt. Ich habe mich auch gefreut, dass die LINKE das mit unterstützt: 50.000 Euro mehr für die Frankreichstrategie. Vorher hatte der Minister in seinem Ressort schon 50.000 Euro draufgesattelt, sodass in diesem Haushalt jetzt 100.000 Euro mehr zur Verfügung stehen, um dieses wichtige Ziel umzusetzen.
Wir arbeiten in fast allen Bereichen mit unseren französischen und luxemburgischen Nachbarn zusammen. Ich könnte hier jetzt ganz lange auflisten, aber dafür reicht mir die Zeit nicht. Deshalb nur ein paar Beispiele.
Im Krankenhausbereich gibt es zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung seit 2013 eine gute Zusammenarbeit der SHG-Herzklinik Völklingen mit Unisanté Forbach und umgekehrt. Französische Patienten aus den Gemeinden des Arrondissements Forbach und des Arrondissements Sarreguemines im Departement Moselle können nach einer Vereinbarung, die seit 2016 ein Interreg-Projekt ist, Leis
tungen der Kardiologie der SHG Klinik Völklingen und Leistungen der Neonatalogie - das ist die Behandlung von Neugeborenen und Frühgeborenen des Winterberg-Klinikums in Anspruch nehmen. Deutsche Patienten können im umgekehrten Fall die Kinderheilkunde der Unisanté in Forbach in Anspruch nehmen, wenn die Behandlung im Winterberg aus Platzgründen nicht möglich ist. Weiterhin gibt es für deutsche Patienten eine ambulante nuklearmedizinische Einheit am Hôpital de Freyming-Merlebach und es gibt die Möglichkeit für deutsche Patientinnen und Patienten - das ist zurzeit noch schwierig - Rehabilitation in Freyming-Merlebach durchzuführen. Es gab und gibt hier das Problem, dass bei uns die Krankenkasse das immer vorher vereinbart und genehmigt. In Frankreich ist das anders. Man konnte diesen Genehmigungsvorbehalt jetzt durch Direktabrechnungen regeln. Schwierig wird es natürlich - und das ist noch nicht geregelt bei Reha-Maßnahmen, weil es sich da weder um eine nicht vorhersehbare Leistung noch um einen Notfall handelt. Aber auch da sind wir dran.
Wir haben auch das Problem mit den Taxis geregelt. Wir hatten hier im saarländischen Landtag alle Taxiunternehmen aus der Großregion eingeladen. Die Task Force hat einen Vorschlag erarbeitet - und siehe da, die Leute kennen sich und arbeiten sehr gut miteinander. Das funktioniert mittlerweile ohne Probleme. Das betrifft auch die Paketzustellung, die nicht funktioniert hat. Wenn Menschen miteinander reden, klappt das im kleinen Grenzgang wunderbar.
Bei der Saarbahn, die nach Saargemünd fährt, gab es Probleme, weil die Trassengebühr von der SNCF so angehoben wurde, dass es nicht mehr möglich gewesen wäre, die Leute nach Saargemünd zu fahren. Jetzt gibt es eine Vereinbarung zumindest bis 2020. Letzte Woche war ich mit Frau Kohler von Alleo - das ist die gemeinsame Gesellschaft von SNCF und der Deutschen Bahn AG - bei der Saarbahn, weil wir auf unserer Reise nach Paris erfahren haben, dass es bei der Fahrt von Saarbrücken nach Straßburg am frühen Morgen Probleme gibt. Wenn der Zug in Saargemünd um 8.15 Uhr ankommt, stranden die meisten Pendler in Saargemünd und müssen dort zwei Stunden auf den nächsten Zug warten. Die Saarbahn AG hat versprochen, aktuell eine Fahrplanänderung vorzunehmen, damit es früher hier losgeht und es eine Fahrt ohne Zeitunterbrechung und ohne Probleme gibt.
Es sind viele kleine Mosaiksteinchen, die man bewegen muss, um ein gemeinsames Zusammenleben zu fördern, aber Schritt für Schritt schaffen wir das. Wir haben in den letzten Jahren viel bewegen können. Es lohnt sich, Grenzen einzureißen und sie zu überwinden. Ich hätte mir vor Kurzem nicht vorstellen können, dass wir in Europa wieder neue Zäune
und Mauern errichten und ausgerechnet die Parteien großen Zulauf haben - leider ja auch hier im Landtag -, die mit nationalistischen und populistischen Parolen offenbar für Abschottung und neue Grenzen werben, weil Grenzen immer Abgrenzung, Misstrauen, Berührungsängste und Nährboden für Vorurteile schaffen. Wir sind froh, dass es Schengen gibt und dass wir die Grenzregion haben, dass wir die Freizügigkeit und die Freiheiten des Binnenmarktes genießen können. Wir sind stolz darauf, dass wir hier in der Großregion drei Sprachen, vier Länder und fünf Regionen mit 11,4 Millionen Menschen repräsentieren. Das macht nämlich die Großregion aus hier im Herzen Europas. Sie bietet den Rahmen für dauerhafte politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Beziehungen. Damit können wir Barrieren abbauen. Ich möchte meine Rede beenden mit einem Zitat von François Mitterand, der einmal gesagt hat: Die deutsch-französische Freundschaft versteht sich nicht von selbst. Sie ist weder natürlich noch automatisch. - In diesem Sinne arbeiten wir zusammen. Ich bitte Sie um Unterstützung des Haushaltes 2018. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 2006 wurde das Ladenschlussgesetz in die Gesetzgebungskompetenz der Länder überführt. Das ist der Grund dafür, dass es bundesweit unterschiedliche Regelungen zu den Öffnungszeiten gibt. So gibt es zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt für Lebensmittelgeschäfte keine Ladenöffnung an Heiligabend, wenn der Heiligabend auf einen Sonntag fällt. Im Saarland wurde im Jahr 2006 von der damaligen CDU-geführten Landesregierung unter Peter Müller die Regelung des Bundesladenschlussgesetzes, die am weitesten gehende Regelung, ohne Änderung übernommen. Viele andere Bundesländer haben an Heiligabend, wenn dieser auf einen Sonntag fällt, drei Stunden Öffnungszeit vorgesehen, im Saarland wäre der Zeitraum von 09.00 Uhr bis 14.00 Uhr möglich, also eine Öffnungszeit von fünf Stunden. Diese Regelung werden wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf korrigieren.
Die Regelung, die im Jahr 2006 im Saarland aus dem Bundesgesetz übernommen wurde, stammt noch aus dem Jahr 1956. Damals hatte diese Regelung auch ihre Begründung, denn es gab seinerzeit nicht flächendeckend Kühlungsmöglichkeiten in den Haushalten, sprich Kühlschränke und Gefriertruhen.
Dieses Argument zieht aber nun wirklich schon lange nicht mehr.
Nunmehr argumentieren die Unternehmen damit, sie hätten Konkurrenz aus dem Online-Handel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bloße wirtschaftliche Interessen sind für uns kein Sachgrund für eine Öffnungszeit an diesem Tag.
Für uns steht der Sonntagsschutz der Beschäftigten und ihrer Familien im Vordergrund. Unabhängig von Kultur und Religion ist es für uns vor allem ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien, wenn wir sicherstellen, dass sie an diesem Tag nicht arbeiten müssen. Man muss nicht ohne Rücksicht auf Verluste das Letzte aus den Beschäftigten herausholen! Deshalb bleiben am 24. Dezember dieses Jahres im Saarland die Lebensmittelgeschäfte geschlossen.
Es gibt schon genügend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an diesem Tag arbeiten müssen. Wir haben ja gerade über das Krankenhaus gesprochen, dort ist das so. Es ist in der Pflege so, im Gesundheitsbereich, im Sicherheitsbereich bei der Polizei und der Feuerwehr. Dort muss zum Schutz und zum Wohle der Bevölkerung an Heiligabend gearbeitet werden. Wir müssen aber diesen Kreis betroffener Beschäftigter nicht ohne triftigen Grund noch erweitern.
Kolleginnen und Kollegen, wir setzen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Grenzen. Ich bin mir sicher, es wird kein Backofen und kein Kochtopf an Heiligabend leer bleiben, nur weil an diesem Tag die Geschäfte geschlossen sind.
Lobend erwähnen möchte ich, dass auch einige Einzelhandelsketten wie Globus, Aldi, REWE und Lidl angekündigt hatten, von der Möglichkeit der Sonntagsöffnung an Heiligabend keinen Gebrauch machen zu wollen. Leider war das aber nicht die Position aller Lebensmitteleinzelhändler, sodass wir eine Regelung treffen müssen. Das tun wir mit dem vorliegenden Gesetz.
Es gibt ein weiteres Argument für diese Regelung: Die Vorweihnachtszeit ist für die Beschäftigten im Einzelhandel und gerade auch für die Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel mit besonderen Belastungen verbunden. Deshalb stehen für uns die Adventssonntage unter einem ganz besonderen arbeitsrechtlichen Schutz.
Wir bringen das Gesetz heute ein, weil wir so noch im November die Anhörung und ihre Auswertung durchführen können. Bereits für morgen Früh ist die Ausschusssitzung anberaumt, um das weitere Vor
gehen abzustimmen. So haben wir die Chance, dass das Gesetz rechtzeitig in Kraft treten kann und die Läden in diesem Jahr an Heiligabend geschlossen bleiben. Die Menschen im Saarland haben so auch genügend Zeit, sich darauf einzustellen, dass am 24. Dezember die Lebensmittelläden geschlossen sind. Ich bitte Sie alle um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf und um Überweisung an den Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar Worte zum vorliegenden Gesetzentwurf aus der Sicht einer Saarbrückerin. Wenn von Prostitution im Saarland die Rede ist, denken viele sofort an Saarbrücken. Vor ein paar Jahren, 2014, wurde Saarbrücken regelrecht überrollt, was an der Grenzlage zu Frankreich liegt, damals war es die Hauptstadt der Prostitution. In Frankreich war bis 2016 der Straßenstrich verboten, und seit 2016 ist Prostitution generell verboten. Das bedeutet natürlich, dass viele Franzosen dieses Geschäft bei uns in Anspruch nehmen.
2014 war der Straßenstrich in Saarbrücken auf einer Gesamtlänge von 547 km zulässig. Das war noch eine Sperrbezirksverordnung aus dem Jahre 1972, in der es nur eine kleine Ausnahme im Innenstadtbereich der Stadt Saarbrücken gab. Damals hat sich Oberbürgermeisterin Charlotte Britz mit einigen Expertinnen und Experten zusammengesetzt und eine neue Sperrbezirksverordnung für die Stadt Saarbrücken auf den Weg gebracht, die weniger als 3 km Straßenstrich zulässt. Das heißt also, von 547 km auf weniger als 3 km und zwar auf drei Straßenabschnitte eingedämmt. Diese Eindämmung auf wenige Straßenabschnitte sollte eine bessere Kontrollierbarkeit durch die Polizei zur Folge haben. Das gilt natürlich nur, wenn die Polizei auch die Manpower
dazu hat und in der Lage ist, das in Saarbrücken durchzuführen. Aktuell ist es aufgrund der Unterbesetzung der Polizei etwas problematisch. Unser Innenminister ist im Moment nicht da, aber er ist sich der Lage sicherlich bewusst, dass noch einiges verbessert werden muss.
Zugelassen ist der Straßenstrich in Saarbrücken nur noch in einem Teil der Dudweiler Landstraße, in einem Teil im Deutschmühlental und in einem Teil der Hochstraße. Zudem wurde die Straßenprostitution nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich eingegrenzt. Das alles hat zu einem Rückgang der Straßenprostitution geführt, wie uns ALDONA sagt. Damals waren circa 200 Frauen in Saarbrücken auf dem Straßenstrich, jetzt werden es noch circa 40 sein. Und ich halte die Straßenprostitution für die schlechteste Art der Prostitution. Der Kondomzwang, der seit 2014 im Saarland besteht und nun auch im Bundesgesetz geregelt ist, wurde damals sehr belächelt, ich muss sagen, anfangs auch von mir. Ich habe mich eines Besseren belehren lassen, denn die Kondompflicht gibt Frauen ein Argument an die Hand, den Wunsch nach ungeschütztem Verkehr abzuschlagen. Die Prostituierten berichten, dass drei von vier Freiern, ich wollte es gar nicht glauben, ungeschützten Verkehr wünschen. Wer nun auf ungeschütztem Verkehr besteht, der macht sich strafbar, und das wird teuer, zu Recht sehr teuer.
Ein Teil des neuen Gesetzes ist auch die verpflichtende Gesundheitsberatung. Die Einführung haben wir alle bereits 2014 im Saarland gefordert, nun hat unsere Forderung Eingang ins Bundesgesetz gefunden. Es ist richtig, dass der Regionalverband Saarbrücken nach dem vorliegenden Ausführungsgesetz Anmeldebehörde und Erlaubnisbehörde für die Clubs und Bordelle wird, und auch für die gesundheitliche Beratung zuständig ist. Das ist gut so, verfügt doch der Regionalverband im Bereich der Prostituiertenprävention über langjährige Erfahrungen, seit 1953. Es wurde eben schon gesagt, ein Großteil der Bordelle befindet sich auch im Einzugsbereich des Regionalverbands.
Gut ist auch, dass so gut wie alle Themen und Fragen rund um Prostitution in einem Haus besprochen werden können. Es ist klar, dass hier Anonymität und Diskretion eine wichtige Rolle spielen. Die Betreuung an einer Stelle, dieser vereinfachte Weg, garantiert dies auch für die Frauen. Der Regionalverband hat dies bei der Aids-Beratung auch schon jahrelang praktiziert. Der Regionalverband ist startklar, wie mir die Frauen und Männer dort sagen, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eingearbeitet. Sie warten nur darauf, dass das Gesetz in Kraft tritt.
Bis heute fanden dort schon 30 gesundheitliche Beratungen statt. Diese gesundheitliche Beratung ist
nach § 10 Prostituiertenschutzgesetz kostenfrei. Lediglich für die Anmeldung soll die Gebühr - wir haben eben gehört, es wird dem gefolgt, was auch der Regionalverband in der Anhörung gefordert hat - 35 Euro betragen. Diese beinhaltet die rechtliche Beratung und die Ausfertigung der Anmeldebescheinigung und gegebenenfalls auch die Ausstellung der Alias-Bescheinigung.
Da bin ich übrigens bei Ihnen, Herr Lander. Sie haben eben von einem Thema gesprochen, bei dem Sie sich nicht so gut auskennen. Wenn Sie nämlich von Diskriminierung sprechen und sagen, die Frauen müssten überall ihren Namen nennen, dann ist das falsch. Die Frauen können sich eine Alias-Bescheinigung ausstellen lassen. Diese Alias-Bescheinigung ist eine „pseudonymisierte Bescheinigung“, die die wahre Identität der Frauen nicht angeben muss. Mit dieser Bescheinigung kann man im Bordell oder Club seine Tätigkeit aufnehmen. Sogar bei der Polizei kann sie vorgezeigt werden. Sie müssen natürlich ihren Ausweis dabei haben, aber die Polizei ist diskret genug, dort dann nicht den wahren Namen zu nennen. Also ist das Unsinn, was Sie hier erzählt haben, dass diese Anmeldung zu einer Diskriminierung führt.
Über die Fachberatungsstellen wie das Drogenhilfezentrum „Le Trottoir“ und „BISS“ wird aktuell mit Handzetteln auf die Neuregelungen im Straßenstrich und in den Bordellen hingewiesen. Der Regionalverband erhält einen Belastungsausgleich - darüber ist auch schon gesprochen worden -, der natürlich ausreichend sein muss. Wir haben hier ein striktes Konnexitätsprinzip, das in der Verfassung verankert ist. Das wird auch ausreichend sein.
Da bin ich mir ganz sicher, Frau Ministerin. Richtig ist auch der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, dass die Vollzugspolizei auch Überwachungsbehörde ist. Das kann ja der Regionalverband gar nicht leisten.
Damit muss die Umsetzung der Neuregelungen kontrolliert werden. Das muss von der Polizei erfolgen. Wir hoffen, dass dieses Gesetz die Prostituierten besser schützt und unterstützt. Manuela Schwesig hat einmal gesagt: In Deutschland ist es schwieriger, eine Pommesbude zu eröffnen als ein Bordell. - Mit dem neuen Gesetz ist dies nicht mehr so. Das Gesetz geht jetzt in den Praxistest und wie alles und jedes kann es natürlich auch bei Bedarf nachgebessert werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Jungfernrede ist es nicht. Herr Abgeordneter Flackus, auch wenn es Ihre erste Rede hier im Parlament ist, kann ich Ihnen in vielen Punkten leider nicht zustimmen. In regelmäßigen Abständen bringt DIE LINKE diesen Gesetzentwurf ein: 2010, 2012, 2015 und nun 2017. Da könnte man erst mal meinen: Das Anliegen ist wichtig, deshalb wird es gemacht, um vielleicht doch noch die Große Koalition zu überzeugen, dem Gesetzentwurf zu folgen. Wenn ich mir aber dann die Begründung anschaue, ist dies nicht möglich.
Als ich heute Morgen gehört habe, dass Sie den Gesetzentwurf neu eingebracht haben, dachte ich, Ihnen wäre aufgefallen, dass zumindest die Begründung uralt ist. Spätestens wenn Sie im Internet „Dispozinsen“ angeklickt hätten, also den Stand von heute, hätten Sie feststellen müssen, dass Ihre Begründung aus dem Jahr 2015 stammt und nicht aus dem Jahr 2017. Das scheint mir schon deutlich zu machen, dass Ihnen Fakten eigentlich gleichgültig sind. Das ist schade, weil es nämlich um etwas Wichtiges geht, und da spielen Fakten, also die korrekte Höhe der Dispozinsen, schon eine wichtige Rolle.
Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf die Studie der Stiftung Warentest/Finanztest aus dem Jahr 2014 erwähnt und sprechen noch von Zinssätzen von 14,25 Prozent. Es gibt eine neue Studie der Stiftung Warentest, die man am Vergleichsportal direkt er
kennen kann, vom 16. August 2016. Es gibt ganz aktuelle Zahlen aus dem Saarland; wenn man die Verbraucherzentrale anfragt, dann bekommt man die. Dort steht der Dispozins im Schnitt bei 9,91 Prozent.
Die Überziehung? Sie sprechen davon, den Dispozins auf 5 Prozent festzuschreiben. Darauf komme ich noch. Und die geduldete Überziehung schlägt dem Fass den Boden aus; wir kommen gleich noch dazu. Aber der Dispozins liegt nicht, wie Sie in Ihrer Begründung sagen, im Schnitt bei 14,25 Prozent, sondern momentan bei 9,91 Prozent. Deshalb ist Ihre Begründung falsch, wobei ich sage, dass es immer noch sehr hoch ist. Da bin ich ja gar nicht so weit weg. Die Zahl ist immer noch sehr hoch. Wenn sich die Sparkassen und Banken Geld bei der Bundesbank oder bei der EZB zum Nulltarif leihen können, dann ist ein Dispozins von 10 Prozent immer noch hoch. Überhaupt keine Frage.
Die Sparkassen im Saarland sind mit ihren Dispozinsen mit 10,4, 10,5 und 10,8 Prozent im unteren Drittel von allen Kreditinstituten. Schauen Sie, welche Banken niedriger liegen: Das sind die PSD-Bank dort gibt es nur drei Geschäftsstellen und überhaupt kein Filialnetz - und die Online-Banken. Alle anderen Banken liegen weit über den saarländischen Sparkassen. Sie kommen ihrem Auftrag immer noch nach, auch wenn die Dispozinsen mit 10 Prozent hoch sind. Auch die Sparkassen leiden unter dem Wettbewerb; Sie haben es eben gesagt. Die Niedrigzinsen gehen ja nicht an den Sparkassen vorbei. Das heißt, die Quersubventionierung über Negativoder Niedrigzinsen der LZB ist nicht mehr möglich.
Trotzdem haben die Sparkassen - Sie haben es eben gesagt - immer noch 280 Geschäftsstellen und Selbstbedienungsfilialen, davon 213 mit Mitarbeitern besetzte Filialen. Das ist eine Leistung für die Kunden, die sonst kein Kreditinstitut aufrechterhält. Ich habe auch noch die Zahlen der anderen Kreditinstitute. Im Saarland hat die Volksbank 11,9 Prozent Dispozins, die Sparda-Bank 11,4, Santander 11,3, Bank 1 Saar 11,2, Deutsche Bank 10,9 und die Targo-Bank 11,95 Prozent. Die Sparkassen liegen allesamt darunter, nur die Online-Banken und die PSDBank nicht. Die Sparkassen sind auch Arbeitgeber von 5.000 Beschäftigten; diese und ihre Familien hängen daran. Kein anderes Kreditinstitut hält so viele Beschäftigte vor.
Natürlich bekommen die Kreditinstitute nach dem Leitzins ihr Geld zum Nulltarif. Wenn man sich heute ein Baudarlehen nimmt, bekommt man das manchmal sogar unter 1 Prozent. Kontokorrentkredite und Verbraucherkredite liegen etwas höher. Der Dispozins liegt im Schnitt bei 10 Prozent. Das trifft natür
lich Menschen mit ganz geringen Einkommen nicht, weil sie keinen Dispo haben. Menschen mit mittlerem Einkommen trifft es oft, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen. Das ist ganz klar. Jeder sechste Bankkunde hat sein Konto im Minus. Das ist beim Dispo teuer, ja sogar sehr teuer. Wir sehen auch Regelungsbedarf. Aber die Schlussfolgerungen, die wir haben, sind andere als Ihre.
Wir sagen, die Sparkassen können nicht isoliert als alleiniges Kreditinstitut in die Haftung genommen werden. Wenn wir Regelungen wollen, dann müssen alle Institute herangezogen werden und nicht nur ein Kreditinstitut allein. Das ganze Bankensystem muss aufgefordert werden, dies zu verändern. Sparkassen befinden sich nämlich genauso im Wettbewerb wie jedes andere Kreditinstitut auch. Deshalb muss es ordnungspolitisch wohl überlegt sein, ob man das tut oder nicht.
Herr Lafontaine, Sie sprechen davon, aber das ist nicht nachvollziehbar. Es ist ja schön, wenn man schon lange dabei ist. Ich war junge Abgeordnete, als Sie Ministerpräsident waren. Mir war es damals ein großes Anliegen, das Jedermann-Konto einzuführen, das Jahre später von der EU auf den Weg gebracht wurde. Ich wollte dafür das Sparkassengesetz ändern. Ich will hier gar nicht erzählen, wie getobt wurde, als ich den Wunsch geäußert habe, ob es möglich wäre, das als öffentlichen Auftrag der Sparkassen zu übernehmen. Damals war es eben eine andere Zeit.
Die Sparkassen haben 350 Geldautomaten; Herr Flackus, Sie haben es eben gesagt. Nur einen Automaten aufzustellen, kostet 60.000 Euro. Sparkassen zahlen im Saarland Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in Höhe von 38 Millionen Euro. Die zahlen die Gewerbesteuer bei uns! Viele Kreditinstitute haben ihre Zentralen woanders und zahlen die Gewerbesteuer nicht bei uns. Die Sparkassen zahlen Lohnsteuer in Höhe von 43 Millionen Euro und fördern Kultur, Wissenschaft, Sport und soziale Projekte mit 6 Millionen Euro.
Ich habe eben vom Jedermann-Konto gesprochen das gibt es jetzt. Die Sparkassen stellen es für die Menschen, die dies brauchen, ohne Wenn und Aber zur Verfügung, während man bei anderen Kreditinstituten oftmals nachhelfen muss. Sparkassen engagieren sich bei der Anlage von Flüchtlingskonten. Es sind die Sparkassen, die Flüchtlingen Konten anbieten. Das macht kein anderes Institut. Sie engagieren sich bei der saarländischen Wirtschaft und den saarländischen Kommunen. Damit kommen sie ihrem Gründungsauftrag sehr wohl nach.
Ich habe damals schon gesagt, das kann nicht hoch genug bewertet werden und das muss immer wieder gesagt werden. Bei der Finanzkrise vor neun Jahren - seit der Lehman-Pleite - ist deutlich geworden, wie wichtig und unverzichtbar die öffentlich-rechtlichen Sparkassen im deutschen Bankenwesen sind. Die stabilisierende Leistung, die durch die Sparkassen gerade während der Krise erbracht wurde, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Klar ist: Sparkassen leiden wie alle anderen Kreditinstitute unter niedrigen Zinsen und hohen Kosten.
Wenn Sie sagen, wir müssen die Sparkassen alleine heranziehen, dann stellen sich Fragen: Wenn wir das tun, würde das Signalwirkung auf andere entfalten? Würden die Menschen zu Hauf zu den Sparkassen gehen, weil diese die Dispozinsen senken? Darauf muss ich Ihnen sagen, dass dies mitnichten der Fall ist. Es gibt einige Online-Banken, die diesen Service nicht haben. Aber die Neunkircher Sparkasse hat es probiert. Sie hat die Dispozinsen im Jahr 2014, als sie tatsächlich noch bei 14 Prozent lagen, auf 7 Prozent gesenkt. Dann hat sie festgestellt, dass sie damit wirklich keine neuen Kunden gewonnen hat, weil es gar nicht das Hauptargument ist, zu einem Kreditinstitut zu gehen, ob ich einen bestimmten Dispo habe oder nicht.
Außerdem gibt es heute sogenannte Premium-Modelle, mit denen die Menschen geködert werden. Sie bekommen einen niedrigen Dispozins; dafür haben sie hohe Kontogebühren und müssen Abhebungen am Automaten bezahlen. Menschen entscheiden sich manchmal dafür, obwohl das Standard-Konto das günstigere ist. Aber kein anderer Bankkunde, der sein Konto im Minus hat, wird die Bank wechseln, wenn wir sagen, die Sparkassen dürfen Dispozinsen nur bis 5 Prozent erheben. Das wird nicht der Fall sein. Wer sein Konto überzogen hat, kommt nicht zur Sparkasse und sagt: Guten Tag, hier bin ich, ich habe zwar immer mein Konto überzogen, aber ich komme jetzt zu euch, da ist es nicht ganz so teuer. - Das wird kein Mensch tun.
Deshalb fordern wir eine bundeseinheitliche Regelung. Ich wundere mich, dass Sie jetzt nicht dazwischenrufen. Wir haben ja im Bund probiert, einen Gesetzentwurf einzubringen. Dabei hätte die SPD nur mit der LINKEN stimmen müssen. Ich muss Sie daran erinnern, dass es in einer Koalition gewisse Absprachen gibt. Wenn ein Koalitionspartner nicht mitmacht, dann stimmt man nicht jedes Mal mit der Opposition. In diesem Fall ist die Koalition nämlich schnell am Ende. Das war auch der Grund, warum wir in Berlin nicht mit der LINKEN gestimmt haben, sondern mit der Koalition. Die CDU konnte sich in Berlin nicht dazu durchringen, dass über ein bundeseinheitliches Gesetz alle Banken herangezogen werden.
Es ist aber in der Großen Koalition einiges passiert, wenn es um Geldgeschäfte geht. Seit März 2016 gibt es nämlich mehr Transparenz bei den Dispozinsen. Alle Institute sind durch den Gesetzentwurf von Heiko Maas aufgefordert, die Dispozinsen im Internet zu veröffentlichen. Außerdem sollen die Kreditinstitute verpflichtet werden, bei einer Dauerüberziehung - das heißt spätestens nach drei Monaten günstige Alternativen anzubieten. Die Sparkassen haben das schon immer so gemacht, sie sind immer schon auf ihre Kunden zugegangen und haben Alternativen angeboten, Ratenkredite, damit die Menschen von ihren Krediten runterkommen konnten.
Es gibt mittlerweile das zentrale Vergleichsportal, das lege ich der LINKEN ans Herz, dann hätten Sie nämlich festgestellt, dass die Zinsen niedriger sind als 14,25 Prozent. Wir machen das nicht mit. Sie wollen in Ihrem Gesetzentwurf die Sparkassen nicht nur zwingen, die Dispozinsen auf 5 Prozent festzuzurren, sondern sogar die geduldete Überziehung auch noch bei 5 Prozent zu belassen, das heißt, dann müssten alle Kunden direkt einen Vertrag bekommen und es müsste ihnen gesagt werden, dass nach dem Dispo Schluss ist. Und wenn dann mal 100 Euro bei einer kleinen Firma gebraucht werden, dann ist das nicht mehr möglich, weil man nur noch 5 Prozent bezahlt. Das kann sich ja kein Kreditinstitut leisten. Wenn jemand über den Dispo hinaus überzieht, dann ist das für kurze Zeit. Dann gehen die Alarmglocken an und derjenige wird von den Sparkassen beraten. Aber wir lassen nicht zu, dass Sie die Sparkassen alleine in die Haftung nehmen wollen.
Der letzte Punkt, das Abheben von Geld am Automaten. Im Gesetzentwurf steht auch, dass das Abheben an Automaten kostenfrei sein soll. Im Saarland ist das Abheben noch kostenfrei. Es gibt nur bestimmte Kontomodelle - Premiummodelle -, bei denen die Menschen frei entscheiden, dass sie nur bestimmte Abhebungen frei haben, dafür haben sie dann noch eine Goldkarte und anderes. Das entscheiden die Leute selbst. Wer ein normales Standardkonto hat, muss keine Gebühren beim Abheben bezahlen. Ich wiederhole es: Wir sind gegen Belastungen eines einzigen Kreditinstitutes und lehnen deshalb Ihren Gesetzentwurf ab. Wir sind gegen Insellösungen. Herr Flackus hat so schön gesagt, dass wir aus vielerlei Gründen funktionierende Sparkassen brauchen. Jawohl, Herr Flackus, die brauchen wir, und deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
Ich nehme die Wahl an. Vielen Dank.