Brunhilde Liebrecht
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich muss zunächst dem, was Frau Dirlich sagte, etwas entgegenhalten. Wir haben auf Bundesebene entsprechende Forderungen erhoben, aber wir haben einen anderen Ansatz.
Die jetzige rot-grüne Bundesregierung hat den Beitrag der Empfänger von Arbeitslosenhilfe zur Pflegeversicherung gesenkt. Daraus resultieren Einnahmenverluste in Höhe von 400 Millionen DM. Aus der Pflegeversicherung steht bereits jetzt ein Betrag in Höhe von 500 Millionen DM zugunsten von Demenzkranken zur Verfügung. Wenn der Einnahmenausfall der Pflegeversicherung rückgängig gemacht würde, stünden damit knapp 1 Milliarde DM zur Verfügung, um die Betreuung der Demenzkranken zu finanzieren.
Die im Verlauf der Debatte dargestellten Fakten zeigen deutlich, dass die bekannte demografische Entwicklung Politik und Praxis vor gewaltige Herausforderungen stellt. Insbesondere der Personenkreis der gerontopsychiatrisch Erkrankten und hierunter der dementen Patienten wird deutlich zunehmen und Veränderungen sowohl bei der ambulanten als auch bei der stationären Pflege notwendig machen.
Einige Studien, die den Berechnungen und Schätzungen zugrunde liegen, gehen davon aus, dass in Deutschland 800 000 Menschen an einer mittel- oder schwergradigen Demenz erkrankt sind. Zählt man die leichte Form der Demenz hinzu, ergibt sich eine Prävalenz von 1,2 Millionen Erkrankten in der Bundesrepublik Deutschland. Schätzungen gehen davon aus, dass es im Jahr 2030 in der Bundesrepublik 2,3 Millionen Demenzkranke geben wird. Das sind mehr Menschen, als voraussichtlich zu diesem Zeitpunkt in Sachsen-Anhalt leben werden.
Bei dieser Zahl sind andere gerontopsychiatrische Erkrankungen noch nicht einmal berücksichtigt. Schätzungen für das Land Sachsen-Anhalt gehen von 30 000 dementen Patienten aus und nehmen ca. 7 500 Neuerkrankungen pro Jahr an.
Der Gesundheitsbericht von Sachsen-Anhalt weist einen dramatischen Anstieg gerontopsychiatrisch bedingter Krankenhausaufenthalte Hochbetagter aus. Der Anteil der 65-Jährigen ist inzwischen auf fast 20 % angestie
gen, wobei gleichzeitig ein Anstieg der Seniorenquote aufgrund der stark besetzten Jahrgänge der jetzt 55- bis 60-Jährigen zu erwarten ist.
Sieht man das vor dem Hintergrund der Wanderungsbewegung, wird Sachsen-Anhalt zunehmend zu einem „alten Land“. Daraus ergibt sich für Sachsen-Anhalt die besondere Verpflichtung, auf Landesebene für angemessene Versorgungsbedingungen zu sorgen und auf Bundesebene die entsprechenden Rahmenbedingungen einzufordern.
Einer Studie aus dem Jahr 1998 ist zu entnehmen, dass ein dementer Patient bei der gesetzlichen Krankenversicherung Kosten in Höhe von 2 000 DM und bei der Pflegeversicherung Kosten in Höhe von 25 000 DM pro Jahr verursacht.
- Die Studie ist aus dem Jahr 1998; deshalb wurden DMark-Beträge angegeben.
Die Hauptlast der Kosten haben häufig jedoch die Angehörigen zu tragen. Man schätzt, dass es eine Familie ungefähr 60 000 DM kostet, einen dementen Angehörigen zu versorgen, da in der Regel einer der Angehörigen seinen Arbeitsplatz aufgeben muss, um die Pflege durchführen zu können, und es muss auch Geld für selbst beschaffte Hilfe aufgebracht werden.
Ein wesentlicher Schritt wäre die Ausgliederung der medizinischen Behandlungspflege aus der sozialen Pflegeversicherung und ihre Eingliederung in die Krankenversicherung. Die frei werdenden Mittel könnten zur Verbesserung der Pflegeausstattung genutzt werden. Das Pflegequalitätssicherungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung ist in dieser Hinsicht unzureichend, da infolge eines zusätzlichen Bürokratieaufwands die Qualität in der Pflege nicht sichergestellt werden kann. Pflegekräfte sollten in erster Linie die Menschen pflegen und nicht die Bürokratie verwalten. Qualität ist außerdem nur durch qualifiziertes Personal zu erreichen.
Um diese schwierige Situation von dementen Menschen und ihren pflegenden Angehörigen zu erleichtern, ist nicht nur die Pflege- und Krankenversicherung gefragt, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die stärker betont werden muss; denn wir müssen uns schon als Gesellschaft fragen, was ist uns die Pflege wert und wie wollen wir mit unseren Pflegebedürftigen umgehen. An dieser Stelle ist das Mitdenken und Mitwirken auf den verschiedenen Ebenen gefordert.
Wichtig ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die Verständnis für die Situation dementer Menschen weckt und Anleitungen zum Umgang mit ihnen geben kann. Zudem ist es notwendig, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen der Prävention zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit oder Verhinderung einer Verschlimmerung aufzuzeigen und Grundlagenwissen für eine bedürfnisorientierte Pflege und Betreuung Dementer zu vermitteln.
Ein wesentlicher Punkt zur Verbesserung der Situation Demenzkranker ist, einen zusätzlichen Betreuungsbedarf anzuerkennen. Eine bessere Pflegequalität ist nur wirkungsvoll zu erreichen, wenn man die Bedingungen für die Pflegeberufe in den Heimen verbessert. Darüber hinaus müssen in allen medizinischen Einrichtungen in der Aus-, Weiter- und Fortbildung der Ärzte geriatrische Inhalte einbezogen werden.
Ebenso ist die Weiterbildung des Pflegepersonals ein entscheidendes Kriterium für die Qualitätssicherung in der Pflege. Deshalb sollte bei der Umsetzung des Ausbildungspflegegesetzes in Sachsen-Anhalt darauf geachtet werden, dass der Ausbildungsbereich der gerontopsychiatrischen Pflege auch weiterhin in dem bisherigen Umfang berücksichtigt wird.
Meine Damen und Herren! Das Thema können wir an dieser Stelle nicht so ausführlich behandeln, wie es erforderlich wäre. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam nach dem richtigen Weg für die Pflegebedürftigen suchen. Daher bitte ich darum, der Beschlussempfehlung zuzustimmen und in der nächsten Wahlperiode dieses Thema wieder aufzugreifen. - Vielen Dank.
In der 64. Sitzung am 12. Oktober 2001 hat der Landtag den Beschluss gefasst, die Landesregierung zu bitten, ihre Bemühungen der letzten Monate fortzusetzen, damit die Krankenkassen mit den ambulanten privaten Pflegediensten eine Schlichtungsvereinbarung treffen (Drs. 3/64/5065 B). Obgleich die Landesregierung nach § 39 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags zwei Monate Zeit hat, den Landtag darüber zu informieren, was sie auf den Beschluss hin veranlasst hat, und für die Beantwortung noch eine Woche Zeit wäre, frage ich die Landesregierung:
Welche einzelnen konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung seit der Landtagssitzung im Oktober dieses Jahres unternommen, um die Verhandlungspartner zu einer Schlichtungsvereinbarung zu bewegen?
Ich habe eine Nachfrage. Für die privaten ambulanten Pflegedienste ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich denke, hierbei muss man eine Grenze der Zumutbarkeit setzen. Inwieweit hat sich die Landesregierung einen Zeitrahmen gesteckt, in dem diese Vergütungsstreitigkeiten beendet werden sollen? Es ist mir sehr wohl bekannt, dass die Landesregierung nur die Rechtsaufsicht und nicht die Fachaufsicht hat. Aber wir wissen aus dem Gutachten des Herrn Professors Schwerdtfeger aus Hannover, dass der Gesetzgeber, sofern bei einer Pattsituation keine Änderung erfolgt, schon verpflichtet ist - ich zitiere -, „wegen des Grundrechtsschutzes der Pflegedienste im Extremfall nachzubessern“.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bei Umfragen in Deutschland wie in Europa nimmt die Familie im Wertekatalog der Bevölkerung regelmäßig einen Spitzenplatz ein. In den Prioritäten der Werteorientierung erreicht die Familie über 90 % und wird weit wichtiger eingeschätzt als Arbeit, Freizeit, Freunde, Religion oder Politik; die Tendenz ist steigend.
Wenn aber Demoskopen nach den politischen Prioritäten fragen, landet die Familienpolitik in der Regel irgendwo nach Platz zehn. Warnfried Dettling schreibt in seinem Buch „Wirtschaftskummerland“ - ich zitiere, Frau Präsidentin -:
„Wo immer sie gefragt werden, verbinden junge Menschen mit einem erfüllten Leben auch Treue und Partnerschaft, Kinder und Familie. Aber sie wollen deshalb auf eigenes Leben nicht verzichten. Sie wollen nicht auf bestimmte Rollen festgelegt werden und sich andere Perspektiven von Anfang an verbauen.“
Dies wird regelmäßig durch Umfragen bestätigt und Gleiches lässt sich der vorliegenden Studie zur Situation von Familien in Sachsen-Anhalt entnehmen.
Die Realität zeigt, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine Diskrepanz besteht. Dies wiederum macht deutlich, dass die heutigen Rahmenbedingungen der Situation der Familie nicht mehr gerecht werden. Kinder stellen heute häufig ein Armutsrisiko dar. Das Pro-KopfEinkommen eines Ehepaares mit zwei Kindern liegt bei 1 022 DM im Monat und ist damit nicht halb so hoch wie das Pro-Kopf-Einkommen eines Ehepaares ohne Kinder mit 2 360 DM im Monat.
Kind und Karriere schließen sich in der Praxis oft aus. Fast die Hälfte der akademisch ausgebildeten Frauen bleibt kinderlos. Im Jahr 1962 wurden in Deutschland noch rund 1,2 Millionen Kinder geboren, 1999 waren es nur noch 777 000. Wenn man diesen Vergleich für Sachsen-Anhalt zieht, fällt das Ergebnis noch wesentlich schlechter aus. Wenn in den 60er-Jahren noch 10 % der Paare lebenslang kinderlos blieben, sind es heute fast 40 %.
Trotz aller Anstrengungen ist die traditionelle Familienpolitik nicht in der Lage, die Situation der Familien zu verbessern. Familienpolitik darf weder auf Sozialpolitik noch auf finanzielle Leistungen reduziert werden, sondern muss als Ganzes betrachtet werden. Familienpolitik ist eine Querschnittsaufgabe und ist neben der Sozialpolitik auch Bildungspolitik, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Kommunalpolitik, familienfreundliche Gestaltung des Wohnumfelds, Verkehrspolitik usw. Eine nachhaltige Politik für Familien muss familiäre Belange auch bei der Steuer- und der Vermögenspolitik, bei der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik sowie bei der Alterssicherung berücksichtigen.
Die Landesregierung muss sich daher zukünftig verstärkt dafür einsetzen, dass bei Maßnahmen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene die gegenwärtigen und künftigen Auswirkungen auf Familien sach- und institutionsübergreifend geprüft werden und dass eine nachhaltige Verbesserung für Familien eintritt. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, zukünftig bei Gesetzesvorhaben und Verordnungen der Landesregierung deren Auswirkungen auf Familien im Vorfeld zu prüfen.
Die Landesregierung hat uns den Ergebnisbericht zur Studie zur Situation von Familien und Kindern in Sachsen-Anhalt vorgelegt. Nun erwarten wir, dass die Erkenntnisse dieser Studie sich in einer konkreten Politik niederschlagen. Die Studie ist bestens dafür geeignet, die faire Politik für Familien der CDU zu unterstützen, die einen neuen Rahmen für Familienpolitik setzt.
Die Schlüsselfrage aller zukünftigen Maßnahmen bleibt aber die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit kein Kind mehr auf Sozialhilfe angewiesen ist, muss ein fairer finanzieller Ausgleich für Familien in Form eines Familiengeldes eingeführt werden, das einkommensunabhängig, steuer- und sozialabgabenfrei gezahlt wird und sicherstellt, dass niemand mehr auf Sozialhilfe angewiesen ist, nur weil er Kinder hat. Das ist der Preis, den wir für den Fortbestand dieser Gesellschaft zahlen müssen.
Die Studie über Familien in Sachsen-Anhalt unterstreicht, dass die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern dringend geboten ist. Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. Ich meine, wir werden im Ausschuss rege darüber diskutieren. Vielen Dank.
Ja.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Rund 10 % der Menschen in Sachsen-Anhalt leben mit einer Behinderung. Als schwerbehindert anerkannt sind knapp 168 500 Menschen. Bei uns leben zum Beispiel mehr als 13 000 anerkannte Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen „AG“, das sie als außergewöhnlich gehbehindert ausweist, die in ihrer Fortbewegung auf das Schwerste eingeschränkt sind. Mehr als 26 000 Personen besitzen einen Behindertenausweis mit dem Merkzeichen „H“, weil sie hilflos sind und täglich fremder Hilfe bedürfen.
Ich habe dies vorausgeschickt, um deutlich zu machen, dass wir heute im Zusammenhang mit dem Behindertengleichstellungsgesetz über eine große Gruppe von Menschen in unserer Gesellschaft sprechen.
Die Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens will ich hier nicht rekapitulieren. Es ist aber festzustellen, dass heute ein Gesetz beschlossen werden soll, das unter zwei ungünstigen Sternen steht. Zum einen hat Frau Ministerin Dr. Kuppe im Zusammenhang mit den Haus
haltsberatungen bereits festgestellt, dass dieses Gesetz nur das gesetzlich fixiere, was bereits bisher als freiwillige Leistung seitens der Landesregierung erbracht werde. Die bereits erhobenen Forderungen bezüglich der Finanzierung widerlegen diese Aussagen jedoch.
Zum anderen verändert der sei dem 31. August dieses Jahres vorliegende Entwurf eines Bundesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen die Ausgangssituation; denn auch dieses Gesetz hat zum Ziel, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern. In über 40 Artikeln sollen umfangreiche Neuregelungen vorgenommen werden. Es wird nicht ausbleiben, dass dieses Gesetz unmittelbare Auswirkungen auf das heute zu beschließende Gesetz haben wird.
Das zeigt, dass wir uns mit der Bundesgesetzgebung nicht im Einklang befinden, so wie es Frau Ministerin Dr. Kuppe soeben ausgeführt hat.
In den Beratungen über den vorliegenden Gesetzentwurf hat sich die CDU-Landtagsfraktion an dem seit dem 17. Mai 1999 im Land Berlin geltenden Gleichberechtigungsgesetz für Menschen mit und ohne Behinderung orientiert, das dort mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen wurde.
Wir haben dieses Gesetz für notwendig und gut befunden und daher eine Anhörung von Vertretern aus Berlin beantragt. Das Ergebnis dieser Anhörung bestand darin, dass die Vertreter aus Berlin einhellig ihr Gesetz begrüßt, gelobt und im Großen und Ganzen für sachdienlich gehalten haben.
Die CDU-Landtagsfraktion hat daher im Rahmen der Beratungen insgesamt 16 konstruktive Änderungsanträge und sechs Entschließungsanträge vorgelegt sowie weitere Anträge mündlich gestellt. Obwohl sich unsere sämtlichen Anträge im Rahmen dessen bewegten, was CDU und SPD in Berlin gemeinsam beschlossen haben, wurden diese, sofern sie nicht reine Formalien betrafen, weggestimmt.
Herr Dr. Eckert, selbst bei den Anträgen der CDU, bei denen die PDS, wie bei dem Antrag zu § 3 - Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbot -, einräumte, dass diese zu bedenken seien, blieb man im Ergebnis bei den vorher zwischen SPD und PDS getroffenen Absprachen.
Wie die SPD für die Behinderten gekämpft hat, ist in den Ausschussberatungen offenbar geworden. Ich habe noch in den Ohren, wie Herr Abgeordneter Bischoff zum Beispiel den SPD-Änderungsantrag Nr. 4 in den Ausschuss einbrachte und auf Nachfrage mitteilte - ich entnehme das meinen Notizen -: Wir dachten, das ist die weicheste Formulierung, die es gibt.
Hierzu bemerkte Kollege Dr. Nehler, mit den eingefügten §§ 3, 4 und 5 in der Fassung des SPD-Entwurfes würden keine Verpflichtungen, sondern nur Zielvorstellungen formuliert. Kollege Professor Böhmer brachte es auf den Punkt, indem er bemerkte, dass das Gesetz in weiten Teilen mit dem Ausdruck des Bedauerns nur Trost kodifiziere.
Aus rechtssystematischen Gründen lehnen wir die im Gesetzentwurf vorgesehene Beweislastumkehr ab. Weitere Punkte sind aus unserer Sicht kritikwürdig und werden in der Praxis zu erheblichen Problemen führen.
Daher hat die CDU-Landtagsfraktion einen Änderungsantrag zur Finanzierung der Behindertenbeauftragten eingebracht, dem im Innenausschuss einstimmig zugestimmt worden ist.
Herr Dr. Eckert, Sie haben gesagt, dieser Antrag sei richtig. Die Beschlussempfehlung in der jetzigen Fassung widerspricht jedoch dem Verfassungsgrundsatz.
Auch im Innenausschuss ist eindeutig festgestellt worden, dass die Regelung im Vorschaltgesetz das betrifft, was bisher vom Land finanziert worden ist und auf die Kommunen übertragen wird. Aber hierbei schafft das Land neue Aufgaben und deshalb trifft das Vorschaltgesetz nicht zu.
Vielmehr trifft Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung zu.
Des Weiteren haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die absehbaren Mehrausgaben, die aufgrund dieses Gesetzes entstehen, bei den laufenden Haushaltsberatungen durch eine Haushaltsergänzungsvorlage zu berücksichtigen.
Obwohl die Ministerin bereits im Ausschuss erklärt hat, das Gesetz werde keine Mark kosten, darf ich jedoch auf die Ausführungen zu den Kosten im Gesetzentwurf der PDS in der Drs. 3/2536 hinweisen, wonach ein jährlicher Finanzmehrbedarf von ca. 40 Millionen DM in der Anfangsphase erwartet wird. Auch wenn der ÖPNV entfällt, bleibt noch eine Menge übrig.
Sofern man den Worten des Kollegen Bischoff Gehör und Glauben schenken darf, soll allein bei den Kosten für Gebärdensprachdolmetscher mit einem Aufwuchs von 5 Millionen DM zu rechnen sein.
Hieran wird deutlich, dass unser Entschließungsantrag berechtigt ist, die durch das Behindertengleichstellungsgesetz entstehenden voraussichtlichen Mehrausgaben in den jetzigen laufenden Haushaltsberatungen zu berücksichtigen.
Letztlich ist die CDU-Fraktion auch der Auffassung, dass bei einem sonderpädagogischen Förderbedarf eine integrative Beschulung vorrangig unter dem Gesichtspunkt einer optimalen Förderung der individuellen Entwicklung erfolgen muss.
Es gibt leider jene Fälle, in denen der Wunsch nach einer integrativen Beschulung größer ist, als es dem Kind förderlich wäre. Vor einer einseitigen Idealisierung der integrativen Beschulung müssen wir daher warnen.
Ich bin fertig. - Die CDU-Landtagsfraktion beantragt die Einzelabstimmung über die Artikel und Paragrafen des Gesetzes. Sollten auch diesmal unsere Änderungs- und Entschließungsanträge abgelehnt werden, wird sich die CDU bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf insgesamt der Stimme enthalten.
Ja.
Herr Dr. Eckert, wir hatten einen ganz anderen Ansatz. Wir hatten ganz andere Formulierungen. Da die insgesamt weggestimmt worden sind, konnten wir den Einzelheiten nicht mehr zustimmen. Aber insgesamt stehen wir zu dem, was im Berliner Gesetz steht.
Herr Gallert, das ist für mich nicht ganz einsichtig. Denn gerade die PDS schreibt sich immer auf die Fahnen, dass sie sich für die Kommunen einsetzt; das ist die eine Seite. Damit werden aber die Kommunen mehr belastet.
Wir haben gefordert, dass entsprechend dem Verfassungsgrundsatz des Artikels 87 die Kosten getragen werden. Ich hatte vorhin ausgeführt, aus welchem Grund das Vorschaltgesetz nicht gilt: weil es eine neue Aufgabe ist. Demzufolge entspricht das dem Verfassungsgrundsatz. Dennoch ist immer die Kommune in der Verantwortung, egal, worum es geht.
- Egal, worum es geht, es ist in ihrer Verantwortung.
Wir haben jetzt ein Landesgesetz beschlossen, und ich denke, da ist erst einmal eine Anschubfinanzierung erforderlich. Da das Gesetz in diesem Punkt erst ab dem Jahr 2004 in Kraft tritt, ergibt sich ein weiteres Problem: Was wäre, wenn die drei großen Städte, in denen bereits jetzt Behindertengleichstellungsbeauftragte vorhanden sind, sagten, sie wollten jetzt irgendwo sparen, und dann die Gleichstellungsbeauftragten für Behinderte abschaffen würden? Dazu wären die drei großen Städte dann in der Lage, weil dieses Gesetzt den Einsatz eines Behindertengleichstellungsbeauftragten erst ab 2004 vorschreibt. Und das wollen wir doch auch nicht.
- Davon gehe ich auch aus, dass die Kommunen verantwortlich handeln, denn die Kommunen haben in allen Bereichen eine Verantwortung zu tragen. Ob das für die Behinderten ist, ob das für die Umweltfragen ist, die Kommune ist immer gefragt und kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Wenn das Land nicht mehr finanziert, versucht immer noch die Kommune, etwas zu ermöglichen, damit es nicht den Bach hinuntergeht.
Das ist doch letztlich entscheidend.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Seit dem 15. Mai 2000 gilt bundesweit die Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege, die auf § 92 des Sozialgesetzbuches V beruht. Die Richtlinie regelt, was ein Pflegedienst in der häuslichen Pflege tun darf. Abzugrenzen sind die Leistungen, die von der Pflegeversicherung bezahlt werden, und jene, für die die Krankenkassen die Kosten tragen müssen.
In § 132 a SGB V ist festgelegt, dass die Krankenkassen mit den Leistungserbringern über die Einzelheiten der Versorgung sowie über die Preise und deren Abrechnung Verträge schließen sollen und müssen. Vonseiten der Krankenkassen ist darauf zu achten, dass die erbrachten Leistungen effizient und wirtschaftlich sind.
Nach über einem Jahr Laufzeit der neu gefassten Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege erfolgte am 27. September 2001 eine Anhörung über die Ergebnisse, Probleme und Auswirkungen bei der Umsetzung der Richtlinie über die häusliche Krankenpflege hinsichtlich der Versorgungssituation der Patienten in Sachsen-Anhalt.
Schon vor der Anhörung hat sich abgezeichnet - in der Anhörung wurde dies ganz deutlich -, dass seit dem 1. September 2000 über ein Drittel der ambulanten privaten Pflegedienste für die Kassenverbände Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringt, ohne eine vertragliche Grundlage nach § 132 a SGB V zu haben. Trotz stetiger Verhandlungen konnten sich die Verhandlungspartner bisher nicht auf einen Vertrag einigen.
Im Gegenteil, dieser vertragslose Zustand zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen wurde dazu genutzt, die Leistungen an private Anbieter zu kürzen. Durch ein Preisdiktat ist eine Ungleichbehandlung gegenüber den gemeinnützigen Trägern entstanden. Das heißt, die privaten ambulanten Pflegedienste werden für die gleiche Leistung schlechter bezahlt als die gemeinnützigen Träger.
Eine akute Gefährdung von Arbeitsplätzen in der häuslichen Krankenpflege ist damit nicht auszuschließen. Dadurch kann es zu Versorgungsengpässen kommen und die vom Gesetzgeber geforderte Qualität kann unter Umständen zukünftig nicht mehr sichergestellt werden.
Wie die Praxis zeigt, sind die Vertragsverhandlungen nach § 132 a SGB V auch in anderen Bundeslän- dern problembehaftet. Infolgedessen liegen seit Jahren im Bundesgesundheitsministerium Anträge vor, ein Schiedsverfahren für die häusliche Krankenpflege in das SGB V einzufügen. Alle bisherigen Bemühungen um eine bundesgesetzliche Regelung sind an den Widerständen der Krankenkassen gescheitert, die darin einen Eingriff in ihre Selbstverwaltungsangelegenheiten sowie eine Einschränkung ihrer Verhandlungsautonomie sehen.
Eine von Bayern in den Bundesrat eingebrachte Initiative zur Einführung von Schiedsstellen für die Vergütung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege hat keine
Mehrheit gefunden. Auf Rückfrage hat der AOK-Bundesverband mitgeteilt, dass es in Brandenburg Pläne gibt, eine Schlichtungsvereinbarung zu schließen. Derzeit besteht in Bayern eine freiwillige Schlichtungsvereinbarung zwischen den Verbänden der Leistungser- bringer und den Krankenkassen. In Mecklenburg-Vorpommern besteht bis zum 31. Dezember 2001 ein freiwilliger Schlichtungsvertrag.
Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass das Sozialgericht Magdeburg am 6. September 2000 in einem Beschluss ausgeführt hat, dass es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verwehrt ist, eine angemessene Vergütung für Leistungen nichtärztlicher Leistungserbringer festzusetzen. Zugleich hat das Gericht erhebliche Bedenken dahin gehend geäußert, ob die Regelung nach § 132 a SGB V den inzwischen in der Praxis auftretenden Problemen überhaupt noch gerecht werden kann. Einerseits formuliert das Gesetz einen Kontrahierungszwang; aber in der Praxis finden die Verhandlungsbeteiligten zu keiner Einigung und ein Schiedsstellenverfahren ist vom Gesetz nicht vorgesehen.
Das Sozialgericht vertritt die Ansicht, dass der Gesetzgeber es dem Verhandlungsgeschick der Beteiligten überlassen hat, ob und in welchem Umfang eine Einigung erzielt wird.
Nach dem Rechtsgutachten von Herrn Professor Dr. Gunther Schwerdtfeger von der juristischen Fakultät der Universität Hannover, das sich mit der grundrechtsgeleiteten Pflegeberechtigung der privaten Pflegedienste in der häuslichen Krankenpflege nach § 132 a SGB V befasst, wird dazu grundlegend ausgeführt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus diesem Rechtsgutachten -:
„Obwohl für die Vertragsverhandlungen über die häusliche Krankenpflege eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt, bedeutet dies nicht, dass dort keine Schiedsstellen möglich sind. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts können die Krankenkassen und die Verbände der Pflegedienste Schiedsstellen vertraglich vereinbaren.
Demgemäß ist das Fehlen einer ausdrücklichen Schiedsstellenregelung in § 132 a Abs. 2 SGB V keine Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Auflösung von Pattsituationen über rechtsgeschäftliche Schiedsvereinbarungen. Bei § 132 a SGB V geht der Gesetzgeber bisher davon aus, dass die Krankenkassen und die Verbände der Pflegedienste Pattsituationen auch ohne die gesetzliche Einrichtung von Schiedsstellen überwinden können.“
Entscheidend ist der abschließende Satz:
„Sollte sich diese Einschätzung des Gesetzgebers als Irrtum erweisen, wäre der Gesetzgeber wegen des Grundrechtsschutzes der Pflegedienste im Extremfall zur Nachbesserung verpflichtet.“
Nun ist eine Bundesratsinitiative von Bayern gescheitert. Dem Bundesgesundheitsministerium liegen die Anträge seit Jahren vor und in der Sache ist ein Weiterkommen nur absehbar, wenn es zu einer Schlichtungsvereinbarung zunächst auf Landesebene kommt.
„Der Gesetzgeber ist verpflichtet“, heißt es in dem Rechtsgutachten. Wird nicht mit dieser sanften Formulie
rung in dem SPD-Änderungsantrag lediglich gefordert, dass die Landesregierung die Bemühungen in der gehabten Form fortsetzt und ein freiwilliges Schiedsverfahren durchführt?
Den SPD-Änderungsantrag lehnen wir ab. Unser Antrag gibt der Landesregierung jede Handhabe, auf einen Vertragsschluss und auf eine Schlichtungsvereinbarung hinzuwirken. Ungenügend ist jedoch die Formulierung der SPD-Fraktion - ich zitiere -: „ihre Bemühungen der letzten Monate fortzusetzen“, weil dies suggeriert, das Sozialministerium habe bisher alle Möglichkeiten ergriffen und ausgelotet.
Wie sich das Sozialministerium bemüht hat, ist einem Protokoll zu entnehmen - ich zitiere -:
„Die beteiligten Krankenkassen sind mit voller Kapelle und Juristen im Sozialministerium erschienen. Das Sozialministerium hat sich sehr zurückhaltend verhalten und lediglich gefordert, per Protokoll über die weiteren Verhandlungen informiert zu werden.“
Wenn dass die Bemühungen sind, die die SPD fortsetzen will, soll sie es bitte schön den Pflegeverbänden auch mitteilen. Ein Ende des vertragslosen Zustandes ist so jedoch nicht herbeizuführen. - Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Familien mit Kindern sind das Fundament unserer Gesellschaft; sie bilden die Grundlage für eine langfristig stabile wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Nach wie vor erfreut sich die Familie bei Jung und Alt großer Beliebtheit, sodass 75 % der Deutschen davon überzeugt sind, nur in einer Familie wirklich glücklich leben zu können.
Dem Wunsch nach einer Familie steht gleichzeitig die Tatsache gegenüber, dass sich die Zahl der Geburten seit der Mitte der 60er-Jahre halbiert hat. Mit einer jährlichen Geburtenrate von 800 000 Kindern sind wir im unteren Drittel von Europa.
Warum ist das so? - Die Familienstrukturen haben sich rapide verändert. Die familiären Netze werden kleiner,
die Heiratsneigung sinkt, die Ehescheidungen häufen sich. 19 % der Kinder werden nichtehelich geboren. Immer mehr Frauen entscheiden sich nach dem 30. Lebensjahr für ein Kind. Die Zahl der Alleinerziehenden steigt seit der Mitte der 70er-Jahre ständig. Mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit der Frauen haben sich die Konflikte zwischen Familie und Erwerbstätigkeit verschärft.
Daran wird deutlich, dass die heutigen Rahmenbedingungen der Situation der Familien nicht mehr gerecht werden. Die Lebensvorstellungen und die Lebensbedingungen der Menschen haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Diese Erkenntnis verlangt ein Umsteuern hin zu einer nachhaltig familienfreundlichen Gesellschaft.
Bereits in der Vergangenheit wurden wichtige familienpolitische Leistungen mit dem Namen von CDU und CSU verbunden, beispielsweise die Einführung des Erziehungsgeldes, der Erziehungsurlaub, die Anerkennung der Erziehungszeiten bei der Rente usw. Gleichzeitig zeigt die Union mit ihrem neuen Familienkonzept, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat.
Familienpolitik ist eine Querschnittsaufgabe und kann nur wirksam werden, wenn sie mit der Sozial-, Renten-, Wirtschafts-, Steuer- und Bildungspolitik vernetzt wird. Damit Menschen ihren Wunsch nach Familie wirklich leben können, brauchen sie Eigenständigkeit, Wahlfreiheit und Entfaltungsmöglichkeiten. Das erfordert die Beseitigung von vorhandenen Missständen, um die Familien wirksam zu entlasten, sowie eine faire und verlässliche Familienförderung. Dies ist nur durch eine ernst gemeinte und nachhaltige Familienpolitik möglich.
Das beinhaltet das Konzept der Familienoffensive, das von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Montag, dem 8. Oktober dieses Jahres mit den folgenden drei Kernaussagen einstimmig beschlossen wurde:
Erstens. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das bedeutet, die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Familie neu zu definieren und zu gestalten, die Kinderbetreuung zu flexibilisieren und zu qualifizieren, die Aufgaben von Bildung, Erziehung und Betreuung gleichwertig miteinander zu verknüpfen sowie eine familiengerechtere Arbeitswelt zu schaffen.
Zweitens. Die Einführung des Familiengeldes bedeutet finanzielle Gerechtigkeit. Das Familiengeld soll unabhängig vom Umfang der Erwerbstätigkeit oder dem Einkommen geleistet werden; es ist steuer- und sozialabgabenfrei und muss dynamisiert werden. Mit dem dynamisierten Familiengeld soll sichergestellt werden, dass künftig niemand wegen seiner Kinder von Sozialhilfe abhängig sein muss. Damit gelingt es, rund eine Million Kinder aus der Sozialhilfe zu holen. Zusätzlich wird erreicht, dass sich für Sozialhilfeempfänger mit Kindern Arbeit wieder lohnt.
Wir wollen die Einführung eines Familiengeldes von monatlich 1 200 DM während der ersten drei Lebensjahre, von 600 DM im Lebensalter von drei bis 18 Jahren und von 300 bzw. 350 DM ab 18 Jahre.
Die dritte Kernaussage: Die Erziehungskompetenz von Familien ist zu stärken. Durch Familienbildung und -beratung aller sozialen Schichten sollen eine eventuelle Überforderung bei Eltern mit älteren Kindern abgebaut und Konflikte in Familien entschärft werden.
Um die Politik für die Familien fair zu gestalten, sind diese drei Kernaussagen sehr wesentlich und entscheidend, aber die Handlungsbereiche gehen weit darüber hinaus. Ich habe mich jetzt auf diese Schwerpunkte konzentriert, um Ihnen zu verdeutlichen, dass die CDU ein sehr gutes eigenes Konzept aufzuweisen hat, das in einem langen Prozess entstanden ist. Weil wir ein eigenes und besseres Konzept mit Augenmaß aufweisen können, lehnen wir den Antrag der FDVP zum Erziehungsgehalt ab. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst möchte ich kurz auf das eingehen, was die Ministerin gesagt hat.
Frau Ministerin, Sie sagten, dass die rot-grüne Bundesregierung jetzt eine Familienförderung zustande gebracht habe, wie sie bisher nicht da gewesen sei. Ich möchte darauf hinweisen, dass sie diese Familienförderung aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998 umsetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das mit dem Antrag verfolgte Ansinnen und das dahinter stehende Problem sind nicht neu und aus der Sicht der Betroffenen auch verständlich; denn aufgrund der Anrechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe führt die Erhöhung des Kindergeldes gerade bei denjenigen, deren soziale Lage am schlechtesten ist, nicht zu einer Verbesserung des Lebensstandards. Das hat Frau Krause bereits ausführlich dargestellt.
Grundsätzlich ist es so, dass die Sozialhilfe eine nachrangige Leistung ist, die dann eintritt, wenn der Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Kraft oder mit eigenen Mitteln bestritten werden kann. Kindergeld zählt als Einkommensbestandteil und wird auf die Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet.
Im Gegensatz zum Erwerbseinkommen wird die Sozialhilfe gemäß der Zahl der Haushaltsmitglieder gestaffelt. Dadurch wird der Bedarf von Kindern in der Sozialhilfe mit berücksichtigt. Wenn die Familienkomponente der Sozialhilfe wesentlich erhöht wird, ist davon auszugehen, dass die Familien mit Erwerbseinkommen plus Transferleistungen weniger Geld zur Verfügung haben als bei Bezug von Sozialhilfe, sodass das Lohnabstandsgebot nicht mehr gewahrt ist und der Anreiz für Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger, Arbeit aufzunehmen, nicht mehr gegeben ist.
Wer arbeitet, muss grundsätzlich netto mehr verdienen als die Personen, die nicht arbeiten und Transferleistungen erhalten. Daran sollten wir uns halten.
Bereits bei der letzten Kindergelderhöhung haben wir darüber im Landtag debattiert und in den Ausschüssen ausführlich diskutiert. Im November 1999 hat der Landtag darüber einstimmig beschlossen und die Landesregierung aufgefordert, sich für einen gerechteren Familienausgleich einzusetzen und zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit besteht, das BSHG zu ändern, damit das Kindergeld nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird.
Entgegen der Systematik des Bundessozialhilfegesetzes hat der Bundesgesetzgeber dann bei der letzen Kindergelderhöhung eine Ausnahme vorgesehen: Er hat in den § 76 Abs. 2 eine Nummer 5 eingefügt, wonach die Kindergelderhöhung von 20 bzw. 40 DM ab Januar 2000 bzw. 2001 bei der Berechnung der Sozialhilfe vom Einkommen abgesetzt wird. Zwar greift der Gesetzeswortlaut nicht das Wort „Kindergeld“ auf, aber es wird die Wirkung erzielt, dass die Kindergelderhöhung bis zum 30. Juni 2002 nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird.
Die Union hat diesem Ersten Gesetz zur Familienförderung insgesamt zugestimmt, obwohl sie der Auffassung ist, dass es sich nur um eine Minimalumsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts handelt. Die Bundesländer haben dagegen bei der Konferenz der obersten Landessozialbehörden aus fachlicher Sicht die Nichtanrechnung des Kindergeldes bzw. von Teilen des Kindergeldes auf Leistungen nach dem BSHG einstimmig abgelehnt.
Ebenfalls muss beachtet werden, dass durch die Neuregelung weitere Familien mit Kindern Ansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz geltend machen können, die bisher nicht zu dem Kreis der Anspruchsberechtigten gehört haben. Somit erhöht sich die Zahl der anspruchsberechtigten Sozialhilfeempfänger. Das bedeutet eine zusätzliche finanzielle Belastung für die örtlichen Träger der Sozialhilfe.
Das jetzt in der Beratung befindliche Zweite Gesetz zur Familienförderung sieht vor, dass analog zur bevorstehenden Kindergelderhöhung von 30 DM die Befristung der Nichtanrechnung vom 30. Juni 2002 auf den 30. Juni 2003 hinausgeschoben wird. Dadurch sollen die 30 DM mehr Kindergeld bis zu einem Stichtag ebenfalls nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden.
Das Zweite Gesetz zur Familienförderung wird bei InKraft-Treten für unseren Landeshaushalt voraussichtlich zu einer zusätzlichen Belastung in zweistelliger Millionenhöhe führen. Welche finanziellen Auswirkungen dies hat, muss allerdings noch dargelegt werden.
Die CDU-Fraktion ist der Ansicht, dass wir diesen Antrag in die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie für Finanzen überweisen sollten, damit der Antrag im Zusammenhang mit den anstehenden Haushaltsberatungen für das Jahr 2002 diskutiert und berücksichtigt werden kann.
Abschließend möchte ich noch wiederholt darauf hinweisen, dass unser vorrangiges Ziel eine Verbesserung der Situation von Familien und Alleinerziehenden mit Kindern sein sollte, damit diese grundsätzlich nicht von der Sozialhilfe leben müssen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Von Gewalt im häuslichen Bereich sind in der Regel Frauen und Kinder betroffen. Häusliche Gewalt ist in unserer Gesellschaft die am weitesten verbreitete Gewaltform überhaupt.
Sehr häufig will die Gesellschaft die im häuslichen Bereich vorkommende Gewalt nicht sehen. Staat, Nachbarn, Familie und Angehörige wollen sich nicht einmischen, frei nach den Mottos „Hinter der Haustür beginnt die Privatsphäre“ und „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“.
Viele Gewalttaten werden nie angezeigt oder als Familienstreit verharmlost. Statistiken und Experten weisen auf eine Dunkelziffer von ca. 90 % hin. Das Bundeskriminalamt wartet mit erschreckenden Zahlen auf. Fast jede dritte Frau in Deutschland ist Opfer von häuslicher Gewalt, jede siebente Frau hat sexuelle Gewalt erlebt.
Dabei wird festgestellt, wenn Frauen und Kinder zu Opfern von Gewalt werden, sind in 95 % der Fälle Männer die Täter. Der Täter ist meist der eigene Partner.
Jährlich suchen in der Bundesrepublik Deutschland 45 000 Frauen und Kinder Zuflucht in Frauenhäusern. In Sachsen-Anhalt finden jährlich ca. 1 000 Frauen mit ihren Kindern Zuflucht und Unterstützung in einem Frauenhaus.
Obwohl die Familie als Hort der Geborgenheit, Liebe und Fürsorge verstanden werden sollte, wird dort viel häufiger, als wir ahnen, körperliche Gewalt gegen Frauen und ebenso gegen Kinder ausgeübt. Die körperlichen und seelischen Folgen sind schlimm. Betroffen von der Situation, ob direkt oder indirekt, sind auch Kinder; denn miterlebte Gewalt beeinträchtigt die physische und psychische Gesundheit des Kindes.
Ich hoffe, wir sind uns alle darin einig, dass die Gesellschaft diesen Zustand nicht länger dulden kann. Unsere Aufgabe ist es, zu handeln und zum Schutz der Opfer einzugreifen. Häusliche Gewalt muss verhindert werden. Man darf diese Form von Gewalt nicht als ein Kavaliersdelikt betrachten. Es ist kriminelles Unrecht.
Bagatellisieren hilft angesichts der Zahlen nicht. Unsere Aufgabe ist es, die Öffentlichkeit in noch viel stärkerem Maße zu sensibilisieren.
Schon im Jahr 1995 hat unter Verantwortung von Frau Nolte das Bundesfamilienministerium das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt, genannt „BIG“, ins Leben gerufen. Dieses Projekt hat maßgebliche Vorarbeiten für die Reformierung im zivilrechtlichen Bereich geleistet. Wesentlich dazu beigetragen haben die Analysen, Untersuchungen und Vorschläge des Berliner Interventionsprojekts. Erfahrungen sind in das jetzige Bundesgesetzgebungsverfahren eingeflossen.
Durch die Polizei wurde häusliche Gewalt gegenüber Frauen und Kindern lange nicht mit dem notwendigen Augenmerk verfolgt. 1980 schrieb die Zeitschrift „Deutsche Polizei“, die vorrangige Aufgabe der Polizei bei Familienstreitigkeiten sei die Gefahrenabwehr. Sie
sei grundsätzlich beschränkt auf Schlichten, Vermitteln und Verweisen an die zuständige öffentliche und geeignete private Institution.
Inzwischen hat sich auch bei der Polizei ein Bewusstseinswandel vollzogen. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei stellte im Januar dieses Jahres fest, dass die Polizei schnell Rechtsklarheit braucht, um wirksam eingreifen zu können.
Heute ist es so: In der Regel bleiben die Gewalttäter unbehelligt. Dagegen haben die betroffenen Frauen und Kinder einen beschwerlichen Weg vor sich. Regelmäßig müssen die Opfer, um sich zu schützen, ihre häusliche Umgebung verlassen, um Hilfe zum Beispiel in einem Frauenhaus zu suchen, oder das Jugendamt entfernt die Kinder und bringt sie unter. Dadurch werden den Opfern zusätzliche Belastungen und Stresssituationen aufgebürdet, während der Täter ohne Einschränkungen in der gemeinschaftlichen Wohnung verbleiben kann.
Wir, die CDU-Landtagsfraktion, wollen eine Umkehr dieser polizeilichen Praxis erreichen. Wir wollen diese Änderung jetzt.
Derzeit besteht für eine Wegweisung von Gewalttätern aus der gemeinsamen Wohnung keine Rechtsklarheit. Im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr hat die Polizei die Möglichkeit des Platzverweises. Dieser Platzverweis ist aber nur als ein zeitlich und räumlich eng begrenztes Aufenthaltsverbot zulässig, weil Grundrechte des Adressaten betroffen sind.
Nach unserer Auffassung ist die Dauer des Platzverweises viel zu kurz. Die Wegweisung und das Rückkehrverbot müssen eine Zeitspanne umfassen, die lang genug ist, um den betroffenen Frauen Bedenkzeit zu geben und gegebenenfalls das zivilrechtliche Verfahren nach dem geplanten Gewaltschutzgesetz durchführen zu können.
Uns, der CDU-Fraktion, ist es wichtig, die polizeirechtlichen Änderungen jetzt vorzunehmen. Es ist ein Signal für die von Gewalt betroffenen Frauen und eine sichere Handlungsgrundlage für die Polizei. Unser Ziel ist ein lückenloser Schutz für die Opfer. Deshalb ist es der Landesregierung unbenommen, - wir fordern dies zugleich - ein flächendeckendes Netz an sozialer Betreuung und Beratung für Gewaltopfer aufzubauen. Baden-Württemberg beispielsweise führt bereits seit Juli des Jahres 2000 einen Modellversuch hierzu durch.
Die polizeirechtlichen Maßnahmen, die geplanten zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten und die soziale Betreuung der Opfer müssen zu einem schlüssigen Konzept zusammengefügt werden. Eine Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes ist daher notwendig.
Ein geeignetes Mittel zur Bereinigung der unmittelbaren Gefahrenlage vor Ort ist die Ermächtigung der Polizei, den Gewalttäter aus der Wohnung und aus einem zu bestimmenden Umkreis der Wohnung für die Dauer von sieben Tagen wegzuweisen. Dafür braucht die Polizei klare gesetzliche Handlungsanweisungen, wenn sie Gewalttäter schon vor einer Gerichtsentscheidung aus der Wohnung wegweisen will.
So wichtig wie das Mittel des Platzverweises gegen den Täter auch ist, es ersetzt das Schutzangebot der Frauenhäuser nicht. Diese sind mit ihren Beratungs- und Begleitungsangeboten für die betroffenen Frauen auch künftig unverzichtbar und ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept gegen häusliche Gewalt.
In diesem Zusammenhang rügen wir die unabgestimmten Erklärungen von Sozial- und Justizministerium. Während die Justizministerin nachdrücklich eine gesetzliche Regelung und damit eine Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes einfordert, bekennen sowohl die Sozialministerin wie der SPD-Fraktionsvorsitzende, dass das Sicherheits- und Ordnungsgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr geändert werden soll.
Hier wird offensichtlich, dass der Verzicht auf eine notwendige und schnelle Anpassung des Polizeigesetzes aus Angst vor neuem Streit mit der PDS-Fraktion geschieht. Diejenigen unter Ihnen, denen das Wohl der geschlagenen, misshandelten und von Gewalt bedrohten Frauen am Herzen liegt, bitten wir, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Herr Püchel, ich habe Ihnen sehr wohl zugehört und ich muss sagen, wenn Sie die Möglichkeit der Verbesserung der heutigen Lage der Opfer mit der Begründung verweigern, dass das in ein Gesamtkonzept, in eine geschlossene Lösung eingebettet sein muss, dann zementieren Sie eigentlich die schlechte Lage der geschlagenen Frauen.
Ich erinnere mich, dass Sie in der heutigen Fragestunde auf die Frage von Herrn Schomburg im Zusammenhang mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz gesagt haben, es sei ein vorausschauendes Handeln erforderlich. Das glaube ich Ihnen gern. Aber ist nicht für einen besseren Schutz von Frauen und Kindern, die von Gewalt bedroht sind, sofortiges und schnelles Handeln erforderlich? Frauen brauchen ein positives Signal und die Polizeibeamten brauchen eine klare Rechtsgrundlage.
Es ist auch richtig - das habe ich sehr wohl vernommen und das weiß ich auch -, dass das Land Sachsen-Anhalt am 8. Mai den ersten Landesaktionsplan aufgrund des Bundesaktionsplanes vorgestellt hat. Aber auch in diesem Zusammenhang muss man sagen, dass Wort und Taten übereinstimmen müssen.
Vor zwei Jahren hat man zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, um das ambulante Beratungsangebot und die Nachsorge bei den Frauenhäusern qualitativ auszubauen, sodass jetzt Spezialberatungen zur Problematik Gewalt gegen Frauen auf Honorarbasis durch Rechtsanwälte und Psychologen durchgeführt werden konnten.
Aber nachdem die Frauenhäuser und die Beratungsstellen Ende letzten Jahres ein Schreiben vom Ministerium bekommen haben, in dem hieß, dass die Sachkosten für diese Spezialberatungen, die sehr wichtig sind, auf 30 % reduziert werden - auf 30 %, nicht um 30 %! -, dann muss ich schon fragen, inwiefern Worte und Taten übereinstimmen.
Wenn Sie sagen, der Gesetzentwurf sei isoliert, so stimmt das doch gar nicht. Seit dieser Landtag besteht, wird doch ständig etwas dafür getan. Ob das der Aufbau der Frauenhäuser ist, ob das der Aufbau der Beratungsstellen ist, ob das die Installation von Modellprojekten ist, ob das Dinge sind, die man vom Bund aufnimmt und dabei die Erfahrungen einfließen lässt - das ist doch alles nicht isoliert zu sehen.
Deshalb kann ich die Vorwürfe überhaupt nicht verstehen. Es geht nicht darum, wer das Erstrecht hat. Ich denke nur daran, was für eine unendliche Geschichte das Polizeigesetz war. Das hat zwei Jahre gedauert. Da war die CDU auch schon Vorreiter. Darum geht es doch nicht.
Es geht doch darum, dass man um der Sache willen handelt. Sie können uns doch nicht sagen - wie das die Ministerin getan hat -, Sie brauchten keinen Nachhilfeunterricht von der CDU. Das ist für mich eine Frage des Demokratieverständnisses; denn wir können Anträge und Gesetzentwürfe einbringen, ohne vorher die Landesregierung fragen zu müssen.
All diese Dinge muss man also im Zusammenhang sehen und man darf nichts isoliert sehen. Deshalb sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, dass es richtig ist, diesen Gesetzentwurf im Ausschuss zu beraten. Wenn Sie meinen, er sei nicht vollkommen genug, dann sollten Sie Änderungsanträge einbringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Am 21. September 1994 hat die CDU-Landtagsfraktion den Antrag gestellt, die Landesregierung aufzufordern, in dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Perspektiv- und Netzplanung zur sozialmedizinischen Versorgung im Land Sachsen-Anhalt zur Mitberatung vorzulegen. Diesem Antrag ist der Landtag gefolgt.
Die damalige und heutige Ministerin Frau Dr. Kuppe hat in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 12. Januar 1995 eine Perspektiv- und Netzplanung vorgestellt. Herr Kollege Nehler erklärte damals, dass er in dem von der Frau Ministerin vorgelegten Material eher eine Analyse des Istzustandes als eine Perspektivplanung sehe. Die Ministerin entgegnete, dass eine abschließende Perspektiv- und Netzplanung nicht möglich gewesen sei, da viele Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen seien.
Nun, sechs Jahre später, hakt die PDS mit ihrer Großen Anfrage nach, um zu erfahren, was aus dieser Perspektiv- und Netzplanung zur sozialen und medizinischen Versorgung geworden ist.
Die CDU räumt ein, dass sich die Rahmenbedingungen in den zurückliegenden Jahren verändert haben. Seit dem 1. Januar 1995 ist das von der CDU geschaffene Pflegeversicherungsgesetz prägend für die sozialmedizinische Versorgung geworden. Mit diesem Gesetzeswerk ist eine weitere Säule der Sozialversicherung geschaffen worden.
Ferner hat unsere damalige Bundesregierung durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts im Juni 1996 den § 93 d in das Bundessozialhilfegesetz eingefügt. Aus verschiedenen Gründen konnte das Bundesarbeitsministerium die in § 93 d Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes erteilte Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nicht nutzen. Daher war die Landesregierung aufgefordert, einen Rahmenvertrag gemäß § 93 d Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes abzuschließen.
Während die Mehrzahl der anderen Bundesländer bereits seit Januar 1999 einen Rahmenvertrag geschlossen hat, brauchte Sachsen-Anhalt dafür zwei Jahre länger, nämlich bis zum 29. November 2000. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist der Rahmenvertrag nunmehr auch in Sachsen-Anhalt in Kraft.
Man sollte meinen, mit dem Pflegeversicherungsgesetz und dem Abschluss des Rahmenvertrages gemäß § 93 d Abs. 2 BSHG sei für das Land Sachsen-Anhalt eine entscheidende Verbesserung für die Hilfeempfänger erreicht worden.
Auf Frage 9, in welcher Höhe Mittel für den Ausbau der Werkstätten für Behinderte zur Verfügung gestellt wurden, teilt die Landesregierung mit, dass in dem Zeitraum von 1990 bis 1994 unter der CDU-geführten Landesregierung bereits 45 % aller in den zehn Jahren ausgegebenen Mittel bereitgestellt wurden. Die CDU hat Bundesmittel in Höhe von 75 Millionen DM mit Landesmitteln in Höhe von insgesamt 70 Millionen DM kofinanziert.
Demgegenüber schaffte es diese Landesregierung in sechs Jahren lediglich, rund 20 Millionen DM aus dem eigenen Landeshaushalt für diesen Zweck aufzubringen. Wenn auch die Landesregierung in sechs Jahren so viel Geld investierte wie die CDU-geführte Landesregierung in vier Jahren, so hat sie seit 1995 die notwendigen Landesmittel zu 90 % durch Bundesmittel nach dem Investitionsförderungsgesetz Ost substituiert.
Vergleicht man die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben aus dem Landeshaushalt, dann wird deutlich, dass die SPD pro Jahr Mittel in Höhe von 3,3 Millionen DM ausgibt, während die CDU jährlich 17,5 Millionen DM bereitgestellt hat. Diese Zahlen nenne ich nur, um klarzustellen, wer wirklich bereit ist, soziale Taten zu vollbringen. Die CDU hat dies jedenfalls unter Beweis gestellt.
Weiterhin ist Folgendes anzumerken: Der Liga-Fachausschuss Behindertenhilfe kommt in Einklang mit dem Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung zu dem Ergebnis, dass die Fortschritte im Enthospitalisierungsprozess als sehr kritikwürdig angesehen werden müssen. Es wird konstatiert, dass der Enthospitalisierungsprozess in weiten Teilen noch nicht umgesetzt ist. Der Landesregierung wird bescheinigt, es fehle die fachpolitisch geplante kontinuierliche Arbeit am Aufbau eines flächendeckenden Netzes differenzierter Versorgungsangebote. Fachleute sprechen daher nicht von einer Enthospitalisierung, sondern von einer Umhospitalisierung.
Das Ziel, ambulante Angebote aufzubauen, setzt aber voraus, dass mit dem Abbau der spektakulär hohen Zahlen stationärer Plätze begonnen wird und dass die Gelder, die dadurch frei werden, in die neu zu schaffenden ambulanten Strukturen investiert werden.
Ebenso wird kritisiert - dies wird von der CDU-Fraktion genau beobachtet -, dass in den Jahren 1998 und 1999 mehr als 70 % der für die Enthospitalisierung zur Verfügung gestellten Mittel in das liebste Kind von Frau Dr. Kuppe, in die Salus gGmbH, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Landes, geflossen sind.
Die Bevorzugung eines Leistungserbringers beweist, dass der Landesregierung die klaren Umsetzungsideen für eine qualifizierte sozialmedizinische Versorgung fehlen; denn mit einem bevorzugten Anbieter ist eine flächendeckende Netzplanung so gut wie unmöglich.
Wir fordern daher die Landesregierung auf, den Handlungsbedarf beim Aufbau teilstationärer und ambulanter Versorgungsangebote nicht nur zu sehen, sondern auch entsprechende Maßnahmen folgen zu lassen.
Der letzte Satz: Ich kann mich daher den Worten des Kollegen Herrn Dr. Nehler aus dem Jahr 1994 anschließen, dass die Landesregierung eine Perspektivplanung nicht erkennen lässt.
Ebenso ist nicht erkennbar, welche Ziele die Landesregierung -
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die SPDFraktion die Landesregierung auf, bei der Eingliederungshilfe für Behinderte dem Prinzip „ambulant vor stationär“ Geltung zu verschaffen. Dies begrüßen wir. Zur Durchsetzung dieses Zieles ist beabsichtigt, Verbünde zwischen stationären, teilstationären und ambulanten Angeboten herzustellen, um die häufig stattfindenden Fehlplatzierungen von Bedürftigen in stationären Einrichtungen zu vermeiden und somit die Enthospitalisierung voranzutreiben.
Nun haben wir von der CDU nichts gegen Modellprojekte, wenn sie für die Sache förderlich sind. In den Landeshaushalt 2001 wurden zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Millionen DM für Maßnahmen zur Enthospitalisierung eingestellt mit dem Ziel, Verbünde zu schaffen. In diesem Zusammenhang stellen wir aber die Frage, wie es mit dem Prinzip „ambulant vor stationär“ steht.
Wenn wir heute von betreutem Wohnen sprechen, verstehen wir dies in der Regel als Eingliederungshilfe für körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen. Diese Betreuungsleistungen sollten vorrangig ambulant, außerhalb stationärer Einrichtungen angeboten werden. Dies geschieht aber nicht. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Trotz des Vorrangs der ambulanten Hilfe ist die Zahl der stationären Plätze deutlich stärker gestiegen als die Zahl der Plätze in Wohngemeinschaften und betreuten Wohnformen.
Dadurch wird deutlich, dass der gesetzlich geforderte Vorrang der ambulanten Hilfe nicht nur nicht erfüllt wird, sondern auch in das Gegenteil verkehrt ist. Dieses Missverhältnis müssen wir ändern.
Als Gesetzgeber sind wir verpflichtet, Vorgaben zu geben, wie der Vorrang der ambulanten Hilfe zu verwirklichen ist. Dazu ist es aber erforderlich, eine Diskrepanz, die durch das Bundessozialhilfegesetz gegeben ist, aufzulösen.
Die Heranziehung von Betroffenen und unterhaltspflichtigen Angehörigen wird unterschiedlich gehandhabt. Für die Hilfen in besonderen Lebenslagen, die außerhalb von Einrichtungen gewährt werden, gilt eine geringere Einkommensgrenze als bei Heimbewohnern. Betroffene und unterhaltspflichtige Angehörige werden bei der ambulanten Hilfe, die in der Regel kostengünstiger ist, eher herangezogen als bei einer Heimunterbringung.
Ein weiteres Problem ist die Verteilung der Sozialhilfe auf einen örtlichen und einen überörtlichen Träger. Hinsichtlich der Aufgabenverantwortung und der Finanzausstattung sollte eine Bündelung erfolgen. Hierfür wurde heute mehrfach die Form des Kostensplittings vorgeschlagen.
Es sind also konkrete Planungen und Zielvorgaben notwendig, die zu einer nachhaltigen Umstrukturierung der Angebotskapazitäten zugunsten von ambulanten und teilstationären Versorgungsplätzen führen. Hierbei kann ein Modellprojekt helfen. Über die Voraussetzungen sollten wir uns verständigen. Daher befürworten wir die Überweisung in die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales, für Finanzen und für Inneres. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ziel einer Rentenreform muss die Herbeiführung von sozialer Gerechtigkeit sein. Es sollte Gerechtigkeit zwischen den Generationen, aber auch innerhalb der Generationen bestehen. Gerechtigkeit für Frauen, insbesondere für Mütter, muss gewährleistet sein.
Die Diskussion um die Rentenreform ist aufgrund der ständigen Änderungen im Riester-Konzept äußerst kompliziert und selbst für die interessierte Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Selbst wenn Eltern mit ihren Kindern erkennen würden, was ihnen die Rentenreform einbringt, wären massive Proteste gegen die Rentenreform absehbar.
Die Bundesregierung ist angetreten, eine Rentenreform zu konzipieren, die das Wahlkampfversprechen einlöst und auch Frauen und Müttern eine wirkliche eigenständige Alterssicherung gewährt. Auch in diesem Punkt versagt die Rentenreform.
Nach zweijähriger Diskussion um die Rentenreform ist das Absenken des Rentenniveaus nunmehr beschlossene Sache. Trotz massiver Kritik aller Rentenexperten, der Verbände und Gewerkschaften sowie der Frauenund Familienorganisationen ist die Bundesregierung bisher nicht bereit gewesen, die sich aus der Rentenreform für Frauen und Mütter ergebenden Nachteile zu beseitigen.
Die Rentenreform verschlechtert die Rahmenbedingungen für die Alterssicherung von Frauen und somit die Zukunftschancen für Familien.
Das vorliegende Rentenkonzept ist allerdings alles andere als eine geschlechter- und generationengerechte Rentenreform.
Reformen haben immer Gewinner und Verlierer, so auch die Rentenreform der Bundesregierung. Allerdings gibt es hier mehr Verlierer als Gewinner, da die Rentenreform entsprechend den Realitäten und Prognosen nur halbherzig angepasst ist. Uns fehlt ganz einfach die Gerechtigkeit.
Dagegen behauptet die Bundesregierung, bei dieser Reform gäbe es nur Gewinner.
Richtig ist, dass vor allem die Vertreter der jungen Generation die Verlierer dieser Reform sind. Die Rentenreform bürdet den heute 20- bis 40-Jährigen überproportionale Lasten auf. Trotz höherer Beiträge werden sie ein geringeres Rentenniveau erhalten. Da ab dem Jahr 2011 jährlich eine Anpassung von 0,3 % erfolgt, werden diejenigen, die 2030 in Rente gehen, nur noch 61 % ihres Bruttoverdienstes erhalten. Diese 61 % werden stets nur bei 45 Versicherungsjahren erreicht.
61 % ist das Rentenniveau der 60er-Jahre. Damals waren die Löhne in Ost und West noch annähernd gleich niedrig.
Problematisch wird es aber schon, wenn jemand nur 25 oder 36 Versicherungsjahre hat. Hierbei denke ich in erster Linie an die Frauen und Mütter: Je weniger Prozente, umso weniger Rente bekommen sie.
Die durchschnittlichen Beitragszeiten bei Frauen liegen heute in den alten Bundesländern bei 25 Jahren, in den neuen Bundesländern bei 36 Jahren. Das bedeutet, dass das Niveau von Renten bei Frauen auf unter 50 % fallen wird. Wie kann hier die Bundesregierung nur von Gewinnern reden?
Das ist so nicht hinzunehmen. Es ist ganz einfach ungerecht und falsch. Weder ist ein messbarer Fortschritt bei der eigenständigen Alterssicherung für Frauen erzielt, noch ist Gerechtigkeit bei der Bewertung der Leistungen für die Kindererziehung erreicht worden. Selbst ein geschlechtergerechter Tarif in der privaten Altersvorsorge ist nicht im Gesetz berücksichtigt worden. Wegen der Nachteile für Frauen und Mütter muss die Rentenreform abgelehnt werden.
Wir wissen, dass zwei Drittel der Rentenempfänger Frauen sind. Von 18 Millionen Rentenempfängern sind 11 Millionen Frauen. Die durchschnittliche Altersrente von Frauen in Deutschland beträgt heute 949 DM. 63 % aller Frauen in Ost und West erhalten eine Altersrente von weniger als 1 200 DM im Monat.
Dabei ist zu beachten, dass die Renten für Frauen umso niedriger ausfallen, je mehr Kinder sie geboren haben. Aber immer noch sind Kinder die Bestandsgarantie des Generationenvertrages und des solidarischen gesetzlichen Rentensystems, weil sie die Beiträge der Rentnerinnen und Rentner von morgen aufbringen werden.
Wir wissen, dass die Erziehung von Kindern viele Jahre dauert und nicht geringe Kosten verursacht. Dies ist ein aktiver Beitrag zur Rentenversicherung, der genauso viel wert ist wie eine Berufstätigkeit; und gerade vor diesem Hintergrund ist die unterschiedliche Bewertung der Kinder für die Rente ungerecht und nicht nachvollziehbar.
Was rechtfertigt es, Mütter mit einem Kind anders zu behandeln als Mütter mit zwei Kindern? Bei der Rente nach Mindesteinkommen wird die Kindererziehungsleistung unterschiedlich bewertet, abhängig von Kinderzahl, Erwerbstätigkeit und dem damit verbundenen Verdienst. Für Frauen, die Kinder unter zehn Jahren erziehen und mindestens 25 Versicherungsjahre aufweisen, werden die Entgeltpunkte für die Zeit nach dem Jahr 1991 um 50 %, maximal bis zum Durchschnittseinkommen erhöht. Frauen, die mindestens zwei Kinder erziehen, erhalten eine gleichwertige Aufstockung, auch wenn sie nicht berufstätig sind. Dagegen erhalten Frauen mit einem Kind keine Förderung, wenn sie nicht berufstätig sind.
Frauen mit überdurchschnittlichem Einkommen und Frauen, die vor dem Jahr 1992 Kinder geboren haben, werden nicht berücksichtigt.
Eine besonders ungerechte Bewertung erfahren alle Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, in den nächsten 15 bis 20 Jahren Rentnerinnen werden und nur ein Erziehungsjahr pro Kind angerechnet bekommen. Das bedeutet in Zahlen ausgedrückt, dass ein vor 1992 geborenes Kind seiner Mutter eine Monatsrente von 48 DM im Westen und von 42 DM im Osten einbringt und ein nach 1992 geborenes Kind das Dreifache.
Zwar sind marginale Verbesserungen bei der rentenrechtlichen Bewertung von Kindererziehungszeiten und ein zaghafter Einstieg in das Anwartschaftssplitting erfolgt, aber die Nachteile der Rentenreform können damit nicht ausgeglichen werden. Die Verbesserungen, die eingeführt wurden, werden durch die Witwenrente wieder einkassiert.
Bei der Witwenrente wird das Niveau von derzeit 60 % auf 55 % abgesenkt. Der Freibetrag, der bisher regelmäßig der Lohnentwicklung angepasst wurde, wird eingefroren. So wird die Hinterbliebenenrente Jahr für Jahr abgeschmolzen. Das bedeutet für die jüngeren Jahrgänge langfristig das Aus der Hinterbliebenenrente,
da diese von der Entwicklung der Einkommen abgekoppelt wird.
Hinzu kommt jetzt auch, dass Vermögenseinkommen wie Miete, Kapitaleinkünfte, Lebensversicherungen etc. angerechnet werden, sodass derjenige, der spart und Eigenvorsorge betreibt, der Dumme ist.
Der positive Ansatz, für jedes Kind die Witwenrente um einen Entgeltpunkt aufzustocken, ist richtig, aber zu kurz gegriffen, weil der Zuschlag in der Regel die Kürzung von 60 % auf 55 % nicht ausgleicht.
Nicht vertretbar ist, dass nur die Hinterbliebenen pro Kind einen Entgeltpunkt erhalten. Geschiedene, Alleinlebende oder diejenigen, die gesplittet haben, bekommen nichts.
Eine zusätzliche private Alterssicherung, die staatlich gefördert wird, ist zu unterstützen, aber nicht in dieser Form. Diese Förderung ist sozial völlig unausgewogen und benachteiligt wieder in besonderer Weise Frauen.
Familien mit Kindern und Geringverdienende werden benachteiligt, Besserverdienende bevorzugt. Die vorgesehene Grundzulage und die Kinderzulage, die vor allem Geringverdienern und Familien zugute kommen sollen, werden nicht regelmäßig angepasst. Dagegen wird die Obergrenze für die steuerliche Förderung von Besserverdienenden dynamisiert.
Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen. Die Witwe, die die geförderte Sparsumme von ihrem Mann vor Erreichen der Altersgrenze erbt, muss die Förderung an das Finanzamt zurückzahlen. Das heißt, ein Alleinverdiener mit zwei Kindern, der 30 Jahre lang jährlich 2 000 DM anspart, erhält vom Finanzamt jährlich eine Zulage von 1 020 DM und 980 DM muss er selbst einsetzen. Wenn er stirbt, wird die angesparte Summe der Witwe ausgezahlt. Das sind über 60 000 DM. Die Frau muss aber dann die staatliche Zulage in Höhe von ca. 30 000 DM wieder an das Finanzamt zurückzahlen. Das ist schockierend und nicht tragbar.
Des Weiteren werden gerade Frauen in besonderer Weise benachteiligt, da gleiche Tarife für Frauen und Männer bei der geförderten zusätzlichen Altersvorsorge nicht vorgesehen sind, obwohl dies von der SPD angekündigt worden ist. Frauen werden mit der Tatsache allein gelassen, dass sie eine höhere Lebenserwartung haben und infolgedessen höhere Beiträge zahlen müssen, aber im Alter eine geringere Leistung ausbezahlt bekommen.
Wer bereits für das Alter vorgesorgt hat und Versicherungsverträge abgeschlossen hat, kann diese nach den vorgesehenen Förderkriterien fast nie nutzen und muss praktisch bei Null beginnen. Überlegen Sie sich einmal, was das für die heute 40- bis 50-Jährigen bedeutet.