Jens Diederichs

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit geraumer Zeit stelle ich mir die Frage: Verwandelt die Coronakrise die Demokratie in Deutschland? - Dieser Eindruck entsteht zwangsläufig, wenn man beobachtet, auf welche Weise weitreichende Entscheidungen zur Eindämmung der Coronapandemie getroffen werden. Wer, wie die 16 Länderchefs und die Kanzlerin am Mittwoch der vorangegangenen Woche, vorab keine Debatte und Abstimmung zu Vorschlägen mehr zulässt, der setzt sich über die Aufgaben und Interessen sämtlicher Bürgerschaften, Landtage und des Bundestages hinweg. Mehr noch: Er degradiert die Abgeordneten zu Statisten.
Die Folge solchen Handelns ist: Deutschland wird schleichend, doch unweigerlich in eine Zeit manövriert, die wir vor 30 Jahren hierzulande überwunden geglaubt hatten. Dieser Entwicklung muss deutlich entgegengewirkt werden. Wir dürfen nicht länger tolerieren, dass Parlamente auf der Bundes- und der Landesebene auf diese Art und Weise ignoriert werden, schon gar nicht, wenn es um massive Einschränkungen der Grundrechte geht.
Wesentliches Merkmal der Demokratie ist die Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative. Selbst der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Ferdinand Kirchhof mahnt - ich zitiere -:
„Im ersten schnellen Zugriff war das richtig. Jetzt ist aber in der Demokratie das Parlament gefragt, so weitreichende und unser gesamtes Leben längerfristig umfassende Grundrechtsangriffe zu legitimieren, vorzuformen und zu begrenzen.“
Das gelte auch für die Landtage. Weiter heißt es:
„Auch habe ich Zweifel, ob sich derartige Rechtsverordnungen noch auf das Infektionsschutzgesetz in Verbindung stützen lassen.“
Die Vorschriften dort seien für abgrenzbare Einzelfälle, nicht für flächendeckende und dauerhafte Maßnahmen gedacht, so Herr Kirchhof.
Eine Telefonkonferenz mit der Kanzlerin, wie sie vor einer Woche stattgefunden hat, ersetzt nicht die öffentliche Diskussion in den Parlamenten, auch deshalb nicht, weil damit viel zu wenig die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt werden können, Interessen, die wir als gewählte Vertreter in die Parlamente tragen. Ich fordere deshalb Parlaments- statt Regierungsbeschlüsse, um zielgenaue Maßnahmen gegen die tatsächlichen Verbreitungsherde einleiten zu können.
Übrigens sprechen sich selbst Mediziner und Ärzte gegen das Herunterfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens aus. Keine Frage: Das Senken der Fallzahlen ist politisch eine dringende Aufgabe. Das darf aber nicht um jeden Preis erzwungen werden. Die Maßnahmen zur Eindämmung der ersten Welle der Coronapandemie zwischen März und Mai 2020 wurden von der Bevölkerung weitgehend akzeptiert. Es ist zu hoffen, dass vergleichbare Maßnahmen bei der gegenwärtigen Entwicklung der Pandemie ebenfalls akzeptiert werden. Allerdings wird der Vertrauensvorschuss zunehmend aufgebraucht. Das ist daran erkennbar, dass in der Bevölkerung die Zweifel an den Maßnahmen wachsen, die die Exekutive an der Legislative vorbei beschlossen hat.
Die zweite Welle wurde bereits seit dem Sommer dieses Jahres vorausgesagt. Es war also ausreichend Zeit, die Parlamente in die Diskussion über die notwendigen Maßnahmen einzubinden. Die jetzt gefassten Beschlüsse zeigen deutlich, für wie entbehrlich die Länderchefs und die Kanzlerin die Parlamente halten, deren Mitglieder sie in dieser für viele Menschen so existenziellen Zeit zu reinen Statisten degradieren.
Wir Abgeordnete sind in der vorigen Woche wie auch heute erneut vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Das, was uns bzw. der Bevölkerung zugemutet wird, findet nur zum Teil meine Zustimmung. Ich fordere deshalb, die Maßnahmen zu relativieren, insbesondere in Bezug auf das Hotel- und Gaststättengewerbe. Erforderlich ist eine Abstimmung über die beschlossenen Maßnahmen speziell für Sachsen-Anhalt. Das Hotel- und Gaststättengewerbe wird zu Unrecht drangsaliert und in Existenzgefahr gebracht. Ich fordere deshalb die Streichung der speziell für sie geltenden Auflagen aus dem Maßnahmenkatalog. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schindler, Sie haben danach gefragt, ob die Personalausstattung genügend sei. Wer hatte, bevor Frau Ministerin Keding das Justizressort übernommen hat, die Justiz personell fast an die Wand gefahren? - Das waren Ihr Minister Herr Bullerjahn und Ihre damalige Justizministerin.
Frau Keding ist jetzt bemüht, bei der Einstellung von Personal wieder aufzuholen. Allerdings verlieren wir so viele, wie wir jetzt neu einstellen, durch den Eintritt in die Pension. Die Ursachen liegen also weitaus tiefer.
Die Entscheidung, den verantwortlichen Justizstaatssekretär zu entlassen, ist eine logische und richtige Konsequenz aus dem Desaster rund um die Vorgänge in der JVA „Roter Ochse“ am Pfingstsamstag.
Der Fluchtversuch von Stephan B. hat Schwächen bei der Umsetzung der vorgeschriebenen Sicherheitsvorschriften deutlich gemacht. Etwa eine Stunde nachdem ich von dem Vorfall gehört habe, habe ich mir umfänglich Insiderwissen zugeeignet und wusste was dort abging, um es einmal so zu sagen.
Die Unzulänglichkeiten in der JVA Halle, aber auch im Justizministerium haben ihre Ursache in gekränkten Eitelkeiten, fachlicher Selbstüberschätzung, Gleichgültigkeit, Routine und gewissen Machtspielchen auf der unteren Führungsebene.
Ein Hinweis an den neuen Staatssekretär. Ich würde mir wünschen oder empfehle es Ihnen: Besuchen Sie bitte alle Anstalten, damit Sie, wenn einmal etwas passiert, auch wissen, wo was ist. Das hat Ihr Vorgänger anscheinend nicht richtig gemacht.
Wer jetzt immer noch den Rücktritt der Justizministerin wegen eines gescheiterten Fluchtversuches im Roten Ochsen fordert, sollte dieselbe Messlatte beim Sozialministerium ansetzen, das in den letzten vier Jahren rund ein Dutzend vollendeter Fluchten aus dem Maßregelvollzug zu verantworten hatte.
Ich habe eigene Recherchen angestellt. Seit Juni 2016 waren es so viele, dass ich bei der Zahl Elf aufgehört habe zu zählen. Ich habe, ehrlich gesagt, langsam die Nase voll.
Offenbar hat man sich an diese ständig wiederkehrenden Fluchtnachrichten aus dem Maßregelvollzug inzwischen gewöhnt wie an eine lapidare
Staumeldung aus dem Verkehrsfunk. Sonst hätte es seitens der Parlamentarier oder einzelner Fraktionen des Landtages einmal eine Aktuelle Debatte oder gar Rücktrittsforderungen an die politisch verantwortliche Ministerin gegeben. Das scheint aber im Hohen Haus niemanden wirklich zu interessieren.
Wenn jetzt einige immer noch den Rücktritt von Frau Keding fordern, den ich nicht fordern werde - im Gegenteil, ich werde Frau Keding unterstützen -, fordere ich hiermit den Rücktritt von Frau Grimm-Benne.
Tatsächlich gelang die letzte Flucht aus dem Roten Ochsen im Juni 2004. Seitdem ist kein Gefangener mehr aus dem Roten Ochsen entwichen, nur um es hier einmal festzuhalten. Wenn jetzt jemand sagt, das ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, dann sage ich: Nein, das ist es nicht. Im Maßregelvollzug sitzen genau solche Schwerstkriminellen wie in einer JVA. Dort sollten dieselben Sicherheitsmaßstäbe gelten wie in einer JVA. - Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abschaffung, Beibehaltung, Erhöhung oder Halbierung der Rundfunkgebühren, das ist hier die Frage. Seitdem erstmals im Jahr 1923 Rundfunkgebühren durch den Staat verordnet und damals noch durch die Post eingetrieben wurden, begegnen sich zwei unversöhnliche Lager. Die einen wollen die Gebühren abschaffen und die anderen wollen sie immer weiter erhöhen.
Wer sich hinter diesen beiden Lagern verbirgt, wissen Sie alle. Auf der einen Seite sind es die vielen unzufriedenen Gebührenzahler und auf der anderen Seite eine Handvoll doppelter und dreifacher Nutznießer.
Letztere sind die Intendanten und Gesellschaften, die sich selbst ihre Lieblingssendungen einkaufen und sich zugleich mit Riesengehältern die Taschen vollstopfen.
Aus meiner Sicht gibt es sowohl für als auch gegen Rundfunkgebühren gute Gründe. Qualitätsrundfunk, beispielsweise Qualitätsfernsehen mit werbefreien Sendungen, lässt sich nur gebührenfinanziert absichern. Dies können bereits vier Fernsehsender ermöglichen: ein Kultur-, ein Nachrichten-, ein Sport- und ein Kinderkanal. Ansonsten können private Sender mittels Werbung im großen Stil Unterhaltungsprogramme liefern.
Ich frage mich, ob wir in Deutschland Dutzende öffentlich-rechtliche Fernsehsender oder Hörfunkangebote brauchen. Wie weit soll die Spirale noch gedreht werden? Parallel dazu gibt es die Forderung an die Gebührenzahler, die Angebote zu bezahlen. Wo endet das Ganze? - Man schaue sich nur die Gehälter der Intendanten an.
Die Wege, den Gebührenzahler weiterhin zu schröpfen, sind erstaunlich. Es ist verständlich, dass die Gebühreneinzugszentrale, die das öffentlich-rechtliche Ungetüm erst ermöglicht, Angst vor Einschränkungen hat. Ich kann mir gut die Panik vorstellen, die Sachsen-Anhalts CDU ausgelöst hat, als deren Landtagsfraktion ankündigte, eine Erhöhung der Gebühren nicht mittragen zu wollen.
Prompt schlug die ARD zurück. In der „MZ“ vom 25. Mai 2020 konnten wir lesen, dass die ARD das Land Sachsen-Anhalt mit der Einrichtung einer Onlineplattform in Halle (Saale) ködern will.
Besonders sauer ist mir hierbei aufgestoßen, dass seitens einiger Genossen aus Berlin in diesem Zusammenhang versucht wurde, massiven Druck auf das Abstimmungsverhalten vieler Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt auszuüben. Das geschah, ohne sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen, die gegen eine Erhöhung der Beiträge sprechen.
Der Umgang der Öffentlich-Rechtlichen mit Persönlichkeiten wie dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg
Maaßen und dem kritischen Satiriker Uwe Steimle oder die Wortwahl - zum Beispiel werden Brandstifter und Hausfriedensbrecher als Aktivisten, Kritiker von Coronamaßnahmen aber als Aluhutträger und Spinner bezeichnet - sorgen bei vielen Gebührenzahlern für Unmut.
Das Problem sind nicht Volksmusiksendungen, der „ZDF-Fernsehgarten“ oder die Trödelshow mit Horst Lichter, sondern der Umgang der Mächtigen bei ARD und ZDF mit der Wahrheit.
Ich möchte an dieser Stelle einfach einmal zwei Zahlen gegenüberstellen, die uns die Augen für eine ungeheuerliche Diskrepanz öffnen sollen. Während die Weltgesundheitsorganisation aktuell pro Jahr rund 2,3 Milliarden € zur Verfügung hat, mit denen sie in der gegenwärtigen Coronazeit mehreren Milliarden Menschen helfen will und muss, verbrauchen allein die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland alljährlich ein Budget von 8,1 Milliarden €. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Die Rundfunkanstalten müssen mit dem vorhandenen Geld auskommen. Das heißt, es darf keine weitere Erhöhung der Rundfunkgebühren geben. Aus diesem Grund werde ich, natürlich auch in Abstimmung mit meinem Landesverband der Freien Wähler - das ist wichtig -,
zwar der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen, aber einer Erhöhung der Rundfunkgebühren werde ich definitiv nicht zustimmen. - Vielen Dank.