Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss 3/2 war erfolgreich.
Im Sinne des Urteils des Landesverfassungsgerichts vom 16.10.2003 war es Gegenstand des Untersuchungsausschusses, die Verantwortung der Landesregierung und ihrere Landesvertreter am Scheitern der LEG umfassend aufzuklären. Der Untersuchungsausschuss hat seinen Auftrag erfüllt und Licht ins Dunkel der nunmehr in Liquidation befindlichen LEG gebracht.
Die Ursachen für das Scheitern der LEG sind relativ einfach auszumachen. Sie beginnen bereits bei ihrer Gründung. Diese beruhte auf einem äußerst vagen Konzept. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für uns fest, dass es bei der Gründung der LEG im Jahre 1991 durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Stolpe und die von ihm geführte Landesregierung dilettantisch zugegangen sein muss. So gab es keine kaufmännisch kalkulierte Unternehmensplanung, keine Wirtschaftlichkeitsberechnung, keine Kosten-Nutzen-Berechnung, keine Kapitalbedarfsberechnung, es fehlten eine kaufmännische Verlust- und Risikokalkulation sowie eine Marktanalyse über die Entwicklungsmöglichkeiten der Landesentwicklungsgesellschaft.
Der verhängnisvollste Konstruktionsfehler war jedoch die ständige Unterkapitalisierung der LEG. Für die Unterkapitalisierung des kostenintensiven, hoch verlust- und risikoträchtigen sowie ertragsschwachen Geschäftsmodells LEG waren der ehemalige Ministerpräsident Dr. Stolpe aufgrund seiner Richtlinienkompetenz gemäß Artikel 89 Abs. 1 der Landesverfassung und der ehemalige Finanzminister Kühbacher aufgrund seiner Entscheidungskompetenz persönlich verantwortlich.
Die dann folgende, fast zehn Jahre andauernde Historie der LEG war bis zu ihrer Liquidation gekennzeichnet durch die Fortsetzung der entscheidenden Gründungsfehler, ein unqualifiziertes Management, nicht kalkulierbare unwirtschaftliche Risikogeschäfte auf den Gebieten der Konversion, der Landesentwicklung, der Förderung von brachen Industriestrukturen und des Wohnungsbaus. Die Konzernausweitung mithilfe von Tochter- und Beteiligungsunternehmen war kaum noch zu überblicken. Es mangelte an Kontrolle seitens der Landesregierung, der Gesellschaftervertreter und der Aufsichtsgremien. Auftretende Verluste wurden politisch verschleiert.
Angesichts dieser Fakten war der Untergang der LEG zumindest seit Mitte der 90er Jahre sowohl für das Unternehmen als auch für die damalige Landesregierung klar absehbar. Für die Gründung des LEG-Konzerns als 100%iger Tochter des Landes, für den erfolglosen Verlauf der Arbeit und die Liquidation des Konzerns trägt in erster Linie der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Dr. Stolpe im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz die herausgehobene politische Verantwortung.
Bei seiner Befragung als Zeuge wälzte der frühere Ministerpräsident Dr. Stolpe jedoch die Schuld auf seine Minister, die in die Aufsichtsgremien entsandten Beamten und die früheren Geschäftsführer der LEG ab. Völlig unglaubwürdig ist nach unserer Erkenntnis seine Behauptung, er sei erst sehr spät, nämlich durch die Konzernbilanz 2000, auf die missliche Gesamtsituation der LEG aufmerksam geworden.
Während der Befragung durch den Untersuchungsausschuss wurde Dr. Stolpe auch zu seinen legendären Notizen auf kleinen Zetteln vernommen. Angesprochen auf diese Notizen, die er bei seinen Reisen durch das Land schrieb und an zuständige Minister, Landesbedienstete und zum Teil auch unmittelbar an die LEG weiterleitete, die diese dann selbstverständlich als Weisungen oder Aufträge verstanden, bestritt Herr Dr. Stolpe die genannte Bedeutung seiner Zettel. Aufträge oder Weisungen seien das nicht gewesen, sondern mehr oder weniger Informationen. Wer etwas anderes behaupte, begehe im Sinne einer Ausrede eine Pflichtverletzung.
Dieser Einschätzung können wir nicht folgen. Die kleinen weißen Zettel des ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Stolpe, von denen auch der ehemalige Finanzminister Kühbacher bei seiner Zeugenvernehmung berichtete, verkörperten ohne jeden Zweifel Richtlinienentscheidungen des ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Stolpe gemäß Artikel 89 Abs. 1 unserer Landesverfassung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es liegt mir fern, den ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Stolpe - weder das Amt noch die Person - beschädigen zu wollen.
Doch was er uns bei seiner Vernehmung im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit an Allgemeinplätzen und Unverbindlichkeiten sowie angeblichem Nichtwissen geboten hat, war angesichts einer mindestens 200-Millionen-Euro-Pleite gelinde gesagt eine Zumutung.
Von der politischen Hauptverantwortung des ehemaligen Ministerpräsidenten komme ich nun zur zweiten Verantwortungsebene, der Ministerebene.
Für die Entwicklung und Liquidation der LEG sowie den Verbrauch von 120 Millionen DM Eigenkapital aus der Landeskasse tragen der ehemalige Bauminister Meyer genauso Verantwortung wie der ehemalige Finanzminister Kühbacher sowie die ehemalige Finanzministerin Dr. Simon. Sie alle hatten nach dem eindeutigen Ergebnis der Beweiserhebung ihren jeweiligen Anteil an dem im CDU-Votum genau beschriebenen unprofessionellen Handeln und den schwerwiegenden Versäumnissen.
Ein besonders trauriges Kapitel der fast zehnjährigen negativen Gesamtbilanz des größten staatlichen Immobilienkonzerns Brandenburgs stellt die dritte Ebene der Verantwortungsträger dar. Gemeint ist die Beamtenebene. Die von der Landesregierung in die Aufsichtsgremien der LEG entsandten Staatssekretäre und Ministerialdirigenten waren für die negative Entwicklung und die LEG-Liquidation mindestens ebenso verantwortlich wie ihre Minister. Sie haben während ihrer Amtszeit ihre Pflichten im Rahmen der beamtenrechtlichen Weisungsgebundenheit hier insbesondere ihre Berichtspflichten - nicht erfüllt. Das gilt in besonderem Maße für den in den Aufsichtsrat der LEG entsandten Staatssekretär a. D. Prof. Dr. Gräf und den Abteilungsleiter im Finanzministerium, Ministerialdirigent Baesecke.
Eine besondere beamtenrechtliche Schlüsselposition innerhalb des Gesamtgefüges hatte der ehemalige Staatssekretär Dr. Mentrup inne. Er hatte alle wichtigen Fäden in der Hand und verfügte damit über ein Herrschaftswissen und eine Machtposition besonderer Art. Bezeichnend ist der Ausspruch: „Bei ihm war Schluss!“ Zeugen sagten dies und meinten damit, dass er sein Herrschaftswissen in entscheidenden Punkten nicht weitergab, zum Teil nicht einmal an seine Minister.
Nun komme ich zur vierten Verantwortungsebene, der Ebene der Geschäftsführer. Die beiden ehemaligen LEG-Geschäftsführer Pause und Heitmann haben nach unseren Erkenntnissen im Untersuchungsausschuss ihre Geschäftsführungspflichten umfassend verletzt. Sie verstießen gegen handelsrechtliche Bilanzvorschriften, namentlich gegen die gesetzlichen Gebote
der Bilanzwahrheit, der Vollständigkeit, der kaufmännischen Vorsicht, der Imparität, der Willkürfreiheit und der Bewertungsstetigkeit. Mindestens seit 1995 verschleierten sie die sich dramatisch verschlechternde Vermögens-, Kapital- und Ertragslage sowie den damit einhergehenden Verbrauch des aus der Landeskasse eingezahlten Eigenkapitals.
Eine letzte Bemerkung zur Sache. Ob im Hinblick auf die finanzielle Situation der LEG die Liquidation der Weisheit letzter Schluss war, darf nach dem Urteil von sachverständigen Zeugen bezweifelt werden;
denn die LEG in Liquidation zu schicken war für das Land und damit für den Steuerzahler die unwirtschaftlichste und letztendlich teuerste Lösung.
„Fehlende Transparenz, mangelndes Risikobewusstsein und politisches Wunschdenken waren auch die Ursache für das Scheitern der Landesentwicklungsgesellschaft. Es gingen auf allen Ebenen, in allen Gremien des Unternehmens die kritische Distanz zu einzelnen Engagements und offenbar auch der Gesamtüberblick verloren. Zu viele Verantwortliche im Unternehmen scheinen sich geradezu willfährig gegenüber politischen Wünschen manchmal auch nur vermuteten - verhalten zu haben.“
„Sie haben dies nach meinem Eindruck zum Maßstab für ihr unternehmerisches Handeln gemacht und die Spielregeln kaufmännischen Verhaltens nicht im erforderlichen Umfang beachtet. Die Risikokalkulation, die Kontrolle der Betätigungsfelder und der Haushaltsbelastungen für das Land wurden offenbar vernachlässigt. Auf warnende Hinweise wurde nicht früh und entschieden genug reagiert. So darf eine Verwaltung, so dürfen Vorstände und Aufsichtsgremien landesbeteiligter Unternehmen nicht arbeiten. Und deshalb erwarte ich ausdrücklich von allen Beteiligten künftig die Courage, Fehlentwicklungen und Gefahren zu benennen und diese auszuräumen,“
„bevor es zu spät ist. Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Mitarbeiter haben hier eine Vorbildfunktion.“
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben damit die gesamte Misere des Untergangs der LEG auf den Punkt gebracht. Wir müssen Sie heute hier fragen: Welche Konsequenzen wurden denn nun politisch gezogen? - Dem Anschein nach hat sich bis jetzt, bis heute keiner der Verantwortungsträger weder politisch noch rechtlich verantworten müssen.
Die Genannten sind entweder mit hoch dotierten Geschäftsführerposten versorgt worden, befinden sich in Pension oder haben nach wie vor wichtige, einflussreiche Positionen in der Landesverwaltung inne.
Nur gegen den letzten Geschäftsführer, Herrn Geisler, ist der Streit verkündet worden. Aber gerade er hat das Desaster nicht zu verantworten.
Couragiertes und kritisches Auftreten von Beamten wurde nicht honoriert, sondern das Gegenteil trat ein. Der Einzige, der hier im höchsten Maße profitiert - und das noch auf lange Zeit -, ist der Liquidator.
Der Untersuchungsausschuss hat seine umfangreiche, für das Wohl des Landes erfolgreiche Arbeit damit abgeschlossen. Er verfügte wie alle parlamentarischen Untersuchungsausschüsse letztendlich nur über ein „stumpfes Schwert“.
Herr Ministerpräsident, benutzen Sie jetzt das „scharfe Schwert“ Ihrer politischen Verantwortung. Setzen Sie ein Zeichen! - Danke schön, meine Damen und Herren.
Wir gehen in die zweite Runde. Damit erhält der Abgeordnete Christoffers das Wort. Er spricht für die PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte eine Vorbemerkung. Wie möglicherweise auch andere von Ihnen habe ich heute den Brief des Landesvorsitzenden einer Partei erhalten, die nach zehn Jahren wieder in den Landtag einziehen möchte. Darin werde ich aufgefordert, mich als Politiker anonym dazu zu äußern, ob ich bestimmte Personen im Zusammenhang mit dem LEG-Untersuchungsausschuss dem Verdacht unterziehen möchte, ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit der LEG für einen Nebenverdienst - sprich: zur persönlichen Bereicherung - missbraucht zu haben. Ich möchte hier für mich feststellen, weil ich Anonymität in diesen Fällen nicht leiden kann, dass mir als Mitglied des Untersuchungsausschusses keine Tatsachen bekannt geworden sind, dass Hartmut Meyer im Zusammenhang mit der LEG diese Tätigkeit in irgendeiner Form zur persönlichen Bereicherung missbraucht hätte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss hatte die Aufgabe, vor allen Dingen die wirtschaftliche Tätigkeit der LEG zu untersuchen. Daraus erklärt sich auch der Antrag der PDS bezüglich des Untersuchungsgegenstandes. Ich glaube, dass der Untersuchungsgegenstand, so wie ihn die PDS beantragte, wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Untersuchungsausschuss erfolgreich arbeiten und die Konfliktlinien für das Scheitern der LEG tatsächlich darlegen konnte. Insofern halte ich den Untersuchungsauftrag des LEGUntersuchungsausschusses für richtungweisend. Ich hoffe nur, dass uns in zukünftigen Legislaturperioden Untersuchungsausschüsse erspart bleiben.
Ich möchte zunächst feststellen, dass ich es zutiefst bedauere, dass es keine gemeinsame bewertende Position der Fraktionen im Untersuchungsausschuss gegeben hat und damit auch kein bewertender Teil des Untersuchungsausschusses als Ganzes vorgelegt wurde. Ich hätte das aus drei Sachverhalten heraus für notwendig gehalten: Erstens geht es mir um den Respekt vor dem Steuerzahler. Zweitens ist mir weder im Untersuchungsausschuss noch aus den Beiträgen bisher deutlich geworden, dass es bei aller unterschiedlichen Akzentsetzung in der Bewertung von festgestellten Sachverhalten keine gemeinsame Bewertung über die politische Verantwortlichkeit, keine gemeinsame Bewertung über die Verantwortung der Geschäftsführung als auch der Aufsichtsgremien möglich gewesen wäre. Insofern bedauere ich das, denn hier ist eine Chance verschenkt worden.
Drittens: Ich hätte es für notwendig gehalten, in den bewertenden Teil des Gesamtausschusses gemeinsame Schlussfolgerungen aufzunehmen, weil ich der festen Überzeugung bin: Nur bei einer gemeinsamen Befolgung von Schlussfolgerungen aus dem Desaster der LEG können wir in der Perspektive eine solche Fehlentwicklung verhindern.
Deswegen hat meine Fraktion einen wesentlichen Schwerpunkt ihres Minderheitenvotums auch auf Schlussfolgerungen für zukünftige Tätigkeiten von Landesgesellschaften gelegt.
Wie bereits deutlich geworden ist, ist für das Scheitern der LEG ein Bündel von Ursachen verantwortlich. Eine Alleinverantwortung von irgendjemandem oder von nur einer Institution kann ich nicht erkennen. Ich will deutlich sagen, dass im Bereich der politischen Verantwortung hier nicht nur der ehemalige Ministerpräsident Stolpe benannt werden muss, sondern ich glaube, dass hier von Anfang an ein Stück weit eine Fehlkonstruktion in der politischen Begleitung und in der politischen Kontrolle der LEG vorgelegen hat.
Ich mache das an zwei Punkten fest. Es fand ein Wechsel der Finanzierungskonditionen auf die ehemaligen Finanzminister, Herrn Kühbacher und Frau Simon, statt. Während Herr Kühbacher Geld bereitgestellt hatte, wurde mit dem Wechsel auf Frau Simon nur noch projektgebunden Geld zur Verfügung gestellt. Das ist natürlich eine einschneidende Veränderung für die Existenz der Gesellschaft, aus der sich hätten Schlussfolgerungen ergeben müssen, und zwar sowohl im politischen Bereich als auch für die Geschäftsführung.
Im Klartext gesprochen: Wenn ich eine Gesellschaft politisch gewollt mit immer mehr Aufgaben überlaste, die Finanzierung aber radikal wechsele und dann nicht kontrolliere, woher das Geld kommt, das die Gesellschaft einsetzt, um Projekte und Vorhaben umzusetzen, muss ich damit rechnen, dass eine Geschäftsführung über Binnengeschäfte Bilanzmanipulationen vorlegt, weil sie einem vermeintlichen politischen Auftrag folgt. Insofern gibt es hier in den Verantwortungsebenen nicht nur ein Wechselspiel von aus meiner Sicht organisierter Verantwortungslosigkeit, sondern es gibt hier eine eigenständige Verantwortung im politischen Bereich, zumal bei der Vernehmung des Zeugen Kühbacher eines mehr als deutlich geworden ist: Wenn tatsächlich ein politisches Verständnis herrscht, dass