Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Ich warte auf den bereits gestern angekündigten schriftlichen Bericht dazu. Es kann keine Lösung sein, noch mehr Personalstellen abzubauen und noch mehr Menschen arbeitslos zu machen, um wenigen Menschen 100 % zu geben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das ist nicht solidarisch. Das ist keine soziale Gerechtigkeit. Die Forderung, 100 % zu zahlen, ohne eine Quelle anzugeben, passt genau, Herr Kollege Bisky, zu dem gestern diskutierten Thema

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbst

bezüglich der ungedeckten Schecks. Heute haben Sie diese präsentiert.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Sie geben die globale Minderaus- gabe aus!)

- Die globale Minderausgabe ist kein Geldbetrag, mit dem man Gehälter finanzieren könnte. Das wissen Sie genau.

(Zuruf von der PDS: Das ist aber eine komische Arbeits- teilung; Sie fordern und wir sollen finanzieren!)

Ganz zweifellos haben wir hier eine breite Streuung zwischen den verschiedenen Branchen. Ganz zweifellos haben wir auch eine relativ breite Streuung nach Regionen, selbst innerhalb der alten Bundesländer. Wenn ich dann sehe, dass die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste beispielsweise im Bekleidungsgewerbe im Westen bei 3 800 DM und im Osten bei knapp 2 300 DM liegen, dann sehe ich da schon deutliche Unterschiede - auch zu den Vergütungen im öffentlichen Dienst.

Schauen wir uns die Ergebnisse der Tarifverhandlungen des Bündnisses für Arbeit an, dann sehen wir zwar einzelne Erfolge, überwiegend allerdings auf dem Territorium der alten Bundesländer. In der Chemieindustrie konnte man sich relativ rasch einigen. Auch in der westdeutschen Metallindustrie konnte - erstmals seit vielen Jahren ohne Arbeitskampf- ein annehmbarer Tarifvertrag abgeschlossen werden, der inzwischen auch von den neuen Bundesländern übernommen wurde. In der Chemieund Bauindustrie konnte eine Aufstockung vermögenswirksamer Leistungen erreicht werden und in der Metallindustrie konnten künftige tarifliche Entgeltbestandteile in Rücklagen für die Altersversorgung umgewandelt werden. Im Osten dagegen sind die Tarifverhandlungen in der Bauindustrie erst einmal geplatzt und gehen ins Schlichtungsverfahren.

Gern würden wir den Landesbediensteten eine rasche Angleichung ermöglichen - sie sollen schließlich in den Verwaltungen Brandenburgs unsere Gesetze und Landtagsbeschlüsse hochmotiviert und in hoher Qualität umsetzen: denn in den Brandenburger Amtsstuben wird der Bürger mit den Ergebnissen unserer Politik direkt konfrontiert. Wir müssen uns aber um alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen sorgen.

(Zuruf von der PDS: Vor allem um die westlichen!)

Es trifft schließlich zehn Jahre nach der deutschen Einheit auf alle Menschen gleichermaßen zu, dass die Lebensverhältnisse der neuen Länder noch denen der alten Länder angepasst werden müssen. Alle Menschen fühlen sich gleichermaßen benachteiligt. Deshalb hatten die Fraktionen von SPD und CDU die Landesregierung per Landtagsbeschluss im November I999 aufgefordert, einmal jährlich im I. Quartal Möglichkeiten zur Angleichung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst anhand der Entwicklung wirtschaftlicher Rahmendaten zu prüfen. Dieser Beschluss liegt bereits vor. Wenn die wirtschaftlichen Daten auf einen hinreichenden und andauernden Wachstumsprozess schließen lassen, soll die Landesregierung im Rahmen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder schnellstmöglich einen Stufenplan zur Angleichung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst vorlegen. Damit ist der Auftrag bereits konkret formuliert.

In der Begründung des Antrages ist auch das Ziel der Politik Brandenburgs klar beschrieben worden: Es geht darum, die Indikatoren für wirtschaftliches Wachstum wesentlich zu verbessern, um so eine Einkommenssteigerung für alle Beschäftigten im Lande zu sichern.

(Beifall bei SPD und CDU)

Es müssen aber die Ertragslage der Unternehmen für die Tarife in der Wirtschaft und das Steueraufkommen für die Tarife im öffentlichen Dienst stimmen. Dabei macht es wenig Sinn, allzu großen Druck auf die Tarifpartner der Wirtschaft auszuüben. Die Flucht aus den Tarifverträgen würde sich noch verstärken, die Flächentarife gerieten in Gefahr und die Arbeitnehmer landeten - wie schon in so vielen Betrieben - bei Mindestlöhnen. Das hätte mit sozialer Gerechtigkeit wenig zu tun.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir stehen durchaus zu dem Prinzip: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - und das möglichst bald und vor allem für alle. Das Prinzip „Alle Menschen sind gleich, einige sind gleicher" ist als Strategie für sozialen Frieden in Brandenburg nicht geeignet.

(Beifall bei der SPD)

Um die erforderlichen Handlungsspielräume zur Unterstützung des Wachstumsprozesses zu gewinnen, ist allerdings die Konsolidierung des Landeshaushalts notwendig. Sie macht es erforderlich, konsumtive Ausgaben wie Personalausgaben zugunsten von Investitionen zu begrenzen. Das ist Gegenstand des gestern diskutierten Haushaltsplanes gewesen. Daher soll sich das Ziel, gleiche Lebensbedingungen in Ostdeutschland herzustellen, nicht nur in dem Vorhaben erschöpfen, die Gehaltsangleichung für den öffentlichen Dienst zu verwirklichen.

Eine sofortige Angleichung würde das Land ca. 800 Millionen DM kosten. Eine Angleichung könnte auch dazu führen, dass Brandenburg einen wesentlichen Nachteil im Rahmen des Länderfinanzausgleiches bekäme. Es wäre dann nämlich die rechtliche Frage zu klären, ob es sich bei der Erhöhung und damit einer jährlichen Mehrausgabe von 800 Millionen DM um, wie vom Gericht formuliert, „notwendige Ausgaben" handelt - eine rein fiskalische Betrachtung, die beim Länderfinanzausgleich aber mit Sicherheit eine Rolle spielen wird.

Natürlich wird die SPD-Fraktion für eine schrittweise Angleichung der Löhne und Gehälter eintreten. Für den öffentlichen Dienst hat sie das bereits mit dem zuvor erwähnten Entschließungsantrag im November 1999 dargelegt. Es ist nach meiner Auffassung auch nichts dagegen einzuwenden, wenn der öffentliche Dienst hier eine gewisse Vorreiterrolle spielt und damit Sogwirkung entfaltet, wenn das mit Augenmaß und Solidarität geschieht. Ich sehe durchaus Möglichkeiten dafür - trotz leerer Kassen. Immerhin bedeuten die im Osten immer noch längeren Wochenarbeitszeiten auch einen Abstand von 3,75 %. Über eine diesbezügliche Angleichung - ohne dass die Aufgabenerfüllung darunter leidet - sollten wir ernsthaft nachdenken. Aufgabenkritik ist ja ein Thema im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform in Brandenburg.

In einem weiteren Schritt - so formuliert der uns heute vorlie

gende Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU - soll die Landesregierung konkrete Vorstellungen zur Angleichung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse der neuen und der alten Bundesländer vorlegen. Damit geht der neue Auftrag als die entscheidende gesellschaftliche Aufgabe des Jahrzehnts über den nur den öffentlichen Dienst betreffenden Antrag der PDS hinaus.

(Vietze [PDS]: Das ist eine ausgesprochene Scheinheilig- keit! Das ist unverschämt!)

Wenn das hoch gesteckte Ziel der Konsolidierung des Landeshaushalts erreicht wird, eröffnen sich erhebliche politische Spielräume. Diese werden uns solche Maßnahmen wie eine schrittweise Angleichung der Löhne und Gehälter und die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West erlauben. Bis dahin wird es kein einfacher Weg sein.

Nun noch einmal zu Ihrer Frage: Angleichung der Löhne und Gehälter - ein Ende in Sicht? - Nein, ein Ende noch nicht, aber eine Perspektive haben wir. Die wollen wir nutzen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die Fraktion der CDU, an die Abgeordnete Blechinger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute erneut mit einem Thema. das viele Menschen in Brandenburg bewegt. Es geht um etwas, was mit der Anerkennung der Lebensleistung der Ostdeutschen und ihrer Stellung im vereinigten Deutschland zu tun hat. Die Menschen in den neuen Ländern fragen sich, warum ihre Lebens- und Berufserfahrung nicht gleich bezahlt wird und warum ihre Leistung demnach weniger wert sein soll als die der Bayern oder Schleswig-Holsteiner.

Vor allem geht es darum, dass wir diese Debatte im Jahre zehn der deutschen Einheit führen. Ich erinnere mich sehr genau daran, mit welch fester Überzeugung ich im Jahre 1990 in politischen Diskussionen denen entgegengetreten bin, die befürchteten, dass eine Angleichung der Lebensverhältnisse zehn Jahre und länger dauern würde. Aber wenn man jetzt nach Tschechien blickt, einem Land. das 1990 etwa den gleichen Lebensstandard wie die DDR hatte, kann man sehen, wo wir stehen würden, wenn wir uns aus eigener Kraft, ohne Hilfe der Bundesrepublik. auf den Weg in die Europäische Union hätten machen müssen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Bei der Lohnangleichung Ost - West stehen wir vor der Frage der lohnpolitischen und sozialpolitischen Gerechtigkeit. Es geht nicht nur uni 300 bis 600 oder mehr Mark im Portemonnaie, sondern auch um das Selbstwertgefühl der Menschen. Wir kommen nicht bei ihnen an, wenn wir nur auf das geringere Steueraufkommen und die niedrigere Produktivität verweisen; denn bei Leistungsbereitschaft und Leistungswillen liefern sie doch 100 % ab.

Die Menschen in Brandenburg verlangen heute nach einer realistischen Perspektive. Es geht uni einen nachvollziehbaren und glaubwürdigen Zeitrahmen. Die Menschen wollen keine unrealistischen Versprechungen, die dann nicht eingehalten werden können und nur als Streicheleinheit für ihr Selbstwertgefühl zu verstehen sind.

(Zuruf von der PDS)

Gefragt sind an dieser Stelle Ehrlichkeit und Sensibilität. Wer falsche Hoffnungen weckt, handelt unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der PDS)

Dabei schätzen doch die Menschen bei uns die Situation sehr realistisch ein. Zum Beispiel gehen nach einer aktuellen Umfrage zur Angleichung der Lebensverhältnisse 31 %der Befragten von einem Zeitraum von etwa zehn Jahren aus, 57 % sogar von mehr als zehn Jahren.

Ein besonderes Problem sind die großen Unterschiede im Niveau der Angleichung zwischen dem öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft; denn in verschiedenen Wirtschaftszweigen ist der Tarifvertrag bereits mit Angleichung oder Annäherung an 100 % erfüllt. Das gilt beispielsweise für die Druckindustrie, die Eisen- und Stahlindustrie, die Banken und Versicherungen. die Deutsche Telekorn.

Vorgestern wurde für die Metallindustrie ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, der weitere Schritte bei der Angleichung der Löhne und Gehälter in den neuen Ländern vorsieht. Dabei darf man aber nicht übersehen, dass weniger als 50 % der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten. Die Arbeitnehmer, die nicht nach Tarif bezahlt werden, erhalten häufig nur 60 %des Bruttolohnes ihrer westdeutschen Kollegen. Wir haben also eine sehr unterschiedliche und unübersichtliche Situation, was die Sache nicht leichter macht.

(Zuruf von der PDS: Machen Sie mal etwas dagegen!)

Meine Damen und Herren! Ein häufig benutztes Argument gegen die Angleichung sind die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten. Diese gibt es aber nicht nur im Vergleich zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Großstädten wie München und Frankfurt am Main sowie westlichen Regionen.

Ich appelliere deshalb an die Tarifpartner zu prüfen, ob die Angleichung nicht auf dem Wege eines einheitlichen Grundgehaltes realisiert werden kann, während die Ortszuschläge flexibel gestaltet werden können und die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den einzelnen Regionen berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Bei der Lohnangleichung hätte ich mir manchmal mehr Solidarität gewünscht, auch vonseiten der Gewerkschaften.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Nicht, dass sie nicht vehement die 100 % gefordert hätten. Das haben sie immer getan. Aber die Damen und Herren von GEW und ÖTV kennen genau die wirtschaftliche Realität in West und Ost. Sie wissen, dass die öffentlichen Kassen leer sind. Die An

gleichung Ost - West hätte man vor allem durch Teilen erreichen können.

( Homeyer [CDU]: Richtig!)

Teilen zugunsten der neuen Länder und ihrer Beschäftigten im öffentlichen Dienst hätte auch gewerkschaftliches Programm sein können. Teilen - das hätte auch Lohnzurückhaltung West für Lohnangleichung Ost heißen können;

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

denn die Angleichung der Lebensverhältnisse wie auch der Löhne und Gehälter ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, eine gesamtdeutsche Aufgabe der letzten zehn und der nächsten zehn Jahre.