Protokoll der Sitzung vom 17.05.2000

„Im zehnten Jahr der deutschen Einheit sollte die biografische Herkunft der Beschäftigten in den Ministerien keine Rolle mehr spielen."

Diese Antwort befriedigt mich in keiner Weise, zumal bekannt ist, dass Brandenburgerinnen und Brandenburger ostdeutscher Herkunft nach wie vor kaum eine Chance haben, in mittlere und leitende Führungspositionen der Landesverwaltung zu gelangen. Zudem gibt es nicht wenige Fälle, wo Bewerber aus den neuen Bundesländern, selbst mit Studienabschlüssen nach 1990. bei Einstellungen in der Landesverwaltung die schlechteren Karten haben.

Ich frage deshalb die Landesregierung nochmals: Wie sieht die Personalstruktur in der Staatskanzlei und den Ministerien hinsichtlich der Herkunft aus den alten bzw. neuen Bundesländern bei Staatssekretären, Abteilungsleitern, Referatsleitern und sonstigen Mitarbeitern aus?

Herr Staatssekretär Speer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Schröder, es gibt drei Möglichkeiten, wie man diese Frage beantworten kann. Die erste wäre formal: Ich verweise auf die Antwort der Landesregierung. Es hat sich in der Zeit zwischen der schriftlichen Einreichung der Antwort auf die Anfrage und

heute nichts geändert. Die zweite Möglichkeit - auch formal wäre zu sagen: Im Rahmen einer Mündlichen Anfrage ist das, was Sie abfragen, überhaupt nicht zu beantworten. Ansonsten wären die 90 Minuten hier ausgeschöpft.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Schröder [PDS])

- Ja, Sie fragen nach Bediensteten, nach Referatsleitern, nach Abteilungsleitern, nach Staatssekretären.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

- Genau daraufhin haben wir auch im zehnten Jahr geantwortet und - wie Sie richtig zitieren - gesagt: Wir sehen keine Notwendigkeit und halten es auch nicht für sinnvoll, diese Frage immer wieder zu stellen und zu beantworten.

Ich frage Sie: Wer ist nach Ihrer Definition ein Landeskind? Ist jemand. der 1990 aus Spandau nach Falkensee gezo gen ist und dort seit zehn Jahren bei der Polizei oder im Kommunaldienst arbeitet, aus Ihrer Sicht ein Landeskind oder nicht? Aus meiner Sicht ist er eines, denn er zahlt seine Steuern und dient dem Wohle des Landes.

(Beifall bei SPD und CDU)

Mein Freund ist 1989 im August noch über die grüne Grenze in Ungarn gegangen und dann nach einem Dreivierteljahr zurückgekommen. Im damaligen offiziellen Sprachgebrauch hieß das Republikflucht. Nach Ihrer Definition wäre das ein Westbürger - oder wie auch immer Sie das bezeichnen.

Diese Differenzierung, die Sie anmahnen, bringt uns nicht weiter, Deswegen ist meine Bitte, hier mit Gelassenheit heranzugehen. Ich sage: Das von Ihnen geschilderte Problem wächst sich aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Staatssekretär, es gibt noch Klärungsbedarf. Herr Sarrach, bitte!

(Vietze [PDS]: Ich habe einen Geschäftsordnungsantrag!)

Der Ablauf der Fragestunde ist in der Geschäftsordnung klar geregelt.

(Vietze [PDS]: Aber nicht so, wie Sie verfahren!)

Doch, das ist schon so. Zu diesem Beitra g hat sich vorher Herr Sarrach gemeldet. Wenn wir damit fertig sind. können Sie auch den Geschäftsordnungsantra g stellen.

(Vietze [PDS]: Herr Präsident, ich möchte, bevor Sie Herrn Sarrach Gelegenheit geben, die Frage zu stellen, den Ge- schäftsordnungsantrag stellen.)

Herr Sarrach, sind Sie damit einverstanden?

(Sarrach [PDS]: Ja.)

Bitte sehr!

Herr Präsident, ich möchte darauf aufmerksam machen, dass laut Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg die Anfragen eines Abgeordneten an die Landesregierung gerichtet sind. Herr Speer ist nicht Mitglied der Landesregierung. Sie haben ihm das Wort erteilt in Anwesenheit der Minister, die zu diesen Fragen sehr wohl auskunftsfähig sind. Das ist der Ministerpräsident, das ist der stellvertretende Ministerpräsident und Minister des Innern und das ist möglicherweise die Finanzministerin. Ich möchte Sie bitten, entsprechend der Geschäftsordnung zu verfahren und die Frage von einem Mit glied der Regierune beantworten zu lassen.

(Beifall bei der PDS - Schuldt [DVU]: Herr Vietze, Sie hät- ten doch meinem Antrag damals zustimmen können! - Klein [SPD]: Jawohl, wo Sie Recht haben, haben Sie Recht!)

Herr Vietze, die Geschäftsordnung gibt mir das Recht, Herrn Speer das Wort zu erteilen. Das habe ich getan. Insofern bin ich absolut konform mit der Geschäftsordnung.

(Klein [SPD]: Das war Wille des Parlaments!)

Dies ist in der Geschäftsordnung, wenn Sie sich schon nach den Buchstaben richten wollen, so nicht verankert.

(Vietze [PDS]: In Abwesenheit der Minister!)

Nein, ich habe die Möglichkeit, dem haben Sie auch zugestimmt

(Vietze [PDS]: Nur in Abwesenheit?)

Nein. zeigen Sie mir doch maI die Stelle! - Die Möglichkeit, das Wort zu erteilen, ist expressis verbis dem Präsidenten gegeben. Herr Sarrach, jetzt sind Sie dran.

Ich habe zwei Fragen. Erstens: Ist der Landesregierung der Umfang des verfassungsrechtlich garantierten Frage- und Informationsrechts eines Landtagsabgeordneten bekannt?

Zweitens: Wird die Landesregierung künftig Abgeordnete in ihrem Fragerecht nicht mehr brüskieren, sondern künftig. diese Fraeen auch beantworten?

Herr Staatssekretär!

Die erste Frage ist selbstverständlich mit Ja zu beantworten. Zur zweiten Frage: Ich habe versucht darzustellen, dass hier - nicht so, wie das heute vorgearbeitet in einer Tageszeitung aus dem

Süden des Landes Brandenburg steht - niemand abgefrühstückt werden soll, sondern ich bin dazu bereit, dass wir hier oder an anderer Stelle den Disput führen über die Frage: Soll man im zehnten Jahr nach der Wende noch darüber nachdenken, wo jemand geboren ist, wo jemand aufgewachsen ist?

(Frau Dr. Schröder [PDS]: Doch, weil das ein Problem ist!)

- Das ist kein Problem. Sie bringen in dem Zusammenhang auch hervor, dass es auferund der Herkunft unterschiedliche Bezahlungen gibt. Zu der Aussage, die Sie heute wiederholt haben, hat die Landesregierung in Beantwortung der Kleinen Anfrage klargestellt, dass jeder, der hier anfängt zu arbeiten, entsprechend Osttarif bzw. im Beamtenbereich entsprechend den gesetzlichen Regelungen bezahlt wird. Ausnahmen davon können nur in dem Rahmen zugelassen werden, dem auch der vorangegangene Landtag zugestimmt hat.

(Vietze [PDS]: Herr Präsident!)

Herr Vietze, ich glaube. wir sind uns in Bezug auf die Besonderheit, die wir in der Fragestunde hinsichtlich der Antwortmöglichkeiten der Landesregierung geschaffen haben, einig.

(Vietze [PDS]: Nein!)

Insofern würde ich herzlich bitten, Frau Dr. Schröder jetzt Gelegenheit zu geben, ihre Frage zu stellen, die sie auch angemeldet hat.

(Vietze [PDS]: Herr Präsident, Sie können nicht von mir verlangen, dass ich Ihnen das Zitat aus der Geschäftsord- nung benenne, und mir dann das Wort nicht erteilen. [Beifall bei der PDS] Ich verweise auf § 32 der Geschäftsordnun g: Der Präsident kann dem Präsidenten des Landesrechnungshofes. dem Lan- desbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht sowie bei begründeter Abwesenheit des zu- ständigen Ministers dessen Staatssekretär das Wort erteilen. Die Wortmeldung ist dem Präsidenten vorher anzuzeigen. Es gibt keine begründete Abwesenheit eines Ministers. Demzufolge hätte ich gerne die Antwort von einem Mit- glied der Regierung. Wenn dies heute nicht möglich ist, dann entscheidet sich die Regierung und teilt mit, wann sie diese Frage beantwortet. - Danke schön.)

Ich habe heute früh die mir vorliegenden Meldungen in Bezug auf die zu erwartende Abwesenheit der Minister erwähnt. Ich habe mich auf dieser Grundlage auch auf die Fragestunde eingestellt, sodass ich dort die zuständigen Antwortgeber schon notiert habe.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Die Minister sind aber da!)

Ja, wenn es sich dann verändert hat, sind wir sicher flexibel genug, darauf einzugehen.

(Zurufe)

Inwieweit Sie die Antworten akzeptieren oder nicht, das vermag ich nicht zu bewerten. Das ist auch allein Ihr Problem.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das ist unsere Geschäftsord- nung!)