Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Die Betreuung von Kleinkindern durch Tagesmütter kann, wie Anhörungen auch gezeigt haben, für die Entwicklung der Kinder vorteilhaft sein. Die Möglichkeit, die Tagespflege auszuweiten, ist richtig. Inwieweit sie sich durchsetzen wird, hängt von der Akzeptanz bei den Eltern ab.

Das Konzept der Landesregierung zur Entwicklung und zum Ausbau der Ta gespflege muss dementsprechend umgesetzt werden. Nur wenn Tagespflege eine qualitativ gute Kleinkindbetreuung zulässt, wird sie akzeptiert werden.

Ist nach der Novellierung des Kita-Gesetzes eine volle Berufstätigkeit der Eltern von Kindern im Vorschul- und Grundschulalter noch gewährleistet? Diese Frage stand und steht im Mittelpunkt der Diskussion. Auch in der SPD-Fraktion war diese Frage eine zentrale.

Wir haben uns für eine Regelung im Gesetz über den allgemeinen Rechtsanspruch hinaus, die so eindeutig wie möglich ist, ausgesprochen und eingesetzt. In § 1 der Novelle ist in Absatz 1 der Anspruch auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf formuliert. In den darauf folgenden Absätzen ist wie bisher ein konditionierter Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern von 0 bis 12 Jahren geregelt. Demnach haben Väter und Mütter für ihre Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit, also länger, als wir es aus der DDR-Zeit kennen, einen Rechtsanspruch auf die Betreuungszeit ihrer Kinder, die notwendig ist, um nicht nur einer Vollzeiterwerbstätigkeit - ich sage das noch einmal: einer Vollzeiterwerbstätigkeit - nachzugehen, sondern auch eine Ausbildung bzw. Qualifizierung zu absolvieren. Das gilt auch, wenn sie aus Gründen der Erwerbssuche ihre Kinder nicht selbst betreuen können.

Dieser Rechtsanspruch sichert die Vermittelbarkeit durch die Arbeitsämter und verpflichtet die Gemeinden gleichzeitig, bei der Planung ihrer Betreuungskapazitäten dem Rechnung zu tragen. Ein Kindergartenplatz ist demzufolge kein Gnadenakt.

Die bereits heute, unter den Bedingungen des gültigen KitaGesetzes, in berlinnahen Gemeinden bestehenden Wartelisten für einen Kita-Plar2, die gestern hier genannt worden sind, haben mit der Kita-Novelle vordergründig nichts zu tun, sondern haben ihre Gründe insbesondere in dem Einwohnerzuwachs dieser Gemeinden, dem die Kita-Kapazitäten nicht gewachsen sind. In den meisten anderen Städten und Gemeinden ist die kurzfristige Aufnahme eines Kindes schon heute kein Problem, und bei weiter sinkenden Kinderzahlen wird sie das auch zukünftig nicht sein.

Die SPD-Fraktion teilt nach umfänglicher Diskussion unter Einbeziehung der Kommunalvertreter die Absicht der Landesregierung, künftig die Gemeinden zu den Leistungsverpflichteten zu machen und sich in Form einer Kinderkostenpauschale,

bezogen auf alle in der Gemeinde lebenden Kinder im Alter von null bis zwölf Jahren, mit einem Landeszuschuss für die Kinderbetreuung entsprechend dem neuen Gesetz zu beteiligen. In den Gemeinden kann am besten entschieden werden, auf welche Weise mit dem Landeszuschuss und dem Eigenanteil die Kinderbetreuung effektiv zu organisieren ist.

Alle Überlegungen, die Pauschale entsprechend den regionalen Bedingungen unterschiedlich hoch zu gestalten, führten zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis, weil sie das System komplizieren und zu neuen Unterschieden führen.

Eindeutig ist unser Wille, dass die Landeszuschüsse einzig und allein für die dem Gesetz entsprechende Aufgabe verwendet werden. Deshalb wollen wir, dass die Zweckbindung der Mittel und die Kontrolle ihrer Verwendung im Gesetz festgeschrieben werden.

War die Regelung der Leistungsverpflichtung und des Finanzierungsmodus problematisch, so trifft das auch auf die Beantwortung der Frage nach der ausreichenden Landesbeteiligung zu. Die Neuregelung des Rechtsanspruchs, die Möglichkeit der Schwerpunktsetzung auf Tagespflege im Kleinkindbereich, die Möglichkeit der variablen Gestaltung der Betreuungslandschaft durch die Gemeinden, die Vereinfachung der Finanzierungswege und weiter sinkende Kinderzahlen lassen es unseres Erachtens zu, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die Kinderbetreuung auch weiterhin auf einem hohen Niveau und ohne Erhöhung der Elternbeiträge zu organisieren.

Um die Kommunen in einer Übergangszeit zu entlasten, sind für 2000 und 2001 zusätzliche Mittel vorgesehen.

Der vorliegende Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen fordert eine eindeutige Regelung für die Finanzierung über das Jahr 2002 hinaus, um bei den Kommunen Sicherheit für die weitere Finanzierung zu schaffen.

Die vorliegende Kita-Novelle bedeutet einen Einschnitt in die Kita-Betreuung. der von uns Sozialdemokraten nur schwer zu vollziehen ist. Er ist aber die Antwort auf die Frage: Was kann sich das Land Brandenburg langfristig in diesem Bereich leisten, ohne zukünftigen Generationen das Leben und Gestalten in unserem Land unmöglich zu machen?

Die vorliegende Kita-Novelle macht aber auch weiterhin eine verantwortungsvolle Kinderbetreuung möglich. Sie bedeutet nicht die Aufgabe sozialdemokratischer Positionen, wie ich sie eingangs beschrieben habe. - Ich danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits mehrere Aussprachen zum Kita-Gesetz haben stattgefunden, sei es im Plenarsaal, in den Ausschüssen oder bei Anhörun

gen. Auf Konsequenzen, Probleme und anfallende Folgekosten wurde mehrfach hingewiesen. Das alles zu wiederholen erspare ich mir heute.

Das Gesetz wird ja nun trotz aller Einwände und Bedenken verabschiedet werden - aufgrund der Mehrheitsverhältnisse hier im Landtag. Die DVU-Fraktion als neue politische Kraft im Brandenburger Landtag verfügt noch nicht über die politische Arroganz und Ignoranz etlicher Volksvertreter hier, die Gesetze gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Brandenburg zu verabschieden.

Ich finde es sehr schade, dass eingereichte Vorschläge und Ergänzungen zum neuen Kita-Gesetz, die nicht mit allzu hohem finanziellem Aufwand verbunden gewesen wären, von den Koalitionsparteien einfach niedergestimmt werden, nur der Parteidisziplin wegen. Es ist traurig, dass einige der Abgeordneten der Parteidisziplin dem Willen ihrer Wähler gegenüber den Vorrang geben.

Es sollte doch allen hier anwesenden Abgeordneten klar sein, dass wir als Volksvertreter gewählt wurden, und als Volksvertreter haben wir die Pflicht, die Interessen des Volkes zu vertreten und nicht die der Partei.

Nach langem Hin und Her wurden zwar einige Schönheitskorrekturen am Kita-Gesetz vorgenommen; aber unter dem Strich bedeutet dieses neue Kita-Gesetz einen erheblichen Rückschritt für das Land Brandenburg.

Die Fraktion der Deutschen Volksunion bedauert zutiefst, dass dieses Gesetz nun doch verabschiedet werden wird - gegen den Willen der Mehrheit der Brandenburger Bevölkerung. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, Frau Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich hatte mir für die heutige letzte, eigentlich schon die x-te KitaRede bzw. Auseinandersetzung um das Kita-Gesetz eine sachliche Rede vorgenommen. Sie steht hier nach Stichpunkten auf dem Papier. Meine Kollegin Ingrid Siebke hat noch einmal den Werdegang des Gesetzes dargestellt. Ich habe jedoch Probleme, in Ruhe und Sachlichkeit in diesem Landtag am heutigen Tag aufzutreten.

Das ist für mich persönlich eine ganz problematische Geschichte. Ich bleibe als Mensch eigentlich sehr sehr lange ruhig und kann mich beherrschen. Aber meine Geduld und Kraft sind in diesem Augenblick am Ende. Lassen Sie mich das erklären: Nachdem ich das Agitationsmaterial des Aktionsbündnisses, dieses „gemachte Werk" gelesen hatte, ist mir der Kragen geplatzt.

Das muss man lesen - es ist allerdings die Frage. ob es lesens

wert ist- Ich sage nachher noch etwas dazu, wie man es psychologisch deutet. In diesem Werk des Aktionsbündnisses, zu dem die PDS gehört - die kann ich hier und heute im Plenum auch nur ansprechen -, werden so viele Ungereimtheiten, Widersprüchlichkeiten, Unwahrheiten in der Öffentlichkeit verbreitet, dass es wehtut, meine Damen und Herren von der PDS.

Wenn ich das Agitationsmaterial einem Psychologen oder einem Sprachwissenschaftler vorlege, wird er Ihnen das Urteil geben müssen: Hier ist die geballte Demagogie enthalten.

(Starker Beifall bei CDU und SPD)

Einige von Ihnen haben das ja in der Hand, und wenn man sich dann die Fragen, Aussagen, Argumente, Beurteilungen, Amworten, Halbargumente, Meinungen anschaut, dann ist eine große rote Überschrift auf Seite 9 besonders empörend:

"Die Erziehung in der Krippe und in der Kindertagesstätte ist für das Kind günstiger als in der Familie, da in der Kita ausgebildete Fachkräfte arbeiten."

Meine Damen und Herren, ich fra ge mich: Wie reagieren die Eltern, Mütter und Väter dieses Landes auf diese Behauptung, die Sie aufstellen? Das halte ich einfach für fatal und das halte ich für Demagogie im größten Sinne.

(Beifall bei CDU und SPD)

Können Sie sich vorstellen, meine Damen und Herren von der PDS, dass es in diesem Lande neben den vielen Eltern, deren Unterschriften das Aktionsbündnis gesammelt hat, auch viele, viele Eltern gibt, die diese Aussage erbost, die sich das verbitten, die sich deklassiert fühlen, die sich in ihrer Fähigkeit, Eltern zu sein, einfach verletzt fühlen?

Meine Damen und Herren von der PDS, wer versucht, über das Schlechtmachen anderer anderes positivzureden, besserzureden oder als Absolutes darzustellen, der muss sich fragen lassen: Was steckt hinter dem, was er da tut?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich belege diese Behauptung mit einem Zitat aus der Broschüre.

„Tagespflege ist ein schlechtes Angebot und Tagesmütter können nicht die Arbeit ausgebildeter Erzieher ersetzen.”

Sie widersprechen sich zwar im gleichen Absatz, indem Sie dann sagen: Da, wo auch die Kleinst-Kita nicht überleben kann, da wollen wir die Tagesmutter haben!, meinen aber, Tagesmütter sind schlechte Angebote. Meine Damen und Herren von der PDS, was verfolgen Sie damit, dass Sie Menschen gegeneinander ausspielen?

Haben Sie meine Unterbrechung gehört? Es war eine Frage angemeldet. Würden Sie die beantworten?

Herr Vorsitzender, eigentlich reagiere ich, wenn ich reagieren will. In dem Augenblick wollte ich nicht reagieren.

Frau Abgeordnete, es müsste sich in Ihrer Fraktion herumgesprochen haben, dass ein Vizepräsident kein Vorsitzender ist. Sie wollen die Frage nicht beantworten?

Ich mag sie jetzt nicht beantworten, das ist richtig. • Frau Kaiser-Nicht, so wie die Debatten um die Veranderurtg im Kita Bereich Bereich während einer „Vor Ort"-Sendun g des ORB in Frankfurt (Oder) begonnen haben, in der Sie den Minister dieses Landes aufs Schwerste beleidigt haben...

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Das hat er mir aber gar nicht gesagt!)

Das sage ich Ihnen aber heute einmal &tent] ich. geil Sie das immer wieder gemacht haben. In den vielen Veranstaltungen. die wir miteinander besucht haben, haben Sie ebenfalls Lugen, Halbwahrheiten, falsche Argumente. auch wenn Sie im Laufe der Debatte ganz Anderes erfahren haben, verbreitet.

Frau Abgeordnete, ich bin wieder mit einer Frage konfrontiert worden.

Ich habe es gesehen, Herr Präsident, jetzt nicht.

Wir haben in mehreren Debatten hier im Landtag und im Fachausschuss über die Frage Tagesmütterfachaufs ic hts- Verordnung gesprochen, und Sie, Frau Kaiser-Nicht, bringen heute und brachten gestern das gleiche Thema. Wenn Sie sich Seite 10 dieses „gemachten Werkes" anschauen, dann können Sie es noch einmal nachlesen. Sie stellen Behauptungen zu Fragen der Tagespflege auf, die falsch sind.