Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

Im Gegensatz zu den eben gehörten Ausführtargen der beiden Oppositionsparteien bestehen hier sehr wohl positive Erfahrungen im Umgang mit der Videoüberwachung, positive Erfahrungen dahin gehend. dass bei den entsprechend überwachten öffentlichen Plätzen und Orten ein Rückgang bestimmter für die Menschen sehr gefährlicher Kriminalitätsarten zu verzeichnen ist.

(Zuruf von der PDS

Es ist eindeutig zu sagen: Diese Orte sind sicherer geworden.

Nicht unerwähnt möchte ich bei der Aufzählung der bereits bestehenden Beschlüsse und Gesetze den Beschluss der Innenministerkonferenz vorn März dieses Jahres lassen.

Meine verehrten Kollegen! Nachdem im Vorfeld der heutigen Debatte schon heftig über die Notwendigkeit der öffentlichen Videoüberwachung debattiert wurde und verschiedene. teilweise lächerliche Horrorszenarien entwickelt worden sind. lassen Sie mich hier Folgendes klarstellen:

Auf der Grundlage des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzt die beabsichtigte Videoüberwachung stets konkrete Lageerkermtnisse der Polizei bezüglich der betreffenden Orte voraus. Das heißt - das müsste eigentlich auch die Opposition akzeptieren -, eine Überwachung kommt nur an solchen Orten in Betracht. an denen erfahrungsgemäß vermehrt Straftaten. wie Rauschgift- oder illegaler Zigarettenhandel sowie Handtaschenund Trickdiebstahl, begangen werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zudem zu überprüfen.

Herr Abgeordneter. bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede!

Meine Damen und Herren! Das heißt. die Videoüberwachung wird es nur an 'bestimmten Kriminalitätsschwerpunkten geben. Diese zu beseitigen nuiss doch im Interesse aller liegen.

Auch der Aspekt des Datenschutzes wurde im vorliegenden Gesetzentwurf sorgfältig gewürdigt. Ich betone es: Eine Bildaufzeichnung erfolgt nicht automatisch und nicht ohne Anlass. Nur beim Vorliegen einer konkreten Gefahr und zur Bekämpfung von Straftaten ist eine Aufzeichnung vorgesehen.

Wenn die PDS vor dem Verfassungsgericht dagegen klagen will. bleibt ihr dies ja unbenommen. Ich empfehle. mit der DVU eine Klagegemeinschaft zu bilden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abeeordneten Sarrach [PDS]I Präsident Dr. Knublich: Herr Abgeordneter. Sie überziehen erheblich. Bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede! Petke (CDU):

Meine Damen und Herren. lassen Sie mich zum Ende klarstellen: Die Bekämpfung der Kriminalität ist nicht allein Aufgabe von Polizei und Justiz. Die Landesregiening und der Landtag tragen eine hohe Verantwortung dafür. dass eine gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizei auf einer effektiven gesetzlichen Grundlage arbeiten kann.

Der vorliegende Entwurf zur Änderun g des Polizeigesetzes gibt der Polizei die notwendigen rechtlichen Grundlagen. Wer es mit der Bekämpfung der Kriminalität in Brandenburg ernst meint. wird dem Entwurf zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall hei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung der Drucksache 3 ! 1593 an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt. möge die Hand autheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist so beschlos

sen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und komme zum Tagesordnungspunkt 5:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Landtag Brandenburg (Fraktionsgesetz - FraktG) von] 29. März 1994 (GVB1. I S. 86) und zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages Brandenburg (Abgeordnetengesetz - AbgG) vom 29. Nlai 1995 (GVI31. 1 S. 102), geändert durch 4. ÄndG vorn 24.03.1997 (GVBI. 1 S. 121 und durch Artikel 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Nlitglieder der

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Landesregierung und zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 11.02.1999 (GVBI. I S. 42)

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

Drucksache 3/1674

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Frau Abgeordnete Hesselharth. Sie haben das Wort

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zweite Semit des Bundes 1. erfassungsgerichtes hat in seinem Urteil am 21. Juli 2000 die so genannten Funktionszulagen an Parlamentarische Geschäftsführer. an stellvertretende Fraktionsvorsitzende und an Ausschussvorsitzende für verfassungswidrig erklärt. Auf dem juristischen Prüfstein stand zwar das Thüringische Abgeordnetengesetz. jedoch hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe h des Fraktionsgesetzes und 23 Satz 3 des Abgeordnetengesetzes des Landes Brandenburg.

Zusätzliche Entschädigungen an den Landtagspräsidenten und den Vizepräsidenten gemäß Abgeordnetengesetz sind verfassungskonform und diese berühren auch keinesfalls unseren Gesetzentwurf.

In Abweichung seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 1975 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil Funktionszulagen an Fraktionsvorsitzende grundsätzlich zugelassen.

Allerdings ist nach Auffassung der DVU-Fraktion die Zahlung von Funktionszulagen aus den Fraktionskassen verfassun gswidrig. Sollte der DVU-Gesetzentwurf dafür keine Mehrheit finden. so werden wir ernsthaft prüfen. ob wir zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode das Verfassungsgericht anrufen.

Der Präsident des Landtages. Herr Dr. Knoblich. hat die Landtagsverwaltung gebeten, das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu kommentieren. Dies ist geschehen und die Landtagsverwaltung erklärt:

..Es spricht viel dafür. an die Zahlungen nach dem Fraktionsgesetz die gleichen Anforderungen zu stellen wie an zusätzliche Entschädigungen. Auch Zahlungen nach dem Fraktionsgesetz werden ausschließlich an Abgeordnete gezahlt. die eine Funktion ausüben. Dabei ist die Gefahr einer 'Abgeordnetenlaufbahn' bei Zahlungen nach dem Fraktionsgesetz noch viel mehr gegeben. da keine zahlenmäßige Beschränkung vorgegeben ist und es der Deutungshoheit der Fraktionen obliegt, welche Funktionen sie als heraus gehoben ansehen und deshalb vergüten.

Meine Damen und Herren. das bedeutet im Klartext: Auch die Landtagsverwaltung hat erhebliche Bedenken bezüglich der Praxis hier im Landtag Brandenburg.

Es gibt im Vergleich zu den Ab geordnetengesetzen zum Beispiel in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein weder eine Regelung über die Höhe der Zulagen noch über die Anzahl der

Funktionen. Die SPD-Fraktion hat bekanntlich besonders kräftig zugeschlagen. indem sie gleich fünf stellvertretende Fraktionsvorsitzende

(Nein, nein! hei der SPD)

mit eitler Funktionszulage von jeweils 30 ( > 0 bedenkt. Diese verfassungswidrigen Praktiken müssen durch eine Gesetzesnovelle beendet werden.

Der bekannte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Herbert von Arnim unterstützt übrigens in seinem Buch „Die Partei. der Ab geordnete und das Geld- Auffassung der DVU-Fraktion. Wenn Sie der Auffassung sind. dass Fraktionm orsitzende wegen ihres herausragenden Amtes eine Zulage erhalten sollten. dann wäre dies ausdrücklich im Abgeordnetengesetz zu verankern.

Die DVU-Fraktion hat die Überweisung ihres Antra ges in den Hauptausschuss: sowie in den Rechtsausschuss beantragt. Wenn Sie unserem Überweisungsantrag folgten. hätten Sie in den Ausschüssen Gelegenheit. noch entsprechende Änderungsvorschläge einzubringen.

(Beifall hei der DVU)

Das Wort geht an die Koalition. Herr Abgeordneter Hoineyer. bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dic Koalition ist der Auffassung. dass das Thema Funktionszulagen angesichts der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungs

gerichtes vom 21.07.2000 der aktuellen Erönening bedarf. Dies geschieht derzeit, wie wir alle wissen, nicht nur in den Medien. sondern in den verschiedensten parlamentarischen und interparlamentarischen Gremien. Da das Ergebnis weitgehend offen ist. lehnen wir es ah. über einen Gesetzentwurf zu beraten und zu entscheiden, der ganz offensichtlich vorschnell und mit der heißen Nadel genäht wurde.

Sie sollten es zugeben. meine Damen und Herren von der antragstellenden Fraktion, dass Sie mit diesem Schnellschuss populistische Absichten verfolgen. ungeachtet der schwierigen Rechtsfragen. die sich zweifellos stellen. die aber mit der Gesetzesinitiative keineswegs beantwortet werden können.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Gesamtproblematik und unsere Bewertung kurz darstellen. Das Bundesverfassungsgericht hat über die Zulässigkeit konkret bezeichneter und bezifferter Funktionszulagen gemäß § 5 des Thüringer Abgeordnetengesetzes in der Fassung vorn 7. Februar 1991 entschieden und sie teilweise für verfassungswidrig erklärt. und zwar unter Bezugnahme auf das so genannte Diätenurteil aus dem Jahre 1975 und dem darin formulierten Gleichheitsgrundsatz. Das Gericht hat sich aber nicht explizit mit der Frage auseinander gesetzt. oh gesetzliche Regelungen, z. B. im § 23 Satz 3 des Brandenburgischen Abgeordnetengesetzes - danach dürfen besondere Dienste. die der Abgeordnete seiner Fraktion leistet, von dieser vergütet werden -. mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sind.

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Damit wir uns richtig verstehen: Ich sehe mich hier und heute nicht in der Lage. diese Frage eindeutig mit Ja oder Nein zu beantworten. Das. meine Damen und Herren, können verschiedene Gutachter. die von verschiedenen Fraktionen mittlerweile befragt wurden, auch nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantvv orten. Herr von Arnim hat eine Auffassung dazu und Herr Redecker. ebenfalls ein bekannter Verfassungsrechtler. hat in seinem Gutachten eine andere Auffassun g dazu.

Ich erlaube mir jedoch darauf hinzuweisen. dass einige gewichti ge Argumente für die Zulässigkeit der genannten gesetzlichen Regelungen sprechen. die wir hier in Brandenburg haben, insbesondere zum Beispiel die Tatsache. dass die Landtagsfraktionen verfassunesreeknheh weitestgehend selbstständig sind und über die ihnen zur Eigenbewirtschaftung zugewiesenen finanziellen Mittel im Rahmen ihrer Aufgaben unimiezlieh frei verfügen können.

Sie unterliegen andererseits aber auch strengen Kontrollen. Ich erinnere nur an die Stichworte jährliche Rechnungslegung und Veröffentlichung über den Präsidenten. Prüfung durch Wirtschaftsprüfer und Erteilun g von Testaten und nicht zuletzt Prüfung durch den Landesrechnungshof. Der * 23 unseres Abgeordnetengesetzes in Verbindung mit dem § 10 Abs. 3 Nr. 2 b des Fraktionsgesetzes be g ründet also keinen Rechtsanspruch von Funktionsträgem auf Zahlung bestinunter zusätzlicher Vergütungen wie zum Beispiel in Thüringen, Vielmehr bleibt es den Fraktionen überlassen. autonom darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Größenordnung sie besondere Aufgaben innerhalb der Fraktionen - nicht innerhalb des Gesamtparlamentes - honorieren bzw. dotieren wollen. und zwar nach dem Prinzip Leistung und Gegenleistung.

Im Gegensatz dazu beruht die allgemeine Abgeordnetenentschädigune. also die Diätenregelung. nicht auf diesem Prinzip, sondert ist. wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt hat. im weitesten Sinne eine so genannte Mimentationsregelung.

Die geschilderte Rechtslage in Brandenburg begründet nach unserer Überzeugun g auch nicht die Gefahr von Abgeordnetenlaufbahnen und Einkommenshierarchien, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Urteilsbegründung für Thüringen sieht. Im Übrigen entspricht unsere Brandenbureer Regelung im Grundsatz der Empfehlung der unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechtes vom 03.06.1993,

Meine Damen und Herren, ich betone aber noch einmal: Das Thema ist nicht ausdiskutiert. sodass ein Schnellschuss wie der Gesetzentwurf der antragstellenden Fraktion völlig ungeeignet ist, das Problem jetzt seriös zu lösen. Sollte sieh nach dem Ergebnis der laufenden Gesamtdiskussion vor allem bei der juristischen Prüfung herausstellen. dass eine Novellierung unseres Abgeordnetengesetzes und oder unseres Fraktionsgesetzes erforderlich ist, werden wir uns dem selbstverständlich nicht versehl ießen.