Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Im Wahlprogramm wurde dies als „Antwort auf die wachsende Politikverdrossenheit" bezeichnet.

Entsprechend eindeutig war auch der rot-grüne Koalitionsvertrag. Uni die..demokratischen Beteiligungsrechte - der Bürger zu stärken, sprach sich die neue rot-grüne Bundesregierung schon im Oktober 1 998 dafür aus, auch das Grundgesetz diesbezüglich ändern zu wollen. Mittlerweile wurde das Grundgesetz von der rot-grünen Bundesregierung in zwei Artikeln geändert. aber bezüglich der Einführung eines Volksentscheids ist noch keine Änderung bzw. Ergänzung in Sicht.

Im Herbst dieses Jahres ging SPD-Generalsekretär Franz Müntefering an die Öffentlichkeit, uni noch einmal einen Vorstoß seiner Partei für die Einführung von Volksentscheiden und anderen plebiszitären Elementen in der Verfassung anzukündigen.

Müntefering bezeichnete die Fordening nach mehr direkter Demokratie als eine „sehr traditionelle Forderung von liberaler und linker Seite in Deutschland" und bekam postwendend Zustimmung von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Künast. Dass Letztere jedoch nach dem VerheugenVorstoß über das Thema Ost-Erweiterung keine Volksabstimmung durchführen lassen wollte. verwunderte allerdings.

Schließlich fordert auch die FDP seit ihrem jüngsten Bundesparteitag die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene. In dem mit großer Mehrheit angenommenen Leitantrag des FDP-Generalsekretärs Guido Westerwelle heißt es wörtlich:

„Es ist kein Schaden für die repräsentative Demokratie, wenn Schlüsselentscheidungen für das deutsche Volk auf allen Ebenen von ihm selbst getroffen werden.

Im „Aufruf für mehr Demokratie-, der von den Bundesministern Otto Schily und Herta Däubler-Gmclin mit unterzeichnet wurde, heißt es:

„Angestoßen durch die 68er Bewegung und ein weiteres Mal befördert durch die friedliche Revolution im Jahr 1989 wurden in den letzten Jahrzehnten vielerlei Formen von Bürgerbeteiligung erprobt. Sie sollten noch weit häufiger als bisher und vor allem auch auf höheren Entscheidungsebenen im politischen System angewandt werden."

Die Unterzeichner warnen davor, „die demokratische Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger weiter darauf zu beschränken, dass sie alle vier oder gar fünf Jahre ihre Stimme abgeben dürfen" und ansonsten in Unmündigkeit gehalten werden.

Unsere Fraktion der Deutschen Volksunion in diesem Landtag befindet sich also in ihrer Forderung nach der Einführung plebiszitärer Elemente wie Volksbegehren, Volksentscheid oder

Volksinitiative in das Grundgesetz, welche bis heute außer bei einer Neugliederung des Bundesgebietes nicht möglich sind, in bester, etablierter Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, nun mag bei dem einen oder anderen auch die Frage aufgetaucht sein: Wenn sich doch so viele für eine Volksabstimmung in der Vergangenheit aussprachen - warmin bedarf es dann eines Antrages der Deutschen Volksunion? Diese Frage lässt sieh ganz einfach beantworten.

Frau Abgeordnete. kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrages!

Ich bin fast am Ende. - In der Vergangenheit haben sich viele Politiker für eine Sache ausgesprochen. haben diese dann aber nicht umgesetzt. Wie verhältnismäßig schnell man Artikel des Grundgesetzes ändern kann, wenn man denn nur will. haben wir ja miterleben dürfen. als vor wenigen Wochen der Artikel I6 des Grundgesetzes geändert und auch das Recht der Frau auf den Grundwehrdienst im Grundgesetz verankert wurde. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, eine aktive Rolle für die Änderung des Grundgesetzes zu übernehmen.

Bitte. kommen Sie zum Schluss! Sie sagten, einen Satz, meinten aber offensichtlich Absatz. Das müssen Sie dann auch sagen.

Wir haben eine namentliche Abstimmung beantragt. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

präsentatives Modell der Demokratie nach westlichem Vorbild entschieden. Insoweit fehlen dieplebiszitären Elemente in unserem Grundgesetz in der Tat fast ganz. Eine Ausnahme ist die Frage der Länderzusammenlegung.

Die moderne Verfassungsdiskussion hat allerdings insbesondere in den vergangenen zehn Jahren auch zu wesentlichen neuen Einsichten geführt, die nicht folgenlos geblieben sind. Heute werden direkte und plebiszitäre Elemente weniger als ein Widerspruch begriffen. sondern als Bausteine einer zeitgemäßen Verfassungskonstruktion, die sich sinnvoll ergänzen können.

Die Verfassung Brandenburgs ist mittlerweile breit akzeptiert. Ihre instnirrtente werden verantwortungsbewusst genutzt und ein unfruchtbares Gegeneinander von repräsentativen und direkten Elementen konnte bislang nicht festgestellt werden. Insofern wurde auch manche Kritik durch die Verfassungspraxis der vergangenen Jahre selbst widerlegt.

Nach der Wende, meine sehr verehrten Damen und Herren, gab es bekanntlich auch eine bundesweite Verfassungsdiskussion. die insbesondere uni die Frage der Einführung direkter Elemente in das Grundgesetz kreiste. Dazu ist es aus verschiedenen Gründen nicht gekommen und ich sage ausdrücklich: Wir und ich bedauern es.

Sollte eine erneute Debatte zu dieser Frage eine Beteiligung Brandenburgs erfordern, so bin ich mir sicher, dass die Parteien, Fraktionen und anderen gesellschaftlichen Akteure dazu ebenso einen angemessenen und konstruktiven Beitrag leisten werden wie die Koalition insgesamt. Nur benötigen wir auch in dieser Frage, Damen und Herren der DVU, keinen Nachhilfeunterricht und am allerwenigsten von Rechtsextremisten in diesem Parlament. die noch nie zu den Förderern der Demokratie, sondern gerade zu ihren Gegnern gehört haben.

(Einzelbeifall bei der SPD) (Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Herr Abgeordneter Klein, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Heuchelei sind offenbar keine Grenzen mehr gesetzt. Wie anders soll man es werten. wenn ausgerechnet die Antidemokraten der DVU einen Antrag mit dem Titel.,Mehr Demokratie wagen" in dieses Haus einbringen!

(Einzelbeifall bei der SPD - Gelächter bei der DVU)

Es berührt schon peinlich und macht uns von der Sozialdemokratie ganz besonders ärgerlich. wenn Sie ein Motto Willy Brandts zitieren, den Sie wegen seiner Entspannungspolitik ansonsten wohl zu den Vaterlandsverrätern zählen. Die Koalition denkt nicht daran. Ihnen auf den Leim zu gehen, und wird Ihren Antrag ablehnen.

Zur Sache selbst nur einige wenige Bemerkungen. Der Parlamentarische Rat hatte sich seinerseits ganz bewusst für ein re

Wie schon am Anfang gesagt: Die Koalition wird dem Antrag die ihm angemessene Behandlung zuteil werden lassen, indem wir ihn ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Herr Abgeordneter Vietze, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bestimmungen der Brandenburger Verfassung zur Volksgesetzgebung setzen Maßstäbe für die Mitwirkungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern. Wir sind sehr stolz darauf. dass die plebiszitären Elemente Bestandteil der Brandenburger Verfassung sind. Sicherlich besteht in Brandenburg auch parteiübergreifend Konsens, dass diese Elemente durchaus Bestandteil des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland werden könnten, Dafür haben wir schon viel getan. Da ist Überzeugungsarbeit notwendig. dazu gehört die Vermittlung von Erfahrungen. Wir können uns durchaus vorstellen, dass diese Maßstäbe im Ergebnis einer

1636 1 _andiag Brandenburg - 3. Wahlperiode - Plenurprinokol I 3.27 - l3. Dezember 2000

umfassenderen Debatte zu diesem Sachverhalt dann auch Eingang ins Grundgesetz finden.

Wir sagen aber auch - und dies besonders an die Adresse der Kollegen der DVU. die das Problem hier angesprochen haben -: Parlament und Volk in Brandenburg bedürfen eines solchen Antrages nicht. Wer aufmerksam durchs Land geht, weiß: Es läuft zurzeit eine Volksinitiative für mehr Demokratie. Wer in dieser Weise aktiv werden will, kann dort gern seine Unterschrift leisten. Aber ich glaube, auch da ist Ihre Unterschrift nicht gefragt.

(Beifall bei der PDS} Ich will auch deutlich machen. warum - das ist der einzige Punkt. auf den ich Wert lege, denn er ist ganz entscheidend: Die Brandenburger Verfassung gewährt das Recht der Volksinitiati- ve allen hier Lebenden. unabhängig davon, ob sie Deutsche im Sinne des Gnindgesetzes sind. Die Bestimmungen zur Volks- uesetzechung gehen von einem modernen Volksbegriff aus. Nach :Artikel 3 der Brandenburger Verfassung bilden das Bran- denburger Staatsvolk all jene, die ihren ständigen Wohnsitz im Lande Brandenburg haben, und zwar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Diesen Volksbegriff lehnen Sie, lehnt die rechtse trenustische DVU bekanntlich ah. Sie haben einen ganz anderen. einen völkischen Volksbegriff. und insofern reden Sie, wenn Sie vorn Volk sprechen. über etwas ganz anderes als wir - auch dann. wenn wir über die Initiativrechte des Volkes spre- chen. Insofern bedarf es Ihres Antrages wirklich nicht. Er ver- dient +% eder überwiesen noch in irgendeiner Weise behandelt zu werden. - Danke schön. ( Beifall bei PDS und SPD)

Wir sind damit bei der Landesregierung. - Sie verzichtet. Damit sind %vir am Ende der Rednerliste angelangt und ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, die Namenslisten vorzubereiten und mit dem Namensaufruf zu beginnen. Die Abgeordneten bitte ich, sich nach dem Namensaufruf laut und deutlich zu äußern.

(Namentliche Abstimmung)

Hat einer der hier anwesenden Abgeordneten keine Gelegenheit gehabt abzustimmen? - Frau Richstein, dann bitte ich um Ihr Abstimmungsvotum.

(Die Abgeordnete Frau Richstein [CDU] gibt ihr Votum ab.)

Herr Bartsch!

(Der Abgeordnete Bartsch [CDU] gibt sein Votum ab.)

Herr Petke!

(Der Abgeordnete Petke [CDU] gibt sein Votum ab.)

Haben wir alle erfasst? - Dann bitte ich um einen Moment Geduld zur Auszählung der Stimmen.

Ich gebe das Ergebnis bekannt. Für den Antrag stimmten fünf Abgeordnete. dagegen 54. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 1644)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Bundesratsinitiative für mehr Demokratie in der Europäischen Union

Antrag der Fraktion der DVU