Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Ich danke der Abgeordneten Frau Stobrawa. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen und kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt, die Drucksache 3/2097 an den Ausschuss für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag fol gt. den bitte ich um sein Hand

zeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur direkten Abstimmung des Antra ges Drucksache 3/2097 der Fraktion der DVU. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt. den bitte ich uni sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2098

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rundfunk- und Fernsehanstalten auf Bundes- wie auf Landesebene sind heute unabhängig von ihrer Rechtsform oder ihren Eigentümern moderne. nach betriebswirtschaftlichen und Management-Grundsätzen arbeitende Konzerne.

In einer Zeit. in der einstige staatliche Sondervermögen wie Post, Telekom oder Bahn auf Bundesebene privatisiert wurden. ist es nicht einsehbar. warum die bundes- bzw. landeseigenen Rundfunk- und Fernsehanstalten weiterhin in öffentlich-rechtlicher Form, das heißt als Anstalten des öffentlichen Rechts, betrieben und nicht stattdessen privatisiert werden. Eine solche Privatisierung würde in Konkurrenz mit den privaten Rundfunkund Fernsehsendern die Programmvielfalt fördern und ebenso das Mitspracherecht des Bürgers, welches nicht nur über die beizubehaltenden Rundfunk- und Fernsehräte, sondern ebenso durch eine mögliche finanzielle Beteiligung an den privatisierten Rundfunk- und Fernsehanstalten gewährleistet wäre.

Meine Damen und Herren! Als Fraktion der DVU wurden wir bei der Konzeption dieses Antrages von mehreren Überlegungen geleitet. Kommen wir zunächst zum finanziellen Aspekt:

Während in diesem Hause das Gesetz zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag und damit zur Anhebung der Rundfunkgebühren auf fast 32 DM pro Monat in dieser Dezember-Plenarsitzung auf der Tagesordnung stand und von den Mitgliedern dieses Landtags wieder einmal zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande abgenickt wurde, sorgen die jüngsten Finanzskandale bei den so genannten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für heftige Kritik nicht nur der Rechnungshöfe, sondern vor allem auch der Bürgerinnen und Bürger, welche mit ihren Rundfunk- und Fernsehgebühren die Mittel bereitstellen, mit denen solche Spekulationsskandale überhaupt möglich werden.

So verspekulierte allein der Mitteldeutsche Rundfunk unter sei

nem Intendanten Udo Reiter 2,6 Millionen DM durch Anlage von fv1DR-Gellem in der ecuadorianischen Währung. Wie aus einem Prüfbericht des PWC Deutsche Revision hervorgeht, hat der MDR bereits 1998 Kursverluste von 1.3 Millionen DM verbuchen müssen. Die verspekulierten Gelder stammten im Übrigen aus öffentlichen Mitteln in Höhe von insgesamt 517 Millionen DM, die der MDR Anfang der 90er Jahre für den Neubau der Funkhäuser bekam.

Die Gebührenzahler in den Altbundesländern hatten über einen zusätzlichen Solidarbeitrag von 1992 bis 1995 eine knappe Milliarde Mark für den Aufbau der Rundfunkanstalten in Mitteldeutschland aufgebracht. Da der Bau der Rundfunkhäuser dann doch nicht so teuer war, besitzt allein der Mitteldeutsche Rundfunk ein Vermögen von sage und schreibe 1.3 Milliarden DM, wovon rund eine Milliarde DM in Anlagen investiert ist.

Zum kürzlichen Verlust erklärte der Sprecher der Dresdner Bank. welche die Anlage für den MDR vorgenommen hatte, lapidar:

..Die Möglichkeit des Totalverlustes war gegeben, denn die Anlage war in der höchsten Risikostufe."

Geld in Wertpapieren anzulegen ist jedoch bei öffentlich-rechtlichen Sendern durchaus üblich. So spekuliert z. B. der Westdeutsche Rundfunk mit Aktien, während der ORB hier in Brandenburg ebenso wie der Sender „Freies Berlin- überschüssiges Geld in festverzinslichen Wertpapieren anlegt. Wie aus dem Jahresbericht des ORB bekannt wurde, wurde von ihm im Jahre 1999 freies Kapital aus der Liquiditätsreserve und aus Rückstellungen in Höhe von insgesamt 136 Millionen DM oder eines Drittels der Bilanzsumme in Rentenpapieren angelegt. Der ORB erwirtschaftete damit fast 11 Millionen DM an Zinsen. Für das.lahr 2000 wurden 7 Millionen DM an Zinsen geplant, während das Ist bereits jetzt bei über 8,5 Millionen DM liegt. Auch die mittelfristige Finanzplanung des ORB bis 2004 sieht jährliche Zinserträge zwischen 5 und 7 Millionen DM vor.

Es ist nicht einsehbar, meine Damen und Herren. dass so genannte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten für schlechte Programmqualität nicht nur Spitzengehälter an ihre Mitarbeiter zahlen und sündhaft teure Investitionen in Immobilien und Betriebsausstaming tätigen, sondern dass sogar noch so viel Geld übrig bleibt. dass man sich damit gleichsam als Broker oder als Bank betätigen und lukrative Spekulationsgeschäfte mit dem Geld der Bürger durchführen kann.

Auch der Fall des ARD-„Tagesschau"-Moderators Claus-Erich Boetzke, welcher zusammen mit seiner Frau mittels InsiderGeschäften und getürkten Beraterverträgen zusätzlich zu seinem fürstlichen Salär bei der ARD 585 0(10 DM beim Mitteldeutschen Rundfunk abgezockt haben soll. paßt sehr gut ins Bild.

Doch kommen wir, meine Damen und Herren, nun zu Punkt 2 unserer Kritik:

Für uns als Fraktion der DVU wie für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hier in Brandenburg wie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ist es in keiner Weise einsehbar, für ein Fernsehprogramm, welches vor Schmutz und Schund, Lügen. Verdrehungen und Halbwahrheiten und - ich gebrauche

dieses Wort hier und heute bewusst - geradezu von Volksverdummung nur so strotzt. Zwangsgebühren zahlen zu müssen.

Wer die an Widerwärtigkeit und Gemeinheit nicht mehr zu übertreffende reißerische Berichterstattung über die sächsische Stadt Schnitz und ihre Bürger. die dort zum fast völligen wirtschaftlichen Ruin führte, erlebt hat und ebenso die Hasskampagne gegen alles, was irgendwie rechts, national, patriotisch oder auch nur konservativ in diesem Lande ist - wobei sich das InfoRadio Berlin-Brandenburg, eine Tochtergesellschaft des ORB, ja sogar dazu verstieg, in einer Nachrichtensendung zu behaupten. ein Bundeswehrhauptmann. welcher in Potsdam vor Gericht steht. hätte vor zweieinhalb Jahren nur deshalb auf einen Wehrpflichtigen geschossen. weil dieser ein so genanntes rechtsradikales Aussehen gehabt hätte, und dies sei quasi rechtens gewesen -, wer sich also all dies vor Augen führt, kann doch wohl in keiner Weise mehr die derzeitige Struktur dieser so genannten öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten gutheißen, auch nicht die damit verbundene Gebührenpraxis.

(Beifall bei der DVU)

Die in Deutschland bestehenden Privatsender bieten zwar auch kein besseres Programm als die öffentlich-rechtlichen, manchmal ganz im Gegenteil, aber der mündige Bürger hat bei diesen Sendern zumindest die Möglichkeit, auf den Knopf zu drücken. wenn er das, was dort gezeigt wird, nicht mehr sehen will. ohne Zwangsgebühren zahlen zu müssen, egal, ob er die Sender sieht oder nicht, nur weil er ein Rundfunk- oder Fernsehgerät besitzt. Gleichfalls kann er mit der Betätigung des Knopfes über die Einschaltquoten entscheiden, die wiederum ausschlaggebend für Werbung sind. Vergessen wir nicht. dass im Preis die Werbekosten einkalkuliert sind!

Als Fraktion der Deutschen Volksunion in diesem Landtag haben wir zweifelsohne nichts dagegen, wenn sich jemand solche volkspädagogisch wertvollen Talkshows wie die des Herrn Friedman oder der Frau Christiansen ansieht oder auch die ORB-Sendung „Klartext- mit ihrer primitiven Hetze und ihren noch primitiveren Verdrehungen und Halbwahrheiten, über unsere Fraktion zum Beispiel: doch dafür auch noch Zwangsgebühren zu kassieren, welche dann in fragwürdigen Finanzanleihen angelegt werden, ist für uns als Fraktion der DVU schlicht und ergreifend eine Frechheit.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Sie können doch Ihr Fernsehen abmelden, Sie müssen doch gar nicht fernsehen!)

- Dass Sie das sagen. das verstehe ich. Viele Leute denken doch schon. der ORB sei eine Anstalt der PDS.

(Gelächter bei der PDS)

Wir fordern daher die Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten in Aktiengesellschaften. an denen die öffentliche Hand nur mehr eine Sperrminorität halten sollte, und die Selbstfinanzierung dieser Anstalten durch Werbeerträge, ähnlich wie bei den Privatsendern.

Durch Beibehaltung der Rundfunkräte, staatliche Sperrminoritäten an den teilprivatisierten Rundfunk- und Femsehunternehmen sowie die Gewährleistung der in Artikel 5 des Grundgesetzes und Artikel 10 der Verfassung des Landes Brandenburg

sowie in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO-Vollversammlung vom 10.12.1 94 g verbürgten Meinungsfreiheit bei den privatisierten Rundfunk- und Fernsehanstalten würde dabei einer unzulässigen Einflussnahme wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Gruppen ein Riegel vorgeschoben und somit den einschlägigen Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes Genüge getan.

Durch den Wegfall der Rundfunk- und Fernsehgebühren ergäbe sich für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Brandenburg eine wesentliche finanzielle Entlastung.

Wenn Sie es, meine Damen und Herren aller hier vertretenen Fraktionen, mit Meinungsfreiheit und Bürgerwohl ernst meinen, fordere ich Sie auf, unserem vorliegenden Antrag zuzustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort an den Abgeordneten Klein. Er spricht für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU. Bitte schön. Herr Klein!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können sich denken. dass das Vergnügen, zum dritten Mal zu einem DVU-Antrag zu sprechen, recht zweifelhaft ist. In diesem Falle bin ich aber doch zufrieden, dass ich noch einmal reden darf, weil ich zum einen den Antrag der DVU mit dem Wort „Lächerlichkeif' und die Rede des Herrn Schuldt von der DVU als widerlich charakterisieren will. Der Antrag ist lächerlich, weil jetzt wirklich nur noch eines fehlt: nach der Forderung nach Privatisiening von ARD und ZDF auch noch - vielleicht kommt das ja im Januar - die Privatisierung der Landesparlamente in Deutschland. Aber ich denke mir, dass die Vertreter der anderen Fraktionen es als wert ansehen, wenn ich wenigstens noch drei sachliche Bemerkungen zu diesem Antrag mache.

Erstens: Das duale System des Rundfunks in Deutschland hat sich im Grundsatz bewährt. Gerade aus diesem Grunde haben wir den einen Pfeiler dieses Systems heute finanziell gestärkt, indem wir dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugestimmt haben, verbunden mit der Forderung nach mehr Transparenz und Kontrolle der Finanzwirtschaft. Eine Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auf die Ihr Antrag abzielt. lehnen wir ab.

Zweitens: Die DVU fordert eine Privatisierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Form von Aktiengesellschaften. Dass der DVU der Vergleich mit staatlichen Sondervermögen wie Bahn und Post einleuchtend erscheint. zeigt, wie viel sie von der Materie versteht. Dass Information. Kommunikation und öffentliche Meinungsbildung Güter von ganz anderer Qualität als Rangierlokomotiven, Telefonzellen oder auch Briefmarkenautomaten sind, will der DVU nicht einleuchten: es wäre ja auch verwunderlich. Um das Maß voll zu machen, sollen die Rundfunk- und Fernsehräte bei der Umwandlung in Aktiengesellschaften beibehalten werden. Dies ist eine völli g absurde Vorstellung. Welche Aktiengesellschaft ließe sich denn durch

Femsehbeiräte oder Rundfunkbeiräte in ihr Geschäft hineinreden?

Drittens: Die Privatisierung soll angeblich die Programmvielfalt und ebenso das Mitspracherecht der Bürger fördern. Nichts ist abwegiger als diese Annahme. wie die Entwicklung des Privatfunks in Deutschland zeigt: denn angesichts der Inflation von Talkshows. Gameshows, Soapoperas und sonstiger Beglückungen wie „Big Brother'. und ähnlichen Dingen lässt sich zumeist nur noch am eingeblendeten Senderlogo feststellen, von welchem Sender es denn kommt. Bei den Ausführungen des Herrn Schuldt hatte ich den Eindruck, dass er gerade die Programmvielfalt der Privaten im Auge hatte, niemals aber die der öffentlich-rechtlichen Anstalten, denn Letztere sind ganz anders, als er es dargestellt hat.

Aber ich will nicht verhehlen. dass auch wir so manche Entwicklung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer gewissen Besorgnis sehen. Leider ist das Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. dem vermeintlichen Publikumsgeschmack entgegenzukommen, an manchen Stellen zu erkennen. Wir können das nicht tolerieren, sind aber zufrieden, dass in ARD und ZDF und natürlich in den dritten Programmen ein qualitativ hochwertiger.Anteil an Nachrichten und Infonnationen sowie an Politik- und Kulturberichterstattung Raum greift, wie es bei den Privaten eben nicht stattfindet. Das zeigt, ganz dem DVU-Antrag entgegengesetzt, die Unverzichtbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Wir leimen Ihren Antrag ab.

(Beifall hei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein. - Von der Fraktion der PDS wurde mir Redeverzicht angezeigt. Ist das so? Wünschen Sie das Wort? - Bitte schön. Herr Abgeordneter Bisky!

Herr Präsident. ich bedanke mich. Ich mache es sehr kurz. Ich wollte eigentlich nicht reden. weil bereits alles gesagt wurde. Die Privatisierung ist exakt der falsche Weg.

Da ich aber als linker Kritiker der öffentlich-rechtlichen Anstalten bestehen will, werde ich sie gegen Sie von der DVU energisch und mit allem, was ich kann, verteidigen.

(Beifall bei PDS und SPD)

Ich lasse nicht zu. dass Sie mit Lügen kommen. Auch ich bin gegen die Gebührenerhöhun g. Aber wenn wir so sparen wollen, dann sollten wir besser bei den Privaten sparen. Ich wiederhole es: Jede Sekunde. die die privaten oder Korrimerzsender senden, ist von den Konsumenten bezahlt. Deren Einnahmen kommen doch von den Leuten, die Sie hier schützen zu müssen meinen. Das ist eine Lüge. Am teuersten sind die Kommerzsender, wenn ich vom Standpunkt der kleinen Leute ausgehe.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der SPD)