Wichtig ist aber auch, Aussteigewilligen durch Strafmilderung in geeigneten Fällen eine goldene Brücke aus ihrer persönlichen Verstrickung in das Unrecht zu bauen. Deshalb brauchen wir auch für diesen Bereich eine Kronzeugenregelung.
Es war meines Erachtens ein schwerer politischer Fehler, dieses wichtige Instrument bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität auslaufen zu lassen. Wir müssen die Mängel der bisherigen Regelungen beheben und dabei die Vorschläge berücksichtigen, die von der Praxis dazu gemacht worden sind. - Vielen Dank.
Dieses Aussteigerprogramm ist vom Innenminister ins Leben gerufen worden. Es ist zunächst eine Projektgruppe eingesetzt worden. Wie der Name sagt, geht es zunächst einmal darum, ein Konzept im Rahmen der Arbeit des Verfassungsschutzes zu entwickeln. Der Verfassungsschutz kann in diesem Zusammenhang bundesweit auf entsprechende Erfahrungen mit Aussteigerprogrammen aus dem linksextremistischen Bereich zurückgreifen; das Stichwort lautete damals RAF. Welche Mittel für das eigentliche Projekt notwendig sein werden, wird Kollege Schönbohm dem Landtag zu gegebener Zeit mitteilen.
Herr Minister, ich möchte Sie bitten, die in den Medien häufig anzutreffenden Befürchtungen zu entkräften
- ich stelle gerade die Frage, -, dass mit einem solchen Programm möglicherweise erst Einsteiger provoziert werden, die sich das Aussteigen dann versilbern lassen.
Ich sehe diese Gefahr überhaupt nicht. Ich darf noch einmal sagen: Die Erfahrungen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz in den 70er und 80er Jahren mit Aussteigerprogrammen im Kampf gegen den Linksextremismus gemacht hat, haben diese Gefahr nicht bestätigt. Wir sollten auf diesen Erfahrungen aufbauen. Wenn ich Sie daran erinnern darf, dass ich auf eine Kronzeugenregelung hingewiesen habe, die wir wieder auflegen sollten, dann muss auch bei dieser Kronzeugenregelung die Erfahrung der Praxis berücksichtigt werden. Es gibt z. B. eine langjährige Praxiserfahrung aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, aber eine zu geringe Erfahrung im Bereich OK und auch Terrorismus. Wir müssen die Erfahrungen der Praxis dabei berücksichtigen, damit diese Gefahr, die Sie ansprechen und die da und dort geäußert wird, nicht Realität wird.
Herr Minister, Ihre Äußerungen, dass bei der Erarbeitung dieses Konzepts auch auf Erfahrungen anderer freier oder auch ehrenamtlicher Träger zurückgegriffen werden soll, die ausstiegsorientierte Präventionsarbeit leisten, waren auch schon in der Presseerklärung des Innenministeriums zu lesen. Meine Frage ist: Können Sie hier auf schon erstellte Ergebnisse/Analysen zurückgreifen? Welche wären das?
Ich darf für das weitere Abarbeiten des Projektes „RAUS” auf die weitere Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums verweisen, möchte aber zunächst einmal daran erinnern, dass es bereits erhebliche Erfahrungen im Bereich der ehrenamtlichen Verbände und auch von Einzelpersonen gibt, die sich vor allem mit Jugendlichen aus der rechtsextremistischen Szene befassen. Ich darf darauf hinweisen, dass das Justizministerium seit einigen Monaten an einem Projekt arbeitet, das in Strafvollzugsanstalten, in denen Jugendliche einsitzen, durchgeführt werden soll und das sich unter Nutzung der Fachkompetenz eines Berliner Instituts für Sozialpädagogik darum bemüht, aussteigewillige Jugendliche in unseren Jugendhaftanstalten aufzuschließen, zu ergründen, wie man an diese Jugendlichen herankommt und unter welchen Voraussetzungen sie bereit sind, tatsächlich auszusteigen.
Wir können insgesamt - ich darf es noch einmal sagen - auf eine reiche Erfahrung aus dem Bereich der Bekämpfung des Linksextremismus zurückblicken, wobei ich gern hinzufüge, dass diese beiden Bereiche und auch die Tätergruppen und die Profile nicht vergleichbar sind und wir deshalb vermeiden müssen, das 1 : 1 in ein Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus umzusetzen.
Schönen Dank. - Wir sind am Ende der Fragestunde. Mit dem Schließen des Tagesordnungspunktes 1 verbinde ich einen herzlichen Gruß an Gymnasiasten aus Cottbus. Herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Ereignis der jüngsten Zeit hat die Gefühle der Menschen so sehr getroffen wie die vor dem Bildschirm erlebte Großfahndung nach dem Gewaltverbrecher Schmökel und dessen krimineller Potenz. In der Erinnerung wurden die Ängste wieder belebt, die die Morde der Serientäter Schmidt und Schwanke hinterließen. Ein tiefer Riss ging durch das Erleben und das Bewusstsein der Bevölkerung. Da wurden plötzlich Forderungen nach Sterilisation und Todesstrafe öffentlich. Und auch jene, deren Meinung
auf humanistischer Gesinnung basierte, forderten lückenlosen Schutz vor kriminellen Kranken und deren lebenslange Inhaftierung. Verdrängt wurde dabei fast von allein, dass der Therapieund Resozialisierungsanspruch ein verfassungsmäßig verankertes Grund- und Menschenrecht ist.
Am spektakulären Fall Schmökel entzündete sich aktuell eine von den Massenmedien aufgeheizte, nie da gewesene Polemik zum Maßregelvollzug. Ein jahrhundertealtes unzureichend gelöstes, brisantes Problem war plötzlich für alle spürbar und sichtbar geworden und in die eigenen Wohnzimmer gekommen.
Der Rücktritt des Staatssekretärs Schirmer und die immer wieder erhobenen Forderungen zur Demission des Ministers Ziel konnten und können kein Lösungsansatz dieses fundamentalen gesellschaftlichen Problems sein. Wer bei der Vorstellung einer personellen Einzelverantwortung bleibt, ist sachlich völlig desinformiert und verhält sich zu jedem konstruktiven Lösungsansatz kontraproduktiv.
Meine Damen und Herren, exkulpierte und teilexkulpierte Straftäter, also solche Straftäter, die zurzeit der Tat nicht schuldfähig oder nur vermindert schuldfähig waren, werden nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zur Abwehr künftiger Gefahren auf der Basis freiheitsentziehender Maßregeln in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht.
Während die Unterbringung der Patienten mit Suchtproblemen gemäß § 64 StGB maximal zwei Jahre beträgt, erfolgt die übliche Unterbringung gemäß § 63 StGB unbefristet, das heißt, unter Umständen lebenslang. Insbesondere der Umgang mit Tätern, die Persönlichkeitsstörungen aufweisen, ist in unserem Strafrechtssystem mit großen Problemen behaftet. Um Ihnen einen Einblick in die Vielfältigkeit des daraus resultierenden Konfliktpotenzials zu geben, versuche ich, sie in komprimierter Form den unterschiedlichen Bezugsebenen zuzuordnen.
Da ist zunächst die Öffentlichkeit, die ein uneingeschränktes Recht auf globalen Schutz vor gefährlichen, psychisch abnorm reagierenden und kranken Rechtsbrechern hat. Dieser Schutz muss ihr durch den Staat ohne Einschränkungen gewährt werden. Aufgabe der Politik ist es, hierfür die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Zur Bezugsebene Justiz: Sie setzt auf Sicherung, Behandlung, Resozialisierung, auf Sicherheit durch Behandlung. Unter dieser Prämisse - Sicherung und Besserung - wurde der Maßregelvollzug in Deutschland eingeführt. Im Rahmen der modernen Strafrechtsreform der Nachkriegszeit erfolgte 1969 ein eindeutiges juristisches Bekenntnis zum Rehabilitationsgedanken, der seinen Niederschlag in der Umkehr des Grundsatzes zur Besserung und Sicherung fand.
Der zum gesellschaftlichen Risiko gewordene psychisch kranke Straftäter soll laut Strafrecht so behandelt werden, dass künftig eine Gefährdung der Allgemeinheit vermieden werden kann. Selbst bei erfolgloser Behandlung, bei Therapieunwilligkeit und -unfähigkeit erhält der Maßregelvollzug die Aufgabe der Sicherung. Dieser Hinweis ist wichtig, weil diese Funktionen ausschließlich von medizinischem Fachpersonal und nicht von Justizbediensteten ausgeführt werden. Ich bitte Sie zu beachten, dass diese fachfremden Aufgabenzuweisungen die ethischen Grundlagen professionellen medizinischen Handelns verlassen.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Therapeuten zur subjektiven Schuld bei Entweichungen von Straftätern werden diesen Aspekt berücksichtigen müssen.
Eine Entlassung aus dem Maßregelvollzug ist immer eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer. Das Ergebnis ihrer Entscheidung hängt ausschließlich von der jeweiligen spezifischen Kriminalprognose des Täters ab. Der Gesetzgeber selbst berücksichtigt gewisse Unsicherheiten, die mit der Prognose verbunden sind, und verlangt nicht, dass auch das letzte Restrisiko ausgeschlossen werden kann. Es sind die Therapeuten, die mit dem Instrumentarium der Lockerungsstufen erproben müssen, ob sich die Täter in Freiheit ohne erhebliche Rechtsverletzung bewegen können. Jede gewährte Lockerungsstufe beinhaltet somit ein Restrisiko, das auch durch Fremd- und Expertenbeurteilungen nicht vollständig auszuräumen ist.
Wir haben dies gerade durch den jüngsten Entweichungsfall aus dem Neuruppiner Maßregelvollzug demonstriert bekommen. Wer einen absolut risikofreien Maßregelvollzug fordert, geht an der Realität vorbei und bedient Illusionen und populistische Parolen.
Meine Damen und Herren, es ist zwingende Aufgabe gegenwärtiger und künftiger Gesundheitspolitik, das verbleibende Restrisiko zu minimieren. Damit komme ich zur dritten Bezugsebene des Problems der politischen Rahmensetzung für die forensische Psychiatrie in unserem Lande. Hier müssen alle Verantwortlichen aufgefordert werden, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Bundesweit sind zurzeit etwa 5 000 Menschen im Maßregelvollzug untergebracht. Im Land Brandenburg werden gegenwärtig etwa 230 Plätze benötigt. Die Behandlungskosten je Fall betragen etwa 135 000 DM jährlich.
Mit dem Neubau der Kliniken in Brandenburg und Eberswalde wird der Bedarf gedeckt. Mit ihren Hochsicherheitstrakten werden die bau- und sicherheitstechnischen Voraussetzungen für einen zeitgemäßen Maßregelvollzug bis zum Jahr 2004 geschaffen. Experten warnen aber schon jetzt vor künftigen Belegungsproblemen, da die Einweisungen in den Maßregelvollzug unverändert zunehmen. Im Gegensatz zum allgemeinen Strafvollzug, wo es eine zeitliche Begrenzung der Haftstrafen gibt, kann der gefährliche Maßregelpatient ein Leben lang dort bleiben. Lebenslange Maßregeln bedeuten dann aber dauerhafte Blockierung eines Behandlungsplatzes. Nachzuvollziehen ist sicher, dass diese Problematik nicht durch den fortlaufenden Neubau weiterer Maßregelkliniken zu bewältigen ist. Lösungsansätze müssen folglich andere sein.
Erstens: Es muss künftig die von den Experten geforderte stringentere Differenzierung zwischen behandlungswilligen und behandlungsunwilligen Straftätern erfolgen. Der prozentuale Anteil der Gruppe der Behandlungsunfähigen und -unwilligen soll nach Meinung der Fachleute etwa 20 % betragen. Hier ist die Justiz gefordert, diese Menschen in die Haftanstalten zurückzuführen und sie in sozialtherapeutischen Einrichtungen der Justiz unterzubringen. Ich weise auf den § 65 StGB hin und fordere eine neue Diskussion um den Sinn und die Notwendigkeit der durch das Strafvollzugsänderungsgesetz vom 20. De
Zweitens: Es muss zu einer Verbesserung der Struktur und Qualität der Maßregelvollzugsarbeit kommen. Bis heute werden Maßregelvollzugspatienten nach üblichen Standards der allgemeinen Psychiatrie therapiert. Zusatzqualifikationen, wie sie in vielen anderen Bereichen des Fachgebiets nötig sind, werden für die forensische Psychiatrie nicht gefordert, sind aber zwingend notwendig. Die forensische Psychiatrie stand jahrzehntelang im Abseits des öffentlichen Interesses und gilt als Schlusslicht der Psychiatrie. Um diese Situation zu verbessern, bedarf es neben der professionellen Erstellung von effizienten und differenzierten Behandlungskonzepten einer ausreichenden finanziellen Unterstützung für Forschung, Ausbildung, Weiterbildung, Qualitätssicherung und Supervision. Es bedarf auch einer gesellschaftlichen Neubewertung dieser besonders schwierigen Arbeit. Wenn das nicht gelingt, werden wir in absehbarer Zeit ein nicht zu verantwortendes Defizit an motiviertem Fachpersonal in der forensischen Psychiatrie haben.
Drittens: Um die zu erwartende Überbelegung zu verhindern, sollte die Dauer der Unterbringung begrenzt sein. In Anlehnung an das niederländische Modell wäre eine Begrenzung auf maximal zehn Jahre denkbar. Danach müsste die weitere Sicherung im kostengünstigeren Strafvollzug erfolgen. Das bedarf aber einer grundsätzlichen rechtspolitischen Diskussion. Ich bin mir sicher, dass die durch den Gesundheitsminister eingesetzte Expertenkommission mit ihrem Abschlussbericht weitere Vorschläge zur Verbesserung des Brandenburger Maßregelvollzugs vorlegen wird.
Meine Damen und Herren, in einem humanen Gemeinwesen gibt es keine Alternative zum Maßregelvollzug. Machen wir ihn gemeinsam so sicher, dass die Menschen im Land Brandenburg angstfrei mit ihm leben können, dass aber auch kranke Täter ihr Anrecht auf Behandlung nicht verlieren. - Vielen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Kallenbach und erteile das Wort der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Birkholz, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor vier Monaten hat der Maßregelvollzug in Brandenburg bundesweit für Aufsehen gesorgt. Die PDS-Fraktion hat in der Sondersitzung des Landtages im November letzten Jahres deutlich gemacht, dass der fachlich zuständige Minister, Herr Ziel, für die erheblichen Pannen im Zusammenhang mit der Flucht Schmökels die politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten sollte.
An dieser Bewertung hat sich nichts geändert. Wir haben unsere Kritik bisher sachlich vorgetragen und werden bei diesem Stil bleiben. Das heißt aber nicht, dass wir die Kritik an den Zuständen in einem Bereich, für den Sie, Herr Minister Ziel, und die gesamte Landesregierung Verantwortung tragen, an irgend
einem Punkt zurücknehmen. Im Gegenteil, Unstimmigkeiten zwischen einzelnen Mitgliedern der Landesregierung bestärken uns in dem Eindruck, dass es Ihnen nicht so sehr darum zu tun ist, Defizite und Mängel zu beheben, als vielmehr darum, für diese Defizite und Mängel nicht verantwortlich zu sein.
Welche Defizite sehen wir? Erstens geht es uns um den bestehenden baulichen Nachholbedarf. Wir ignorieren nicht, dass Sie als Minister überhaupt erst einmal Investitionen angeschoben haben. Sie haben allerdings - und das ist die Kehrseite der Medaille - dafür keine ausreichende finanzielle Untersetzung gehabt. Und obwohl Ihnen die Dramatik im Februar letzten Jahres vor Augen geführt wurde - damals hatte das Oberlandesgericht einen nicht schuldfähigen Straftäter auf freien Fuß gesetzt, weil kein Platz im Maßregelvollzug war -, haben Sie sich gegenüber der Finanzministerin mit Nachforderungen vornehm zurückgehalten. Ohne den neuerlichen Druck der Ereignisse hätte es wohl bis heute keine Nachbesserungen gegeben.