Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Meine Damen und Herren! Wir haben vielfältige Erörterungen zu dem brisanten Thema gehört. Ich bin zu der Auffassung gelangt, dass insbesondere die DVU-Fraktion hier einen Beitrag abgeliefert hat, der des Hohen Hauses nicht würdig ist

(Beifall bei SPD und PDS sowie vereinzelt bei der CDU)

und Gliedern der Gesellschaft, vor allem wenn sie krank sind,

offensichtlich jede weitere Existenz in einer erträglichen Form abspricht.

Zu Ihnen von der PDS-Fraktion! Meine Damen und Herren, ich hatte es in dem Beitrag erwähnt: Hier alles auf eine personale Entscheidung fokussieren zu wollen wird dem Problem nun wahrlich nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Es ist mir kein Fall in der Bundesrepublik Deutschland bekannt, in dem ein entwichener Maßregelpatient in irgendeiner Form gar einen Ministerrücktritt erfordert hätte. Diesen Fall müssten Sie mir nachliefern.

Das halte ich durchaus nicht für einen Beitrag zur Versachlichung.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich denke, da waren wir in den Ausschusssitzungen konstruktiver und besser und haben uns sehr bemüht, die Sache zu beleuchten. Was ich heute von Herrn Ludwig gehört habe, grenzt aus meiner Sicht zum Teil an Polemik.

Ich kann nur hoffen, dass wir den humanen Gedanken in dieser Diskussion nicht verlassen und weiter Menschen, die nicht umsonst von der Strafvollzugskammer als schuldlos eingestuft werden, als Patienten behandeln.

Beim obersten Gebot - ich will es an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen -, beim Primat der Sicherheit für die Menschen im Land sollten wir diesen kranken Straftätern Chancen geben und das Problem nicht an einer Personaldebatte aufmachen; denn es ist ein bundesweites Problem und nicht ein Problem des Landes Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Kallenbach. - Wir sind am Ende der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Stunde - angekommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2 und unterbreche die Sitzung des Landtages bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.06 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.00 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne den Nachmittagsteil der heutigen Sitzung und rufe noch einmal den Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Stunde - auf, und zwar nicht, um erneut die Diskussion zu eröffnen, sondern um Ihnen von meinem Stuhl aus zwei Entscheidungen mitzuteilen.

Während der Debatte in der Aktuellen Stunde sind hier im Plenarsaal Worte gefallen, die nicht gerade meine Begeisterung hervorgerufen haben. Ich habe aber nicht sofort eingegriffen, sondern mir erst das Wortprotokoll vorlegen lassen, um zu entscheiden, ob die Formulierungen geeignet sind, die parlamentarische Ordnung zu verletzen. Ich bin zu folgenden Entscheidungen gekommen:

Meine erste Entscheidung betrifft den Redebeitrag von Frau Fechner. Wenn psychisch kranke Menschen im Lande Brandenburg vom Pult des Landtages aus als „Bestien” bezeichnet werden, dann halte ich das für eine Verletzung der parlamentarischen Ordnung und ich erteile Frau Fechner einen Ordnungsruf.

In jedem Falle ist Artikel 7 unserer Landesverfassung durch eine solche Formulierung verletzt worden. Ich rufe Ihnen daher Artikel 7 noch einmal ins Gedächtnis:

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Grundlage jeder solidarischen Gemeinschaft. (2) Jeder schuldet jedem die Anerkennung seiner Würde.

Darauf gründet sich meine Entscheidung.

Meine zweite Entscheidung: Ich erteile auch dem Abgeordneten Ludwig für seinen Beitrag in der Aktuellen Stunde einen Ordnungsruf. Die Begründung ist, dass auch er die parlamentarische Ordnung hier im Landtag verletzt hat, indem er frei gewählte Abgeordnete in einer Art und Weise bezeichnet hat, die nicht zu unserem Ton im Landtag Brandenburg gehört.

Die Mitteilung dieser Entscheidungen gehört noch zum Tagesordnungspunkt 2.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [SPD])

Herr Abgeordneter Ludwig!

Herr Präsident, ich akzeptiere ausdrücklich Ihre Entscheidung und möchte deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich es bedauere, in der Emotionalität meines Vortrages die parlamentarische Ordnung derart verletzt zu haben.

Danke schön. - Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 2 und rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fünftes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes

Gesetzentwurf des Präsidiums des Landtages

Drucksache 3/2419

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 3/2436

2. Lesung

Weiterhin liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2477 vor.

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und

erteile zuerst der Fraktion der PDS das Wort. Herr Abgeordneter Vietze!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Veränderung des Abgeordnetengesetzes steht auf der Tagesordnung. In den vergangenen Tagen hat das Ergebnis der gesetzlich geforderten Einschätzung der Angemessenheit der Entschädigung von Abgeordneten in besonderer Weise die Öffentlichkeit bewegt. Der Präsident wurde sogar, wie ich in einigen Zeitungen gelesen habe, dafür gescholten. Ich betone ausdrücklich, dass es seine verfassungsmäßige und gesetzliche Pflicht ist, eine solche Einschätzung vorzunehmen. Er hat daher möglicherweise die Kritik für etwas bekommen, was wir erst noch beraten sollen, nämlich die Frage, was überhaupt angemessen ist und wie wir damit umgehen.

Ich drücke mich nicht vor dieser Verantwortung und gehe deshalb auf drei Sachverhalte ein. Zum einen tritt die PDS - ich bedauere, dass Herr Schönbohm nicht anwesend ist - für eine Reform der Abgeordnetenentschädigung und des Abgeordnetengesetzes ein. Wir haben deshalb heute auch einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir zum Ausdruck bringen, wo nach unserer Auffassung Reformansätze beim Umgang mit diesem Thema notwendigerweise zu sehen sind. Wir glauben nämlich, dass die bisher fehlende Akzeptanz der Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang hier im Parlament erörtert werden, zum Beispiel dadurch erreicht werden kann, dass man eine öffentliche Diskussion führt und die Willensbildung darüber befördert, was die Höhe der Entschädigung nach § 5 Abgeordnetengesetz, einen Stufenplan für Angleichungen an vergleichbare alte Bundesländer, die Höhe der Aufwandsentschädigung, also auch Fahrtkostenpauschale und anderes, was in § 6 des Abgeordnetengesetzes gefasst ist, die Bemessungsgrundlagen für Übergangsgelder nach § 10 des Abgeordnetengesetzes, die Einbeziehung der Mitglieder des Landtages in die gesetzliche Altersvorsorge - dies ist insbesondere mit Blick auf junge Menschen diskussionswürdig - sowie die Mitwirkung eines externen Beratungsgremiums oder von Experten angeht. Wir meinen, dass dies alles der Sache durchaus angemessen ist und dazu beitragen kann, dass dieses Parlament beschließt:

„Der Landtag wird noch innerhalb der laufenden Wahlperiode die gegenwärtigen Leistungen für seine Mitglieder nach Artikel 60 der Landesverfassung einer grundlegenden Überprüfung unterziehen und davon ausgehend die notwendigen Änderungen im Abgeordnetengesetz vornehmen.”

Wir hofften, dass ein solcher Auftrag einvernehmlich zu erteilen sei. Wir haben heute im Hauptauschuss darüber geredet, aber leider kein Einvernehmen herstellen können. Deshalb bringen wir diesen Entschließungsantrag ins Parlament ein und gehen davon aus, dass eine namentliche Abstimmung der Bedeutung der Frage Rechnung trägt, ob man sich über diese Angelegenheit in dieser Legislaturperiode verständigt. Natürlich kann auch alles, wie Frau Blechinger sagte, auf dem Wege der Selbstbefassung geregelt werden; das ist völlig zutreffend. Aber seien wir doch ehrlich: Wir reden über den Gesetzentwurf doch nicht im Zuge der Selbstbefassung, sondern in Reaktion auf Vorschläge vom Bund der Steuerzahler und auf Gutachten von Herrn von Arnim und anderen, ohne jedoch die damit verbundenen Konsequenzen zu ziehen.

Wir sollten uns also mit einer Entscheidung des Parlaments binden. Wir wollen nicht nur diskutieren, sondern dazu beitragen, dass am Ende eine begründete Entscheidung dieses Parlaments vorbereitet sein wird, die nachvollziehbar und transparent gestaltet ist und über die Einvernehmen mit der Öffentlichkeit besteht.

Zum Zweiten schlagen wir Ihnen vor, darauf zu verzichten, die Erhöhung der Diäten heute bereits für die Jahre 2003 und 2004 zu beschließen. Wir sehen dafür keine Entscheidungsgrundlage. Der Präsident des Landtages legt einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung vor. Er hat dies im Jahre 2001 getan. Möglicherweise ist das noch eine Entscheidungsbasis für das Jahr 2002, aber auf keinen Fall für die Jahre 2003 und 2004. Das halten wir für unangemessen und lehnen dies ab.

Zum Dritten weise ich auf Folgendes hin: In einer demokratisch verfassten Gesellschaft muss über die Entschädigung für Abgeordnete entschieden werden. Es geht dabei um die Frage, was dem Land Brandenburg der Abgeordnete, der in diesem Parlament sitzt, wert ist. Wir sagen klar und deutlich, dass wir in unserer Fraktion darüber sehr kontrovers diskutiert haben. Einige waren der Meinung, angesichts der Haushaltslage und der Sparzwänge sei eine Erhöhung der Diäten unmöglich. Das ist eine legitime Position, da die Lage auf diesem Gebiet keineswegs Begeisterung hervorruft.

Wir hatten auch eine Diskussion darüber, welche Vergleiche man heranzieht, wenn man über Vergleichbarkeit redet. Möglicherweise ist nicht nur ein Vergleich mit westlichen Flächenländern oder überhaupt ein Ost-West-Vergleich angemessen. Wir sagen aber auch, dass das, was jetzt vorgesehen ist, nicht einen Vergleich mit Regierungsmitgliedern, mit Staatssekretären, Abteilungsleitern oder Referatsleitern zur Grundlage hat.

Ich finde schon, wenn man den Wert eines Abgeordneten als Gesetzgeber, wenn man ihn in dieser Funktion agierend und mitwirkend sieht, sollte zumindest ein Entgelt in Höhe eines Referatsmitarbeitergehaltes in einem Landesministerium nicht als unangemessen gelten. Demzufolge hätten wir gern eine öffentliche Debatte geführt.

Nun haben Sie sich entschieden, den Entschließungsantrag, zumindest im Hauptausschuss...

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen!

... aber auch unseren Antrag, was die Entscheidung für die Jahre 2003 und 2004 betrifft, nicht mitzutragen.

Wir machen von dieser Entscheidung unser Gesamtverhalten abhängig. Wenn es der Wille des Parlaments ist, so zu verfahren, dann findet diese Regelung, die mit dem Gesetz vorgesehen ist, nicht unsere Zustimmung. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)