Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Erstens zu geringe Finanzausstattung: Warum, frage ich, werden die Vereine und Verbände von den Finanzämtern nicht als gemeinnützig anerkannt und müssen sogar Zuschüsse der Kommunen versteuern? Dies ist ebenso wie die Steuergesetzgebung arbeitsplatzverhindernd. So sehen Vertreterinnen und Vertreter der Tourismuswirtschaft den gegenwärtigen Mehrwertsteuersatz als Belastung für das Hotel- und Gaststättengewerbe an.

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Trinkgeldbesteuerung. Viele Beschäftigte in dieser Branche befinden sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen, werden zu niedrig bezahlt und arbeiten zumeist mit belastenden Arbeitszeiten. Deshalb hat die PDS immer wieder kritisiert, dass ausgerechnet bei den Niedriglohnbezieherinnen und -beziehern an der konsequenten Umsetzung der Steuersystematik in Form der Trinkgeldbesteuerung festgehalten wird. Wir fordern die Landesregierung auf: Setzen Sie sich für die Abschaffung der Trinkgeldsteuer und die Halbierung der Mehrwertsteuersätze für arbeitsintensive Dienstleistungen ein!

Zweitens: Es war eine Initiative des Europaparlaments, arbeitsintensive Dienstleistungen mit einer ermäßigten Steuer zu belegen. Neun Länder in Europa probieren dies aus, die Bundesrepublik nicht. In Frankreich wurde beispielsweise der Mehrwertsteuersatz für die Dienstleistungen von 20,6 auf 5,5 % gesenkt. Folge: Die Schwarzarbeit ging auf fast null zurück, neue Arbeitsplätze sind entstanden. In Deutschland wird das Gaststättengewerbe weiterhin benachteiligt.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, ergreifen Sie im Bundesrat die Initiative und bauen Sie diese Benachteiligung ab! Vielleicht gibt ja die Finanzministerin gerade nach der Perleberger Erklärung der CDU ihre Verweigerungshaltung auf. Also runter mit der Mehrwertsteuer für arbeitsintensive Dienstleistungen!

(Beifall bei der PDS)

Drittens: Mit der Einführung des Euro werden Preise und Leistungen für die Kunden transparenter. So wird es jedenfalls immer wieder versprochen. Unterschiedliche Rechtsvorschriften und Steuersätze sowie schwer handhabbare Förderrichtlinien gefährden die Wettbewerbspositionen der Anbieter. Daher sind Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit aller Tourismusanbieter in einem gemeinsamen Europa notwendig, unter anderem eben auch die Harmonisierung der Steuern.

Viertens: Umwelt und Naturschutz sind von einer nachhaltigen Tourismuspolitik nicht zu trennen. Deshalb unternehmen die umweltpolitische Sprecherin, die landwirtschaftspolitische Sprecherin und der tourismuspolitische Sprecher der PDS-Fraktion gerade eine Reise durch die Großschutzgebiete Brandenburgs. Dort wird sehr deutlich, dass es im Interesse der Nachhaltigkeit dringend geboten ist, neue Leitbilder, eine neue Ziel

gruppenarbeit und vor allem eine verstetigte und verlässliche Finanzierung aller Aufgaben zu erreichen.

Fünftens: Chancen für neue Arbeitsplätze setzen voraus, dass in den Verbänden eine kontinuierliche Arbeit geleistet wird. Das ist aber kaum möglich, wenn viele Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter nur auf ABM- oder SAM-Stellen arbeiten. Das sind ca. 40 % aller von Vereinen und Verbänden Beschäftigten. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wie viele der 52 000 Menschen, die in Brandenburg im Tourismus arbeiten, sind über ABM oder SAM beschäftigt? Ziel muss es sein, mehr feste Arbeitsplätze zu schaffen. Denn fallen ABM- oder SAM-Stellen weg, brechen nicht selten mühsam aufgebaute touristische Angebote zusammen. Beispiele kennen Sie alle sicherlich aus Ihren Wahlkreisen.

Sechstens ungenügende Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Qualitätsoffensive des Wirtschaftsministers wird von uns ausdrücklich unterstützt. Die Gewerkschaft NGG verweist darauf, dass gerade im Gastronomiebereich Vollzeitarbeitsplätze mit Auszubildenden besetzt werden. Das ist zwar an und für sich nicht schlecht, weil die Branche damit selbst für Nachwuchskräfte sorgt; aber zwischen 60 und 80 % der jungen Fachleute verlassen das Gewerbe zumeist schon unmittelbar nach der Ausbildung. Dem müssen wir entgegenwirken, meine Damen und Herren. Wir brauchen mehr Vollzeitarbeitsplätze in dieser Branche. Deshalb müssen sich Lohngestaltung und Lohngefüge verbessern.

Das Tourismusbarometer 2001 des OSGV fordert eine Arbeitsmarktkampagne, die unter anderem bank- und tourismusfachliche Beratung, Qualifizierung der Unternehmer, gezielte Maßnahmen der Weiterbildung und ein verbessertes statistisches System zur Beschäftigungslage im Tourismus beinhaltet. Aus der Sicht der PDS-Fraktion ist es richtig, künftig Förderung mit der Qualifizierungsbereitschaft der Unternehmen zu koppeln.

Leider lässt eine neue Tourismuskonzeption des Landes auf sich warten. Einige Ansätze der künftigen Tourismuspolitik, die dem Entwurf zu entnehmen waren, finden unsere Unterstützung. Wir hoffen, dass die ZAB eine Koordinierungsstelle für Fördermittel wird und so das Fördermittelchaos aufhört und vor allem Bürokratie abgebaut wird.

(Beifall bei der PDS)

Wir fordern die Landesregierung auf, Tourismusentwicklung als ressortübergreifende Aufgabe zu verstehen. Ein Radweg auf dem Elbdeich in der Prignitz darf nicht daran scheitern, dass Landeseinrichtungen ihre Arbeit unzureichend abstimmen. Ziel muss es sein, die touristische Infrastruktur, wie Rad-, Wanderund Reitwege, fertig zu stellen. Dazu muss auch für die Kommunen verlässlich klar sein, in welchen Zeitabschnitten in welcher Höhe finanziert wird. Kommunen und Landkreise brauchen Planungssicherheit. Es muss deutlich gemacht werden, wie ein Lückenschluss im Radwegenetz mit den Nachbarkreisen und den Ländern erreicht wird. Der Förderausschuss der ILB muss auch solche Projekte wie das Radwegekonzept der Prignitz auf die Tagesordnung setzen, das eben diese Bedingungen erfüllt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz, ohne sie ausführlich zu erörtern, einige Probleme und Fragen aufwerfen.

Stichwort BUGA: Bei aller Euphorie sollten sich die Akteure

schon jetzt Gedanken machen, wie eine Nachnutzung gewährleistet werden kann.

Nach der Auflösung der Entwicklungsgesellschaft Wassertourismus liegt dieses Geschäftsfeld besonders in Nordwestbrandenburg brach. Es wurde eine Menge Geld investiert, sodass es einfach unzweckmäßig wäre, wenn sich dort niemand als Moderator fände. Die Kommunen sind damit überlastet. Herr Minister, ich bitte Sie: Nehmen Sie sich dieses Themas an!

(Beifall bei der PDS)

Bei Entscheidungen im Marketingbereich dürfen Länder- und regionale Grenzen keine Rolle spielen. Kleinstaaterei und regionale Egoismen sind für die Tourismusentwicklung hinderlich. Eine Marketingoffensive nach Mecklenburger Vorbild wäre auch für Brandenburg denkbar. Dazu bedarf es einer intensiveren Zusammenarbeit der Vereine und Verbände mit der TMB und einer entsprechenden Finanzausstattung. Es kann doch nicht sein, dass im Eventkalender des Jahres 2001 der Deutschen Zentrale für Tourismus für Brandenburg ganze drei Veranstaltungen zu finden sind. Haben wir in Brandenburg nicht mehr zu bieten?

Die aktuelle Diskussion um die Abschaffung des „SchönesWochenend-Tickets” ist ein völlig falsches Signal. Vielmehr muss es für Familien attraktiver und auf andere Nutzungen ausgeweitet werden. Die Landesregierung wird dafür in der PDS einen Partner finden.

Stichwort Bettenförderung: Hier darf es kein generelles Nein geben. Der Bedarf und das jeweilige Konzept sollten eine Rolle spielen. Da kann es eben sein, dass in einer Region im Interesse eines breiteren Angebotes eine Bettenförderung notwendig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gehören ein für alle Mal aus unserem Land verbannt. Neonazis, ob jung oder alt, ob kahl geschoren und uniformiert oder bürgerlich gekleidet, sind eine Gefahr für die Demokratie.

(Beifall bei der PDS)

Sie sind aber auch eine Gefahr für den Standort Brandenburg und für das Image unseres Landes. Ein Brandenburg-Trip hat bei der internationalen Tourismusorganisation Tourinfo 2000 die Risikostufe 12, also eine Risikostufe noch vor Bosnien, gleichrangig mit Sierra Leone und nur eine Stufe hinter den Golanhöhen. Deshalb werden diese Reisen von den meisten Versicherern nicht mehr versichert.

(Unruhe im Saal)

Auch deswegen ist es notwendig, Zivilcourage und zivilgesellschaftliche Strukturen aktiv zu fördern. Toleranz und Weltoffenheit sind die Grundlagen für einen funktionierenden und erfolgreichen Tourismus. - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Domres und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Kliesch.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass das Thema heute nicht heißt: „Ist Tourismus Wirtschaft?” Das war einmal unsere Ausgangssituation. Aber wir reden heute über die Chancen dieses Wirtschaftszweiges. Das finde ich gut und ich danke den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion dafür, dass wir dieses Thema heute angehen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Initiative des Tourismusausschusses des Bundestages hat die Bundesregierung in einer Gemeinschaftsaktion mit allen touristischen Partnern in Deutschland - den Bundesländern, Regionen, Kommunen, Unternehmen und Verbänden - das Jahr 2001 zum Jahr des Tourismus in Deutschland erklärt. Dazu werden in jedem Monat eine oder mehrere Veranstaltungen in den Ländern durchgeführt, die landestypische Veranstaltungen sein sollen. Brandenburg ist mit dabei gewesen.

„300 Jahre Preußen”, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Thema für dieses Jahr. „300 Jahre Preußen” heißt natürlich auch Potsdam und Bundesgartenschau. Für den Tourismus sind das wichtige Ereignisse.

Seit 1998 ist die Bundesgartenschau in Potsdam ein Thema auf Workshops und Veranstaltungen in Deutschland. Die BUGA, die vom 21.04. bis 07.10. in Potsdam stattfindet, ist das Reiseziel, die Tourismusveranstaltung in Potsdam, im Umland von Berlin und im ganzen Land. Das möchte ich hier deutlich sagen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Die Geschäftsführung erwartet 2,5 Millionen Besucher. Rund 80 % sind Tagesgäste und 20 % wollen auch übernachten. So wird kalkuliert. Etwa 6 000 Plätze für ein gastronomisches Angebot werden in Potsdam vorhanden sein. Für die Zeit der BUGA gibt es Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräfte auf 1 000 Arbeitsstellen.

Wünschen wir der Stadt Potsdam, der Geschäftsleitung der BUGA, allen Dienstleistern und dem gesamten Land also einen vollen Erfolg!

(Beifall bei SPD und CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tourismuswirtschaft in Brandenburg und der Ausbau der touristischen Infrastruktur sind seit der Eröffnung der Gemeinschaftsaufgabe im 24. Rahmenplan durch den Tourismus und durch Mittel der Europäischen Union entscheidend vorangekommen. Ich weiß nicht, Herr Domres, wo Sie damals waren. 1995 ging hier im Tourismus die Post ab!

Wir haben Millionen in Radwege und Wasserwanderrastplätze, in Thermal- und Spaßbäder usw. investiert. Anfangs wurde das von manch einem, auch von den Kolleginnen und Kollegen, belächelt. Einige haben die Notwendigkeit heute noch nicht ganz verstanden. Aber dazu kommen wir später.

Heute ist klar, dass es um den Erhalt von 52 000 Arbeitsplätzen geht und dass wir längst noch nicht am Ende dieser Arbeitsplatzinitiative sind. Das Potenzial Brandenburgs liegt höher, als wir es zurzeit im Bereich der Arbeitsplätze realisiert haben. Es

voll zu nutzen setzt voraus, dass auf allen Ebenen, besonders in den Gemeinden und Kreisen, endlich begriffen wird, dass sie sich für die Wirtschaftsförderung des Tourismus einsetzen müssen. Das muss nicht immer mit Geld erfolgen. Sicher, Politiker schaffen keine Arbeitsplätze. Doch wir entscheiden darüber, ob die Wirtschaftsunternehmen Erfolg oder Misserfolg am Standort haben - nicht nur wir als Landespolitiker, sondern mehr noch die Politiker vor Ort, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Landräte und Gemeindevertretungen.

Wir müssen weiterhin auf der Ebene der Gemeinden und besonders in den Kreisen darauf drängen, dass die Fördermittel, die über das GFG ausgereicht werden, ausreichend in die touristische Infrastruktur fließen.

Wir müssen uns natürlich auch überlegen, wie es weitergeht. Wir sind noch längst nicht am Ende. Es fehlt auch weiterhin an Radwegenetzen, an Wasserwanderraststellen, an Wanderwegen und an den nötigen Informations- und Leitsystemen. Natürlich erwarten die Gäste auch gepflegte Dörfer, schöne Straßen, gute Autobahnen, einen ordentlichen ÖPNV und SPNV - dafür sind wieder andere zuständig. Dies alles gehört aber zum Bereich Tourismus.

Für die wichtigsten Vorhaben gibt es im Land abgestimmte Konzepte - prima! Die öffentliche Förderung ist auf der Grundlage dieser beschlossenen Konzepte auszurichten. Wenn nötig, sind sie fortzuschreiben und zu überarbeiten. Aber in jedem Falle sind sie für die Zukunft umzusetzen.

Zurzeit arbeiten wir, meine Damen und Herren, die Projekte ab, die 1995 planerisch angeschoben wurden. Die letzte Periode der Förderung durch die Europäische Union schließen wir in diesem Jahr ab. Wir wollen sehen: Wo sind die neuen Projekte? Wie geht es weiter? Wie werden die Pläne mit der Gemeinschaftsaufgabe und den europäischen Mitteln weitergeführt?

Dabei ist natürlich darauf zu achten, dass wir mit diesen Investitionen den Wettbewerb der Unternehmen fördern und dass wir nicht durch unüberlegte Investitionen den Bestand guter Unternehmen gefährden. Deswegen sage ich anders als Herr Domres: Es war richtig, 1995/96 zu entscheiden, die Förderung von Betten im Prinzip einzustellen. Das ist genauso richtig wie heute. Denn die Auslastung der Betten in der Hotellerie und bei Pensionsbetreibern ist nicht dadurch gestiegen, dass sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat, sondern die Prozente sind im letzten Jahr nur dadurch angestiegen, dass einige Unternehmen Konkurs anmelden mussten und die Bettenzahl insgesamt gesunken ist.

Noch immer investieren die Unternehmen dieser Branche zu wenig in Instandhaltung und Modernisierung. Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht in diesem Bereich um Stabilität und eine bessere Auslastung. Daran muss sich alles messen.

Wie gesagt: Zins und Tilgung sind von den meisten kaum aufzubringen. Sie leben von der Substanz.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Herr Minister Fürniß, Sie haben insbesondere mit der Gemeinschaftsaufgabe in der Zukunft den Schlüssel für den vernetzten

Ausbau der öffentlichen Infrastruktur in der Hand. Ich teile Ihre Meinung nicht, dass die derzeitige Infrastruktur für ein erfolgreiches Agieren der touristischen Dienstleister ausreicht. In Berlin werden wieder, anders als Herr Bartsch das gesagt hat, tourismuspolitische Themen diskutiert, auch wenn der halbe Mehrwertsteuersatz und die Trinkgeldbesteuerung nicht das primäre Ziel sind. Schauen Sie sich den Antrag der Bundestagsfraktionen der Koalition an. Dann sehen Sie: Hierbei geht es auch um wichtige Fragen der Zukunftssicherung der Unternehmen. Ich will sie gar nicht im Einzelnen aufzählen. Umweltschonende Konzepte sind das Ziel, und unsere Großschutzgebiete bilden das Rückgrat des Tourismus im ländlichen Raum.