Die PDS hat die Interessen der Betroffenen ernst genommen. Etwa die Hälfte unserer 54 Änderungsanträge resultierte aus der Anhörung. Dass originäre sozialdemokratische bildungspolitische Positionen aufgegeben wurden, habe ich deutlich gemacht. Der Entwurf ist durch CDU-Handschrift geprägt. Verehrter Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie heute Geburtstag haben, muss ich leider sagen: Sie haben im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen gesagt, mit der CDU ließen sich sozialdemokratische Ziele besser umsetzen. Es ist wohl doch eher so, dass sich CDU-Ziele mit der SPD sehr gut umsetzen lassen.
Dass Wähler dann lieber gleich das Original wählen, haben Sie bei der letzten Landtagswahl trotz anders lautender Prognosen deutlich zu spüren bekommen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Die Lampe am Rednerpult ist nicht zum Spaß da. Wenn die Redezeit abgelaufen ist und die Lampe leuchtet, bitte ich, zum Ende des Redebeitrages zu kommen. Ich sage das jetzt ganz dezidiert, weil wiederholt der Versuch gemacht wurde, die Redezeit zu überziehen.
Sehr geehrte Frau Kollegin Große, ich möchte Ihnen sagen, dass es nicht so ist, dass CDU-Interessen mit diesem Schulgesetz durchgesetzt werden. Bei allen Veränderungen sind die Wünsche und die Bedürfnisse der Eltern, der Schüler und der Kollegen in den Schulen aufgenommen worden. Nichts davon resultiert aus der Feder irgendeines von uns, sondern alles ist in vielen Anhörungen von Anschauungen so gewachsen.
Die zweite Vorbemerkung: Wenn eine achtstündige Anhörung eine Alibiveranstaltung sein soll, frage ich mich, was man als Abgeordnete eigentlich noch tun muss.
Die dritte Vorbemerkung: Ich würde mit Ihnen, sehr geehrte Kollegin Große, vielleicht doch einmal die philosophische Diskussion darüber führen wollen, was Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit ist, was Gleichheit oder Egalité in Bezug auf den Menschen bedeutet. Wir Menschen sind nicht gleich, jeder ist ein ganz besonderes Individuum.
Demzufolge ist es auch ganz wichtig, dass wir mit den Menschen gerecht umgehen, aber wir werden sie niemals gleichmachen können, das ist eine Illusion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr haben die Landesregierung, die Koalitionspartner, die von Bildung Betroffenen, das Parlament und die allgemeine Öffentlichkeit über die Novelle des Schulgesetzes verhandelt und diskutiert, also nicht nur in der Anhörung, sondern schon etwas länger. Für uns ist diese Novelle ein Dokument eingelöster Versprechen. Damit reagierten wir auf Erwartungen und Forderungen von Eltern, Schülern, Lehrern und vor allen Dingen auch der brandenburgischen Wirtschaft.
Mit dieser Novelle stärken wir den Leistungsgedanken in der brandenburgischen Schule unter anderem durch eine ständige Evaluation des Schulbetriebes, eine frühere Zensierung in der Grundschule, zentrale Abschlussprüfungen nach der 10. und 12. bzw. 13. Klasse und konsequentere Versetzungs- und Schulwechselregelungen. Wir verkürzen die Schulzeit - zwar leider nur durch einen Modellversuch - für viele Abiturienten auf 12 Jahre.
Liebe Kollegin Siebke, wenn Sie sagen, es sei ein Kompromiss gewesen, stimmt das schon, aber eigentlich nicht mit dem Koalitionspartner, sondern im Hinblick auf die bundesdeutschen Regelungen in der Kultusministerkonferenz.
Mit der Einführung der Rahmenlehrpläne bringen wir mehr Verbindlichkeit in die Bildungsinhalte, lassen aber dennoch für Spezialklassen und -schulen Freiräume für besondere Bildungsangebote. Die Elternverantwortlichkeit für Schule wird verstärkt festgeschrieben. Eignung und Leistung erhalten zukünftig einen höheren Stellenwert.
Wenn ich also die Veränderungen mit vier Stichworten charakterisieren wollte, müsste ich sagen: Mehr Leistung, mehr Verbindlichkeit, mehr Vergleichbarkeit und mehr Eigenverantwortung werden dieses Schulgesetz prägen. Ich meine, dass mit diesem Gesetz viel Dogma aus der bildungspolitischen Diskussion in Brandenburg genommen werden kann.
Zu zwei Aspekten möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal äußern. Am 16. Januar 2001 stellte der Minister für Bildung, Jugend und Sport den Abschlussbericht zur ersten repräsentativen Qualitätsuntersuchung an Brandenburger Schulen vor. Was hat dieser Abschlussbericht mit dem Schulgesetz zu tun?, könnte man fragen. Man nennt diese Studie „QuaSUM”. Dieser Abschlussbericht bestärkt die CDU-Fraktion vehement in ihrer Meinung, dass die Realschulen im Land Brandenburg erhalten bleiben müssen. Ich zitiere:
„Wie es der Struktur eines mehrgliedrigen Schulwesens entspricht und wie es daher zu erwarten war, gab es in den 9. Klassen sehr deutliche Leistungsunterschiede zwischen den Grundkursen der Gesamtschulen, deren Erweiterungskursen und den Gymnasien. Der mittlere Leistungsstand der Realschulen, die im Land Brandenburg von etwa 16 % der Schülerschaft dieser Jahgangsstufe besucht werden, entspricht dem der Erweiterungskurse der Gesamtschulen.”
Das heißt, meine Damen und Herren, der mittlere durchschnittliche Leistungsstand von Realschülern in Brandenburg entspricht dem Leistungsstand der zukünftigen Abiturienten an den Gesamtschulen. Dass wir eine solche Schulform nicht zur Disposition stellen können, ergibt sich logisch aus diesem Untersuchungsergebnis. Deshalb erkläre ich hier noch einmal, dass wir uns zu keiner Zeit der Sekundarschuldiskussion verweigert haben, sondern eine zusätzliche Einführung dieser Schulform, wie es die Wunder-Kommission vorgeschlagen hat, befürworten. Wir erwarten vom Minister, auch Bezug nehmend auf den Koalitionsvertrag, dass er seine Alles-oder-nichts-Haltung aufgibt.
Ein weiteres Ergebnis der „QuaSUM”-Studie bestärkt uns ebenfalls darin, eine offene und offensive Diskussion über Vor- und Nachteile eines Unterrichts in Kursen oder im Klassenverband zu führen. Ich zitiere nochmals aus der bereits erwähnten Presseerklärung zur „QuaSUM”-Studie:
„Neben der Fachleistung sind an der Notengebung anscheinend eine Reihe anderer Faktoren systematisch beteiligt: der Bezugsrahmen der Klasse, das von den Schülerinnen und Schülern bekundete Interesse, die Bevorzugung der Mädchen und (in der Grundschule) eine Bevorzugung von Kindern aus bildungsnahem Elternhaus. In den 9. Klassen waren erwartungsgemäß schulform- bzw. kursniveautypische Benotungsstandards festzustellen. Dabei entsprach z. B. das für eine ‘2’ im Grundkurs typische Leistungsniveau einer ‘4’ im Erweiterungskurs, was mit den Prinzipien des Auf- bzw. Abstiegs im internen Einstufungssystem der Gesamtschulen übereinstimmt.”
„Relativ hohe Testleistungen wurden in solchen Klassen angetroffen, in denen die Lehrkräfte besonders hohe An
Das heißt doch nichts anderes, als dass das Leistungsniveau in einer ausgeglichenen, homogenen Schülerschaft im Klassenverband höher ist und damit auch Über- und Unterforderungen mit ihren oft unterschätzten Folgen vermieden werden.
Sehr verehrte Damen und Herren, die Schulgesetznovelle kann neue Rahmenbedingungen für die Brandenburger Schule schaffen. Ob und wann die Veränderungen wirksam werden, liegt nun offensichtlich eher in der Hand der Landesregierung und zuallererst in den Händen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport. Dieses ist aufgefordert, das Gesetz schnellstmöglich und durch untergesetzliche Regelungen umzusetzen.
Natürlich kann das Gesetz nicht auf alle offenen Fragen eine Antwort geben. Es wird auch nicht alle Probleme, die mit dem Bildungsbereich zusammenhängen, beseitigen. Lassen Sie mich deshalb noch einige wenige Fragen formulieren.
Sollen die Abschlussprüfungen für alle Schüler der 10. Klassen gleich sein oder sollen wir unterschiedliche Prüfungsanforderungen für Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten installieren? Ist es richtig, in den siebenten bis zehnten Klassen auf Dauer in allen Schulen die gleichen Bildungsinhalte zu vermitteln
oder soll differenziert werden? Das bedeutet zwar Durchlässigkeit im System, wirkt sich aber negativ auf die Lernleistung aus. Ist es richtig, in den fünften und sechsten Klassen der Grundschule auf Dauer eine relativ kostspielige Fachleistungsdifferenzierung einzuführen oder sollte man eine Leistungsdifferenzierung anstreben?
Viele Fragen mehr spielen noch eine Rolle. Wir wissen, dass wir in der nächsten Zeit noch eine ganze Reihe von Problemen zu bewältigen haben. Einige wenige möchte ich nennen.
Erstens brauchen wir ganz schnell eine Korrektur bzw. eine Überarbeitung aller Rahmenlehrpläne. Für die Sekundarstufe I ist dies erfolgt, es fehlt noch für die Grundschule und für die Sekundarstufe II. Zweitens brauchen wir eine Ausfinanzierung des Schulsystems, und zwar die Finanzierung des Fachunterrichts durch Fachlehrer. Drittens müssen wir konzertiert einen konsequenten Kampf gegen den Unterrichtsausfall in Brandenburg führen.
Abschließend möchte ich wenigstens noch allen, die sich an dieser Gesetzesnovelle beteiligt haben, meinen Dank aussprechen. Ich wünsche uns mit diesem Gesetz in Brandenburg eine ausgeglichenere und eine auf die Hebung der Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler ausgerichtete Schulpolitik. - Danke schön.
Ich danke auch. - Offenbar ist es schwierig, Lehrer zum pünktlichen Beenden ihres Redebeitrages zu veranlassen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Wir werden beide Anträge, den der Koalitionsfraktionen und den der PDS, ablehnen, obwohl wir mit etlichen Neuerungen durchaus einverstanden sind, zum Beispiel mit der Einführung von Rahmenlehrplänen und mit der Einführung von Prüfungen am Ende der 10. Klasse. Auch die Regelungen zur Schülerbeförderung und zur Schulspeisung finden unsere Zustimmung.
Leider sieht die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport keine wesentlichen Änderungen des Entwurfs der Landesregierung vom Februar dieses Jahres vor, obwohl viele Änderungsvorschläge seitens der Oppositionsfraktionen unterbreitet wurden. Auf zwei Änderungen der Beschlussempfehlung des Ausschusses möchte ich ganz kurz eingehen.
„Die Schulen entscheiden im Rahmen der personellen, sächlichen und haushaltsmäßigen Voraussetzungen.”
„Die Schulen entscheiden auf der Grundlage des vorhandenen Bedarfs und ihrer personellen, sächlichen und haushaltsmäßigen Möglichkeiten.”
Eine weitere „gravierende” Änderung ist vorgesehen: Im Regierungsentwurf ist festgeschrieben, dass schriftliche Informationen über das Arbeits- und Sozialverhalten gegeben werden. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses ist schon etwas „konkreter”. Sie schlägt vor, das Arbeits- und Sozialverhalten der Schüler durch Noten, Punkte oder schriftliche Informationen zu bewerten. Hier, so scheint es, waren sich die Koalitionsfraktionen wieder einmal nicht ganz einig.