Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Das hat nichts mehr mit Schönreden zu tun, meine Damen und Herren, das ist blanker Zynismus gegenüber den Betroffenen!

(Beifall bei der PDS - Zuruf von der CDU: Sie können nur Schlechtreden!)

Auch Ihre Vorstellung, durch demographische Entwicklungen würde sich das Ausbildungsproblem von allein lösen, ist illusorisch und völlig fehl am Platze. Ihre Aufgabe ist es doch, die Unternehmen für den systematischen Ausbau ihrer Ausbildungskapazitäten zu motivieren. Die Argumentation mit dem Geburtenknick ist dafür alles andere als förderlich.

Jedem ausbildungswilligen Jugendlichen ein konkretes Ausbildungsangebot unterbreiten - so lautet die Selbstverpflichtung der Landesregierung. Mit Stand 2001 sind nach Angaben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen 503 Schulabgänger des vergangenen Ausbildungsjahres noch immer unversorgt.

Herr Minister Ziel, Sie selbst weisen immer wieder auf die alles

entscheidende Frage hin: Kann in Brandenburg die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot geschlossen werden? Im zurückliegenden Ausbildungsjahr gab es diese Lückenschließung offenbar nicht, auch wenn Herr Homeyer hier behauptet, es stünden dem 600 offene Stellen gegenüber. Da muss ich Ihnen sagen, für mich sind Menschen wichtig und nicht Statistiken.

(Beifall bei der PDS)

Angeblich kenne Brandenburg im Unterschied zu allen anderen Ländern eine schulische Warteschleife nicht. Wie bewertet die Landesregierung dann die Tatsache, dass Jugendliche, die bereits über einen Schulabschluss verfügen, diesen noch einmal wiederholen, weil sie noch keinen Ausbildungsplatz haben? Konkrete Beispiele sind mir bekannt. Welch absurde Zustände!

Wenn lediglich die Statistik bereinigt wird, wird aus erlebter Perspektivlosigkeit eben keine verordnete Jugend mit Perspektive, auch nicht mittels des gleichnamigen Jugendsofortprogramms - JUMP -, auf dessen Sinn und Unsinn ich zu sprechen kommen möchte.

(Frau Konzack [SPD]: Das nennen Sie Unsinn?)

Natürlich unterstützt die PDS jedes staatliche Ansinnen, Jugendliche in ihrer beruflichen Notlage nicht im Regen stehen zu lassen, und dies allein schon aus sozialpolitischer Sicht. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht jedoch ist das JUMP-Programm mehr Flop als Hopp.

(Frau Konzack [SPD]: Wie bitte? - Das ist ungeheuerlich!)

Dies belegt die Begleitforschung. Nehmen Sie die wissenschaftliche Begleitforschung doch auch einmal zur Kenntnis! Ich lade Sie dazu ein. In den neuen Bundesländern sind 39,1 % der JUMP-Teilnehmer nach Abschluss der Maßnahme arbeitslos, für weitere 24,9 % schließt sich eine nächste Maßnahme unmittelbar an. Es sind also 64 % ohne unmittelbaren Erfolg. Entsprechend gering sind die Übergänge in betriebliche Ausbildung und ungeförderte Beschäftigung.

(Frau Konzack [SPD]: Also soll man gar nichts tun?)

Nicht einmal einem Fünftel der geförderten Jugendlichen gelingt der Übergang in Erwerbstätigkeit. Lediglich 2,8 % - meine Damen und Herren, ganze 2,8 % - der ostdeutschen JUMP-Abgänger wechseln direkt in betriebliche Ausbildung.

Die Verstaatlichung der Berufsausbildung schreitet voran. Experten meinen, dass selbst die wenigen betrieblichen Ausbildungsplätze im Osten zu 80 % staatlich gefördert werden. Eine Studie zu Ausbildungsprogrammen in Sachsen-Anhalt kommt zu gravierenden Schlussfolgerungen. Die Autoren sprechen von einer Förderfalle, in die sich die staatliche Berufsbildungspolitik hineinbewegt. Mitnahmeeffekte und Gelegenheit regulärer Einnahmeerzielung werden beschrieben. Im Klartext: Lehrstellen werden zurückgehalten und erst, wenn Fördermittel winken, eingerichtet.

Arbeitsminister Ziel spricht in diesem Zusammenhang von Subventionsmentalität, die sich nach langjähriger Förderung betrieblicher Ausbildungsplätze bei Unternehmen herausgebil

det hat. Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich das Auslaufen der „Richtlinie zur Förderung betrieblicher Ausbildungsplätze” im Juni 2002. Die Landesregierung muss dann aber auch entsprechende Alternativen bieten.

Auch die Gewerkschaften suchen nach neuen Lösungen zur Ausbildungsförderung ohne Mitnahmeeffekte. Verschiedene Konzeptionen liegen vor. Wenn diese Modelle intelligent Subventionsmentalität von vornherein ausschließen bzw. minimieren, dann sichert die PDS den Gewerkschaften ihre Unterstützung zu, auch in diesem Parlament.

(Beifall bei der PDS)

Hohe Mitnahmeeffekte finden sich in den Bereichen, in denen die Ausbildung wenig Kosten verursacht, die Lehrlinge aber bereits durch ihre Arbeit handfesten Nutzen bringen - als billige Arbeitskraft, versteht sich.

Meine Damen und Herren, wir als Politiker müssen uns auch dringend einer Qualitätsdebatte um bestehende Ausbildungsverhältnisse stellen. Sicher, Lehrjahre waren noch nie Herrenjahre; die gesamte Ausbildungsmisere jedoch leistet der Ausnutzung Auszubildender erheblich Vorschub.

„Ausbeutung statt Ausbildung”

(Unmut bei der CDU)

- titelt der „Mediendienst” der Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten und beschreibt skandalöse Zustände im Potsdamer Brauerhaus. Die Liste der dort festgestellten Verstöße gegen das Berufsbildungs- und das Arbeitszeitgesetz ist nach Auskunft der Gewerkschaft lang: Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Überstunden für noch jugendliche Azubis,

(Schippel [SPD]: In der DDR mussten sie auch Nacht- schicht machen.)

mangelhafte oder keine Ausbildung, fehlende Ausbilder und ausbildungsfremde Tätigkeiten.

Sprechen Sie doch mit jungen Leuten, die sich in der Ausbildung befinden! Dann werden Sie erfahren, dass dieses Beispiel bei weitem kein Einzelfall ist. Hohe Abbrechquoten sind auch Beleg für diese unhaltbaren Zustände. Sich heute Wettbewerbsvorteile durch Sparen an Ausbildung verschaffen und morgen nach Green Cards rufen, weil Fachkräfte fehlen - das funktioniert auf Dauer nicht.

(Beifall bei der PDS)

Die Nutznießer von Ausbildung müssen an den Kosten beteiligt werden.

Ja, wir sind für die Einführung einer solidarischen Umlagefinanzierung.

(Beifall bei der PDS)

Dazu hat meine Fraktion erst im Februar des vergangenen Jahres einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht. Es geht dabei um die Schaffung eines Lastenausgleichs zwischen

ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben. Kostenvorteile für nicht ausbildende Betriebe sollen aufgehoben und ausbildende Betriebe stärker entlastet werden.

Herr Minister Ziel, Ihre Forderung: „Wir müssen die Verantwortung der Wirtschaft für die Ausbildung des eigenen Nachwuchses stärken!”, findet die volle Unterstützung der PDSFraktion.

(Unruhe bei der CDU)

Gleichwohl haben Sie, Herr Minister, auf eine Anfrage von mir das Instrument der Umlagefinanzierung als Peitsche bezeichnet. Das ist inkonsequent! Was wollen Sie eigentlich? Wo sind Ihre Alternativen? Nach unserer Auffassung gibt es keine Alternative zur solidarischen Ausbildungsumlage, wenn die Ausbildungsmisere tatsächlich gelöst werden soll. Appelle und Steuergeschenke an Unternehmen führen zu keiner Lösung. Lehrstellenmangel ist für uns nicht zuerst eine Frage des Wirtschaftsstandortes, sondern vor allem eine Frage der Entwicklungsperspektive von Jugendlichen.

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen, Frau Abgeordnete.

- Mein letzter Satz! Die PDS bleibt dabei: Wer nicht ausbildet, muss zahlen!

(Beifall bei der PDS - Zurufe von der CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Schröder. Das Wort geht an die Fraktion der SPD, an den Abgeordneten Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim flüchtigen Betrachten des Themas für diese Aktuelle Stunde, beantragt von der DVU-Fraktion, könnte man zu der Auffassung kommen, dass sich die Damen und Herren der DVU-Fraktion nach fast zwei Jahren im Parlament endlich Problemen zuwenden, die die Bürger des Landes wirklich bewegen,

(Zuruf von der DVU: Recht schönen Dank!)

dass sie sich von ihren populistischen Anträgen gelöst haben, dass sie vielleicht sogar zu ernsthafter Parlamentsarbeit fähig wären.

(Beifall bei der DVU)

Aber dieser Eindruck entsteht wirklich nur bei flüchtiger Betrachtung

(Dr. Wiebke [SPD]: Das ist ja die Gefahr!)

und nicht beim ernsthaften Hinschauen. Dieser Eindruck wird

durch die so genannte Rede, die Frau Hesselbarth hier geschrien hat, völlig zerschlagen.

(Beifall bei SPD und CDU)