Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Bericht der Landesregierung

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Bericht mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen vor. Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen dazu machen!

Anlässlich der Entschließung des Landtages im Zusammenhang mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen

Polizeigesetzes war in Verbindung mit der Einführung der polizeilichen Befugnis zur Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Straßen und Plätze durch die Landesregierung zu prüfen: zum einen, ob der strafrechtliche Schutz gegen Zweckentfremdung und Weitergabe von Videoaufzeichnungen aus der polizeilichen Tätigkeit an Dritte durch das Brandenburgische Datenschutzgesetz ausreichend gewährleistet ist, und zum anderen, ob eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Kunsturhebergesetzes dahin gehend, dass unbefugte Bildaufzeichnungen unter Strafe gestellt werden, notwendig ist.

Hierzu hat die Landesregierung dem Landtag einen Bericht vorgelegt, der im Ergebnis folgende Feststellung trifft:

„Angesichts der bereits bestehenden Möglichkeiten im landesgesetzlichen und darüber hinaus auch im bundesgesetzlichen Bereich, erscheint der strafrechtliche Schutz gegen die Zweckentfremdung und Weitergabe von Videoaufzeichnungen aus der polizeilichen Tätigkeit ausreichend gewährleistet.

Eine Änderung bzw. Erweiterung der Straf- und Bußgeldvorschriften des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes hinsichtlich der Zweckentfremdung und Weitergabe von Videoaufzeichnungen aus der polizeilichen Tätigkeit ist daher nicht angezeigt.”

Zum anderen:

„Eine Änderung des Kunsturhebergesetzes dahin gehend, dass unbefugte Bildaufzeichnungen unter Strafe gestellt werden, widerspräche somit der Systematik des Gesetzes. Der Landesregierung liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein praktisches Bedürfnis für eine derartige Regelung besteht. Denn die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen, die nicht nach §§ 22, 23, 24 Kunsturhebergesetz erlaubt ist, ist... strafbewehrt.

Eine Bundesratsinitiative wird daher als nicht notwendig angesehen.”

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Das Wort geht jetzt an die Fraktion der PDS, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz kontroverser Diskussionen im Vorfeld hat die Koalition Ende vergangenen Jahres das Mittel der Videoüberwachung in das Brandenburgische Polizeigesetz aufgenommen. Die in diesem Zusammenhang angenommene Entschließung von SPD und CDU weist darauf hin, dass es nicht nur in der PDS Vorbehalte und schwerwiegende Bedenken gegen die Videoüberwachung von öffentlichen Straßen und Plätzen gibt.

Mit dem vorliegenden Bericht versucht die Landesregierung, eines dieser Bedenken auszuräumen, das sich auf die Möglichkeit eines Missbrauchs der Aufzeichnungen richtet, die im Rahmen von Videoüberwachungen entstehen. Die Landesregierung

kommt zu dem Schluss, dass die §§ 38 und 39 des Landesdatenschutzgesetzes ausreichende rechtliche Vorkehrungen treffen, um einen solchen Missbrauch durch Polizeibeamte zu verhindern.

Ich kann jedoch an dieser Stelle nur noch einmal zum Ausdruck bringen, dass für uns der beste Weg zur Verhinderung eines Missbrauchs von Videoaufzeichnungen im Verzicht auf das Mittel der Videoüberwachung besteht und nicht in der Androhung möglichst harter strafrechtlicher Sanktionen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auf Punkte Ihrer Entschließung zurückkommen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen! Sie haben auf eine sorgfältige Abwägung des Einsatzes der Videoüberwachung Bezug genommen, da diese sowohl einen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung darstellt als auch mit hohen Kosten für Installation und Betrieb verbunden ist. Sie stellen weiterhin fest, dass Videoüberwachung kein Ersatz für die persönliche Präsenz der Polizei sein kann - ich möchte das ganz dick unterstreichen und nur im Rahmen eines umfassenden Präventionskonzeptes sinnvoll ist.

Mit der Entschließung fordern Sie ein solches Kriminalitätspräventionskonzept als Voraussetzung für den Einsatz von Videokameras. Sie fordern eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit, Schutzvorschriften zum Umgang mit Videoaufzeichnungen, eine Überprüfung der Videoüberwachung, eine Evaluation durch unabhängige Wissenschaftler usw.

Nach meinem Eindruck haben sich Herr Schönbohm und die CDU-Fraktion im Gesetzestext weitgehend durchsetzen können, während die SPD ihre vorsichtige Abwehrhaltung in der Entschließung fixiert hat. Ich hoffe und wünsche, dass Sie Ihre eigene Entschließung ernst nehmen. Wenn nicht, werden wir Sie daran erinnern müssen.

Sehr fragwürdig ist die bisherige Vorgehensweise im Umgang mit der Videoüberwachung. Nach Zeitungsmeldungen sind landesweit mögliche Standorte für den Einsatz von Kameras gesucht worden. Ich habe den Eindruck, dass die Polizeipräsidien beauftragt worden sind, entsprechende Vorschläge zu machen, um nachzuweisen, wie dringend notwendig diese gesetzliche Regelung ist. Die Kommunen sind nach unseren Informationen dabei nicht einbezogen worden. Ich darf Sie daran erinnern, dass ursprünglich eine Regelung im Gesetz verankert werden sollte, nach der die Kommunen zumindest angehört werden sollten. Wir halten es für zwingend erforderlich, dass solche weitreichenden Einschnitte nicht über die Köpfe der kommunalen Verantwortungsträger hinweg vorbereitet werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD, an Herrn Abgeordneten Schippel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung bezieht sich - wie gesagt - auf einen gemein

samen Entschließungsantrag vom Dezember 2000. Leider bezieht er sich lediglich auf einen Punkt des Entschließungsantrages. Dieser Antrag enthält meines Wissens aber immerhin vier inhaltliche Punkte. Für mich ist das schon ein etwas ungewöhnliches Verfahren, zumal die anderen drei inhaltlichen Punkte in dem Bericht mit keiner Silbe erwähnt werden.

Aber lassen Sie mich auf den hervorgehobenen Punkt Videoüberwachung eingehen. Der Bericht der Landesregierung weist aus, dass das Brandenburgische Datenschutzgesetz alle Möglichkeiten beinhaltet, um einen Missbrauch des entstandenen Aufzeichnungsmaterials bei Videoüberwachung wirksam zu verhindern.

Meine Damen und Herren, ich möchte den Innenminister ausdrücklich in seinem sorgsamen Umgang mit dem Instrument der Videoüberwachung bestärken. Nach seiner Schilderung, auch in der gestrigen Fragestunde, befindet man sich zurzeit in der Prüfung von möglichen Standorten zur öffentlichen Videoüberwachung. Verschiedene Aussagen mancher Ihrer Parlamentskollegen, Herr Innenminister, vor einem guten Dreivierteljahr, als wir uns in der Diskussion befanden, erweckten den Eindruck, dass es viel mehr Standorte in dem Flächenland Brandenburg gibt, als man je Kameras beschaffen könnte. Ich denke wie Sie, Herr Innenminister, dass wir auch zukünftig, und zwar gemeinsam, mit der Möglichkeit der Videoüberwachung im öffentlichen Raum sehr sorgsam werden umgehen müssen. Insofern erwarte ich mit Spannung Ihren Bericht zu den anderen drei Punkten des Entschließungsantrages, vor allem zu dem Punkt 1, in dem es heißt:

„Videoüberwachung muss Teil eines umfassenden Konzeptes zur Kriminalitätsbekämpfung sein...”

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Schippel und erteile der Fraktion der DVU das Wort, dem Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die DVU-Fraktion hat bereits bei Verabschiedung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes im vorigen Jahr in mehrfacher Hinsicht Kritik geltend gemacht, die aber von den Koalitionsfraktionen überhört wurde.

Wir haben auf das Grundgesetz verwiesen, namentlich auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, und auf die erheblichen Kosten, die mit einer Videoüberwachung verbunden sind. Deutlich hervorgehoben hat unsere Fraktion den Verdrängungseffekt, der einsetzen wird, sobald Videokameras installiert sind. Kein Krimineller, der halbwegs geistig auf der Höhe ist, wird ausgerechnet vor einer laufenden Kamera Straftaten verüben.

Wenn Sie die geplante Videoüberwachung auch noch in den Medien ankündigen und vorstellen, dann haben Sie den Verdrängungseffekt komplett erreicht. Die Kriminalität verlagert sich in andere Städte oder Landesteile.

Für die DVU-Fraktion ist die Anwesenheit von Polizeibeamten vor Ort weitaus wichtiger. Durch stationäre Videoüberwachungen werden keine wesentlichen Abschreckungseffekte erzielt, wie Beispiele in England zeigen.

Zu bejahen ist allerdings eine mobile Videoüberwachung, wenn der Polizei konkrete Hinweise vorliegen, dass an einem bestimmten Tag an einem bestimmten Ort Straftaten verübt werden. Diese gezielten Maßnahmen dürften mit dem Grundgesetz im Einklang stehen.

Sie sprechen in Ihrem Entschließungsantrag von so genannten Schutzvorschriften. Bildaufzeichnungen sollen protokolliert werden, einschließlich der beteiligten Personen. Diese Überwachungsmaßnahmen sind rechnerisch festzuhalten. Schließlich sind die Aufzeichnungen vor Manipulationen zu schützen. Das ist auch richtig so. Meine Damen und Herren, wie viele Polizeibeamte wollen Sie für solche Maßnahmen eigentlich abstellen?

Unsere Fraktion will erreichen, dass Polizeibeamte als Bürger in Uniform auch stets den Kontakt zum Bürger draußen vor Ort aufrechterhalten und nicht mit stundenlanger Bürokratie in den Amtsstuben beschäftigt sind. Was das Land braucht, sind vor allem mehr Polizeibeamte, die an den Schwerpunkten der Kriminalität eingesetzt werden.

Sie haben einen Entschließungsantrag eingebracht, weil Sie offenbar jetzt selbst zu der Erkenntnis gekommen sind, dass das novellierte Polizeigesetz die gesteckten Ziele nicht erreicht. Es wäre schön, wenn uns die Landesregierung einen detaillierten Bericht vorlegen könnte, wie viele Straftäter aufgrund von Videoüberwachungsmaßnahmen auf öffentlichen Plätzen, die in den Medien angekündigt wurden, tatsächlich festgenommen bzw. verurteilt wurden.

Weil es der DVU-Fraktion vor allem um die Wahrung der Grundrechte, den Datenschutz, die Kosten und um die Möglichkeiten von Alternativen geht, die im Innenausschuss zu erörtern wären, stimmen wir diesem Entschließungsantrag zu. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus. Mir ist allerdings entgangen, wo hier ein Entschließungsantrag zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegt. - Ich würde jetzt das Wort an die Fraktion der CDU geben, aber die hat mir dankenswerterweise Redeverzicht angezeigt, sodass ich feststellen kann, dass wir am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen sind und Sie den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

„Herausforderung Europa” - Europapolitisches Programm der brandenburgischen Landesregierung

Programm der Landesregierung

Drucksache 3/2629

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung und erteile dem Europaminister, Prof. Dr. Schelter, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Europapolitische Programm der Landesregierung enthält die wichtigsten Elemente der Europapolitik des Landes für die nächsten Jahre. Uns geht es vor allem darum, erstens Europa im Bewusstsein der Brandenburger Bürger zu stärken, zweitens den Erweiterungsprozess der Europäischen Union mitzugestalten und dabei die Interessen unseres Landes offensiv zu vertreten, drittens am Post-Nizza-Prozess aktiv mitzuwirken und viertens die Europafähigkeit der Landesverwaltung stetig weiter zu verbessern.

Es ist gut, meine Damen und Herren, dass in den letzten zwölf Monaten das Interesse an allem, was mit Europa zu tun hat, stetig gestiegen ist. Das werden mir alle bestätigen, die in Sachen Europa unterwegs sind. Aber die wichtigste Aufgabe ist und bleibt, Europa im Bewusstsein der Brandenburger zu stärken. Diese Aufgabe ist deshalb auch zentrales Ziel des von der Landesregierung am 27. März verabschiedeten Europapolitischen Programms.

Ebenso wichtig ist die Aufgabe, den Erweiterungsprozess bei Wahrnehmung gesamteuropäischer Verantwortung und unter Berücksichtigung spezifischer Landesinteressen mitzugestalten. Wir wollen auch am Post-Nizza-Prozess aktiv mitwirken.