Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

Im Übrigen kommen mir die Tränen, wenn Sie sagen, die Gemeinden des Amtes Schönefeld, die Mitglied geworden seien, liefen jetzt in die Schulden. Wissen Sie, wie viel jede Gemeinde hat aufbringen müssen, um Mitglied dieser Gesellschaft zu werden? - 1 000 DM!

(Zuruf von der CDU: Das ist ja unerhört!)

Also lassen Sie doch die Kirche im Dorf.

Meine Damen und Herren, noch einmal ganz ernsthaft: Ohne eine Flughafenumfeldgesellschaft, frühzeitig, strukturiert, und ohne Einbindung der Gemeinden werden wir kein vernünftiges Umfeld und keine wirtschaftlichen Effekte haben, wie wir sie brauchen.

Liebe Frau Tack, ich habe vor kurzem noch einmal Mark Twains „Wanderungen durch den Schwarzwald” gelesen. Er schreibt da über manche Gruppen von Wanderern den folgenden Satz: Nachdem sie ihr Ziel aus dem Auge verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen. - Das sollten Sie nicht immer tun.

(Lebhafter Beifall bei SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich beende die Aussprache. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 26 ist zur Kenntnis genommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Förderung der Verantwortung bei der Nutzung des Internets in Schule und Jugendhilfe

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/3306

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Siebke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Welt des Internets übt eine große Faszination auf Kinder und Jugendliche aus; denn sie ist bunt, unterhaltsam und informativ. Immer mehr Jugendliche verfügen über einen Internetzugang im Elternhaus oder nutzen andere Zugangsmöglichkeiten etwa in der Schule oder im Internetcafé.

Ein verstärktes Interesse für das Internet ist bei Jugendlichen ab zwölf Jahren zu beobachten, die die Weiten des Netzes weniger als drei Stunden wöchentlich nutzen, um im Internet zu surfen, um zu chatten oder um für Referate oder andere Schularbeiten

zu recherchieren. Somit ist das Internet für die Jugendlichen nicht ein Massenmedium, sondern ein Beziehungsmedium. Es ist zwar noch unübersichtlich, aber es gehört zum Alltag der Kinder und Jugendlichen und wird immer pragmatischer gehandhabt. Außerdem bieten sich einem wissbegierigen Kinde anders als früher Chancen, sich auf diesem Wege Bildung anzueignen.

Entgegen aller Vorurteile haben Experten des Weiteren festgestellt, dass durch die neuen virtuellen Welten ein Zuwachs an nonverbaler Intelligenz zu verzeichnen ist. Kinder und Jugendliche nutzen nicht ausschließlich das Web, sondern sie gestalten es auch in zunehmendem Maße. Das nonverbale, bildhaft-abstrakte Denken und das Denken in räumlichen Strukturen wird in den nächsten Generationen zunehmen.

Neben all diesen Vorteilen birgt das Internet aber auch Gefahren. Häufiger werdende Meldungen über pornographische oder Gewalt verherrlichende Seiten, über Seiten mit neonazistischer Propaganda zeichnen leider ein anderes, dennoch realistisches Bild des Internets.

Das Netz bietet ein Konglomerat an Informationen, Botschaften, Musik, Spielen etc. Als Nutzerinnen oder Nutzer haben Kinder und Jugendliche häufig die Wahl; aber sie müssen wissen, was sie interessiert, was sie wollen und was sie suchen. Häufig blättern und kramen oder, um es in der Sprache des Netzes zu sagen, surfen, chatten und mailen Jugendliche. Sie werden demzufolge erst einmal dort hängen bleiben, wo ihnen die stärksten Reize geboten werden.

Die angesprochenen gefährlichen Seiten sind nicht selten Ergebnis einer Fahrt auf der Datenautobahn. In Anbetracht dessen scheint es nötig zu sein, die Kinder und Jugendlichen, aber auch die Eltern und die Lehrkräfte im Sinne eines effizienten und gezielten Umgangs mit den vielfältigen Angeboten zu schulen. Entsprechend startete das Land Brandenburg unter anderem die Medienoffensive m.a.u.s. Zunächst sollen mit der Offensive die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, alle Schulen mit Computern und Internetanschlüssen auszustatten. Gleichzeitig ist das Anliegen von m.a.u.s., die Lehrkräfte entsprechend den neuen Herausforderungen zu qualifizieren. Ein erstes Ergebnis, das sich meiner Meinung nach sehen lassen kann, ist die Förderung von 616 Schulen mit insgesamt 22 Millionen DM im Rahmen der Offensive. Weitere Schulen werden folgen. Des Weiteren können wir mit Recht auf den Umstand stolz sein, dass mittlerweile alle Schulen des Landes Brandenburg über einen Internetzugang verfügen - und das lange Zeit, bevor die bundesweite Aktion ihren Abschluss finden wird.

Aber nicht nur die Ausstattung der Schulen mit so genannter Hardware ist Anliegen von m.a.u.s., sondern gerade auch die Versorgung mit Software, die den neuen Rahmenlehrplänen angepasst ist. So kommen in den Schulen Programmsysteme für den Fremdsprachenunterricht, eine CD zum Thema „Judenverfolgung in der Nazizeit” und ein Multimedia-Autorensystem zum Präsentieren im Unterricht zum Einsatz, um hier nur einige Beispiele zu nennen.

Im Zusammenhang mit der technischen Ausstattung der Schulen mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ist es aber auch von besonderer Wichtigkeit, die Lehrkräfte umfassend weiterzubilden, wenn diese mit dem vielfach stark

ausgeprägten Wissen ihrer Schüler Schritt halten wollen. So wurden allein im Jahre 2000 rund 4 900 Lehrkräfte in mehr als 190 000 Fortbildungsstunden qualifiziert. Dass diese große Zahl auch auf ein starkes Engagement der Lehrkräfte dahin gehend schließen lässt, sich mit den technischen und fachdidaktischen Grundlagen zu beschäftigen, scheint außer Frage zu stehen, wenn man den Umstand berücksichtigt, dass diese Mehrleistungen ausschließlich außerhalb der Unterrichtszeit erbracht wurden.

Auch in den Rahmenlehrplänen für die Sekundarstufe I finden sich die neuen Medien als Verpflichtung wieder. Mit der Vergabe eines Internet- und Computerführerscheins an Schülerinnen und Schüler verpflichtet sich die Schule, ihrer Schülerschaft den Umgang mit Computer und Internet zu ermöglichen.

Mit unserem Antrag wollen wir deutlich machen, dass mit m.a.u.s. als Landesinitiative ein wichtiger Schritt hin zum gegenwärtigen Strukturwandel getan worden ist. In der weiteren Entwicklung wollen wir aber auch darauf hinarbeiten, dass es innerhalb des Jugendschutzes zu einem Paradigmenwechsel kommt. Die rasanten Entwicklungen im Bereich Multimedia lassen die nationalen gesetzlichen Regelungen als nicht mehr ausreichend erscheinen, wenn es um die Gewährleistung eines effizienten Jugendschutzes geht. In diesem Zusammenhang müssen über die internationalen Standards hinaus verbindliche internationale Regelungen zum Jugendschutz gefunden werden. Eine freiwillige Selbstkontrolle von Anbietern und Betreibern muss Realität werden. Auch durch den Aufbau eines Kooperationsnetzes von Jugend-, Schul-, Justiz- und Verwaltungsbehörden sowohl innerhalb des nationalen Raumes als auch über die nationalen Grenzen hinweg kann und muss ein Beitrag zu einem effizienten Jugendschutz geleistet werden. Die unter anderem vom Jugendschutznet erprobten technischen Hilfsmittel wie Filterprogramme für gefährliche Netzinhalte und Kontrollsysteme für den elterlichen PC stellen ebenfalls eine sinnvolle Flankierung der schon genannten Maßnahmen dar.

Aber wir wissen alle, dass all diese Systeme auch ihre Tücken besitzen und nicht in vollem Maße das erfüllen, was wir wollen. Nicht zuletzt - und das sage ich hier ganz deutlich - steht die Vermittlung von Medienkompetenz und Eigenverantwortung im Umgang mit den neuen Medien im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Denn das allein scheint sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche lernen, mit dem Internet verantwortungsvoll umzugehen; denn die Qualifizierung der Heranwachsenden für das Leben in der Informations- und Wissensgesellschaft ist wichtiger denn je.

Die Vermittlung einer allumfassenden Medienkompetenz ist der wichtigste Schritt, Kinder und Jugendliche gut auf ihr Leben vorzubereiten und in unsere gemeinsame Kultur- und Werteordnung hineinwachsen zu lassen.

In diesem Sinne sollten wir diesen Antrag in den zuständigen Ausschuss überweisen und weiter darüber beraten, wie das, was wir wollen, entsprechend des Antrages umzusetzen ist. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Siebke. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der PDS, an Frau Abgeordnete Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Prinzipiell hat die PDS gegen einen Antrag, der die Förderung von Verantwortung zum Ziel hat, nichts einzuwenden, erst recht nicht bei einem so wichtigen Thema wie dem der Medienkompetenz und den sich aus dem Umgang mit dem Internet ergebenden Schutz- und Sicherheitsanforderungen. Wir begrüßen grundsätzlich, dass der Landtag sich dieser Thematik zuwendet. Zugleich haben wir aber auch Klärungsbedarf hinsichtlich der Zielgruppen, die erreicht werden sollen, hinsichtlich der beabsichtigten finanziellen Untermauerung und hinsichtlich der Kompetenzzuweisungen.

Der Antrag hinterlässt in seiner bisherigen Form den Eindruck einer etwas verwässerten Absichtserklärung. Aber auch das ist ja schon ein Anfang.

Zu den Schwerpunkten des Antrages: Selbstverständlich ist die Forderung von Lehrkräften und Schülern nach mehr Medienkompetenz gerechtfertigt. Gerade vonseiten der Lehrer ist hier in den letzten Jahren Außerordentliches geleistet worden. Seit Beginn der Medienoffensive hat sich jeder zweite Lehrer allein auf diesem Gebiet fortgebildet. Die 180 Fortbildner haben mit enormer Eigeninitiative und überwiegend ehrenamtlich Dynamik in die Entwicklung gebracht, die wirklich Anerkennung verdient.

Die Grundbedingungen zum Erlangen der Medienkompetenz sind durch die m.a.u.s.-Offensive gesichert worden. Die Vermittlung von Medienkompetenz ist nach unserer Ansicht in den neuen, verbindlichen Rahmenbedingungen schon festgeschrieben. Das haben wir also schon. Dennoch dürfen wir die Augen nicht vor bestehenden Problemen verschließen. So sind die 52,5 Lehrerstellen, die für PONK, gemeint sind pädagogisch-organisatorische Netzwerkkoordinatoren, landesweit zur Verfügung stehen, geradezu lächerlich, bezogen auf die in diesem Antrag erhobenen Forderungen.

Wir müssen nach wie vor konstatieren, dass die Kluft zwischen den Fähigkeiten der Schüler und denen der Lehrer sehr groß ist. Informatik wird an weiterführenden Schulen immer noch ab Klasse 9/10 mit drei bzw. zwei Wochenstunden als Wahlpflichtfach angeboten. Das ist zu spät und trotz der in § 7 Abs. 3 Schulgesetz möglichen Gestaltungsspielräume zu wenig. Über einen Pflichtanteil Informatik sollte daher nachgedacht werden.

Darüber hinaus ist die Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler beim Erwerb von Medienkompetenz noch längst nicht gewährleistet. Im ländlichen Raum haben etwa nur 50 % der Gesamtschüler der Sekundarstufe I einen eigenen PC zu Hause. Das Problem der Chancengleichheit erscheint uns daher auch viel wichtiger als das der zu gewährleistenden Sicherheit.

Ebenso unbefriedigend ist die bisherige Ausstattung der Gymnasien im Bereich der Sekundarstufe II, da hier die m.a.u.s.Offensive nicht gegriffen hat.

Die Forderungen, mit unterschiedlichen Partnern Informationsangebote für Eltern zu organisieren, ist schon gerechtfertigt, um Jugendliche aber immun zu machen gegen pornographische, rassistische oder rechtsextreme Einflüsse per Internet, bedarf es einer viel weitreichenderen Beratung. Rechtsextremes Gedan

kengut existiert nicht in erster Linie wegen der Angebote im Internet. Es ist wohl eher umgekehrt so, dass es wegen der Interessenten Betreiber gibt, die solches anbieten und damit immense Summen verdienen. Das Problem der freiwilligen Selbstkontrolle stößt hier deutlich an Grenzen.

So wie alle Verbote zu umgehen und restriktive Maßnahmen zu durchbrechen sind, wird auch jeder Contentfilter irgendwann umgangen werden können. Wir begrüßen, dass im Rahmen des Pilotversuches „Sicheres Internetsystem” die Deutsche Telekom ein Security@School-Projekt mit einem T-Router auf den Weg gebracht hat, der jugendgefährdende Internetseiten herausnimmt. Die Schulen haben das Angebot bekommen - Anschaffungskosten knapp 4 000 DM, monatliche Kosten 100 DM. Das ist für viele Schulträger nicht leistbar, für Träger der offenen Jugendarbeit bei der derzeitigen Kassenlage fast ausgeschlossen.

Die Hauptgefahr, dass Jugendliche sich mit jugendgefährdenden Seiten im Netz beschäftigen, geht aber nicht von der Schule und von den Jugendeinrichtungen aus, das passiert überwiegend zu Hause. Daher ist das Nachdenken über Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, wie im Antrag erwünscht, eher überflüssig.

(Beifall bei der PDS)

Hier ist Verantwortung von Schule und Jugendhilfe einfach nicht mehr gegeben. Sie liegt in der Hand der Betreiber und Anbieter.

So gesehen ist die Forderung nach dem Einsatz der Landesregierung für europaweite und internationale Lösungen richtig und findet vor allem bezogen auf die im letzten Spiegelstrich erhobenen Forderungen unsere Zustimmung.

Ansonsten vermittelt der Antrag den Eindruck, dass die Regierung die Chance bekommen soll, über die schon eingeleiteten Initiativen vor dem Parlament zu berichten, und natürlich begrüßt auch die PDS, dass am 22.11. die dritte Fachtagung, vom MBJS und dem Medienpädagogischen Zentrum organisiert, zu genau den im Antrag formulierten Forderungen stattfindet.

Zu Internetrecht, Möglichkeiten und Grenzen des Jugendschutzes im Internet, psychosozialen Auswirkungen der Benutzung des Internets werden Fachleute referieren. Das ist der richtige Weg. Um den Antrag nach dieser Expertenanhörung noch weiter zu qualifizieren und zu konkretisieren, beantragt die PDS daher eine Überweisung in die Ausschüsse für Bildung, Jugend und Sport, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Inneres sowie Haushalt und Finanzen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der CDU, an Herrn Abgeordneten Senftleben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedeutung des Internets ist für uns alle jeden Tag sichtbar. Neue und vielfältige Möglichkeiten in allen Lebensbereichen unterstreichen diese Entwicklung. Dabei müssen wir aber auch neue

Antworten in Bezug auf den Jugendschutz finden. Wir stehen also vor der Herausforderung, Risikobewusstsein gegenüber dem Internet zu schaffen, ohne die positive Einstellung zu untergraben oder Chancen zu verbauen.

Meine Damen und Herren, der Internetzugang für Schulen - das wurde heute schon erwähnt - ist kein Privileg mehr. Er eröffnet unseren Schülern jeden Tag ein wichtiges Tor zur Wissensgesellschaft. Wir haben in Brandenburg mit der Medienoffensive m.a.u.s. wichtige Impulse gesetzt und werden sie weiterhin betrachten. Nahezu jede Schule nutzt durch Internetprovider kostenfrei bereitgestellte Internetzugänge. Es bestehen aber im internationalen Vergleich, meine Damen und Herren, noch gravierende Mängel bei der Ausstattung mit einem funktionsfähigen IT-System in Deutschland. Es geht nicht nur um die Qualität der EDV-Ausstattung an unseren Schulen, es geht um eine verantwortungsvolle Nutzung im Unterricht, somit eine sinnvolle Integration in den Unterricht, eine Anforderung, die unser Bildungssystem auch in Brandenburg noch leisten muss, ich denke, auch leisten wird.

Studien der Bertelsmann-Stiftung haben ergeben, dass in den USA bereits 56 % der Lehrer das Internet für ihren schulischen Alltag in Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts nutzen und wir in Deutschland momentan bei 28 % stehen. Das heißt, meine Damen und Herren, hier gibt es einen Nachholbedarf, den wir ändern müssen.