Protokoll der Sitzung vom 21.11.2001

Eine Rechtsgesellschaft, die einen derartigen Werteverfall und eine derartige Aushöhlung der Rechtskultur toleriert, verfällt früher oder später in Anarchie.

Die Erpressung des Staates oder Einzelner durch Androhung bzw. durch Anwendung gemeingefährlicher Mittel hat jedoch besonders in Brandenburg und Berlin ein ganz besonders abscheuliches Ausmaß angenommen. Linksextremistische Chaoten werfen aus ideologischen Motiven heraus Hakenkrallen auf Oberleitungen und verüben regelmäßig Attentate auf Bahnstrecken. Damit wird der Tod einer Vielzahl unschuldiger Menschen bewusst in Kauf genommen.

Meine Damen und Herren, es ist Aufgabe der Politik, durch die Schaffung entsprechender strafrechtlicher Voraussetzungen die notwendigen rechtspolitischen Lenkeffekte zu erzielen. Straftäter in soeben genanntem Sinne verdienen die volle Härte des Gesetzes. Sie müssen unnachgiebig verfolgt und bestraft werden. Daher muss der Strafrahmen der Tatbestände der Störung des öffentlichen Friedens, des Vortäuschens von Straftaten sowie der Bedrohung angehoben werden, um Personen, die, aus welchen ideologischen oder krankhaften Motiven auch immer, meinen, den Staat und die Gesellschaft erpressen und in seiner Handlungsfähigkeit aushöhlen zu können, entsprechend abzuschrecken. Hier ist der Gedanke der General- sowie der Individualprävention besonders anzuwenden.

Rechtsgut der in dem Antrag genannten Vorschriften ist der öffentliche Frieden. Das ist ein objektiver Zustand allgemeiner Rechtssicherheit sowie das subjektive Bewusstsein der Bevölkerung, in Ruhe und Frieden leben zu können. Hinter den genann

ten Vorschriften steht daher der Schutz der Rechtsordnung als Ganzes und damit ihrer Legitimität.

Der öffentliche Friede ist ein normatives Rechtsgut. Gestört ist der Friede, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung, mindestens aber einer nicht unbeträchtlichen Personenzahl, durch die genannten Handlungsweisen eintritt. Daher muss die Strafrechtspflege entsprechend gestärkt werden. Sie muss vor unnützer Inanspruchnahme ihres Apparates und der damit verbundenen Schwächung der Verfolgungsintensität geschützt werden und das Vertrauen des Bürgers in die rechtsstaatliche Ordnung im Sinne einer wehrhaften Demokratie muss gestärkt werden. Dieses wird im Bereich des Vortäuschens und Androhens von Straftaten nur durch die entsprechende Heraufsetzung des Strafrahmens für Tatbestände der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, des Vortäuschens einer Straftat sowie der Bedrohung erreicht werden, indem zum einen die Strafkonsequenz generell erhöht wird. Zum anderen müssen die Androhung sowie die Vortäuschung gemeingefährlicher Handlungen, unter anderem die schweren Qualifikationen der Brandstiftung, der gemeingefährlichen Vergiftung sowie der gemeingefährlichen Angriffe auf den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr, durch die Einführung der Mindeststrafe und die Hebung in den Rang eines Verbrechens veranlasst werden, um dafür zu sorgen, dass Bewährungsstrafen solche Taten nicht mehr als Kavaliersdelikte erscheinen lassen.

Wir als Fraktion der Deutschen Volksunion setzen uns konsequent für den Rechtsfrieden in unserem Land ein. Deshalb bitten wir Sie: Stimmen Sie unserem Antrag vollinhaltlich zu! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht erneut der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nahtlos an meine Ausführungen zu dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt anknüpfen. Momentan herrscht große Sorge vor weiteren Terroranschlägen in der Bevölkerung, insbesondere durch die El Kaida. Tatsächlich gibt es nun Wirrköpfe, die ohne Sinn und Verstand diese Ängste ausnutzen, indem sie beispielsweise Backpulver versenden, was schlimmste Sorgen beim Empfänger solcher Briefsendungen verursacht. Das sind keine üblen Scherze mehr, sondern dies ist durch nichts zu rechtfertigen oder gar zu entschuldigen. Wer solche Taten begeht, ist mit aller Härte zu bestrafen. Die bisher erfolgten Verurteilungen zeigen, dass ich mit dieser Meinung nicht allein stehe, sondern dass auch die damit befassten Richter den Strafrahmen des Strafgesetzbuches ausschöpfen. Eine Veranlassung, die Höchststrafen der entsprechenden Paragraphen zu erhöhen, sehen wir jedoch nicht. Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Vietze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, ich löse jetzt keine Irritation über die Größe der Koalition in diesem Lande aus, aber ich möchte auf eine ausführliche Begründung, was die Ablehnung dieses Antrages der DVU seitens der PDSFraktion betrifft, verzichten. Herr Homeyer war so freundlich, das in der Sache Notwendige zu sagen, sowohl was die Sorge der Bürgerinnen und Bürger, als auch die Bewertung der notwendigen Maßnahmen betrifft, die die Bundesregierung diesbezüglich zu ergreifen hat. Wir stimmen der Auffassung von SPD und CDU, den DVU-Antrag hier abzulehnen, zu.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei SPD und CDU)

Wir sind bei der Landesregierung. - Sie signalisiert Verzicht. Damit ist die Rednerliste abgearbeitet und ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung ihrer Drucksache 3/3518 - Neudruck - an den Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer diesem Antrag folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Bundesratsinitiative zur Ablehnung des Entwurfs des Zuwanderungsgesetzes der Bundesregierung und zur grundlegenden Reform des bestehenden Flüchtlingsund Ausländerrechts anstelle des beabsichtigten Zuwanderungsgesetzes

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/3519 (2. Neudruck)

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Abgeordnete Hesselbarth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, die Bundesregierung beabsichtigt, die Zuwanderung nach Deutschland durch ein neues Gesetz zu regeln, das auch hierzulande die Gemüter erhitzt. Vom Verhalten Brandenburgs im Bundesrat wird es maßgeblich abhängen, ob das Zuwanderungsgesetz Wirklichkeit wird. Wir als DVU-Fraktion lehnen das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ab. Wir halten aber das Bestehen des Ausländer- und Flüchtlingsrechts in weiten Teilen für reformbedürftig. Es wird den heutigen Lebenswirklichkeiten nicht mehr gerecht.

Zuwanderung in unser Land hat es immer gegeben, charakteristisch für die Zuwanderung in der Vergangenheit war aber Folgendes: Diese sozusagen in Wellen erfolgten Zuwanderungen führten nicht dazu, dass die sozialen und kulturellen Werte unseres Landes so weit verschoben wurden, dass seine Zugehörigkeit zum europäischen, christlich-abendländischen Kulturkreis infrage gestellt worden wäre. Im Gegenteil: Diese Zuwanderungen standen insbesondere auch der Herausbildung des deutschen Nationalstaates ab 1848 nicht entgegen.

Die Zuwanderer der vorangegangenen Epochen wurden in einer Weise in das gesellschaftliche und soziale Leben Deutschlands integriert, dass sie den notwendigen gesellschaftlichen Konsens zur Herausbildung des Nationalstaates mittragen konnten.

Möglich machten das die Integrationsleistungen dieser Generationen von Zuwanderern einerseits und die Grundwerte der Toleranz und des Humanismus im deutschen Volk andererseits. Aus der Sicht der Fraktion der DVU gilt es heute daran anzuknüpfen.

Leitbild für uns ist der moderne aufgeklärte Nationalstaat, der, eingebettet in die Wertegemeinschaft europäischer Nationen und Staaten, die Grundwerte Toleranz und Humanismus sowie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Sozialstaatlichkeit verwirklicht

(Frau Siebke [SPD]: Geht es nicht einen Zacken schärfer?)

und die notwendige Integration von Zuwanderern in diesen Wertekonsens abfordert. Das muss jedoch letztendlich zu der Erkenntnis führen, dass Deutschland eben kein klassisches Einwanderungsland ist

(Schippel [SPD]: Nein, was denn dann?)

wie etwa die USA oder Australien.

(Frau Siebke [SPD]: Wo ist der Unterschied?)

Die Zuwanderung nach Deutschland vollzieht sich in ein bestehendes, über Jahrhunderte gewachsenes kultur-, rechts- und sozialethisches Wertesystem, während klassische Einwanderungsländer wesentlich inhomogener sind. Deren Bevölkerung setzt sich von Anfang an aus Menschen unterschiedlicher Herkunft mit verschiedenen Kulturen sowie ethischen und sozialethischen Standards zusammen. Aus diesen Gründen ist deren kultureller, sozialer und rechtlicher gemeinsamer Nenner ein anderer.

Ganz abgesehen davon ist unser Land - anders als etwa die USA oder Australien - schon aufgrund seiner geographischen Beschränktheit, Besiedlungsdichte und sozialen Sicherungssysteme nicht dafür konzipiert, ein solches Einwanderungsland zu sein oder zu werden.

Wer das nicht beherzigt, der wird mit seiner Politik in der Bevölkerung nicht auf die Akzeptanz stoßen, die tolerantes Verhalten gegenüber Menschen anderer Herkunft voraussetzt. Er versündigt sich deshalb auch gegen die Menschen, die berechtigterweise nach Deutschland kommen.

Hieraus ergeben sich tief greifende Unterschiede zu den Kon

zepten aller anderen Parteien, auch der des Herrn Schönbohm, der wegen des rot-grünen Gesetzentwurfes jetzt sogar mit dem Bruch der großen Koalition drohte. Das Konzept der DVU ist konsequent auf Einzelfallinteressen bezogen und zugleich rechtsstaatsorientiert. Es verbietet sich, im Bereich des allgemeinen Ausländerrechts insbesondere - wie das Zuwanderungskonzept der Bundesregierung das vorsieht -, Zuwanderung pauschal nach Quoten zuzulassen.

Die Notwendigkeit von Zuwanderung zur Aufnahme von Erwerbstätigkeit lässt sich nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall feststellen. Unter Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität wird diese Notwendigkeit zudem nur anzuerkennen sein, wenn feststeht, dass - bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz oder auf eine konkrete wirtschaftliche Betätigung - die personellen Ressourcen hierzulande tatsächlich erschöpft sind. Daher muss dies im Ausländergesetz im Sinne einer bedarfsgerechten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik tatbestandsmäßig geregelt werden.

(Schippel [SPD]: Das steht alles so drin!)

Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt der DVU-Fraktion an dem Entwurf der Bundesregierung und den Vorstellungen von CDU und CSU ist die beabsichtigte pauschale Herabsetzung des Nachzugsalters für Kinder auf 14 oder gar zwölf Jahre. Das widerspricht nicht nur dem Stellenwert, den wir Ehe und Familie nach Artikel 6 Abs. 2 und 3 Grundgesetz zumessen, sondern auch dem Grundsatz, dass Kinder oder Jugendliche in diesem Alter der elterlichen Fürsorge bedürfen.

Zudem lässt sich die Integrationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen nicht pauschal nach dem Alter bemessen. Auch Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sind grundsätzlich zu den notwendigen Integrationsleistungen fähig, wenn nur der Wille zur Integration, insbesondere auch bei den Eltern, vorhanden ist.

Schließlich konterkariert dieses Vorhaben von Bundesregierung und CDU/CSU geradezu den Leitgedanken der so genannten Süssmuth-Kommission, durch Zuwanderung einer Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Konkret: Wenn Sie heute die Eltern ins Land holen und die Kinder draußen lassen, dann sind die Eltern etwa im Jahr 2035 im Rentenalter und man benötigt mangels Kindern stets neue Zuwanderer zum Ausgleich.

Wir halten es deshalb für besser, einen Nachwuchs hier zu haben, der seine Schul- und Berufsausbildung in Deutschland absolviert hat. Wir schlagen vor, bei Kindern über zwölf Jahre das Recht auf Wiederkehr zu beschränken, wenn sie nach ihrer Ersteinreise in Deutschland trotz durchgehenden Aufenthalts ihrer Eltern in Deutschland nicht die Schulpflicht erfüllt haben und deshalb die Integrationsanforderungen nicht erfüllen. Schon heute sind aufgrund mangelnder Integration in der Vergangenheit die Parallelgesellschaften insbesondere in gettoisierten Stadtteilen deutscher Großstädte festzustellen.

Wegen der hiermit einhergehenden sozialen und sicherheitspolitischen Verwerfungen halten wir es für unbedingt erforderlich, die Integrationsanforderungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung heraufzusetzen, um diese Entwicklung schrittweise zu überwinden.

Maßstab hierfür müssen zukünftig die Sprachkenntnisse und Integrationsleistungen sein, die heute für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vonnöten sind.

Unklar bleibt bei dem Zuwanderungskonzept der Bundesregierung auch, wer künftig die Kosten der Integration tragen soll. Die DVU-Fraktion will damit die Allgemeinheit nicht übermäßig belasten.

Bei Zuwanderung zur Aufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit halten wir es nur für billig und gerecht, wenn der anwerbende Betrieb diese Kosten anstelle von Ausbildungskosten zu tragen hat.

Ergänzend hierzu halten wir es allerdings für unbedingt erforderlich, dass Integrationskosten in der Zukunft wie Ausbildungskosten steuerlich absetzbar sind.

Grundsätzlich gilt hier Folgendes: Erfolgreiche Integration ist ganz wesentlich vom Willen zur Integration abhängig. Diesen Willen stärkt man bekanntlich am besten dadurch, dass man die erfolgreichen Integrationsleistungen auch abfordert.

Schließlich hält es die DVU-Fraktion für unerlässlich - darüber können Sie sich alle ereifern, solange Sie wollen - , alle aufenthaltsrechtlichen Verfahren erheblich zu beschleunigen, den Missbrauch unseres Ausländer- und Flüchtlingsrechts auch durch Gesetzesänderung viel konsequenter als bisher zu bekämpfen und jedenfalls diejenigen Ausweisungstatbestände zu verschärfen, die sich gegen Ausländer richten, die kriminell geworden sind, die Ideen oder Ideologien anhängen, welche unserer Grund- und Werteordnung offensichtlich zuwider laufen oder die ansonsten unser Recht offenbar missbrauchen.

Nur kurz kann ich noch auf das Asyl- und Flüchtlingsrecht eingehen. Die DVU-Fraktion hält nichts von der vor einiger Zeit aus den Reihen der CSU und heute seitens eines Herrn Schill vertretenen Einteilung von Ausländern in solche, die uns nützen, und solche, die uns schaden. Wie sollen die asylberechtigten und anerkannten Flüchtlinge zugeordnet werden? Nutzen oder schaden die? Wir meinen, es handelt sich hier um Menschen, die unserer Hilfe dringend bedürfen. Helfen kann man diesen Menschen sicherlich nicht dadurch, dass man das Asylrecht abschafft, sondern dadurch, dass man deren Verfahren erheblich beschleunigt und den Asyl- und Flüchtlingsschutz der heutigen Lebenswirklichkeit anpasst.