Protokoll der Sitzung vom 22.11.2001

Wenn wir dieses Gesetz heute verabschiedet haben, dann habe ich sehr vielen zu danken. Ich habe an erster Stelle vor allem der Expertenkommission zu danken, die rückhaltlos alle Schwachstellen aufgedeckt hat, die es im Lande gibt; da gibt es nichts zu vertuschen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich habe des Weiteren den Mitgliedern dieses Hohen Hauses, den drei Ausschüssen, die sich mit dieser Materie beschäftigt haben - das waren der Rechtsausschuss und der Innenausschuss als mitberatende Ausschüsse sowie der Gesundheitsausschuss als federführender Ausschuss - dafür zu danken, dass diese schwierige Materie so gründlich, so sorgfältig beraten wurde und dass dann so rechtzeitig entschieden worden ist, dass wir

die Schlusslesung hier heute haben können. Noch einmal vielen herzlichen Dank.

Ich will aber auch hinzufügen, meine Damen und Herren, dass wir, wenn wir das PsychKG, wie wir es abgekürzt nennen, hier im Lande novelliert haben, die Probleme, die wir insgesamt haben, noch nicht gelöst haben.

Ich will an zwei Dinge erinnern. Wir hatten den Antrag auf Umkehr der Vollstreckungsfolge bei der zuständigen Staatsanwaltschaft, den so genannten Rosa Riesen - ich brauche das nicht weiter auszuführen - und auch Herrn Schmökel betreffend, gestellt. Die Umkehr der Vollstreckungsfolge konnte durch das Gericht nicht angeordnet werden, obwohl hochkarätigste Gutachter aus der Bundesrepublik Deutschland - zwei Professoren dies so vorgeschlagen hatten, weil die Bundesgesetzgebung sagt, die Maßregel geht vor. Das ist nicht hinzunehmen und deshalb werden wir weiter daran arbeiten müssen, dass dies geändert wird.

Es gibt inzwischen einen Gesetzentwurf des Freistaates Bayern. Allerdings bezieht er sich nur auf die Straftäter nach § 64 Strafgesetzbuch, das heißt, auf Drogenabhängige und Alkoholabhängige, also Suchtkranke. Ich will, dass auch die Persönlichkeitsgestörten in einem solchen Gesetzentwurf mit verankert werden und dass wir den Bund so weit bewegt bekommen - ich bin selbst in der entsprechenden Landesgruppe meiner Fraktion gewesen und habe das dargestellt -, dass schlussendlich nicht mehr die Richter nur darüber entscheiden, wer in den Maßregelvollzug geht, sondern auch darüber, wer Lockerungen bekommt, wer Urlaub bekommt, denn das ist das System, welches in Europa auf dem Vormarsch ist. Das brauchen wir, um die Menschen wirklich zu schützen, und auch, um dem Therapieauftrag, den wir haben, Rechnung zu tragen. - Vielen Dank Ihnen allen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung in Drucksache 3/3500 des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen folgen möchte, der möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung einstimmig gefolgt worden, das Gesetz in 2. Lesung angenommen und verabschiedet.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz zur Änderung abgabenrechtlicher Vorschriften im Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/3505

1. Lesung

Da vereinbart wurde, auf eine Debatte zu verzichten, kommen wir sofort zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Über

weisung dieses Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Inneres. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist dem einstimmig gefolgt worden und ich kann den Tagesordnungspunkt 6 ebenfalls schließen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3508

1. Lesung

in Verbindung damit:

Artikelgesetz zur Änderung des Wahl- und des Abstimmungsrechts in Brandenburg

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3509

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Ludwig, bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach mehreren Jahren legt Ihnen die PDS erneut zwei Gesetzentwürfe vor, mit denen wir für breitere Partizipationsrechte von Jugendlichen unter 18 Jahren in unserem Land Brandenburg streiten wollen. Der Hauptgrund dafür, warum wir dies tun, ist leicht erklärt: Die Mehrheit des Landtages der 2. Wahlperiode hat 1997 nicht nur unsere eingereichten Gesetzentwürfe, sondern auch einen als Kompromiss gedachten Änderungsantrag abgelehnt. Die Mehrheit des Hauses wollte damals nicht einmal das aktive Kommunalwahlrecht für 16- und 17-Jährige. Hätten sie damals anders entschieden, hätte meine Fraktion auf die heute vorliegenden Gesetzentwürfe verzichten können.

Jugendlichen die Teilnahme an Kommunalwahlen zu ermöglichen ist seit langem eine wichtige Forderung im politischen Raum, auch in Brandenburg. Wie andere Befürworter auch betrachtet meine Partei die Einführung des Jugendwahlrechts als ein wichtiges Signal an die junge Generation. Jugendliche können so stärker in lebenswichtige politische Entscheidungen einbezogen werden. Die Parteien wären gezwungen, sich stärker mit Themen auseinander zu setzen, die Jugendliche besonders bewegen. Themen wie Umweltschutz, Jugendarbeit, Schaffung von Ausbildungsplätzen, Gesundheitsförderung, Armutsvermeidung und anderes mehr würden ein weitaus größeres Gewicht bekommen. Dieses Signal an die Jugendlichen auszusenden ist für uns der wichtigste Grund, den Landtag mit diesen Gesetzgebungsmaßnahmen zu befassen.

Wissenschaftliche Untersuchungen beweisen: Jugendliche sind vor Vollendung des 18. Lebensjahres politisch entscheidungsfähig und besitzen mit Abschluss der Pflichtschulzeit die Bereitschaft und die politische Kompetenz für die Teilnahme an Wahlen in Form der Wahrnehmung des aktiven Wahlrechts.

Nun hat die CDU, vor allem aber die SPD, die sich als Bundespartei bereits 1993 in Wiesbaden für ein kommunales Jugendwahlrecht ausgesprochen hat, bei der letzten Befassung wieder festgestellt, dass die Jugendlichen selbst nicht wählen wollten. Verwiesen wurde damals auf eine von der SPD durchgeführte Befragung. Nun wissen wir ja alle, dass man Fragen bei Umfragen so oder so formulieren kann. Sie fragten damals eben nicht nach der Bereitschaft von Jugendlichen zur Teilnahme an Kommunalwahlen, sondern zur Teilnahme an Wahlen. Das Ergebnis der Umfrage fiel zwar mehrheitlich gegen die Teilnahme, aber denkbar knapp aus: 584 Stimmen für das Wahlrecht standen 616 Stimmen gegen das Wahlrecht gegenüber.

Bei einer etwa zeitgleich durchgeführten Umfrage unter Jugendlichen, in der dezidiert nach der Bereitschaft zur Teilnahme an Kommunalwahlen gefragt worden war, sprach sich eine deutliche Mehrheit von 62,3 % der Befragten - gegenüber 35,7 % Nein-Stimmen - für ein aktives Wahlrecht der 16- und 17-Jährigen aus. Wählbar allerdings wollten die Jugendlichen nicht sein.

Ich weiß natürlich, dass die Mehrheit im Landtag diese Zahlen schon damals nicht wahrnehmen wollte. Also reden wir über das, was sich zwischenzeitlich getan hat. Das ist vor allem Folgendes:

Das kommunale Jugendwahlrecht wurde seit der letzten Befassung des Brandenburger Landtages in mehreren Ländern erfolgreich praktiziert. 1996, als wir unsere Gesetzentwürfe zum Jugendwahlrecht einbrachten, gab es nur in Niedersachsen ein kommunales Jugendwahlrecht. Heute haben es auch NordrheinWestfalen - das für Brandenburger Politik ja wohl immer sehr wichtig war -,

(Zuruf von der CDU: War!)

Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und SachsenAnhalt. Repräsentative Erhebungen belegen, dass das Wahlverhalten der 16- und 17-Jährigen sich grundsätzlich nicht von dem der Erwachsenen unterscheidet. Ganz im Gegenteil: Manchmal ist die Wahlbeteiligung sogar höher als in bestimmten Altersgruppen der Erwachsenen. Vielleicht verbinden ja gerade Jugendliche mit der Wahl auch die Hoffnung auf konkrete Veränderungen in ihrer Kommune.

Zum Beleg meiner Aussage führe ich an dieser Stelle etwas aus der Statistik an: Bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt 1999 betrug die Wahlbeteiligung 45,1 %. In der Gruppe der 16bis 18-Jährigen betrug sie 40 %. Deren Beteiligung lag damit teilweise erheblich über der Wahlbeteiligung der 18- bis 35Jährigen. Nach repräsentativen Befragungen sah das Ergebnis folgendermaßen aus: Altersgruppe 18 bis 21 Jahre 34,1 %; 21 bis 25 Jahre 29,2 %; 25 bis 30 Jahre 29,3 %. Auch die 30- bis 35-Jährigen nahmen ihr Wahlrecht nur zu 35,7 % in Anspruch. Das heißt, es gab eine deutlich höhere Wahlbeteiligung bei den 16- und 17-Jährigen.

Bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein 1998 wie auch bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 1999 ließ sich Ähnliches beobachten. Es ist schon ein Phänomen, dass insbesondere die jugendlichen Erwachsenen keine ausgeprägte Bereitschaft zur Teilnahme an demokratischen Wahlen haben, wohl aber jene Gruppe, die erstmals wählen darf.

In den letzten Tagen haben wir erlebt, dass die Wahlbeteiligung in Brandenburg selbst bei den wichtigen Wahlen der Gemeindeoberhäupter nicht selten unter 40 % lag. Wollen Sie deshalb den 40 % der Jugendlichen das Wahlrecht nehmen? Das Signal, das wir aussenden müssen, sollte doch wohl ein anderes sein: Lassen wir die 16- und 17-Jährigen Jugendlichen, die damit die Politik in ihrer Kommune beeinflussen wollen, auch wählen. Sonst finden wir uns eines Tages in der Situation wieder: Es ist Wahl und kein Jugendlicher geht hin.

Davon hat sich wahrscheinlich auch die Landesregierung leiten lassen, als sie vor einem Jahr auf eine Anfrage des Abgeordneten Vietze antwortete:

„Nach Ansicht der Landesregierung sollte der Verfassungsgeber an der bestehenden Altersgrenze für das aktive und passive Wahlrecht bis zur Auswertung der Erfahrungen in den anderen Bundesländern festhalten...”

Einige Zahlen dazu habe ich genannt. Über sie und ihre qualitative Bewertung ließe sich in den zuständigen Ausschüssen ebenso reden wie über das grundsätzliche Anliegen, die Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten für Jugendliche in unserem Land. Geben Sie der Überweisung unserer Gesetzentwürfe in den Hauptausschuss also Ihre Zustimmung! - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Muschalla. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt - Herr Ludwig hatte schon darauf hingewiesen -: Wir hatten uns schon 1996/97 mit dem Problem durch Befragung intensiv befasst. Rund 5 000 Jugendliche wurden befragt. Im Juli 1997 wurde im Landtag eine Anhörung mit Sachverständigen durchgeführt. Des Weiteren wurde eine Briefaktion an Jugendliche gestartet, die über 1 500 Jugendliche erreichte. Das Ergebnis war, dass die Mehrheit - 40,2 % der Jugendlichen - ein Wahlrecht von sich aus ablehnten. Die Sachverständigen waren sich fast einig: Nein, unter den gegenwärtigen Bedingungen kein Wahlrecht für Jugendliche unter 18 Jahren.

Ziel war es damals wie heute, das Interesse der Jugendlichen zu wecken, mehr an Demokratie teilzuhaben, sich mehr einzubringen und Politik vor Ort stärker zu erleben. Dieses Interesse müsste eigentlich auch heute noch bei allen bestehen, aber eine von oben verordnete Demokratie kommt bei denen, die Nein gesagt haben, genauso negativ an wie bei dem geringeren Teil, der dies haben will.

(Beifall der Abgeordneten Fritsch [SPD] und von Arnim [CDU])

Wir sprechen von einem Wahlrecht, nicht von einer Wahlpflicht - damit wir uns richtig verstehen.

Was hat sich seit 1997 geändert? Erstens: Es ist nicht mehr ein Land, sondern es sind bereits fünf, die das kommunale Wahlrecht eingeführt haben; Herr Ludwig hat es genannt. Zweitens wird es in Kürze neue Kommunalstrukturen geben. Durch die Gemeindegebietsreform entstehen größere Einheiten, wodurch eventuell auf die Interessen von Jugendlichen schlechter oder sagen wir es einmal so - nicht ganz so gut wie bisher eingegangen werden kann. Trotzdem entsteht bei mir immer die Frage: Wollen die Jugendlichen es selber?

Wenn wir sagen: Wahlrecht ja -, besteht immer noch die Diskrepanz zu den eigentlichen Rechten, die einem Jugendlichen vielleicht auch zustehen könnten. Das wäre auch eine Forderung, über die wir einmal diskutieren könnten. Welche Kaufverträge können sie abschließen? - Die normalen nicht. Sie können nicht Auto fahren. Sie können nicht heiraten. Die Trennung zwischen aktivem und passivem Wahlrecht steht nach wie vor an.

Es ist also keine Lösung für mich.