Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Prof. Michael Schumann sagte zu diesem Vorhaben am 20. September 2000 genau von hier aus:

„Niemanden wird es verwundern, dass wir einer Sicherheitspolitik unsere Zustimmung verweigern, die die Sicherheitslage durch immer gesteigerte Eingriffsmöglichkeiten der Polizei in die von Verfassungs wegen geschützten Grundrechte zu beherrschen vorgibt. Eingriff in das Grundrecht auf Leben - Stichwort finaler Rettungsschuss -, Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz - Stichwort Videoüberwachung -, Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit Stichwort Aufenthaltsverbot -, das sind Ihre Antworten und das nennt sich dann modern.”

Niemanden in diesem Hause wird es wundern, dass diese Position für uns nach wie vor Bestand hat. Unter anderem deshalb auch unser heutiger Antrag. Wenn schon wenige Wochen nach Einführung bestimmter Maßnahmen durch die Regierung fast euphorisch ihr angeblicher Erfolg gemeldet wird - so geschehen bei der Videoüberwachung -, halten wir es allemal für nötig und möglich, genauer hinzusehen und einen Bericht einzufordern.

Minister Schönbohm hat gegen alle Widerstände und auch gegen kritische Stimmen aus der SPD-Fraktion die oben genannten Regelungen durchgesetzt. Unübersehbar ist das Bemühen des Innenministers, sich auf dem Gebiet der inneren Sicherheit zu profilieren und all das, was er in Berlin nicht durchsetzen konnte, in Brandenburg zu erreichen.

(Petke [CDU]: Das ist auch seine Aufgabe!)

Kaum beschlossen, wurde die Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze den Kreisen regelrecht aufgedrängelt.

(Petke [CDU]: Richtig!)

An deren Notwendigkeit und Sinn - da bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Petke - zweifelt nicht nur die PDS-Fraktion. Das tun selbst Polizisten. Auch in Berlin lehnte und lehnt man trotz der höheren Kriminalität und der zweifellos gegebenen Kriminalitätsschwerpunkte zum Beispiel die Videoüberwachung nach wie vor ab.

(Petke [CDU]: Fragen Sie mal die Bürger!)

Die PDS kann ja nachvollziehen, dass Sie von der CDU versuchen, in Brandenburg ein bundesweites Führungsbeispiel für den durchschlagenden Erfolg Ihrer Maßnahmen einschließlich Videokameras zu organisieren. Mit den jetzt eingerichteten Überwachungsorten und der relativ hohen Zahl eingesetzter Kameras - nach Kosten ist in diesem Zusammenhang nicht gefragt worden - haben Sie dem bisherigen Beispielland Sachsen bereits den Rang abgelaufen.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, aber Sie haben bei allen Sparmaßnahmen nicht danach gefragt.

Als der für die so genannte innere Sicherheit auf Bundesebene Zuständige seiner Partei will man ja auch etwas vorweisen.

(Zuruf von der CDU: Was ist denn die „so genannte inne- re Sicherheit”?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, Sie werden nachvollziehen können, dass wir Ihre Propaganda der Erfolge nicht mitmachen. Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Die Auseinandersetzung über diese Fragen wird sich verschärfen. Bundesinnenminister Schily will sich von der CDU auf deren bisherigem Vorzeigegebiet natürlich nicht überbieten lassen. Law and Order wurden nun auch zu sozialdemokratischen Grundwerten, die Grund- und Freiheitsrechte stehen hintenan. Leider werden diejenigen, die vor dieser Entwicklung warnen und auf die Wahrung der Bürgerrechte drängen, öffentlich derzeit weniger wahrgenommen. Ihr Einfluss in den regierungserfahrenen Parteien auf Bundesebene ist offensichtlich geringer geworden.

Nach den terroristischen Anschlägen des 11. September 2001 wurden politische Defizite deutlich und haben Menschen auch in Deutschland ihr Sicherheitsbedürfnis verständlicherweise in stärkerem Maße artikuliert. Dies benutzend, haben SPD, CDU und Grüne unter der Überschrift „Terrorismusbekämpfungsgesetze” neue Eingriffsmöglichkeiten des Staates geschaffen, die

durch den Anspruch auf das Primat der Sicherheit die Grundrechte noch weiter aushöhlen.

Meine Damen und Herren, die PDS vertritt einen anderen Ansatz. Wir fordern die Begrenzung der Eingriffsrechte des Staates auf ein notwendiges Minimum und den Vorrang der Wahrung der Grundrechte der Bürger. Mehr Prävention statt Repression muss angestrebt werden. Auch wenn eine solche Forderung derzeit nicht populistisch einsetzbar ist, bleibt sie dennoch populär.

(Beifall bei der PDS)

Niemand kann bestreiten, dass sich die Sicherheitsdiskussion der letzten Monate immer weiter von den eigentlichen Ursachen für Kriminalität abgewendet und sich immer stärker auf Strafverschärfung und Repression gerichtet hat.

Unsere Fragen sind: Wie und inwieweit kann tatsächlich Sicherheit für die Menschen geschaffen werden? Wo täuscht Aktionismus Sicherheit nur vor? Wo wird ein zweifelhafter Zuwachs an Sicherheit nur mit Eingriffen in die Grundrechte erkauft? Wurden denn die täglichen Probleme der Brandenburger mit den Gesetzesänderungen der letzten Jahre tatsächlich aufgegriffen oder gelöst?

Vor diesem Hintergrund beantragt die PDS-Fraktion eine Evaluierung des Polizeigesetzes. Die Landesregierung soll in einem Bericht die Wirksamkeit der Regelungen dieses Gesetzes einschätzen und daraus gegebenenfalls Schlussfolgerungen ableiten, welche dieser Regelungen nicht greifen oder geändert werden sollten. Ich meine, dass eine solche kritische Betrachtung gesetzlicher Regelungen selbstverständlich sein muss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an Herrn Abgeordneten Dr. Kallenbach.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre nicht schlecht, wenn Anträge an dieses Hohe Haus ebenfalls einer Evaluierung unterzogen würden, anstatt dies immer nur für Gesetze zu fordern.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und CDU)

Ich bitte die Fraktion der PDS, mich jetzt nicht falsch zu verstehen, aber im Gegensatz zu vielen Ihrer sonstigen Anträge haben Sie sich bei diesem möglicherweise weniger Mühe gemacht.

Halten wir uns an den Antragstext. Der Bericht soll unter anderem die praktische Relevanz des großen Lauschangriffs, des Einsatzes verdeckter Ermittler und der Schleierfahndung bewerten. Für die PDS sind das umstrittene Regelungen. Die Videoüberwachung, der finale Rettungsschuss und das Aufenthaltsverbot sind, wie wir es bei der Debatte über die jüngste Novelle des Polizeigesetzes erlebt haben, in bestimmten Teilen der Öffentlichkeit ebenfalls umstrittene Regelungen.

Wir haben es also mit einer subjektiven Selektion von Kriterien zu tun, auf deren Basis die Landesregierung ihren Bericht gemäß Antrag aufbauen soll. Der Antrag bietet in dieser Hinsicht auch Raum für Spekulationen. Ich verstehe ihn jetzt einmal so, dass sich die Evaluierung des Polizeigesetzes auf den Lauschangriff und den Einsatz verdeckter Ermittler beziehen soll. Diese Informationen sind aber auch im Rahmen einer Kleinen Anfrage gut und vor allem auch schneller zu ermitteln, als dies ein Bericht der Landesregierung leisten kann.

Meine Damen und Herren, sehen wir einmal von der Form des Antrages ab und fragen wir uns, ob die geforderte Evaluierung zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich und nötig ist. In der Begründung wird zwar ganz richtig festgestellt, dass unser Polizeigesetz schon mehr als fünf Jahre in Kraft ist. Angesichts dieser Geltungsdauer könnte eine Bewertung seiner Regelungen durchaus sinnvoll sein, wenn sie denn in ihrer gegenwärtigen Ausprägung auch schon so lange Bestand hätten. Ich erinnere daran, dass die von der PDS als umstritten bezeichneten Regelungen zum großen Lauschangriff und zum Einsatz verdeckter Ermittler durch die Gesetzesnovellen von 1999 und 2000 umfangreich modifiziert wurden. Eine Bewertung dieser Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt macht deshalb meines Erachtens wenig Sinn. Das gilt auch für die zwar nicht explizit genannte, aber von der PDS abgelehnte Videoüberwachung, die auf maßgebliches Betreiben der SPD-Fraktion nicht nur in ein umfassendes Kriminalitätspräventionskonzept eingebettet ist, sondern auch durch eine unabhängige wissenschaftliche Begleitforschung evaluiert wird.

Des Weiteren möchte ich auf die Berichtspflicht des Innenministers und auf die vorhandenen Kontrollfunktionen des Parlaments hinweisen. Im Bereich des Polizeirechts sind diese gegeben, indem der Landtag über die Maßnahmen, bei denen verdeckte technische Mittel zur Bild- und Tonaufzeichnung zum Einsatz kommen, stets unterrichtet wird.

Neben der Polizei und damit außerhalb des Polizeigesetzes bedient sich der Verfassungsschutz in viel stärkerem Maße dieser Mittel. Dessen Tätigkeit wird jedoch durch die G-10-Kommission und die Parlamentarische Kontrollkommission regelmäßig überprüft.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Das ist ganz hervorragend!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch ein Wort zu der Frist sagen. Die Fertigstellung eines seriösen Berichts bis zum Mai 2002 halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Selbst wenn wir davon ausgehen, dass eine erste Ausschussbefassung noch Ende Februar möglich wäre, glaube ich nicht, dass wir bei der Konkretisierungsbedürftigkeit dieses Antrages mit nur einer Sitzung hinkommen. Deshalb und auch aus den vorgenannten Gründen wird die SPD-Fraktion diesen Antrag ablehnen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Kallenbach. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU, an den Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Schon seit Jahren wird in Sachen innere Sicherheit hoch gerüstet. Polizei und Staatsanwaltschaften haben sowohl im präventiven als auch im repressiven Bereich neue Eingriffsmöglichkeiten erhalten. Dass dabei Grundrechte, auf die wir seit Jahrzehnten stolz waren, allmählich ausgehebelt werden, wird mit der Begründung abgetan, es gehe um die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Angesichts des 11. September und der in diesem Zusammenhang agierenden Trittbrettfahrer erleben wir eine neue sicherheitspolitische Debatte.

Die DVU-Fraktion hält die Verschärfung des Landespolizeigesetzes für äußerst fragwürdig. Die Strafprozessordnung enthält genügend Eingriffsmöglichkeiten gegen Kriminelle - warum dann noch im Bereich der vorbeugenden Gefahrenabwehr eine weitere Beschränkung der Grundrechte? Ich stelle einmal die These auf, dass die Polizei missbräuchlich vorgeschoben wird, um politische Mängel zu verdecken.

Je weniger die Regierenden in Bund und Ländern zur Lösung der großen Fragen der Zeit beitragen - ich möchte hier nur das Thema Arbeitslosigkeit nennen -, umso mehr sind sie bemüht, die Bürger durch Einschränkungen der Freiheitsrechte bei der Stange zu halten.

Die Öffnung der Binnengrenzen zu unseren europäischen Nachbarn und die Einbindung Deutschlands in den wachsenden Schengener Verbund, so argumentierte der damalige Bundesinnenminister Kanther, stellen auch an die Sicherheitspolitik der Länder neue Anforderungen. Durch den Wegfall der Personenkontrollen an den Binnengrenzen gemäß Schengener Abkommen komme der verstärkten polizeilichen Überwachung der grenznahen Regionen und der Verkehrsknotenpunkte maßgebliche Bedeutung zu, so Kanther, der inzwischen selbst, wie Sie alle wissen, von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird. Kanther betonte außerdem, nur durch einen gemeinsamen Sicherheitsschleier von Bundesgrenzschutz und Landespolizei könne verhindert werden, dass Kriminelle ungestört von einem Staat in den anderen reisen könnten.

Meine Damen und Herren, wer nicht an der Grenze kontrollieren will, der muss schließlich im Inland verstärkt kontrollieren. Wer es zuläßt, dass ein Millionenheer von Fremden nach Deutschland kommen darf, um sich hier legal oder illegal niederzulassen, muss in Kauf nehmen, dass sich darunter auch Kriminelle befinden. Wer auch noch zulässt, dass Dealer verdeckt oder sogar auf offener Straße ihrem Rauschgifthandel nachgehen können, der braucht sich nicht zu wundern, dass sich diese Seuche immer weiter ausbreitet.

Großer Lauschangriff, verdeckte Ermittlung und Schleierfahndung wären im Polizeigesetz überflüssig, wenn die Regierung in der Lage wäre, die Ursachen der wachsenden Kriminalität zu bekämpfen. Die Verschärfung im Polizeigesetz im Hinblick auf die betreffenden Tätergruppen hat überhaupt nichts gebracht.

Die DVU-Fraktion befürwortet die Erstellung eines Untersuchungsberichts, der wirklich umfassend Auskunft gibt. Einige Fragen wären zum Beispiel: In wie vielen Fällen konnten Straftaten verhindert werden? In wie vielen Fällen konnten Menschen vor Schaden bewahrt werden? In wie vielen Fällen konn

ten Pannen und Rückschläge vermieden werden? - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus, und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, an den Abgeordneten Petke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion wird von uns abgelehnt. Das wird Sie nicht überraschen.

Frau Kaiser-Nicht, Sie haben hier einen historischen Abriss über die Entwicklung des Polizeigesetzes im Land Brandenburg gegeben. Was Sie natürlich unterschlagen haben, ist die Tatsache, dass dieses Polizeigesetz im Kern durch unser Landesverfassungsgericht bestätigt wurde.

An die Kollegen von der DVU gerichtet möchte ich sagen: Ich meine, Ihr Redebeitrag macht einmal mehr deutlich, wie sinnlos es war, dass Sie von mehr als 5 % unserer Bürgerinnen und Bürger in den Landtag gewählt wurden. Ich bin überzeugt, Ihnen steht das gleiche Schicksal bevor wie Ihren Kollegen in Sachsen-Anhalt, nämlich dass Sie bei der nächsten Landtagswahl im Jahre 2004 aus dem Landtag fliegen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)