Wie sonst wollen wir denn in den neuen Bundesländern etwas erreichen, wenn wir nicht die Kommunen beim Schopfe fassen, die genau wissen, wo die Menschen der Schuh drückt, und die mit uns verbündet Infrastruktur - nicht ABM oder SAM -, auch soziale Infrastruktur vor Ort schaffen? Hier haben wir noch gute Chancen und gute Möglichkeiten, die wir uns nicht entgehen lassen sollten.
Ich sehe als weitere Verbündete die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Denen müssen wir den Rücken stärken. Bei allen Programmen, die wir haben, auch beim Mainzer Programm, sehen wir, da wir im Lande auch andere Programme haben - zum Beispiel das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe” -, dass wir weiter darüber nachdenken müssen, wie man vor allem den kleinen Firmen unter die Arme greifen kann. Ich scheue mich nicht davor zu sagen, dass wir diesen helfen müssen.
Wenn sie 12 oder 15 Mitarbeiter haben, müssen sie in der Lage sein, weitere Mitarbeiter einzustellen. Denn wie sonst sollen sie es bei uns in den neuen Ländern packen? Das sieht doch jeder, der sich damit intensiv beschäftigt.
Meine Damen und Herren, ich erwarte auch - das gehört mit zum Thema-, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsämter aus ihren Sesseln herauskommen. Sie müssen in die Betriebe gehen, sie müssen in die Firmen gehen und mit denen darüber beraten, wie man weitere Konstruktionen finden kann, um Menschen in Arbeit zu bringen. Das ist einfach etwas, was wir von jedem verlangen müssen.
Meine Damen und Herren, es ist hier schon angesprochen worden, ich will es aber noch einmal betonen: Vergessen wir nicht die Jugendlichen! Vergessen wir nicht die jungen Menschen, von denen wir erwarten, dass sie gute Leistungen in der Schule bringen, gute Abschlüsse erzielen, von denen wir erwarten, dass sie ihre Lehre intensiv nutzen, um sich Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen. Wir können in Brandenburg sagen, weil der Landtag das mit der entsprechenden Finanzierung so beschlossen hat: Jeder junge Mensch bekommt bei uns einen Ausbildungsplatz.
Aber was geschieht an der zweiten Schwelle, wie die Fachleute sagen? Was ist nach der Ausbildung? Hier haben wir noch erheblichen Handlungsbedarf, und zwar mithilfe des Bundes, aber auch durch eigene Anstrengungen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Frau Konzack einen Hinweis dazu gegeben hat, wie wir versuchen wollen, zunächst einmal mit einem Pilotprojekt im Arbeitsamt Frankfurt (Oder), hierbei weiter zu kommen. Ich denke, es ist allemal vernünftig, einen Arbeitsplatz zwei jungen Menschen anzubieten, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, und ihnen zu sagen: Jeder erhält zunächst 50 % Lohn - ich bin den Arbeitsämtern dankbar, dass sie das auf 80 % anheben wollen -, und ihnen gleichzeitig eine Qualifizierung anzubieten, wobei wir uns noch einig werden müssen, inwieweit das die Arbeitsämter bezahlen und inwieweit wir mit unseren Mitteln dabei einsteigen. Auf jeden Fall ist das ein Hoffnungszeichen für junge Leute, eine Chance zu bekommen. Qualifizierung würde in dem genannten Fall bedeuten, Englisch oder Polnisch
Meine Damen und Herren, Hoffnung geben gilt auch für uns als Abgeordnete, denn wir werden ja in unseren Wahlkreisen gefragt. Da bin ich der Meinung: Wir sollten Flexibilität bis zur Selbstverleugnung nicht nur von den Arbeitnehmern fordern, sondern sollten auch von den Arbeitgebern fordern sich zu bewegen, dass sie nicht sagen: Kommt zu uns nach Bayern, sondern: Wir kommen zu euch nach Brandenburg. Ihr habt die Arbeitskräfte, welche gut ausgebildet sind. Hier wollen wir uns ansiedeln.
Mir geht es schließlich nur noch darum, Sie, meine Damen und Herren, aufzurufen, insbesondere in Ihren Wahlkreisen auch dafür zu werben, dass wir über Infrastrukturprogramme - ich nenne sie nach wie vor kommunale Infrastrukturprogramme noch einmal im Osten zulegen wollen und zulegen sollten. Das muss vor allem von uns, die wir hier sind, gefordert werden. Dafür müssen wir viele Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundesländern einladen, damit sie sich einmal anschauen, wie es hier wirklich ist, denn die Schere klafft einfach noch zu weit auseinander. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Minister Ziel. - Das Wort geht noch einmal an die Fraktion der PDS, an Herrn Abgeordneten Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Konzack, ich glaube, wir sollten uns bemühen, mit der Kategorie Schwarzmalerei doch etwas vorsichtiger umzugehen. Ich glaube zudem, dass es in einer Demokratie ganz einfach wichtig ist, dass es Menschen gibt, die tatsächlich noch auf die Probleme schauen und sie kritisch zu hinterleuchten versuchen. Dass das Regierende nicht so können, dafür habe ich volles Verständnis.
Frau Schulz, ich glaube, es wird von uns erwartet, dass sich Politik quält, vor allen Dingen für die 20 % Arbeitslose, die keine andere Wahl haben, das in Anspruch zu nehmen, was ihnen rechtlich zusteht.
Meine Damen und Herren, die Ostverbände der SPD führen am Sonntag einen Parteitag durch. Sie haben einen Leitantrag vorgelegt, aus dem ich zwei Passagen zitieren möchte. Die erste Passage:
„verfolgte Förderpolitik nach dem Gießkannenprinzip hat zu gravierenden Fehlentwicklungen in der ostdeutschen Wirtschaft geführt.”
„Die unverantwortliche Forderung der CDU/CSU nach einer vollständigen Abschaffung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lehnen wir ab.”
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, so weit mein Beitrag zur Stabilisierung Ihrer Koalition.
Herr Fürniß wird den Redner, den ich im Folgenden zitieren möchte, mit Bestimmtheit besser kennen als ich, es handelt sich nämlich um den Ex-Spitzenpolitiker Ihrer Partei Lothar Späth. Er hat heute vor einer Woche vor circa 400 Menschen in Cottbus, meist Unternehmern, eine interessante Rede gehalten.
„Politisch wurde bei der Wiedervereinigung alles richtig, wirtschaftlich aber alles falsch gemacht. In Ostdeutschland liegt die Hälfte der Betriebe unter 50 % der Produktivität im Westen, und das mehr als zehn Jahre nach der Wende. Da können Sie so viel subventionieren, wie Sie wollen, das wird nicht mehr.”
„Späth formuliert im Gegensatz zum Rest der politischen Klasse völlig unpolitisch präzise, ein Typ eben, der wie Norbert Blüm einer Bäckersfrau oder einem Staatschef die ganze Welt in fünf Wörtern erklären könnte.”
Meine Damen und Herren, nun muss sich sicherlich jeder selbst, auch Sie, Herr Homeyer, darauf einen Reim machen, ob Späth Recht hat oder nicht. Vor dem Hintergrund der drastischen Schlussfolgerung, die er gezogen hat, erscheint die These des noch aktiven SPD-Spitzenpolitikers Wolfgang Thierse, der Osten stehe auf der Kippe, fast wie eine frohe Botschaft. - So weit zur Schwarzmalerei, Frau Konzack.
Meine Damen und Herren, halten wir uns aber an unbestechliche Fakten, vor allem wenn es darum geht, immer wieder die Ursachen fehlender Arbeitsplätze im Osten zu benennen, Lösungswege aufzuzeigen und sich nicht wie im Zusammenhang mit der bundesweit kritisierten Arbeitsvermittlung in wahlkampfgeprägten Spiegelfechtereien oder politischen Schnellschüssen zu verzetteln!
Erstens: Ohne die seit 1990 auch hier in Brandenburg erzielten Fortschritte in Abrede stellen zu wollen: Die Folgen der Deindustrialisierung und der damit verbundene massive Beschäftigungsabbau seit 1990 im Osten sind leider noch nicht überwun
den. Mehr noch: Sie überlagern sich - zweitens - zunehmend mit generell ungelösten Problemen gesellschaftlicher Entwicklung, zum Beispiel der strukturellen Massenarbeitslosigkeit, die mehr und mehr auch für den Westen Deutschlands und anderswo relevant werden.
Dazu kommt drittens: Wir haben hier im Osten auch zwölf Jahre nach der Wende eine noch viel zu geringe Eigenerzeugung aufgrund einer gravierenden Produktionslücke und dadurch ein völlig unzureichendes Arbeitsplatzangebot vor allem im produktiven Bereich. Eine selbsttragende Entwicklung, die alle in diesem Hause wollen, liegt damit leider in weiter Ferne.
Darüber hinaus - viertens - ist die Ostwirtschaft im überwiegenden Maße von neu gegründeten kleinen und mittleren Unternehmen geprägt. Das erklärt aber auch unter anderem die Schwäche der Ostwirtschaft bei der Produktivität, beim Eigenkapital, bei der Wertschöpfung, bei der Rendite, bei der Forschungs- und Entwicklungsintensität sowie bei der Transportfähigkeit.
Jeder weiß zudem: Entwicklung von KMU, Dienstleistung und Handwerk braucht Kristallisationskerne und vor allen Dingen Aufträge. Aber wenn Industriestandorte im notwendigen Umfang fehlen, die öffentliche Hand finanziell permanent klamm ist, die private Hand wegen geringer Einkommen nur beschränkt Nachfrage tätigen kann, dann sind dies vor allem die Ursachen dafür, dass Arbeitsplätze auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt nicht in ausreichendem Maße für die Vermittlung zur Verfügung stehen. Und schuld daran, Frau Schulz, sind eben nicht die Bundesanstalt für Arbeit oder die Landesarbeitsämter. Reformen will ich, wie gesagt, nicht infrage stellen.
Meine Damen und Herren, wir müssen es in überschaubaren Zeiträumen schaffen, die Menschen hier im Osten in Arbeit zu bringen, um zunehmende soziale Spannungen und die damit verbundenen Gefahren für die Demokratie rechtzeitig abzuwenden. Wenn daraus noch etwas werden soll, siehe oben, so bedarf es nach meiner festen Überzeugung eines zweiten Aufholanlaufs, der neben notwendigen neuen Entwicklungspfaden in der aktiven Arbeitsmarktpolitik und auch in der Arbeitsverwaltung vor allem eine zweite Investitionsoffensive für Ostdeutschland auf der Agenda haben muss.
Dieser zweite Anlauf muss offensichtlich aber bundesweit gewollt und damit politisch angestoßen und eingeleitet werden. Anders gesagt: Die viel beschworene innere Einheit muss endlich überall als öffentliches Gut oberhalb der Gesetze des Marktes begriffen und ernsthaft realisiert werden. Dann, vielleicht dann müsste auch irgendwann Lothar Späth der besagten Bäckersfrau, egal, ob im Westen oder im Osten, sagen: Sorry, ich habe mich geirrt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache und gleichzeitig den Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:
Berichterstattung an den Landtag gemäß § 33 Abs. 9 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG) über die im Jahr 2001 abgeschlossenen verdeckten Einsätze technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes oder zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in oder aus der Wohnung des Betroffenen auf der Grundlage des § 33 Abs. 3 BbgPolG
Zu diesem Tagesordnungspunkt wurde interfraktionell vereinbart, keine Debatte zu führen, sodass ich jetzt nur noch feststellen kann, dass Sie den Bericht der Landesregierung, Drucksache 3/3935, zur Kenntnis genommen haben.
Gemeinschaftsaufgabe nach Artikel 91 a des Grundgesetzes „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” (Anmeldung der Landesregierung gemäß § 10 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung zum Teil III des 31. Rahmenplanes)