Auf jeden Fall war es Staatstheater im schlechten Sinne mit Laiendarstellern, von denen keiner das große Ganze, wohl aber die eigenen Interessen im Sinne hatte.
Angeleitet von zwei Regisseuren mit völlig unterschiedlichen Absichten entwickelte sich so eine Schmierenkomödie, für die
das Publikum in großen Teilen kein Verständnis aufbringen konnte; denn was die ranghöchsten Politiker dieses Landes dort aufgeführt haben, ist sicherlich nicht das, was Erwin Piscator unter „Politischem Theater” verstanden hat.
Sie, meine Damen und Herren, haben den Bundesrat als Bühne für parteitaktische Interessen im Bundestagswahlkampf missbraucht. Anscheinend hatte Johann Wolfgang von Goethe doch Recht, als er schrieb:
„Ich wünschte nur, dass das Theater so schmal wäre als der Draht eines Seiltänzers, damit sich kein Ungeschickter hinauf wagte...”
Mit drei dürren Sätzen gehen Sie heute einleitend zu Ihrer Regierungserklärung auf die „Verfassungskrise”, „Staatskrise” und das, was Ihre Kollegen von der CDU dem erstaunten Fernsehvolk am 22. sonst in die Kamera schrien, ein, und Schluss. Dann beginnt schon gleich die Halbzeitselbstbeweihräucherungsbilanz, als sei nichts geschehen. So billig, meine Damen und Herren von der Landesregierung, lassen wir Ihnen Ihr Theaterstück nicht durchgehen,
zumal uns beim ersten Satz - „Die Regierungspartner des Landes Brandenburg waren in den vergangenen Wochen einer beispiellosen Belastung ausgesetzt.” - keinesfalls - da bitte ich um Verständnis - Tränen des Mitleids in die Augen schossen.
Deshalb werde ich hier als erstes Theaterkritik betreiben müssen, um dann zweitens auf die Bilanz und drittens auf den Ausblick zu sprechen zu kommen.
Zur Theaterkritik: Ständig betonen Sie, Herr Ministerpräsident, dass beide Seiten das Gesicht gewahrt hätten. Worum ging es denn eigentlich bei der Abstimmung im Bundesrat? Um Ihre Glaubwürdigkeit? Diese haben Sie beide nachhaltig beschädigt. Hatten Sie, Herr Minister Schönbohm, nicht angekündigt zurückzutreten, wenn der Ministerpräsident zustimmt? Er hat zugestimmt, Sie aber sind immer noch im Amt. Also: Nichts als theatralisches Getöse.
Ging es Ihnen um die Brandenburger Koalition? Diese haben Sie insofern gerettet, als ein solches „Jein-Zwecknotbündnis” ewig halten kann. Oder ging es Ihnen um die Bundestagswahl? Ging es Ihnen um Brandenburger Interessen? Dem Ansehen des Landes Brandenburg haben Sie mit dieser Inszenierung jedenfalls nicht gedient.
Ihr Auftritt ging nach hinten los. Das einzige, was Sie mit Ihrer Posse erreicht haben, ist, die Glaubwürdigkeit der Politik und ihrer Protagonisten der Lächerlichkeit preiszugeben.
Um eines ging es Ihnen, Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, jedoch offensichtlich nicht, nämlich um das längst überfällige Zuwanderungsgesetz; denn vom eigentlichen Anlass - dem redlicheren Umgang der Gesellschaft mit Menschen fremder Herkunft - ist kaum noch die Rede.
- Die Lautstärke Ihrer Zwischenrufe entspricht nicht ihrem intellektuellem Gehalt. Etwas leiser zu sein wäre also angebracht.
(Beifall bei der PDS - Klein [SPD]: Sagen wir, in etwa doch! - Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)
Sie wissen, dass uns dieses Gesetz nicht weit genug reicht und Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat nur zugestimmt haben, weil auf Landesebene umfangreiche Zusatzregelungen vereinbart wurden. Aber selbst, wenn uns dieses Gesetz nicht genügt, ist es besser als gar keines.
- Sie wollen über das Unangenehme nicht reden - das verstehe ich, das ist Ihr Interesse -, aber wir als Opposition werden dies leisten müssen.
„Wer Zuwanderung regeln will, muss zugeben, dass es Zuwanderung gibt. Wer einsieht, dass Deutschland dauerhaft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen ist, darf dieses Thema jedoch nicht isolieren. Zuwanderung, Integration und Aufnahme aus zwingenden humanitären Gründen - so heißen die drei Themen, die gemeinsam behandelt werden müssen, wenn es um Ausländerinnen und Ausländer in unserer Mitte geht.”
Aber Sie, die obersten Verantwortlichen des Landes Brandenburg, haben zugelassen, dass dieses sensible Thema parteitaktisch instrumentalisiert worden ist. Das werde ich Ihnen auch weiterhin vorhalten. Haben Sie denn den „Aufstand der Anständigen” schon vergessen? Vor dem Hintergrund gewalttätiger Übergriffe auf ausländische Menschen in Deutschland haben Sie nicht verantwortungsbewusst gehandelt. Das ist meine Meinung.
Wer im Land Brandenburg öffentlich „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche” fordert, der trägt zum schlechten Ruf des Landes bei.
Der beweist - ich drücke mich gemäßigt aus - Fremdenunfreundlichkeit - bei 2 % Ausländern und 18,7 % Arbeitslosigkeit. Wenn das ein Ministerpräsident tut, Herr Stolpe, dann nenne ich das verantwortungsloses verbales Spiel mit dem Feuer, und das ist eine fragwürdige Wendung Ihrer Politik, die ich bedauere.
Wenn Sie schon meinen, in der Zuwanderungsdebatte den Rechtsaußen der SPD spielen zu müssen, um mit Ihrem Stellvertreter noch kommunikationsfähig zu bleiben, dann tun Sie dies bitte nicht zulasten der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft!
Sie haben zum Zweiten das Land Brandenburg blamiert, weil es das einzige Bundesland ist, dessen Regierung nicht zu einer einheitlichen, normalen Stimmabgabe fähig war oder es nicht sein wollte.
Ihr raffiniertes Bühnenstück, dass erst Minister Ziel „Ja” und Minister Schönbohm „Nein”, dann der Ministerpräsident auf Anfrage von Wowereit „Ja” und Herr Schönbohm nur „Sie kennen meine Auffassung” und nicht mehr „Nein” sagt und der Ministerpräsident noch einmal auf Anfrage „Ja” sagt und Schönbohm nun lieber ganz schweigt - ich hoffe, das ist alles richtig -, das alles zeigt, dass wir eine Schmierenkomödie erlebt haben.
„Anstatt sich heimlich mit dem Gutachten des Prof. Josef Isensee zu bewaffnen, hätte Innenminister Jörg Schönbohm eine Kabinettsentscheidung über das Stimmverhalten im Bundesrat herbeiführen müssen. Er konnte sich dem Votum des Ministerpräsidenten beugen und die Verletzung des Koalitionsabkommens hinnehmen...”
„... oder zurücktreten. Er wusste vermutlich auch, dass der Ministerpräsident ihn nicht einmal zu entlassen, sondern nur für einen Tag als Mitglied des Bundesrates abzuberufen brauchte. Damit hätte sich jede Diskussion über die Gültigkeit der Stimmabgabe erübrigt. Der Minister zog die Loyalität gegenüber seiner Partei seinen Pflichten als Mitglied eines Kabinetts vor.”
„Er wollte durch sein Votum die Stimmen seines Landes auslöschen als eine Art Notwehr gegen die Verletzung eines Vertrages, der keine rechtliche, sondern nur eine politische Verbindlichkeit hat. Er wollte auf einen Schelm anderthalbe setzen.”