Protokoll der Sitzung vom 31.12.2000

Nach Darstellung des Parlamentarischen Staatssekretärs Thalheim auf eine Anfrage im Bundestag vom 13. März dieses Jahres soll der Lückenschluss bei der Hälfte der Anwendungen gelungen sein. Zwischenzeitlich sollen weitere 100 Anwendungen vor der Zulassung stehen. Auch könne bei Gefahr im Verzuge, so der Staatssekretär, die Biologische Bundesanstalt nach dem Pflanzenschutzgesetz im Ausnahmefall Einzelzulassungen erteilen.

Dennoch bleiben nach Informationen des Gartenbauverbandes Brandenburg bei uns etwa 4 000 ha gartenbauliche Kulturen ungeschützt. Besonders gefährdet sind beispielsweise Kirschen

durch die Kirschfruchtfliege, Erdbeeren durch Spinnmilben, Gurken durch Wanzen und Spinnmilben, übrigens auf 550 ha im Spreewald. Möhren sind auf 600 ha akut gefährdet.

Die Bundesregierung und der Bundestag sind aufgefordert, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen - ich beziehe mich auch auf Ihre Aussagen, dass das rechtlich möglich ist -, durch eine gesetzliche Verlängerung der Übergangsfristen den vollständigen Lückenschluss für den Schutz der Kulturen herzustellen.

Meine Damen und Herren, unser Antrag soll die Landesregierung bei ihren bisherigen Bemühungen unterstützen, direkt bei der Bundesregierung zu intervenieren und über den Bundesrat in Abstimmung mit anderen Bundesländern eine Gesetzesänderung durchzusetzen.

Außerdem schlage ich vor, weil es ja im legislativen Bereich angesiedelt ist, dass wir wenigstens den Agrarausschuss noch einmal bemühen und an den Bundestag direkt schreiben, dass wir uns noch einmal sachlich-fachlich mit der Frage auseinander setzen und den Abgeordneten dort das ganze Ausmaß der Konsequenzen vor Augen führen. Sollte es nicht gelingen, die restlichen Indikationslücken rechtzeitig zu schließen, erleiden die einheimischen Produzenten erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Erzeugern für die kommenden Jahre, möglicherweise auch Marktverluste.

Es muss also verhindert werden, dass unsere Gärtner gezwungen werden, hier zum Schutz ihrer Kulturen in die Illegalität zu gehen. Es muss auch aus Gründen des Verbraucherschutzes gesichert werden, dass durch Verbrauchernähe überschaubare Märkte erhalten bleiben. Ich sage hier ganz eindeutig: Die beste Sicherheit für den Verbraucher geben uns die Erzeuger im eigenen Lande.

(Beifall bei SPD und CDU)

Dieses Prinzip haben wir in allen bisherigen Bemühungen des Verbraucherschutzes immer wieder einzuhalten und durchzusetzen versucht.

Zum Antrag der PDS: Ich habe, Frau Wehlan, lange darüber nachdenken müssen, was "weiter gehende Unterstützung" heißt. Es bleibt wohl nur die Frage: Machen wir hier finanziell etwas? Sie kennen unseren Haushalt. Ich meine, es ist, wie Herr Helm schon sagte, auch nicht unsere Aufgabe und liegt nicht in unserer Befugnis, Geld auszugeben für den Ausgleich von Schäden oder Nachteilen, die durch einen anderen Gesetzgeber entstanden sind. Wir sollten also vorbeugend wirken, solange noch etwas getan werden kann, und uns nicht darauf verlegen zu sagen: Wir kompensieren das, was den Landwirten und den Gartenbauern an Schäden ins Haus stehen könnte. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Wiebke und gebe das Wort der Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! „Den branden

burgischen Landwirten geht es gut”, verkündete der Präsident des Landesbauernverbandes im Jahr 2001. Hätte Herr Nieschke verkündet, dass sich die Sonne um die Erde dreht, wäre der Schock kaum größer gewesen.

Aber kommen wir zum Antrag von CDU und SPD. Werte Kolleginnen und Kollegen, der deutsche Bauer und insbesondere der Gärtner soll wieder einmal der Dumme sein. Die Europäische Union hat Übergangsfristen von zwölf Jahren beschlossen und die Bundesregierung hat - wie immer - noch eins draufgesetzt, weil sie besser sein möchte als alle anderen. Sie hat den Zeitraum für die Übergangsfristen um zwei Jahre verkürzt und die Verkehrsfähigkeit zugelassener Pflanzenschutzmittel damit grundsätzlich nur noch bis zum 30. Juni 2001 festgesetzt.

Die Stimmung unter den Obstbauern und Gemüsegärtnern ist verständlicherweise nicht gerade berauschend. Über 180 brandenburgische Obst- und Gemüsebetriebe mit kontrollierter integrierter Produktion bangen um die Qualität ihrer Produkte und um die Zukunft ihrer Betriebe.

Am 1. Juli 2001 traten für die Bauern der EU-Länder Veränderungen des Pflanzenschutzgesetzes in Kraft. Vor den Auswirkungen dieses Gesetzes warnten Produzierende auch im Land Brandenburg schon Monate vor dem In-Kraft-Treten.

Meine Damen und Herren, jeder, der ein bisschen nachdenkt, weiß doch, dass ohne naturnahe Düngung und naturschonende Pflanzenschutzmittel die Qualität der Produkte unserer Gemüsegärtner und Obstbauern nicht zu halten ist. Damit sie aber auch nach dem 1. Juli 2001 legal produzieren können, sind der Bund und das Land gefordert.

Von der Bundesregierung und dem Land Brandenburg müssen für eine Übergangszeit von mindestens zwei Jahren - wie in den anderen EU-Ländern - Ausnahmen geregelt werden, sonst können bestimmte Kulturen nicht mehr angebaut und verkauft werden.

Den integrierten kontrollierten Anbau, den Bundesministerin Künast nachdrücklich fordert, praktizieren die brandenburgischen Landwirte nicht erst seit gestern, das wissen wir alle. Es müssen aber auch künftig die Bedingungen dafür gegeben sein.

Eines steht jedenfalls fest: Auch bei der kontrollierten integrierten Produktion kommt man nicht ohne Pflanzenschutz und Düngung aus. Wenn die Landwirte keine Hilfe bekommen, können zum Beispiel Salat, Gurken usw. nicht mit den erforderlichen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Die Folge wäre, dass die Ernte unter anderem von Milben, Wanzen und Läusen vernichtet wird.

Auch bei der Anzucht von Jungpflanzen wären letztendlich alle Mühen der Gärtner vergebens, weil Krankheiten, übertragen durch Insekten, dem Leben der Pflanzen ziemlich schnell ein Ende setzen würden.

Die Ausfälle bei Ernte und Zucht könnten für die betroffenen Bauern, die insgesamt circa 6 000 Hektar im Land Brandenburg bewirtschaften, über kurz oder lang das Aus für ihre Betriebe bedeuten.

Die DVU-Fraktion fordert für die brandenburgischen Landwirte Übergangslösungen und letztendlich ein praktikables Modell für

einen sinnvollen und notwendigen Pflanzenschutz. Dabei geht es in keinem Fall darum, die Kulturen mit Chemie vollzupumpen. Auch spielt niemand mit der Gesundheit der Verbraucher. Aber die Obst- und Gemüsebauern in Deutschland werden nicht zusehen, wie ihre Kulturen infolge von Pflanzenschutzverboten zerstört werden und den Kunden nur noch Obst und Gemüse aus der weiten Welt bleibt. Mit welchen Pflanzenschutzmitteln, die in Deutschland eventuell verboten sind, die Früchte dort madenfrei gehalten werden, bleibt das Geheimnis der jeweiligen Produzenten.

Meine Damen und Herren von SPD und CDU, wir stimmen Ihrem Antrag zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus und gebe das Wort an die Landesregierung. Herr Minister Birthler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag unterstützt einerseits die Bemühungen der Landesregierung, die bereits in den Beratungen der Agrarministerkonferenz und im Bundesrat alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die Bundesregierung zu einer einvernehmlichen rechtlichen Lösung zu veranlassen.

Andererseits muss, um alle Probleme, die mit der Einführung der Indikationslösung zum 1. Juli 2001 entstanden sind, zu lösen, über den Antrag hinausgegangen werden; denn das rechtzeitige Inkraftsetzen der 7. Verordnung zur Änderung der Rückstandshöchstmengenverordnung zu Saisonbeginn ist nur die Grundlage für etwa hundert damit mögliche Indikationen insbesondere im Gemüsebau. Die Situation wird damit lediglich zum Teil entspannt.

Das Land Brandenburg beteiligt sich in Abstimmung mit den anderen Ländern und der Biologischen Bundesanstalt aktiv an der Schließung von Indikationslücken. Allein im Obstbau wurden hierdurch 19 Anwendungsbereiche eröffnet. Darüber hinaus genehmigt der Pflanzenschutzdienst im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln in anderen, nicht in der Zulassung festgeschriebenen Kulturen auf der Basis des § 18 b Pflanzenschutzgesetz.

Ich hatte gestern schon gesagt: In der Zeit von Oktober 2001 bis Februar 2002 konnten von 91 Anträgen 78 positiv beschieden werden. Im März wurde 61 von 80 Anträgen zugestimmt.

Das Ziel besteht darin, die rechtzeitige Möglichkeit des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln im Obst- und Gemüsebau zu garantieren. Deshalb wurden in Gesprächen mit betroffenen Landwirten und Gärtnern sowie mit dem Branchenverband Obst und Gemüse und gemeinsam mit dem Pflanzenschutzdienst Einzellösungen beraten, die unter besonderer Betreuung des Pflanzenschutzdienstes stehen.

Ich habe in einem Brief vom 11. Februar dieses Jahres die Bundesministerin, Frau Künast, nochmals aufgefordert, das In-Kraft

Treten der 7. Verordnung zur Änderung der Rückstandshöchstmengenverordnung noch vor Saisonbeginn zu veranlassen.

Die Länder forderten die Bundesregierung mehrmals im Rahmen der Agrarministerkonferenz auf, unter Wettbewerbsgesichtspunkten möglichst rasch und umfassend Entscheidungen für die Zulassung von Altwirkstoffen auf der Basis der einheitlichen Grundsätze der EG-Richtlinie herbeizuführen, und baten deshalb das BMVEL, auf Beschleunigung dieser Arbeiten auf EU-Ebene hinzuwirken und die 6. und die 7. Verordnung zur Änderung der Rückstandshöchstmengenverordnung rechtzeitig vor Vegetationsbeginn 2002 in Kraft zu setzen.

Darüber hinaus werden zurzeit mehrere Bundesratsinitiativen von Brandenburg unterstützt. Ich möchte sie hier nicht im Einzelnen aufzählen.

Die Möglichkeiten, die der Landesregierung darüber hinaus noch bleiben, die sehr angespannte Lage bis Saisonbeginn 2002 und danach zu entschärfen, sind rechtlich und zeitlich eng begrenzt und beziehen sich im Wesentlichen auf: die Weiterführung der Einzelgenehmigungen nach § 18 b; die vorzeitige Anwendung der in der 7. Verordnung zur Änderung der Rückstandshöchstmengenverordnung vorgesehenen Rückstandshöchstmengen; die Unterstützung der schnellstmöglichen Umsetzung der Forderung des Bundesrates nach Schaffung einer rechtlichen Lösung für die Übergangszeit vom Vegetationsbeginn bis zum In-Kraft-Treten der 7. Verordnung; die Unterstützung der Forderung nach einer zeitlich begrenzten, mit strengen Auflagen verbundenen Ausnahmegenehmigung für die Anwendung von Lebaycid und Plantomycin zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege und des Feuerbrandes. Hierfür haben wir mit der Bundesministerkonferenz auf der letzten Agrarministerkonferenz die Lösung gefunden, dass regional und zeitlich begrenzt bei Auftreten des Feuerbrandes dieses Antibiotikum noch einmal eingesetzt werden darf.

Um dauerhaft Wettbewerbsverzerrungen in Europa abzubauen, unterstützt Brandenburg nachdrücklich die Schaffung einer eu

ropaweit zuständigen Stelle für die Zulassung und das In-Verkehr-Bringen von Pflanzenschutzmitteln, wie sie der Bundesrat im Januar 2002 gefordert hat.

Sie sehen: Wir vernachlässigen dieses Problem nicht. Wir tun, was uns möglich ist, und sind uns in dieser Sache grundsätzlich mit den anderen Ländern einig. Dass dabei die Belange des Umweltschutzes und der Lebensmittelsicherheit in vollem Umfang garantiert werden, versteht sich für mich von selbst. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Birthler. - Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zuerst den Änderungsantrag der Fraktion der PDS zur Abstimmung auf. Er liegt Ihnen in der Drucksache 3/4190 vor und betrifft Ergänzungen des Antragstextes. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU zur Abstimmung auf. Er liegt Ihnen in der Drucksache 3/4141 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und ich schließe die 55. Sitzung des Landtages Brandenburg. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.

Ende der Sitzung: 17.23 Uhr