Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

- ich beende meinen Satz - vermeiden können; denn nur so werden wir die gesellschaftliche Reintegration von Strafgefangenen nach verbüßter Strafhaft fördern können. An diesen beiden Zielen müssen und werden wir unsere zukünftige Arbeit als Fraktion der DVU orientieren. Dazu haben wir diese Frage gestellt und unseren Entschließungsantrag formuliert. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Unabhängig von der Zahl der Sätze, die Sie als einen Satz bezeichnet haben, stelle ich noch einmal nachdrücklich fest: Mit Ihrer Bemerkung über die Vollendung des Satzes zu Beginn Ihres Beitrages haben Sie deutlich gemacht, dass uns beide nicht nur die politische Orientierung trennt. Über das, was Sie in diesen Satz gelegt haben, will ich nicht urteilen. Ob man dazu den Begriff Geistreichtum benutzen kann, sei dahingestellt. - Ich möchte gern, dass das im Protokoll erscheint.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 39 in der Drucksache 3/4223 einschließlich Anlage zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der DVU-Fraktion in der Drucksache 3/4387. Wer diesem Entschließungsantrag folgen möchte, möge die Hand aufheben. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Reform des Föderalismus in Deutschland - Unterrichtung und Beteiligung des Landtages

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4144

Des Weiteren liegt Ihnen dazu der Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU in der Drucksache 3/4390 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Prof. Bisky, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegen ein Antrag der PDS-Fraktion und ein Entschließungsantrag von SPD und CDU vor. Um Zeit zu sparen, gestatten Sie mir eine semantische Einführung. Das ist nötig.

Punkt 1 des Antrages der PDS-Fraktion lautet:

“Der Landtag schließt sich der Forderung des Landtages Schleswig-Holstein an, wonach die Landesparlamente als eigenständige Verfassungsorgane an den Diskussionen um die Zukunft des Föderalismus in Deutschland beteiligt werden müssen. Der Präsident des Landtages wird aufgefordert, dies auf geeignete Weise gegenüber den Verfassungsorganen des Landes wie des Bundes deutlich zu machen.”

Im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen heißt es:

“1. Der Landtag beteiligt sich aktiv an den Diskussionen um die Zukunft des Föderalismus in Deutschland.”

In Punkt 2 des PDS-Antrags heißt es:

“Der Landtag ersucht die Landesregierung, zu den Sitzungen im Monat Juni 2002 eine Unterrichtung über den gegenwärtigen Stand der Diskussionen zur Reform des Föderalismus vorzulegen, in der auch das Ergebnis der bisherigen Meinungsbildung innerhalb der Brandenburger Landesregierung zu den einzelnen Fragen der Föderalismusreform abgebildet wird.”

Punkt 2 des Entschließungsantrages der Koalitionsfraktionen lautet:

“Der Landtag ersucht die Landesregierung, bis zur Plenarsitzung im September 2002 eine Unterrichtung über den gegenwärtigen Stand der Diskussionen zur Reform des Föderalismus vorzulegen, in der auch das Ergebnis der Meinungsbildung innerhalb der Brandenburger Landesregierung zu den einzelnen Fragen der Föderalismusreform abgebildet wird.”

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ich gratuliere Ihnen. Sie sind unserem Antrag beigetreten. Das meine ich ganz ehrlich. Die geringfügigen Unterschiede hätte man auch in der Debatte hier einfügen können. Sie wollen keine Debatte. Sie wollen Ihren eigenen Entschließungsantrag. Das ist der Brandenburger Weg. Der Thüringer Weg sieht anders aus. Deshalb muss ich nicht weiter darüber reden. Hauptsache, die Sache wird weiterbefördert. Ich sage: Glückwunsch! und freue mich auf die Debatten im September. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion, an den Abgeordneten Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor reichlich drei Wochen berichtete die italienische Tageszeitung “Corriere della Sera”, dass das Regionalparlament von Sizilien beschlossen habe, seine Sitzungen vorläufig einzustellen, da kein einziger Gesetzentwurf mehr zur Debatte anstehe.

Ein Blick auf unsere Agenda macht deutlich, dass dieses Schicksal dem Landtag Brandenburg jedenfalls fürs Erste wohl erspart bleibt. Vom Sparkassengesetz über Terrorismusbekämpfungs

gesetz und Landespressegesetz bis hin zum Rundfunkstaatsvertrag, den wir hoffentlich bald beschließen werden, sind wir als Landesgesetzgeber in der Pflicht. Dies ist aber nun kein Grund, die Kompetenzteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Länder- und Bundesebene in Deutschland als quasi gottgegeben hinzunehmen und trotz einer sich verändernden Stellung Deutschlands in Europa Änderungen von vornherein auszuschließen.

Die Ministerpräsidenten der Länder haben auf ihrer Jahreskonferenz 1998 hier in Potsdam beschlossen, die bundesstaatliche Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmeverteilung einschließlich der bestehenden Regelungen der Finanzverfassung und des Länderfinanzausgleichs einer kritischen Überprüfung mit dem Ziel der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung zu unterziehen. Hierzu wurde dann eine Bund-Länder-Kommission sowie eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet.

Nun sind wir zwar als Landtag in dieser Arbeitsgruppe, die dem Bundestag, der Bundesregierung und der Landesregierung vorbehalten ist, nicht vertreten; das heißt aber nicht, dass wir als Gesetzgeber erst darum bitten müssten, uns an dieser Diskussion zu beteiligen. Vielmehr gehe ich davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen aller demokratischen Fraktionen in diesem Hause ein ureigenes Interesse an dem Thema der Föderalismusreform haben.

Sie wissen um die Initiative Schleswig-Holsteins und um die Initiative der Landtagspräsidenten der deutschen Bundesländer, gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden aller Bundesländer eine Konferenz einzuberufen, die sich gerade dieses Themas annimmt. Ich meine, wir sollten uns dort ebenfalls anschließen.

Meine Damen und Herren, bei jedem Gesetz, das wir als Landtagsabgeordnete verabschieden, müssen wir uns fragen, ob wir damit im Einklang mit bundes- und europarechtlichen Vorgaben stehen. In diesem Zusammenhang sollte überprüft werden, ob und, wenn ja, inwieweit bei der Umsetzung von EU-Recht in innerstaatliches Recht die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch Ausschluss einer weiteren Regelungskompetenz des Bundes gestärkt werden kann, sodass die innerstaatliche Umsetzung in diesen Bereichen künftig durch die Länder erfolgen könnte. Dabei denke ich natürlich vor allem an die Regelungen des Grundgesetzes zur Rahmengesetzgebung.

Die Koalitionsfraktionen wollen - deshalb haben wir den vorliegenden Entschließungsantrag eingebracht - eine Veränderung zugunsten der Mitgestaltung durch die Landesparlamente, um im Europa der Regionen bestehen zu können, ohne dass die Brandenburger den Bezug zum eigenen Bundesland verlieren.

In diesem Bereich gibt es noch eine große Anzahl weiterer diskussionswürdiger Punkte. Beispielhaft seien hier ein eigenständiges Klagerecht der Länder und Regionen, eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und eine Länderkompetenz zur Erhebung von Steuern sowie eine Neuordnung der Gemeinschaftsaufgaben genannt. Auch die Einführung eines erweiterten Konnexitätsprinzips ist zu diskutieren.

Diese Diskussion kann nur dann zu positiven Ergebnissen führen, wenn sie unvoreingenommen, aber nicht ohne Bezug zu den aktuellen Entwicklungen der Debatte geführt wird. Hierfür wollen wir als Grundlage zunächst eine Übersicht über den derzeitigen Diskussionsstand und auch über die Meinungsbil

dung innerhalb der Landesregierung. Eine Befassung in der Plenarsitzung im September halten wir für angemessen, um diesem wichtigen und zukunftsträchtigen Thema den angemessenen Raum zu bieten. Daher bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist und bleibt ein Bundesstaat. Den Föderalismus haben die Väter des Grundgesetzes in die Verfassung aufgenommen als eine Form der Dezentralisierung des Staates, der in erster Linie dazu dient, die Vielfalt in der Einheit zu erhalten und den Staat dem Bürger anzunähern. Er ist dauernd in Bewegung und steht heute vor neuen Herausforderungen, insbesondere der europäischen Integration und der wachsenden Bedeutung von Städten und der Agglomeration. Der Gesamtstaat ist nur für die Dinge zuständig, die im Interesse des Volkes einheitlich geordnet werden müssen. Die übrigen Angelegenheiten regeln vor allem die Länder und Gemeinden.

Das föderative System wird von Kritikern zwar bisweilen als uneinheitlich, kompliziert, zeitraubend und teuer bezeichnet. Im Vergleich zum Einheitsstaat überwiegen jedoch die Vorteile beträchtlich; denn die Notwendigkeit zu kooperieren sowie die Möglichkeit, sich gegenseitig zu kontrollieren und sich zu verständigen, werden durch dieses System erheblich verstärkt.

Die Akzentuierung des PDS-Antrags geht deutlich in Richtung einer Reform des Föderalismus in Deutschland. Die PDS gebraucht in ihrer Begründung - das werden Sie sehen, meine Damen und Herren, wenn Sie sich die Mühe machen, sich die vorletzte Zeile der ersten Seite der Drucksache anzuschauen einen merkwürdigen Ausdruck. Sie gebraucht das seltsame Wort - das werden Sie wohl in keinem Wörterbuch dieser Welt finden - “Kompetenzangrenzung”. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob es sich bei diesem Terminus um einen Tippfehler oder wohl mehr um eine freudsche Fehlleistung der Kommunisten in diesem Hause handelt. Jedenfalls bedeutet Föderalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht “Angrenzung”, das heißt, nicht Aufweichung der Subsidiarität, sondern genau das Gegenteil. Es heißt: klare und saubere Kompetenzund damit Machtabgrenzung.

Aber auch dann, wenn man den Rest des Antrags der PDS durchliest, erkennt man wohl, worum es eigentlich geht. Die PDS begreift die aktuelle Diskussion zur Bundesstaatlichkeit als Chance, dieses tragende Staatsziel und diese elementare Grundlage unserer Verfassung zu zerreden und zu bekämpfen.

Das Schizophrene daran ist, dass sich diese Partei dabei gerade die bundesstaatliche Ordnung in Deutschland zunutze macht. Das Brandenburger Landesparlament soll - genau das ist die Diktion des PDS-Antrags - gestaltend in die Prozesse einer so genannten Reform des Föderalismus eingreifen. Wie diese Gestaltung aussehen soll, sagt sie natürlich nicht.

Ein sinnvoller Kritikpunkt wäre zum Beispiel, dass die Regierung Schröder seit 1998 10 % der kommunalen Steuereinnahmen wegregiert hat. Stattdessen werden viele lokale Selbstverwaltungsaufgaben an immer engere rechtliche Auflagen gebunden.

Die Subsidiarität ist tatsächlich aber der PDS ein Dorn im Auge. Die PDS weiß ganz genau, dass sie kurz- oder mittelfristig nur in wenigen politisch maroden Bundesländern eine Überlebenschance hat und langfristig letztlich überall zum Scheitern verurteilt ist. Kommunisten will in freien, demokratischen und menschlichen Gesellschaftsordnungen niemand wählen. Die Bürger gerade in den neuen Bundesländern wissen sehr wohl zu schätzen, dass nach 40 Jahren Zentralismus, Planwirtschaft und zentralstaatlichem Dirigismus echter Föderalismus ein Segen ist; denn dieser ist Voraussetzung für Demokratie und Freiheit, für die es in der SED-Diktatur keinen Platz gab.

Wir lehnen selbstverständlich diesen Antrag ab. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um was geht es im Kern bei dem Antrag der PDS? Ich denke, im Zeitalter zunehmender, kaum mehr zu überblickender Globalisierung und notwendiger, aber schwieriger Europäisierung sind überschaubare, starke Länder und Regionen mit starken Parlamenten, die Subsidiarität und Transparenz in ihrer Politik gewährleisten, sozusagen die Felsen in der Brandung und Garanten für ein gedeihliches, von Bodenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägtes Zusammenleben der Menschen. Mit ihrer Region, das heißt mit ihrer Landschaft, ihren Lebensverhältnissen, ihrer Geschichte, ihrer Kultur einschließlich ihrer Sprache können sich die Bürgerinnen und Bürger identifizieren, ja, sie sind direkt stolz auf ihr Dorf, ihre Stadt, ihren Kreis und ihr Land. Politische Entscheidungen sind hier wesentlich leichter zu vermitteln und umzusetzen, als wenn diese von einer fernen, letztendlich anonymen und fremden Superbürokratie getroffen werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe vielleicht etwas überzeichnet, aber Sie wissen sicherlich, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Von dem skizzierten Idealbild sind wir meines Erachtens ziemlich weit entfernt. Der Föderalismus in Deutschland, der nach Artikel 20 des Grundgesetzes nach wie vor oberstes Prinzip unserer staatlichen Ordnung ist, wurde seit Bestehen der Bundesrepublik gewissermaßen schleichend geschwächt, ja teilweise ausgehöhlt. Dabei treten Stichworte auf wie “überzogene Ausschöpfung der konkurrierenden Gesetzgebung, der Rahmengesetzgebung und der vielfältigen Formen der Mischfinanzierung durch den Bund”, ferner auch vielfach nicht begründbare Kompetenzverlagerungen zur Europäischen Union usw.