Protokoll der Sitzung vom 04.09.2002

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS, vorliegend in Drucksache 3/4756. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Vorlage eines Berichtes zur Möglichkeit der Einführung eines halbierten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks sowie zur steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerksdienstleistungen von der Einkommensteuer

Antrag des Ausschusses für Wirtschaft

Drucksache 3/4653

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich frage, ob der Wirtschaftsausschuss als Körperschaft hierzu sprechen möchte. - Das ist nicht der Fall. Dann gebe ich das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Ich finde das Klima in diesem Raum allein vom Klima her als Zumutung.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Abgeordneter Christoffers, Sie erhalten fraktionsübergreifend Zustimmung.

Dafür bedanke ich mich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum dieser Antrag? Warum ist die Fraktion der PDS - und sicherlich nicht nur sie - froh, dass es ein gemeinsamer Antrag des Wirtschaftsausschusses geworden ist? Es geht in diesem Antrag - zumindest aus meiner Sicht - um drei grundlegende Fragestellungen:

Erstens: Wie soll in Deutschland Schwarzarbeit perspektivisch bekämpft werden?

Zweitens: Wie soll die Binnenkonjunktur angezogen werden?

Drittens: Welche gesellschaftlichen Stellschrauben können wir in Ansatz bringen, um eine Mittelstandskomponente in Ost und West tatsächlich stabilisierend auszubauen?

Diese Fragestellungen zeigen deutlich, dass es einen großen Reformbedarf in diesen Bereichen gibt. Möglicherweise ist mit diesem Antrag ein Ansatzpunkt oder, besser gesagt, sind damit zwei Ansatzpunkte für eine mögliche Reformalternative aufgezeigt worden.

Es geht im Prinzip darum, dass arbeitsintensive Dienstleistungen billiger werden, damit wieder nachgefragt werden können und damit natürlich auch die Konjunktur und die Beschäftigung stabilisiert werden und letztendlich in dieser Komplexität Schwarzarbeit bekämpft wird. Einhergehen würde das mit Steuerausfällen in erheblicher Höhe. Das ist völlig unstrittig. Das heißt, wenn wir diesen Antrag ernst nehmen, muss gegengerechnet werden, und zwar die gesellschaftlichen Kosten und die Folgekosten von Schwarzarbeit, von Destabilisierung bei der Mittelstandskomponente und von weniger Beschäftigung. Es muss geprüft werden, inwieweit Steuerausfälle, die sehr schnell eintreten könnten, wenn man diesen Antrag umsetzen würde, hier als gesellschaftliche Kosten zusammengezogen werden können, um tatsächlich eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Deswegen kann es bei diesem Thema keinen Schnellschuss geben und ich bin froh, dass es ein gemeinsamer Antrag geworden ist. Ich bin auch froh, dass es zu einer Berichtspflicht bzw. zu einem Auftrag an die Landesregierung gekommen ist.

Mit diesem Antrag wird auch eine europäische Dimension bedient. Sie wissen möglicherweise, dass die Europäische Kommission bisher nur einen eng begrenzten Bereich von arbeitsintensiven Dienstleistungen mit halbierten Mehrwertsteuersätzen unterlegen lassen kann bzw. unterlegen lässt. Wenn wir diese Debatte ganz intensiv führen und zusammen mit anderen Bundesländern initiativ werden, dann können wir möglicherweise diese notwendige Diskussion über Steuerveränderungen und über die Auflösung von Reformstaus auch auf die europäische Ebene ziehen, weil auch hier Veränderungen notwendig sind.

Insofern wünsche ich mir, dass dieser gemeinsame Antrag zu einem Bericht der Landesregierung führt, der weitere Handlungsempfehlungen nicht nur für das Parlament, sondern darüber hinaus beinhaltet. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass die Terminstellung 30. Juni eingehalten werden kann.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Christoffers, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Wirtschaftsausschuss ist es des Öfteren möglich, dass wir gemeinsam zu Überlegungen kommen, die für den Landtag relevant sein können. Offensichtlich gehen die Meinungen in wirtschaftspolitischen Fragen nicht so weit auseinander wie in anderen politi

schen Bereichen. Ich möchte trotzdem noch ein paar Anmerkungen von meiner Seite machen.

Die Schwarzarbeit ist ein Thema, über das wir schon sehr oft gesprochen haben. Die Auswirkungen von Schwarzarbeit sind jedem klar. Ich glaube, den meisten ist klar, dass die Schwarzarbeit nicht zurückgedrängt werden konnte, sondern in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat. Dafür gibt es Gründe. Diese Gründe kann man einfach nicht hinnehmen. Man kann nicht versuchen, immer mit den gleichen Mitteln, die wir bisher eingesetzt haben, gegen dieses Geschwür der Schwarzarbeit vorzugehen. Die Schwarzarbeit ist eine Geschichte, die auf zwei Ebenen stattfindet: einerseits auf der Unternehmensebene, wenn nämlich Unternehmen illegale Beschäftigung ganz bewusst einsetzen, und andererseits, was nicht weniger wehtut, im privaten Bereich. Wenn ich den Nachbarn, den Kumpel, den Arbeitskollegen, einen Arbeitslosen oder auch einen Handwerker bei mir etwas werkeln lasse und das irgendwie ohne Rechnung bezahle, dann ist das de facto Schwarzarbeit. Insofern gibt es eine große Breite von Einsatzfällen, die gar nicht so richtig wahrgenommen werden kann. Inzwischen gibt es da eine geringe Hemmschwelle.

Die Hemmschwelle ist das Problem bei der Schwarzarbeit.

Wir wissen, dass wir mit Repressalien wie Verfolgung nur begrenzt Erfolge erzielen können. Das ist heute Morgen schon angesprochen worden. Legionen von Kontrolleuren rennen herum und die Erfolge sind gemessen an der Zurückdrängung der Schwarzarbeit sehr klein.

Deswegen muss man nach neuen Wegen suchen. Ein neuer Weg kann sein, dass man versucht, den Anreiz für Schwarzarbeit zu verringern. Man wird auf Kontrollen nicht verzichten können insbesondere im Unternehmensbereich und auf Baustellen wird man das weiterhin machen müssen -, aber man kann versuchen, den Anreiz für Schwarzarbeit zu verringern. Deswegen diese beiden Ansätze, die Ihnen vorgestellt worden sind.

Bei der Halbierung des Mehrwertsteuersatzes muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass die bestehende Differenz von 10 Euro pro Stunde für Schwarzarbeit und 35 Euro pro Stunde für die Handwerkerleistung nur um einige Prozent vermindert wird. Deshalb ist die Frage, ob man damit wirklich Erfolg haben kann. Der Anreiz wird nur wenig verringert.

Deswegen unser zweiter Ansatz: Wenn man die steuerliche Absetzbarkeit - ähnlich wie bei der Hartz-Kommission für die haushaltsnahen Dienstleistungen vorgeschlagen - erreichen würde, dann könnte daraus ein wesentlich deutlicherer Anreiz entstehen, Leistungen auf Rechnung zu erbringen. Nur eine Rechnung, die von einem Unternehmen oder einer Ich-AG geschrieben ist, wäre dann absetzbar. Deswegen würde man an der Stelle vielleicht das erreichen, was wir eigentlich erreichen wollen, nämlich dass die Leistungen, die derzeit in Schwarzarbeit erbracht werden, zukünftig aus regulären Beschäftigungsverhältnissen heraus entstehen und damit dann Lohnsteuer, Mehrwertsteuer, Einkommensteuer und Körperschaftssteuer erzeugen und somit das Gemeinwohl wieder an der richtigen Stelle unterstützen.

Nun kann man rechnen: Je mehr Menschen man von der Schwarzarbeit in reguläre Arbeitsverhältnisse bringt, desto besser rechnet sich das für die Gesellschaft, was die Steuerein

nahmen angeht. Das wäre eine direkte Wirkung auf unsere Finanzen. Genau das wollen wir untersucht haben: Ist es realistisch, einen ausreichenden Anteil von Menschen aus der Schwarzarbeit in legale Beschäftigungsverhältnisse zu bringen, um damit zwei Effekte zu erreichen, erstens die Finanzen des Staates nicht einzuschränken, um damit nicht neue Probleme zu erzeugen, und zweitens diese Grauzone, die Schwarzarbeit, die illegale Beschäftigung, ein Stück weit in den Griff zu bekommen? Ich glaube, es gibt gute Chancen. Ich glaube auch, dass die Landesregierung uns eine vernünftige und für uns auswertbare Berichterstattung vorlegen wird.

Ich denke, dass der Termin erreichbar ist, denn wir haben keine Zeit, das ewig hinauszuschieben. Es liegt noch eine Reihe von Monaten vor uns, in der die Sache bearbeitet werden kann. Insofern werden wir Mitte des nächsten Jahres Entscheidungen treffen können, die den von uns beschriebenen Effekt hoffentlich erzielen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Müller und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die derzeitige Situation der kleinen und mittleren Unternehmen der Baubranche ist so schlecht wie seit langem nicht mehr. Die Ertragslage des deutschen Mittelstandes ist im Durchschnitt mit einem Ergebnis von 3 % vom Umsatz auf die Zahlen des Jahres 1996 zurückgefallen. Bei einem Drittel aller Unternehmen ist nach einer Untersuchung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in den Bilanzjahren 2000 und 2001 überhaupt kein Gewinn angefallen.

In der Baubranche trifft dies deutschlandweit 27 % der Unternehmen, in Brandenburg weit mehr als 50 %. Die Zahl der Insolvenzen in der Baubranche hat deutschlandweit und insbesondere hier in Brandenburg ungeahnte Höhen erreicht. Dies führte in Brandenburg zu Zehntausenden zusätzlichen Arbeitslosen.

Daher sind deutliche Signale vonseiten des Gesetzgebers in Richtung Verbesserung der Rahmenbedingungen gefordert, um nicht noch mehr Existenzen und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu gefährden. Dem, meine Damen und Herren, dienen auch die von unserer Fraktion heute und morgen eingebrachten Anträge auf Änderung der Verdingungsordnung für Bauleistungen sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Ohne rasche Senkung von Steuern und Sozialabgaben für kleine und mittelständische Betriebe, zum Beispiel durch einen halbierten Mehrwertsteuersatz auf arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks und insbesondere auf Bauleistungen, und ohne eine durchgreifende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes werden immer mehr Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. So rechnet „Creditreform“ nach einer jüngst veröffentlichten Umfrage mit 40 000 Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2002 bundesweit.

Doch wie sehen die so genannten Steuerentlastungen dieser

Bundesregierung aus? Die mittelstandsbezogenen Entlastungen stellen sich derzeit so dar, dass im Rahmen des so genannten Steuerentlastungsgesetzes der Mittelstand um zusätzlich 30 Milliarden DM belastet wurde. Die Masse der Entlastungen kommt nur der Großindustrie zugute.

Wir als Fraktion der Deutschen Volksunion dagegen verstehen uns als Interessenvertreterin der kleinen und mittelständischen Betriebe. Daher befürworten wir voll und ganz den vorliegenden gemeinsamen Antrag aller Mitglieder des Wirtschaftsausschusses auf Prüfung der Möglichkeit der Einführung eines halbierten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks ebenso wie auf steuerliche Absetzbarkeit von Handwerksdienstleistungen von der Einkommensteuer.

Übrigens befinden wir uns hier in bester Gesellschaft. So forderte jüngst auch der Vorstandsvorsitzende der Interpane Glas Industrie AG und Vorsitzende der Vereinigung der Glasveredler, Bernd Kramer, ein wirtschaftliches Anreizsystem für mittelständische Betriebe durch eine Halbierung der Höhe der Mehrwertsteuer für Bauleistungen. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes forderte kürzlich ebenfalls eine Halbierung der Mehrwertsteuerhöhe für private Bauherren auf 8 % und zusätzlichen Schutz deutscher Bauarbeiter vor ausländischer Billigkonkurrenz.

Natürlich ist es uns klar, dass eine Halbierung des Mehrwertsteuersatzes, welche nach EU-Recht möglich ist, nur auf Bundesebene mittels einer Änderung des Umsatzsteuergesetzes machbar ist. Doch warum soll die Brandenburger Landesregierung hier nicht einmal im Bundesrat Vorreiterin sein?

Als Fraktion der Deutschen Volksunion erwarten wir daher nicht nur einen ausführlichen Bericht bis zum 30.06.2003, sondern auch ein unverzügliches Handeln der Landesregierung in diesem Sinne, und das auch im Bundesrat. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Karney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass sich der Ausschuss für Wirtschaft auf den Ihnen vorgelegten Prüfauftrag an die Landesregierung verständigen konnte, und bitte Sie schon an dieser Stelle um Zustimmung zu dem Antrag.

Die CDU in Brandenburg war es, die bereits im Jahr 2001 in ihrer Perleberger Erklärung die Halbierung des Mehrwertsteuersatzes als eine Forderung erhoben hat, über die wir im Land Brandenburg nachdenken müssen. Damals wurden wir von vielen Seiten belächelt. Als nicht machbar, als illusorisch oder als EU-rechtlich bedenklich wurden unsere damaligen Forderungen hingestellt.

Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses sind sich jedoch nach ausgiebiger rechtlicher Prüfung, die mit Unterstützung der Landesregierung erfolgte, darüber einig, dass es rechtlich nicht

bedenklich ist und dass wir im Land die Möglichkeit, die uns die EU einräumt, ernsthaft prüfen müssen.

Die wirtschaftliche Situation, aber auch die Notwendigkeit, zusätzliche Arbeitsplätze im Land entstehen zu lassen, machen es unumgänglich, alle sich uns bietenden Möglichkeiten aufzugreifen, die das Handwerk im Land Brandenburg stärken könnten.

Dabei ist abzuwägen zwischen Einnahmeausfällen und Effekten auf dem Arbeitsmarkt, Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftswachstum, aber auch hinsichtlich der Möglichkeit der Zurückdrängung der Schwarzarbeit. Was wir nicht wollen, ist, ein Instrument zu nutzen, das einerseits hohe Einnahmeausfälle nach sich zieht, andererseits aber keine Effekte auf die angesprochenen Faktoren hat.