Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Nach einem Beschluss des Bundestages aus dem Jahre 1992 sollen alle neu zu bildenden Bundeseinrichtungen in den neuen Ländern angesiedelt werden. Das gilt auch für das Bundesamt für Verbraucherschutz, das neu eingerichtet werden soll. Um die Ansiedlung dieses Bundesamtes hat sich die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam beworben, die mit dem ehemaligen Sago-Gelände über hervorragende Voraussetzungen für eine solche Ansiedlung verfügt.

Nun ist bekannt geworden, dass die Verbraucherschutzministerin Renate Künast in einer Vorentscheidung die Ansiedlung des

neuen Bundesamtes in Braunschweig festgelegt hat. Damit wird - entgegen den Erklärungen der rot-grünen Bundesregierung zur Stärkung des Ostens - gegen die eindeutigen Festlegungen des Bundestagsbeschlusses von 1992 verstoßen.

Ich frage die Landesregierung: Wie macht der Ministerpräsident seinen Einfluss geltend, um die Ansiedlung des Bundesamtes für Verbraucherschutz in Potsdam oder in einer anderen Stadt in den neuen Bundesländern durchzusetzen?

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Prof. Bisky, bereits am 8. Juni 2001 hat mein Vorgänger im Amt, Manfred Stolpe, der Frau Bundesministerin Künast geschrieben und sie auf den Umstand hingewiesen, dass mit den Erschließungsmaßnahmen für die Biologische Bundesanstalt auf dem von Ihnen eben erwähnten Sago-Gelände weitere Flächen zur Verfügung stehen, auf denen auch das neue Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angesiedelt werden könnte. Die Landesregierung sah und sieht mit der Bündelung zweier Bundeseinrichtungen auf einem Gelände im Lichte der Haushaltszwänge und der Berlinnähe Synergieeffekte für den Bund. In ihrer Antwort vom 20. Juni dieses Jahres versprach Frau Künast, auf die von Brandenburg aufgezeigte Option, die ich eben dargestellt habe, gesondert zurückzukommen.

Anfang September haben wir genauso wie Sie aus der Presse von der angeblichen - so sage ich vorsichtshalber - Entscheidung des Bundesministeriums erfahren, dieses Amt in Braunschweig anzusiedeln. Wir haben bis zum heutigen Tage keine offizielle Information, ob es sich wirklich so verhält. Aus Sicht der Landesregierung - hier bin ich nahe bei Ihnen, die Richtigkeit der Information unterstellt - ist dies nicht zu akzeptieren. Vor dem Hintergrund des Beschlusses der Unabhängigen Föderalismus-Kommission vom 27. Mai 1992 und auch der Selbstbindung früherer Bundeskabinette, in denen der Wille bekundet wurde, in Vollzug und Ergänzung des Beschlusses der Unabhängigen Föderalismus-Kommission für eine angemessene Präsenz von Bundeseinrichtungen in den neuen Ländern zu sorgen, wird die Landesregierung auf einer Ansiedlung im Osten Deutschlands bestehen.

Ich habe mich deshalb nochmals schriftlich an Frau Künast gewandt und eine verfassungskonform ausgewogene Verteilung von Behörden des Bundes angemahnt. Wir haben noch einmal deutlich eingefordert, dass das Bundesamt seinen Standort im Osten Deutschlands finden muss, und klargestellt, dass Potsdam bzw. das Land Brandenburg seine Bewerbung aufrechterhält. In diesem Brief haben wir auch um eine Information über die aktuelle Situation bei der Standortbestimmung für das Bundesamt gebeten. Ein Schreiben desselben Inhalts habe ich auch an Herrn Schwanitz geschickt. Wir haben bis heute von beiden noch keine Antwort. Nachdem die Klärungsprozesse in der Bundesregierung so weit gediehen sind, dass man weiß, wen man anrufen muss, werden wir umgehend - darauf können Sie sich verlassen - die schriftliche Anmahnung auch mündlich untermauern, um zu sehen, wie der Sachverhalt wirklich ist.

Danke sehr. - Das Wort geht an Frau Hesselbarth, die Gelegenheit hat, ihre Frage 1296 (Straftaten beim V-Mann-Einsatz) zu formulieren.

Innenminister Jörg Schönbohm antwortete auf meine mündliche Anfrage 1258 zur Sitzung des Landtages am 4. September 2002, dass unter bestimmten Umständen beim Einsatz von so genannten V-Leuten des brandenburgischen Verfassungsschutzes bestimmte Straftatbestände verwirklicht werden könnten, ohne dass sich die Täter dadurch strafbar machten, da ihnen in diesem Falle ein Rechtfertigungsgrund nach § 6 Abs. 7 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes zur Seite stehe.

Des Weiteren antwortete der Innenminister, dass die weisungswidrige Begehung von Straftaten außerhalb eines von der Verfassungsschutzbehörde bestimmten Handlungsrahmens dazu führe, dass die V-Leute uneingeschränkt selbst hafteten und die Verfassungsschutzbehörde dann derartige Straftaten nicht zu verantworten habe.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Ist aus ihrem Hinweis auf eine mögliche Weisungswidrigkeit und auf einen von der Verfassungsschutzbehörde bestimmten Handlungsrahmen zu schließen, dass es nun doch eine Dienstvorschrift im Sinne des § 6 Abs. 7 Satz 2 hinsichtlich einer kumulativen Aufzählung von Straftaten gibt, die im Rahmen des V-Mann-Einsatzes begangen werden dürfen?

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordente Hesselbarth, auf die mündliche Anfrage 1258 in der Sitzung des Landtages am 4. September dieses Jahres habe ich geantwortet, dass beim Einsatz von V-Leuten keine Straftaten begangen werden dürften. Unter Umständen würden Straftatbestände verwirklicht, ohne dass die handelnden Personen sich strafbar machten, weil ihnen ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stehe.

Das Brandenburgische Verfassungsschutzgesetz sieht keine Rechtfertigungsgründe vor. Die Verfassungsschutzbehörde erteilt keine Weisungen zur Begehung von Straftaten. Wenn dennoch strafrechtlich relevante Handlungen vorgenommen werden, so liegen diese außerhalb des von der Verfassungsschutzbehörde bestimmten Handlungsrahmens. Die Unterstellung, es würden derartige Aufträge erteilt, kann ich nicht akzeptieren. Eine Dienstvorschrift, wie § 6 Abs. 7 Satz 2 unseres Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes dies vorsieht, gibt es nicht, wie wir auch erörtert haben und wie in der Presse dargestellt wurde.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Frau Fechner, bitte.

Herr Minister, in der Vergangenheit wurden ja etliche V-Leute enttarnt und aus dem Verkehr gezogen. Ihr Ministerium und auch das Bundesinnenministerium haben bekannt gegeben, dass die Zahl der extremistischen Straftaten zurückgegangen ist.

Nun meine Frage: Können Sie einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Tatsachen, also der Tatsache, dass V-Leute aus dem Verkehr gezogen wurden, und der Tatsache, dass die Zahl der extremistischen Straftaten zurückgegangen ist, definitiv ausschließen und, wenn ja, warum?

Frau Fechner, zunächst einmal freue ich mich, dass die Zahl der Straftaten aus dem extremistischen Bereich, in diesem Fall in Brandenburg aus dem rechtsextremistischen Bereich, zurückgegangen ist. Aber es gibt hier noch Straftaten und deshalb werden wir in diesem Bereich weiterhin V-Leute haben, um das mit Stumpf und Stiel zu beseitigen. Das sage ich Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Abgeordneter Schuldt, bitte.

Werden die Straftaten, deren Zustandekommen erst durch den Einsatz von V-Leuten möglich ist, gesondert in einer Statistik erfasst oder gelten diese auch als rechtsextremistische Straftaten?

Ich habe von Ihnen, Herr Abgeordneter Schuldt, schon einmal gehört, wir sollten nicht so viele Statistiken führen. Sie haben hier einmal einen Feldzug geführt und gesagt, die Statistiken seien nicht in Ordnung. Jetzt fordern Sie von mir eine Statistik. Wir machen nicht Bürokratie der Bürokratie wegen. Ich sehe keinen Anlass, darüber eine Statistik zu führen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Danke sehr. - Wir kommen zur Frage 1297 (Länderübergreifen- de Rahmenlehrpläne). Frau Abgeordnete Redepenning, bitte.

Die für Bildung zuständigen Minister der Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Brandenburg haben sich darauf verständigt, gemeinsame Rahmenlehrpläne und Qualitätsstandards für die Grundschule zu entwickeln. Damit sollen auch Konsequenzen aus den Besorgnis erregenden Ergebnissen von PISA gezogen und die Chancen länderübergreifender Zusammenarbeit zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts genutzt werden. Die neuen Rahmenlehrpläne sollen bis zum Schuljahr 2004/05 wirksam werden.

Ich frage die Landesregierung: Warum haben sich bisher nur die Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Brandenburg auf eine gemeinsame Erarbeitung von Rahmenlehrplänen und Qualitätsstandards für die Grundschule verständigt?

Herr Minister Reiche, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Frau Kollegin Redepenning, es ist eine historisch erstmalige Situation, dass mehrere Länder gemeinsam Rahmenlehrpläne erarbeiten. Wir haben uns im August das erste Mal im Pädagogischen Landesinstitut in Brandenburg getroffen, um die Arbeit an diesen Rahmenlehrplänen für die Grundschule gemeinsam vorzubereiten. Eine gute Grundlage dafür, das in Brandenburg zu machen, war dabei unsere gerade erst vervollständigte und in Kraft gesetzte Rahmenlehrplangeneration der Sekundarstufe I. Die Erfahrung bei diesem Treffen war, dass alle das Ihre dazu beigetragen haben, eine gute Grundlage dafür zu bilden, um Rahmenlehrpläne für die Grundschule gemeinsam zu erarbeiten. Am 19. September ist dann im Roten Rathaus in Berlin der offizielle Startschuss mit der Berufung erfolgt.

Diese Arbeit ist länderoffen. Ich werde deshalb in der Kultusministerkonferenz auch mit Auftrag meiner Kollegen aus Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin dieses Thema ansprechen und insbesondere die Länder Thüringen, SachsenAnhalt und Sachsen einladen mitzuarbeiten. Mit Herrn Rößler aus Sachsen hatte es schon sehr weit gehende Gespräche gegeben, die dann aber wegen des Amtswechsels in Dresden leider nicht zum Vollzug gekommen sind.

Ich hoffe, dass wir damit ein Signal geben und die Arbeit in der Kultusministerkonferenz an gemeinsamen Bildungsstandards, die ich im Jahr 2000 auf der Kultusministerkonferenz in Hamburg initiiert habe, eine gute Basis dafür bildet, diese Standards in einem bundesweiten Prozess perspektivisch vielleicht sogar zu bundesweiten Kern-Curricula weiterzuentwickeln. Die Koalition, die in Berlin die Bildung einer neuen Bundesregierung vorbereitet, hat auch in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, die Länder in diesem Prozess vom Bundesbildungsministerium her zu unterstützen.

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf. Frau Hartfelder, bitte.

Frau Hartfelder (CDU)*:

Herr Minister, wie Sie wissen, finde ich es sehr gut, dass mit anderen Ländern Rahmenlehrpläne erarbeitet werden, finde aber nicht so gut, welche Länder dabei sind, wenn man sich PISA-E anschaut. Waren die Gespräche mit Herrn Rößler offizieller oder inoffizieller Natur?

Da bei einem der Gespräche auch Frau Schavan zugegen war, würde ich eher sagen: Sie waren schon fast offizieller Natur. Ich

hoffe, dass sich Herr Olbertz bzw. andere den damals getroffenen Verabredungen anschließen und mit uns gemeinsam die Grundschulrahmenlehrpläne erarbeiten.

Was die Kritik von Ihnen angeht, möchte ich sagen, dass die neuen Rahmenlehrpläne für die Grundschule, die ja auch eine wichtige Voraussetzung für guten Unterricht sind, meiner Meinung nach auf jeden Fall besser sein werden, wenn zwei, drei oder gar vier Länder zusammenarbeiten, als wenn dies ein Land allein macht, und dass die PISA-Ergebnisse der betreffenden drei bzw. vier Länder auf der Grundlage solcher neuen Rahmenlehrpläne für die Grundschule beim nächsten Mal besser sein können. Sie können ja das Ihre dazu beitragen, dass die von mir angesprochenen Länder genügend Vertrauen zu der bereits bestehenden guten Zusammenarbeit fassen und vielleicht noch dazustoßen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 1298 (Haushaltssperre und Mittelstand), die der Abgeordnete Rainer Neumann stellen wird. Bitte schön.

Mit Wirkung vom 01.10.2002 ist eine Haushaltssperre in Kraft getreten, mit der die Landesregierung Lücken im Haushalt schließen möchte.

Welche Auswirkungen hat nun die Haushaltssperre auf die Bewilligung und Ausreichung von Fördermitteln insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen?

Herr Minister für Wirtschaft, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Neumann, von den im Einzelplan des MW veranschlagten Ausgaben für Subventionen in Höhe von 674,5 Millionen Euro entfallen 406,8 Millionen Euro auf EU-Mittel und Landesmittel, die der Kofinanzierung der EU-Strukturfonds dienen. Diese Mittel sind generell von der Haushaltssperre nicht betroffen. Darüber hinaus sind die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ohne EFRE-Bindung in Höhe von 193,2 Millionen Euro nicht von der Sperre betroffen, da die Mittel im laufenden Haushaltsjahr aufgrund der Bewilligungen in den vergangenen Jahren rechtlich gebunden sind.

Von der Sperre sind somit lediglich Ausgaben für Subventionen in Höhe von 74,5 Millionen Euro betroffen. Von diesen Ausgaben sind wiederum nur diejenigen betroffen, die noch nicht durch Zuwendungsbescheide bewilligt worden sind. Zuwendungsbescheide könnten allenfalls widerrufen werden, wenn der Zuwendungsempfänger noch nicht mit der Maßnahme begonnen hat.

Da die Förderprogramme des MW aufgrund von Geschäftsbesorgungsverträgen von der Investitionsbank abgewickelt werden, kann eine Aussage über den aktuellen Stand mit heutigem Datum noch nicht getroffen werden, weil die Investitions

bank vertraglich verpflichtet ist, erst zur Mitte des Folgemonats Übersichten über die erteilten Bewilligungen vorzulegen.

Ich gehe also davon aus, dass wir den größten Teil der im Jahre 2002 betroffenen Unternehmen bedienen können.

Herzlichen Dank. - Damit sind wir bei der Frage 1299 (Haushalts- sperre), die von der Abgeordneten Osten gestellt wird. Bitte sehr.

Wir bleiben beim Thema. Die Meldungen zur Verschlechterung der Haushaltslage im Lande überschlugen sich in den letzten Wochen; Meldungen über immer höhere Fehlbeträge machten die Runde. In den Beratungen des Haushaltsausschusses war die Ministerin der Finanzen weder gewillt noch in der Lage, genauere Angaben zu machen und mit den Parlamentariern über konkrete Maßnahmen zu diskutieren. Bereits im Februar und im Juni wurden Haushaltssperren verhängt, wobei letztere in Höhe von 130 Millionen Euro durch die Ministerin noch nicht untersetzt ist bzw. dem Parlament dazu jedenfalls keine Informationen vorliegen. Obwohl Haushaltssperren nur eine Notfallmaßnahme für eine kurzfristige Haushaltsregulierung sein sollten, weil mit dieser Maßnahme direkt in die Budgethoheit des Parlaments eingegriffen wird, hat das Kabinett die Weitsicht besessen, nun eine weitere, dritte, Haushaltssperre zu verhängen.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Wie hoch ist die jetzige Haushaltssperre, die nach Aussagen der Ministerin über die so genannten freiwilligen Aufgaben des Landes verhängt werden soll bzw. verhängt wurde?

Frau Ministerin der Finanzen, Sie haben das Wort.