Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die hier von der Landesregierung zur 1. Lesung vorgelegten vier Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform haben vielerlei gemein.
Erstens: Sie sollen nunmehr die von der Landesregierung beabsichtigte Phase der Zusammenschlüsse nach der Vorstellung des Innenministers einleiten.
Zweitens: Die Expertenanhörung hierzu wird erst am 23. und 24. Oktober stattfinden. Das heißt, Auswirkungen und Notwendigkeiten der Zusammenschlüsse stehen jedenfalls noch nicht abschließend fest.
Drittens: Zudem laufen noch mehrere Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht, die von den betroffenen Kommunen eingeleitet wurden.
Viertens: Von den Prinzipien der Freiwilligkeit und des Vorrangs tragfähiger Entscheidungen der Gemeinden für anderweitige Zusammenschlüsse verabschiedet sich die Landesregierung mit diesen Gesetzentwürfen offenbar vollständig, um eine Gemeindegebietsreform nach ihrem Gusto 1 : 1 umzusetzen.
Die DVU-Fraktion hat sich gründlich überlegt, wie sie mit diesen Gesetzentwürfen der Landesregierung heute umzugehen hat. Einerseits sperren wir uns nicht grundsätzlich gegen eine Gemeindegebietsreform; das hatte ich Ihnen, Herr Minister Schönbohm, ja schon in meiner Rede in der letzten Plenarsitzung dargelegt. Andererseits geht aber das, was die Landesregierung hier und heute offensichtlich vorhat, aus Sicht meiner Fraktion ganz und gar nicht, insbesondere nicht vor der Expertenanhörung, die, wie gesagt, am 23. und 24. Oktober 2002 stattfinden soll. Deshalb - das kann ich bereits an dieser Stelle sagen - werden wir alle vier dem Landtag vorgelegten Gesetzentwürfe der Landesregierung hier und heute ablehnen.
Wenn Sie mich jetzt fragen, warum, könnte ich es mir leicht machen und auf die vorangegangenen vier Punkte verweisen. Aber ganz so leicht mache ich es mir nicht; deshalb sind noch folgende Ausführungen angebracht.
Erstens: Bereits Ihre Vorgehensweise, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, uns hier und heute Gesetzentwürfe über Zwangszusammenschlüsse von Gemeinden zur Abstimmung vorzulegen, entspricht wohl nicht einer sachgerechten Behandlung dieser Problematik.
Herr Minister Schönbohm, wollen Sie uns mit der Vorlage dieser Gesetzentwürfe zur Abstimmung hier und heute zu verstehen geben: Aus Sicht der Landesregierung ist alles schon entschieden; die Anhörung der Experten am 23. und 24. Okto
ber ist schlicht belanglos? - Dazu kann man nur sagen: Da machen wir nicht mit. Konkret: Wir werden erstens die Anhörung nicht zur Alibiveranstaltung und zweitens uns selbst nicht zum Bestandteil eines Abnickparlaments machen. Wenn die Regierungsfraktionen diesbezüglich anderer Ansicht sind, dann ist das ihre Angelegenheit, das haben sie zu verantworten und zu vertreten. Obendrein halten wir dies gegenüber den zum 23. und 24. eingeladenen Anzuhörenden für respektlos und ungehörig. Man bemüht nicht deren Zeit und Sachverstand und tut zugleich kund, dass man die besagte Anhörung von vornherein für belanglos hält und die Experten ohnehin nicht in seine Überlegungen einbeziehen will.
Zweitens: Davon abgesehen, sind unsere grundsätzlichen und rechtlichen Bedenken gegen das Reformvorhaben der Landesregierung nicht ausgeräumt. Sie kennen sie, Herr Minister. Wir haben sie schon in der Plenarsitzung im September vorgetragen und tun dies hier noch einmal in Kurzform:
Erstens: Die von oben übergestülpten brandenburgischen Einheitsgemeinden anstelle der traditionell gewachsenen Gemeindestrukturen darf es nicht geben.
Drittens: Zwangszusammenschlüsse dürfen nur dort getätigt werden, wo Gemeinden ihre Angelegenheiten aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht wahrnehmen können.
Viertens: Die Möglichkeit der Mitgestaltung durch die Bürger von Ortsteilen der amtsangehörigen Gemeinden ist nachhaltig zu stärken.
Fünftens: Die Vorstellungen von Gemeinden zu freiwilligen Zusammenschlüssen haben gegenüber Vorstellungen der Landesregierung grundsätzlich Vorrang.
Unsere DVU-Fraktion wird das Ergebnis der anstehenden Anhörungen dazu nutzen, die Grundpositionen noch einmal zu überprüfen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der Vorarbeiten liegen uns nun die ersten vier Gesetzentwürfe zur Gemeindegebietsreform zur parlamentarischen Befassung vor.
Die von uns am 11. Juli 2000 beschlossenen bzw. zur Kenntnis genommenen Leitlinien für die Entwicklung der Gemeindestruktur im Land Brandenburg gaben den Rahmen für die notwendige Struktur- und Verwaltungsreform im kommunalen Bereich vor. Zum damaligen Zeitpunkt gab es in unserem Land 152 Ämter, 4 kreisfreie Städte, 1 479 amtsangehörige und 62 amtsfreie Gemeinden. 58 % der amtsangehörigen Gemeinden,
nämlich 861, hatten weniger als 500 Einwohner, Zahlen, die jedem, der sich nur ein wenig mit Kommunalpolitik auskennt, vor Augen führen, dass dies Strukturen waren, die auch Probleme mit sich brachten, Strukturen, die die Frage nach der Leistungsfähigkeit stellten; denn es ist nun einmal Tatsache, dass, je größer eine Struktur ist, natürlich auch größere Leistungspotenziale ausgeschöpft werden können.
Diese Erkenntnis setzte sich durch. Die gebotene Möglichkeit der freiwilligen Gemeindezusammenschlüsse wurde von der Mehrheit der Gemeinden inzwischen genutzt. Insofern, Herr Kollege Sarrach, weise ich Ihre Kritik zurück. Es ist keine Reform von oben, sondern mehrheitlich eine Reform von unten. Dafür sprechen die Zahlen, die belegen, dass die Umsetzung der Reform durch die handelnden Personen in den einzelnen Kommunen mehrheitlich auf freiwilliger Basis erfolgt ist.
Am 31. März 2002, dem letzten Tage der Freiwilligkeitsphase mit finanzieller Förderung aus dem GFG, gab es noch 976 Gemeinden, davon 58 amtsfreie und 125 in Ämtern. Bis zum Sommer dieses Jahres reduzierte sich die Zahl der Gemeinden sogar weiter, nämlich auf etwa 800.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl ich froh darüber bin, dass so viele Gemeinden den Weg des freiwilligen Zusammenschlusses annahmen, ist nicht außer Acht zu lassen, dass dem mancherorts Hemmnisse entgegenstanden. Zum Teil waren und sind dies persönliche Befindlichkeiten, zum Teil konnte man sich über die Modalitäten eines Zusammenschlusses nicht einigen. Zu einem großen Teil jedoch lagen tatsächliche Hindernisse vor, die auf historischen, infrastrukturellen oder eben auch politischen Gründen basierten. Sie ließen einen freiwilligen Zusammenschluss nicht möglich werden.
Nun sind wir als Gesetzgeber aufgerufen, hier eine den Leitlinien entsprechende Lösung zu finden. Nach einem sehr umfangreichen Verfahren, das der Minister des Innern in seinem Redebeitrag soeben ausführlich darlegte, kamen die uns vorliegenden Gesetzentwürfe zustande. Ich danke dem Minister und seinem Haus für die in den letzten Monaten vollbrachte Fleißarbeit, die wir nun in den Händen halten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele Bürgerinnen und Bürger haben mir geschrieben mit der Bitte, darauf hinzuwirken, dass die eine oder andere Entscheidung getroffen wird. In letzter Zeit mehren sich Briefe, deren Verfasser davon ausgehen, dass mit der Einbringung der Gesetzentwürfe eine Präjudizierung eingetreten sei und Änderungen nicht mehr möglich seien. Ich verspreche ihnen, dass wir als Gesetzgeber unsere Aufgabe sehr ernst nehmen werden. Dies zeigt sich schon daran, dass wir sämtliche betroffenen Gemeinden zur Anhörung vor dem Innenausschuss einladen und uns ausgiebig mit den vorgebrachten Argumenten beschäftigen werden. Dies geschieht nicht etwa, weil die PDS es will, sondern weil die Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtages dies vorschreiben.
Wir werden also abwägen und unsere Entscheidung dem Parlament als Beschlussempfehlung für die 2. Lesung vorschlagen.
Meine Damen und Herren, die Umsetzung dieser Gemeindegebietsreform ist auch ein Maßstab für die Handlungs- und Reformfähigkeit der Landesregierung und der Koalition im Landtag. Wir werden diese Aufgabe gemeinsam bewältigen. Diese Reform ist aber gleichzeitig auch ein Maßstab für das Maß an Verantwortung, das die größte Oppositionsfraktion im Landtag Brandenburg wahrnehmen will. Die PDS-Fraktion hat hier versagt. - Vielen Dank.
Wir sind damit am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes in der Drucksache 3/4880 an den Ausschuss für Inneres. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung beschlossen.
1. Lesung des Zweiten Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die kreisfreie Stadt Cottbus und das Amt Neuhausen/Spree (2. GemGebRefGBbg)
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch der jetzt eingebrachte zweite Gesetzentwurf zur Gemeindegebietsreform behandelt Eingliederungen in die kreisfreien Städte, in diesem Fall in die kreisfreie Stadt Cottbus. Die Gemeinden Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch des Amtes Neuhausen/Spree sollen in die Stadt Cottbus eingegliedert werden. Dagegen gibt es Widerstände aus den verschiedensten Gründen, vom Landkreis bis zu den betroffenen Gemeinden. Wie im Fall der anderen kreisfreien Städte geht es auch hier darum, Wirkungs- und Entscheidungsstrukturen in Übereinstimmung zu bringen.
Im vorliegenden Fall wollen die drei Gemeinden mit den übrigen Gemeinden ihres Amtes eine amtsfreie Gemeinde bilden. In der Begründung des Gesetzentwurfes werden Sie lesen können, dass das Für und Wider, nämlich Genehmigung dieser freiwilligen Neugliederung oder Eingliederung einzelner Gemeinden durch Gesetz in die Stadt Cottbus, verantwortungsvoll geprüft wurde. Selbstverständlich fand auch hier eine umfassende Anhörung der Gemeinden und ihrer Einwohner statt, deren Ergebnisse gründlich ausgewertet, abgewogen und dargestellt wurden.
Die in der Anhörung vorgetragenen Argumente führten letztlich aber nicht zu anderen Neugliederungsvorschlägen als jenen, die wir hier unterbreiten.
Cottbus ist in besonderem Maße von Suburbanisierungsprozessen betroffenen und weist damit unverkennbar ein strukturelles Stadt-Umland-Problem auf. Die Stadt verlor in den letzten zehn Jahren mehr als 20 000 Einwohner, während das benachbarte Amt Neuhausen/Spree seine Einwohnerzahl fast verdoppelte. Diese für den äußeren Entwicklungsraum untypische Entwicklung verdankt das Amt vor allem der Stadt, an deren südliche Siedlungsgebiete sich die neuen Baugebiete der einzugliedernden Gemeinden direkt anschließen.
Die Ver- und Entsorgung, der öffentliche Personennahverkehr, die gesamte Erschließung in den Gemeinden ist mit der Stadt Cottbus verbunden. Erhebliche Pendlerströme - Arbeitnehmer wie auch Schüler - sind ein deutliches Zeichen der Vernetzung dieser Gemeinden mit der Stadt Cottbus. Die gesamte, auch die wirtschaftliche Entwicklung der drei Gemeinden ist eng mit der Kreisstadt Cottbus verzahnt.
In der Vergangenheit hat das Auseinanderfallen von Wirkungsund Entscheidungsraum wiederholt zu Spannungen und Problemen zwischen Cottbus und dem Umland geführt. Die Landesregierung sieht in der maßvollen Eingliederung von drei Gemeinden mit insgesamt 5 000 Einwohnern den geeigneten Weg, die Stadt-Umland-Probleme zumindest zu mildern. - Danke sehr.
Ich danke Herrn Minister Schönbohm. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Sarrach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne die grundsätzlichen Ausführungen der vorangegangenen Debatte wiederholen zu müssen, möchte ich folgende Feststellungen ergänzen:
Mit den vorgelegten Gesetzentwürfen wurde in die Begründung erstmals neben der allgemeinen Gesetzesbegründung auch ein Leitbild des Reformgesetzgebers aufgenommen. Damit ist die Landesregierung der von der PDS bereits vor zwei Jahren erhobenen Forderung nachgekommen, dass Leitbild und Leitlinien der landesweiten Reform durch den Gesetzgeber, sei es auch nur in Form der Gesetzesbegründung, zu bestimmen und auszufüllen sind, weil Leitbild und Leitlinien die Gründe des öffentlichen Votums für gesetzliche Neugliederungen von Gemeinden konkretisieren.