Wenn wir die wenigen städtischen Zentren unseres Landes wie Cottbus, Brandenburg, Frankfurt, Eberswalde in dem ansonsten so dünn besiedelten und ländlich geprägten Land Brandenburg attraktiver gestalten wollen, dann dürfen wir die Möglichkeiten der Eingliederung nicht außer Acht lassen. Sie kann dafür sicherlich nicht das einzige, wohl aber ein durchaus anerkanntes Mittel sein, um die Funktion der Kernstädte im Interesse der
Gesamtregion zu sichern bzw. zu stärken. Im Falle der kreisfreien Städte kann das Gemeinwohlinteresse durchaus dazu führen, dass der grundsätzliche Bestand der Kreisgrenzen infrage gestellt wird.
Die Landesregierung hat unter dem Gesichtspunkt der StadtUmland-Problematik dafür durchaus nachvollziehbare Argumente ins Feld geführt, wenn diese auch nicht von jedem akzeptiert werden. Daher empfehlen wir auch hier die Überweisung an den Innenausschuss.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schippel, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Eingliederung der Gemeinden Golm und Fahrland in die Landeshauptstadt Potsdam. Ich möchte anhand von Beispielen die Thesen aus dem heutigen Redebeitrag meines Fraktionskollegen Michael Claus zu diesem Thema vertiefen.
Die Stichworte sind hier wie dort: Vorrang des Bürgerwillens, Verbesserung der Wirtschaftskraft und Zwangseingliederung als letztes Mittel. Ausgangspunkte müssen nach Überzeugung unserer DVU-Fraktion die Folgenden sein. Erstens: Die föderale Demokratie unseres Landes baut sich von unten nach oben auf. Das entspricht der historischen Entwicklung unseres Nationalstaates, ausgehend von den nationalen Bewegungen des vorletzten Jahrhunderts. Außerdem wird nur das den tatsächlichen Bedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger in der Gegenwart gerecht. Die Widerstände gegen Ihre Reformvorhaben vor Ort, meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank, zeigen dies. Gerade den Gemeinden kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Deren kommunale Selbstverwaltung wird durch Artikel 28 Abs. 2 unseres Grundgesetzes besonders geschützt.
Beides, das tatsächliche Bürgerbedürfnis und der grundsätzliche Schutz, lässt sich nicht, auch nicht von Ihnen, Herr Minister Schönbohm, sozusagen auf dem Wege des obrigkeitsstaatlichen Federstriches oder, konkret gesagt, durch Leitlinien beseitigen.
Unsere DVU-Fraktion stellt diesen Leitlinien der Landesregierung bewusst ein anderes Leitbild gegenüber, nämlich das Leitbild des mündigen, sich einbringenden Bürgers vor Ort. Alles andere verstärkt meines Erachtens Politikverdrossenheit und Abkehr vom Gemeinwesen. Das sollte auch die Landesregierung wirklich ernst nehmen.
Zweitens: Allerdings kann, will und wird sich meine Fraktion nicht jeglichen Reformideen verschließen; denn mit dem soeben dargelegten Leitbild muss Folgendes korrespondieren: Die mündigen, sich einbringenden Bürger vor Ort in ihrer Gesamtheit, also die Gemeinden, müssen dazu in der Lage sein, die Aufgaben der Daseinsvorsorge zu erfüllen. Nur dort, wo das nicht der Fall ist oder wo das gefährdet ist, kann sich aus unserer Sicht die Frage von Zwangszusammenschlüssen als letztes Mittel stellen.
Das entspricht der jüngsten Kernaussage unseres Landesverfassungsgerichts, welche ich Ihnen jetzt noch einmal ins Gedächtnis rufe:
„Die kommunale Selbstverwaltung soll nicht nur die Daseinsvorsorge der Bürger sichern, sie dient auch dazu, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken.“
Aus der Sicht der DVU-Fraktion kurz gefasst: Vorrang hat das Leitbild des mündigen, sich einbringenden Bürgers vor Ort. Wer davon abweichen will, muss erstens einen wichtigen Grund haben und zweitens unter Begründungszwang stehen. Also: Wilhelminisches Kasernenhofdenken anstelle des nationalen Freiheitsideals des Föderalismus ist hier völlig verfehlt.
Auf dieser Grundlage nun zum Fall Golm, ein gutes Beispiel, genauer: ein gutes schlechtes Beispiel - aber auch ein gutes schlechtes Beispiel ist immer ein gutes Beispiel -, hier also ein gutes Beispiel dafür, was der Landesgesetzgeber tunlichst nicht machen sollte.
Kurz zum Sachverhalt: Die Bürgerinnen und Bürger von Golm haben im Februar 2001 per Bürgerentscheid zu 81,3 % für eine Eingliederung nach Werder gestimmt. Jedoch die Landesregierung beabsichtigt die Eingliederung Golms nach Potsdam. Ein sachlicher Grund hierfür? - Fehlanzeige! Meines Erachtens wird bei einer Eingliederung nach Werder die dauerhafte Leistungsfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt. Deswegen muss der Bürgerwille der Golmer Vorrang haben. Die DVU-Fraktion lehnt eine Eingliederung Golms nach Potsdam ab.
Etwas anders gestaltet sich der Fall Fahrland. Diese Gemeinde ist mit ca. 30 Millionen Euro hoch verschuldet.
Herr Abgeordneter, ich denke, den Fall Fahrland können Sie nicht mehr erläutern. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Einen Satz bitte noch, Herr Präsident. - Hier sehen wir nicht, wie die Gemeinde diese Situation aus eigener Kraft bewältigen wird.
Kurz und gut, meine Damen und Herren: Wir werden diesen Antrag selbstverständlich auch ablehnen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, an den Abgeordneten Petke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht ohne Diskussion im Landtag und natürlich im Innenausschuss über die Bühne gehen wird, ist jedem klar, der die Entwicklung in Golm und Potsdam in den letzten zwei Jahren verfolgt hat. Ich denke, er ist auch Anlass dafür,
einmal darüber zu diskutieren, wie man miteinander umgeht, wie die Verantwortlichen sowohl in der Landeshauptstadt Potsdam als auch in Werder bzw. in Golm miteinander umgegangen sind. Ich glaube, hier muss man die Verantwortung des Größeren ansprechen. Potsdam hat immerhin 130 000 Einwohner.
Wir müssen auch darauf hinweisen, dass mit den Gesetzen zwar die Grundlage für den Zusammenschluss gelegt wird, dass für das Gelingen des Zusammenwachsens aber die Gesetze allein nicht ausreichen werden. Das braucht Zeit, das braucht auch Entgegenkommen und es braucht vor allen Dingen das Vertrauen, dass der Größere, insbesondere der Größere, seine Zusagen einhält.
Ich freue mich, dass der Bürgermeister von Golm, Herr Krause, heute hierher gekommen ist. Das zeigt auch, dass die Golmer weiterhin ein großes Interesse an der gegenwärtigen Diskussion im Landtag haben. Wir werden uns im Innenausschuss gerade mit diesem Fall, der in der Vergangenheit ein großes öffentliches Interesse auf sich gezogen hat und dies auch in Zukunft tun wird, natürlich mit aller Sorgfalt beschäftigen. - Danke schön.
Ich danke dem Abgeordneten Petke. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Präsidiums, den Gesetzentwurf in der Drucksache 3/4882 an den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich beschlossen.
1. Lesung des Vierten Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Havelland, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming (4. GemGebRefGBbg)
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der Landesregierung das Wort. Herr Innenminister, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Entwurf zum Vierten Gesetz zur Gemeindegebietsreform werden die gesetzlichen Neugliederungen in den Landkreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming geregelt. In all diesen Gemeinden wurden seit Mai dieses Jahres umfassende Anhörungen zu Neugliederungsvorschlägen des Innenministeriums durchgeführt, wobei in einigen Gesetzentwürfen abermals Neugliederungsvarianten, zum Beispiel Zuordnungen zu einem Nachbaramt oder Eingliederungen in den Zentralort, dargestellt
und dann mit den Gemeinden Entscheidungsoptionen eröffnet wurden. Die Ergebnisse der Anhörungen wurden umfassend ausgewertet und abgewogen.
Zusätzlich wurden die Hinweise des Landesverfassungsgerichts unter anderem aus einem Grundsatzurteil vom 29. August 2002 bei den Abwägungsentscheidungen berücksichtigt. Das Gericht hatte unter anderem die 500-Einwohner-Grenze als ein Kriterium neben anderen für Neugliederungen anerkannt und zugleich deutlich gemacht, dass ein Leitbild in Gesetzesform als Reformgrundlage nicht erforderlich sei. Das Verfassungsgericht hat damit also unsere Rechtsauffassung bestätigt. Das will ich nur noch einmal in Erinnerung bringen. In einer früheren Entscheidung hat es zudem bestätigt, dass der Gesetzgeber eine spezifische Amtsform - es ging hier um das Amt des Modells II zugunsten anderer Organisationsstrukturen aufgeben kann.
Auch bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfs werden Sie auf die Stellungnahmen und die Anhörungen zurückgreifen können. Das gilt auch für die Stellungnahmen aus den Gemeinden, die erst weit nach der gesetzten Frist und nach Zuleitung der Gesetzentwürfe an das Kabinett bzw. an den Landtag eingegangen sind. Beispielhaft sei hier die Stellungnahme des Amtes NauenLand genannt.
Während die in den Anhörungen vorgetragenen Argumente in den Fällen der kreisfreien Städte letztlich nicht zu anderen Neugliederungsvorschlägen führten, kam es in den Landkreisen Havelland und Potsdam-Mittelmark teilweise zu Änderungen der Entwürfe. So wurde beispielsweise für das Amt Ziesar von der im Anhörungsentwurf noch vorgesehenen Eingliederung der Gemeinde Gräben in die Gemeinde Wollin abgesehen. Ebenfalls verzichtet wurde auf die beabsichtigte Zuordnung der Gemeinde Retzow des Amtes Nauen-Land zum Amt Nennhausen zugunsten der Zuordnung zum Amt Friesack. Auch für die Gemeinde Selbelang des Amtes Nauen-Land wird nun eine Zuordnung zum Amt Friesack unter Eingliederung der Gemeinde Paulinenaue vorgeschlagen.
Für die Gemeinde Trechwitz des Amtes Emster-Havel führten die in der Anhörung vorgetragenen Argumente und der deutlich erklärte Wille einer Vielzahl von Einwohnern ebenfalls zu einer Änderung. Anstelle der Beteiligung an der Bildung der Gemeinde Groß Kreutz/Emster erfolgte die im Anhörungsentwurf bereits als Möglichkeit genannte Eingliederung in die Gemeinde Kloster Lehnin.
Diese Beispiele, meine Damen und Herren, darum habe ich sie so einzeln aufgezogen, zeigen die Bedeutung der Anhörung und sie zeigen, dass tragende Argumente und das Beibringen neuer Fakten letztlich zu sachgerechten Lösungen führen können und natürlich auch zur Änderung der Vorschläge, bevor sie in den Landtag eingebracht werden.
Dann will ich auch sagen: Es geht nicht darum, etwas durchzusetzen, weil wir meinen, so soll es sein, sondern wir wollen das durchsetzen, wovon wir nach den Anhörungen gemeinsam zu der Überzeugung gekommen sind, dass es dem Gemeinwohl entspricht. Dass dies nicht immer in Übereinstimmung geschieht, das ist richtig. Aber dass es nach sorgfältiger Abwägung geschieht, das nehmen Sie uns bitte ab!
- Natürlich werden die Gesetzentwürfe nicht allen Wünschen gerecht und widersprechen vielfach den Bestrebungen vor Ort. Das ist richtig, Herr Hackel. Das ist bei einer das ganze Land erfassenden Reform auch nicht zu vermeiden. Aber ich möchte noch einmal feststellen: Es geht nicht um die Abschaffung von Gemeinden, es geht um starke, zukunftsfähige Gemeinden und Städte in Brandenburg. Wir wollen, dass unsere Städte und Gemeinden die Aufgabe der Gegenwart erfüllen können, und wir wollen, dass sie dies auch mit ihren engagierten Bürgern tun können.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir in den nächsten Wochen bei aller verständlichen Emotionalität eine sachliche und zielgerichtete Diskussion der Gesetzentwürfe zur Gemeindegebietsreform. Bringen wir dieses wichtige Reformvorhaben doch gemeinsam zum Abschluss! Wir müssen die Sachverhalte erörtern, auch dann, wenn wir unterschiedlicher Auffassung sind. Wir sollten versuchen, diese Erörterung von persönlichen Vorwürfen freizuhalten, wie sie manchmal schon anklingen.
Es ist jetzt lange genug erörtert worden. Wir müssen zu Entscheidungen kommen. Die Bürger wollen Klarheit haben. Wir müssen Entscheidungen treffen, die in die Zukunft gerichtet sind und die auch vor dem Verfassungsgericht Bestand haben. Bisher sind wir vor dem Verfassungsgericht nicht unterlegen. Ich denke, wir haben in der Diskussion notwendigerweise die Aufgabe, gemeinsam zu überlegen, wie wir ein Gesetz verabschieden, das den Bürgern dient und das auf Dauer angelegt ist.
Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Das Wort geht an die Fraktion der PDS, an den Abgeordneten Sarrach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Entwurf des Vierten Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform zeigt sich in besonderem Maße, dass im Rahmen dieser kurzen Redezeit natürlich nicht zu allen wichtigen Aspekten der mit diesem Gesetz vorliegenden 20 Einzelregelungen in den Landkreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark und TeltowFläming Stellung genommen werden kann. Umso wichtiger ist es - wir haben dies nun auch von anderen Fraktionen bestätigt bekommen -, dass Defizite der Behandlung im Landtagsplenum durch eine intensive Beratung im Fachausschuss ausgeglichen werden. Dort müssen alle Einzelaspekte umfassend erörtert werden. Ich greife hierfür beispielhaft die Verwaltungseinheiten Amt Ketzin, Amt Michendorf, Amt Blankenfelde-Mahlow und Amt Niederer Fläming heraus.
Das Amt Ketzin mit 6 400 Einwohnern liegt im engeren Verflechtungsraum von Berlin. Es besteht aus vier Gemeinden mit jeweils mehr als 500 Einwohnern und könnte leitliniengerecht, insbesondere auch ohne Widerspruch zu den Sollvorschriften des § 3 Abs. 1 Amtsordnung, als Amt bestehen bleiben, wenn nicht das Kriterium der Berlinnähe wäre.
Der Raum Ketzin ist durch seine ländliche Struktur geprägt. Bauliche und infrastrukturelle Verflechtungen der Ortslagen, wie sie im engeren Verflechtungsraum typisch sind, bestehen im Amt Ketzin nicht. Gleichzeitig ist die Finanz- und Verwaltungskraft aller amtsangehörigen Gemeinden ausreichend und gesichert. Ein Abweichen vom Leitbild scheint schon deswegen angezeigt und möglich. Dass jedoch in die Abwägung nicht alle Alternativen, zum Beispiel der Amtserhalt, einbezogen wurden, legt nahe, dass das Abwägungsergebnis bezüglich Ketzin so noch nicht vom Gesetzgeber übernommen werden kann.