Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Der Raum Ketzin ist durch seine ländliche Struktur geprägt. Bauliche und infrastrukturelle Verflechtungen der Ortslagen, wie sie im engeren Verflechtungsraum typisch sind, bestehen im Amt Ketzin nicht. Gleichzeitig ist die Finanz- und Verwaltungskraft aller amtsangehörigen Gemeinden ausreichend und gesichert. Ein Abweichen vom Leitbild scheint schon deswegen angezeigt und möglich. Dass jedoch in die Abwägung nicht alle Alternativen, zum Beispiel der Amtserhalt, einbezogen wurden, legt nahe, dass das Abwägungsergebnis bezüglich Ketzin so noch nicht vom Gesetzgeber übernommen werden kann.

Das Amt Michendorf ist ein weiterer problematischer Einzelfall zur Regelung berlinnaher Ämter. Im Gegensatz zum Amt Ketzin war das Amt Michendorf wegen eines erheblichen Bevölkerungsanstiegs einem entsprechenden Siedlungsdruck ausgesetzt. Gleichwohl gilt, wenn die Maßgabe des Landesverfassungsgerichtes zu Kreuzbruch und Quappendorf konsequent fortgedacht wird, dass ein Gesichtspunkt allein den Zusammenschluss von selbstständigen Gemeinden nicht zu begründen vermag, wenn weitere örtliche Besonderheiten zu beachten sind.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Sarrach?

Ja, bitte.

Bitte schön, Herr Müller.

Sie haben die Gemeinde Ketzin und die Struktur dieses Amtes angeführt. Meine Frage an Sie: Worin unterscheidet sich die Struktur dieses Amtes von der eines anderen Amtes zum Beispiel in diesem Bereich, nämlich von Schönwalde? Gibt es da eklatante Unterschiede oder ist es nicht eher so, dass beide Ämter sehr ähnlich strukturiert sind?

Es mag sein, dass beide Ämter ähnlich strukturiert sind. Es geht aber nicht allein um die räumliche Lage und die konkrete Siedlungsstruktur, wenn der Siedlungsdruck, der Bevölkerungszuwachs, wie er typischerweise im engeren Verflechtungsraum zur Kenntnis zu nehmen ist, hier nicht gegeben sind, wenn Ortslagen nicht ineinander greifen. Ich bin dieser Auffassung. Wir werden es ja diskutieren können und müssen.

Wenn mehrere Neugliederungsalternativen vorhanden sind, dann genießt sowieso jene den Vorrang, die weniger stark in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht eingreift. Es gibt somit im Verhältnis zum Amtsmodell keinen Vorrang der Einheitsgemeinde. Wenn daher allein die Berlinnähe als Argument verwendet wird, obwohl der begehrte Zusammenschluss von Freesdorf, Wildenbruch und Stücken bei Erhalt des Amtes Michendorf im Übrigen als Alternative in Betracht kommt, erklärt sich auch, weshalb im Gesetzentwurf erst gar keine Abwägung zu finden ist. Die Passagen, die unter der Überschrift „Abwägung“ enthalten sind, verdienen diese Bezeichnung nicht. Hätte eine

Abwägung stattgefunden, läge ein anderer Neugliederungsvorschlag für das Amt Michendorf vor.

(Dr. Hackel [CDU]: Sehr richtig!)

Abschließend möchte ich auf die Ämter Blankenfelde-Mahlow und Niederer Fläming eingehen. In drei Fällen begehren Ämter, nämlich Dahlwitz-Hoppegarten, Rüdersdorf und BlankenfeldeMahlow, dass aus ihren Ämtern zwei selbstständige amtsfreie Gemeinden entstehen können.

Schon die Regierungsleitlinien formulierten, dass die Schaffung zusätzlicher Verwaltungseinheiten grundsätzlich zu vermeiden ist. „Grundsätzlich“ schließt im juristischen Sinn immer mögliche Ausnahmen ein. Deshalb wohl kann man jetzt im Leitbild des Gesetzentwurfs lesen, dass die Schaffung zusätzlicher Verwaltungseinheiten zu vermeiden ist. Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf Blankenfelde-Mahlow nicht sachgerecht. Über die Öffnung dieses Leitbilderfordernisses ist dringend nachzudenken.

Schließlich weist das Amt Niederer Fläming eine Besonderheit auf, die mit der Bevölkerungsdichte und der Siedlungsstruktur im Land Brandenburg zusammenhängt. Aus dem Amt Niederer Fläming soll nach dem Willen vor Ort eine einwohnerschwache, aber eigenständige amtsfreie Gemeinde entstehen. Der Gesetzentwurf geht dagegen davon aus, dass die entstehende Gemeinde Niederer Fläming dem Amt Dahme (Mark) zugeordnet werden soll. Unter Berufung auf den vergleichbaren Fall der Umwandlung des einwohnerschwachen Amtes Friedland/Niederlausitz sollte hier tatsächlich im Rahmen der Abwägung geprüft werden, welche anderen Neugliederungsalternativen in Betracht kommen.

Ich kann nur wiederholen: Es kommt also sehr viel Arbeit auf die Mitglieder im Innenausschuss zu. - Ich danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Sarrach, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an den Abgeordneten Schippel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Behandlung der ersten drei Gesetzentwürfe kommen wir nun zu den Landkreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming. Hier gibt es - wie bereits angesprochen - die StadtUmland-Problematik nicht nur bei den kreisfreien Städten - zum Beispiel bei Nauen und Nauen-Land -, sondern auch die Problematik des engeren bzw. äußeren Entwicklungsraumes.

Wir haben mit der Bestätigung der Leitlinien durch den Landtag diese unterschiedliche Ausgangssituation nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern haben die Landesregierung auch aufgefordert, diese im Rahmen der Gesetzentwürfe zu berücksichtigen. Dabei stoßen wir auf eine Vielzahl unterschiedlicher Wünsche, was den Zusammenschluss einzelner Gemeinden betrifft. Wir stoßen auf völlig ablehnende Stellungnahmen bzw. auch auf keinerlei Meinungsäußerung einzelner Gemeinden, aber auch auf zustimmende Stellungnahmen und Äußerungen.

Auch das Ergebnis von Bürgerentscheiden ist höchst unterschiedlich bis völlig gegensätzlich. Wir registrieren eine Vielzahl freiwilliger Zusammenschlüsse, stoßen aber auch auf die Verweigerung einzelner Gemeinden, die durch ihr ablehnendes Verhalten den Zusammenschluss anderer Gemeinden blockieren.

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Leitlinien hat die Landesregierung Entwürfe von Gesetzesbefehlen für jene Verwaltungseinheiten erarbeitet, in denen leitliniengerechte Lösungen bis dato nicht zustande gekommen sind. Während der heutigen 1. Lesung ist weder Gelegenheit noch hinreichend Zeit, auf Einzelheiten einzugehen. Das gilt auch für die beiden noch ausstehenden Gesetzentwürfe. Auf der Grundlage der Anhörung des Innenministeriums und der Anhörung, die wir im Innenausschuss durchführen werden, werden wir uns unser Urteil bilden. Die Landesregierung hat unter Federführung des Innenministeriums ein im Vergleich mit anderen Bundesländern überaus umfangreiches Verfahren durchgeführt. Der Innenausschuss bereitet bereits eine sehr umfangreiche Anhörung vor. Diese Planung und Vorbereitung entspricht dem, was wir als sozialdemokratische Fraktion von Anfang an gefordert haben, nämlich eine Reform durchzuführen, die auf einer großen und umfangreichen Diskussion unter Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger beruht, eine Reform, die eine demokratische Beteiligung garantiert. Was niemand, was auch wir als SPD-Fraktion nicht garantieren können, ist, dass das Ergebnis jedem gefällt und wir es jedem recht machen. Aber das soll und kann nicht unser einziger Anspruch sein. Insofern empfehle ich auch hier die Überweisung an den Innenausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Schippel und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Meinen letzten Beitrag in der heutigen Plenarsitzung zur Gemeindegebietsreform möchte ich dazu nutzen, Folgendes noch einmal für alle Gesetzentwürfe der Landesregierung herauszustreichen:

Ein detailliertes Eingehen auf die mit diesem umfassenden vierten Gesetzentwurf der Landesregierung angestrebten Zwangszusammenschlüsse verbietet sich schon aus Zeitgründen.

Ich möchte an dieser Stelle zunächst folgende in den Stellungnahmen der Gemeinden mehrmals wiederkehrende Bedenken herausstellen:

Erstens: Es finden sich immer wieder Hinweise wie, bei einer Eingemeindung würde im Ort nichts mehr passieren oder es sei dann eine Entwicklung zulasten des Ortes zu befürchten - so etwa bei den Gemeinden Gallinchen, Groß Gaglow und Kiekebusch, im „Fall Cottbus“ und im Bereich Emster-Havel/Groß Kreutz.

Zweitens: Zudem werden mehrfach die historisch gewachsenen Verbindungen zu anderen Gemeinden, die Identifikation der

Bürgerinnen und Bürger mit den Gemeinden, die fragliche Integration gegen den erklärten Bürgerwillen und die Gefahr eines Verlustes von Bürgernähe betont, etwa im Bereich Michendorf, abermals im Emster-Havel-Bereich sowie im „Fall Cottbus“.

Drittens: Schließlich finden wir in den Unterlagen der Landesregierung wiederholt Hinweise von Gemeinden auf eine funktionierende Infrastruktur, Schuldenfreiheit, Erfüllung der Aufgaben oder dergleichen. Das ist sowohl im „Fall Cottbus“, aber auch im Bereich Groß Kreutz geschehen.

Unsere DVU-Fraktion sieht sich auch hierdurch in ihren Einschätzungen bestärkt. Der Landesregierung sollte dies ebenfalls zu denken geben. Aus Sicht meiner Fraktion stellt sich angesichts dieser wiederkehrenden Einwendungen in der Tat die Frage, ob an den Grundlagen der Gemeindegebietsreform Änderungen vorzunehmen sind. Darüber wird die in Kürze stattfindende Expertenanhörung Aufschluss geben, meine Damen und Herren. Wir werden die dortigen Ergebnisse und Vorschläge in unserem Bereich abgleichen. Die Landesregierung sollte ihr Reformwerk ebenfalls noch einmal in entsprechender Weise auf den Prüfstand stellen.

Herr Minister Schönbohm, Sie schreiben in der Begründung Ihrer Gesetzentwürfe, Sie wollten im engeren Verflechtungsraum zu Berlin besonders wehrfähige Gemeinden. Wir meinen: Wehrfähige Gemeinden - für mehr Eigenständigkeit und gegen Gleichmacherei - gibt es bereits im gesamten Land Brandenburg. Das zeigen die vielfachen Stellungnahmen aus allen Landesteilen und nicht zuletzt mehrere Verfassungsbeschwerden.

Die Bürgerinnen und Bürger wollen die föderalen Strukturen möglichst erhalten wissen. Mit diesem Ziel identifiziert sich auch die DVU-Fraktion.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, ich meine, Sie sollten über Folgendes nachdenken: Ist die „Wurst“, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern mit Ihrem Reformkonzept anbieten, vielleicht zu klein oder zu fade? Oder, anders ausgedrückt, bieten Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Gegenzug zu den beabsichtigten Strukturvereinfachungen zu wenig an? Müssen Struktur- und Verwaltungsvereinfachungen mit einem Abbau örtlicher Mitwirkungsmöglichkeiten und -rechte einhergehen? Müssen die Vorstellungen der Landesregierung als Dogma zur Anwendung kommen? Ist das Prinzip „Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ anstelle von Flexibilität richtig?

In der Tendenz gehen die Ansichten unserer demokratisch und föderal ausgerichteten DVU-Fraktion zumindest in folgende Richtungen:

Erstens: Wer vom Prinzip der Freiwilligkeit und vom erklärten Bürgerwillen abweichen will, bedarf eines zwingenden Grundes und steht unter Begründungszwang.

Zweitens: Gesunde Gemeinden, die ihre Aufgaben erfüllen, dürfen nicht zerschlagen werden.

Drittens: Die Ortsteilrechte eingegliederter oder zusammengeschlossener Gemeinden sind nachhaltig zu stärken, damit die Ortseigenheiten erhalten bleiben, die Bürgeridentifikation mit den ehemaligen Gemeinden gewahrt und eine größere Reformakzeptanz erreicht wird.

Näheres hierzu mag die Anhörung der Experten am 23. und 24. Oktober ergeben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den vorliegenden Gesetzentwurf mit 20 Paragraphen zur Änderung der Gemeindestruktur in den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Havelland ablehnt, erzeugt ein völliges Durcheinander auf der Kommunalebene und enttäuscht all diejenigen, die auf unser Wort vertraut und freiwillige Zusammenschlüsse vor Ort initiiert haben. Er hinterlässt eine Struktur, die völlig unübersichtlich und in dieser Form nicht lebensfähig ist.

Wir gleichen mit diesem Gesetzentwurf Entwicklungen aus, die von Totalverweigerung wie in Michendorf - das ist richtig - bis hin zur Eingliederung einzelner Gemeinden reichen. Wir schließen somit im Landtag mehrheitlich einen Reformprozess auf der Grundlage der Freiwilligkeit ab. Aus diesem Grunde stimmt die CDU-Fraktion der Überweisung dieses Gesetzentwurfs zu. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Da wir am Ende der Rednerliste angelangt sind, schließe ich die Aussprache.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes in der Drucksache 3/4883 an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsvorschlag folgt, der möge die Hand aufheben. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das mehrheitlich beschlossen. Ich schließe damit Punkt 10 unserer Tagesordnung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zur Situation naturkundlicher Museen im Land Brandenburg

Große Anfrage 47 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4517

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/4886