Protokoll der Sitzung vom 13.11.2002

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich mich mit dem Bericht befasst habe, ist mir aufgefallen - das war während des Besuches der Bremer Parlamentarier -, dass noch etwas offen ist. Es gibt einen Landtagsbeschluss, der die Landesregierung auffordert, Änderungen betreffs des Informationszugangsgesetzes zu erarbeiten. Termin war der 31. August. Ich möchte an dieser Stelle die Erfüllung dieses Landtagsauftrages anmahnen.

Diese Dinge resultieren natürlich aus solchen Berichten. Die Berichte befassen sich auch mit anderen Rechtsgebieten, zum Beispiel mit einer Tonbandaufzeichnung innerhalb der Gemeindeordnung oder mit dem Brandenburgischen Bestattungsgesetz, wobei es weitgehende Übereinstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten gab. Das wurde dann auch so novelliert.

In den Berichten spielt logischerweise die Videoüberwachung immer wieder eine Rolle. Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich denke, das wird auch so bleiben.

Wir haben festgestellt, dass das Recht auf Akteneinsicht und die Dienste des Datenschutzbeauftragten vermehrt in Anspruch genommen wurden, ohne allerdings den Punkt zu erreichen, an dem die Kommunen - das war beim Informationszugangsgesetz meine Befürchtung - durch Anfragen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gedrängt wurden. Einen Teil der Fragen, die allerdings offen blieben, hat die Kollegin Kaiser-Nicht angesprochen. Ich betone es besonders, weil es keine offene Diskussion ist.

Es blieben auch Fragen offen. Aus diesem Grund, Herr Präsident, bitte ich Sie, gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtages dem Datenschutzbeauftragten des Landes Brandenburg das Wort zu erteilen, um diese Fragen erläutert zu bekommen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schippel, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Akteneinsichtsund Informationszugangsgesetz ist ein wichtiger Baustein für die demokratische Informationsgesellschaft, sagte der Landesbeauf

tragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht. Damit hat Herr Dr. Dix natürlich Recht.

Das Gesetz ging im Jahre 1998 aber noch von anderen Voraussetzungen aus. Mittlerweile hatten wir den 11. September 2001. Was damals passierte, wissen wir alle. Dies hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, im Eiltempo ein Bündel von Gesetzesverschärfungen zu verabschieden. Zu nennen ist hier zunächst das Terrorismusbekämpfungsgesetz, das am 1. Januar 2002 in Kraft trat.

Der Datenschutzbeauftragte führte hierzu richtig aus, dass die in Sicherheitsgesetzen vorgesehenen Befugniserweiterungen für die Behörden gar nicht der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienen. Sie beruhen nicht auf einer sorgfältigen Analyse möglicher, bei den Sicherheitsbehörden bisher bestehender Befugnislücken, obwohl dies gerade zum Schutz der Bevölkerung notwendig gewesen wäre.

Die Geheimdienste erhalten weitreichende neue Befugnisse, um von Kreditinstituten, Finanzdienstleistern und Luftfahrtunternehmen Auskünfte über deren Kunden verlangen zu können.

Ich will das Informationszugangsgesetz keinesfalls schlechtreden, meine Damen und Herren. Ja, es ist eine positive Rechtsentwicklung; so kann man es sagen. Wenn aber den Bürgerinnen und Bürgern neue, die Freiheit einschränkende Gesetze übergestülpt werden, dann kann von Transparenz seitens der Verwaltung nicht mehr die Rede sein. Dabei haben gerade auch das Europäische Parlament und der Rat in einer Verordnung vom 3. Dezember 2001 den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission ermöglicht.

Während Europa nach dem 11. September 2001 eine Transparenzverordnung erließ, haben die Bundesregierung und mehrere Bundesländer, darunter Brandenburg, die Freiheits- und Informationsrechte der Bürger eingeschränkt.

Der Datenschutzbeauftragte stellt hierzu kritisch fest:

„Indem die Sicherheitsbehörden immer weitreichendere Befugnisse zu Datenerhebung und -beobachtung bereits im Vorfeld eines konkreten Verdachtes erhalten, steigt die Tendenz, ganzen Bevölkerungsgruppen oder der Bevölkerung insgesamt zu misstrauen. Dies löst auf der anderen Seite in der Bevölkerung Misstrauen gegenüber dem staatlichen Handeln aus.”

Dies wird besonders bei der Rasterfahndung deutlich. Die neuen Sicherheitsgesetze, die den Datenschutz einschränken, lösen eine Spirale gegenseitigen Misstrauens zwischen Bürger und Staat aus. Der Gesetzgeber darf nicht die Grundrechte zu seiner Verfügungsmasse machen.

Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes darf der Kampf gegen Spionage und Terrorismus nicht dazu führen, dass der Staat alle Maßnahmen ergreift, die er für angemessen hält. Wenn der Staat immer mehr Freiheitsrechte einschränkt, meine Damen und Herren, macht er sich zum Handlanger der Terroristen. Denn es ist gerade deren Bestreben, die Grundrechte abzuschaffen. Das wissen wir alle. Bei diesen mahnenden Worten an die Gesetzgebungsorgane möchte ich es bewenden lassen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für Sie spricht der Abgeordnete Werner. Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie in jedem Jahr liegt ein sehr umfangreicher und detaillierter Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht vor. Ich möchte an dieser Stelle dem Landesbeauftragten und natürlich auch seinem Personal den Dank meiner Fraktion für diesen uns vorgelegten umfangreichen Bericht aussprechen.

(Beifall bei CDU und SPD)

In dem Bericht wird sich wie immer in allen öffentlichen Bereichen mit Problemfällen und Schwierigkeiten beschäftigt, die es im Bereich des Datenschutzes und des Rechtes auf Akteneinsicht gibt.

Nun kann man ja, sehr verehrte Kollegin Kaiser-Nicht, über die Stellungnahme der Landesregierung durchaus geteilter Meinung sein. Es wird nicht in allen Punkten Übereinstimmung erzielt. Das liegt in der Natur der Sache. In manchen Punkten kann man durchaus der Auffassung des Landesbeauftragten folgen, in anderen Punkten eher der der Landesregierung. Hier und da liegt die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte.

Im Übrigen darf ich auch darauf verweisen, dass sich einige Probleme schon gelöst haben, bevor wir den Bericht erörtern konnten.

Hier ist sicherlich nicht die Zeit und Gelegenheit, auf Einzelheiten des Berichtes einzugehen. Ich möchte nur noch ein Wort zu dem, was Frau Kollegin Kaiser-Nicht dargestellt hat, sagen. Irgendwie widersprechen Sie sich. Als wir hier den vorhergehenden Bericht behandelten, haben Sie eine zügigere Bearbeitung angemahnt. Das haben wir umgesetzt. Nun gefällt Ihnen das wieder nicht. Das Thema stand auf der Tagesordnung des Innenausschusses. Sie hätten gern einen Vorschlag unterbreiten können. Auch das haben Sie nicht getan.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

- Nein, so einfach machen wir es uns ja auch nicht. Wir schauen natürlich schon, welche Intention Sie dabei verfolgen. Manchmal kann ja auch von Ihnen ein vernünftiger Vorschlag kommen; das ist ja durchaus möglich.

Wir haben in aller Regel die Stellungnahmen, die wir als Drucksache eingebracht haben, mit einer Bitte bzw. Forderung verbunden, entweder an die Landesregierung oder an den Landesbeauftragten bzw. an beide. Wir haben dieses Mal keinen Grund dafür gesehen, selbiges zu tun. Insofern haben wir darauf verzichtet.

Im Übrigen, Frau Kollegin Kaiser-Nicht: Selbst wenn Sie hier die Behauptung aufstellen, dass es schon vor dem 11. September derartige Bestrebungen zur Gesetzgebung gegeben haben sollte, beweisen ja gerade der 11. September und auch spätere Ereignisse, wie letztens die auf Bali, eindrücklich, dass wir genau diese Regelungen brauchen, die Sie hier schlechtreden wollen. Aber wir lassen uns diese Regelung von Ihnen bestimmt nicht schlechtreden.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Bereich des Akteneinsichtsrechts. Dies ist verfassungsrechtlich normiert. Sicherlich kann man über die verfassungsrechtliche Normierung des Akteneinsichtsrechts geteilter Meinung sein. Immerhin hat die gesetzgeberische Ausgestaltung sechs Jahre gedauert. Das zeigt, welche Schwierigkeiten mit der Umsetzung einer solchen Norm verbun

den sind. Wir waren das erste Bundesland, das eine solche Regelung geschaffen hat. Wir konnten uns also nicht an einer entsprechenden vorhandenen Regelung orientieren. Auch international kann man Analogien nur schlecht ziehen, da in anderen Ländern insoweit eine andere Rechtskultur, eine andere politische Kultur gewachsen ist.

Der befürchtete Ansturm auf die Amtsstuben blieb Gott sei Dank aus. Dafür gibt es möglicherweise mehrere Gründe. Vielleicht sind die Bürger mit den Informationen, die sie sich aus den Medien, über Ratssitzungen, von ihrem Bürgermeister oder von anderen Bediensteten in der Verwaltung beschaffen können, zufrieden und fühlen sich dadurch umfänglich informiert. Sicherlich ist es auch so, dass nicht alle Bürger Lust haben, umfangreiche Akten zu wälzen. Vielleicht ist für den einen oder anderen auch die Hemmschwelle für den Zugang zur Verwaltung, zu Behörden etwas zu hoch.

Gleichwohl muss man sagen, dass die Erfahrungen der Behörden mit der Anwendung des Gesetzes nicht die besten sind. Das mag daran liegen, dass der Umgang mit dem Gesetz gewöhnungsbedürftig ist. Unsicherheiten bei Behörden beim Umgang mit dem Gesetz sollten also abgebaut werden. Es handelt sich um eine relativ neue Materie, an die sich die Bürger auch erst gewöhnen müssen. Deshalb müssen wir den Bürgern und den Behörden Ängste beim Umgang mit dem Gesetz nehmen.

Hier sind Veränderungen angemahnt worden. Auch haben wir dazu einen Beschluss gefasst. Meines Wissens ist die Landesregierung dem Beschluss des Landtags gefolgt und hat den Maßgaben entsprechend einen Gesetzentwurf erarbeitet.

Die kommunalen Spitzenverbände haben zu den vom Landtag geforderten Änderungen allerdings sehr nachdrücklich Stellung bezogen. Sie sehen keine Regelungsnotwendigkeit. Sie meinen, eine Änderung des Gesetzes würde dem Ziel des Abbaus von Normen und Standards zuwiderlaufen. Größere Bürgerfreundlichkeit und Kundenorientierung würden so nicht erreicht.

Diese Bedenken der Kommunen sollten wir sehr ernst nehmen und uns darauf konzentrieren, sowohl beim Akteneinsichtsgesetz als auch beim Landesdatenschutzgesetz Normen und Standards auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls abzuschaffen, statt neue zu schaffen. Das sollte die Intention der Gesetzgebung sein und ich möchte die Landesregierung bitten, uns einen in diesem Sinne formulierten Gesetzentwurf vorzulegen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind damit bei der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in diesem Jahr hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht - im weiteren Verlauf meiner Ausführungen werde ich seinen Titel mit „LDA” abkürzen - einen Bericht über seine Tätigkeit herausgegeben, über den heute abschließend beraten werden soll.

In seinem Bericht für das Jahr 2001 macht der LDA Ausführungen zur allgemeinen Entwicklung des Datenschutzes sowie zu datenschutzrechtlichen Einzelfällen in der Verwaltung des Landes. Außerdem legt er seine Erfahrungen mit dem Akteneinsichtsrecht dar.

Im vorliegenden Bericht greift der LDA unter anderem die tragischen Ereignisse vom 11. September 2001 auf, die neue Herausforderungen an die Verwaltung stellten. So wurde unter hohem Zeitdruck das Terrorismusbekämpfungsgesetz erarbeitet und zum 1. Januar 2002 in Kraft gesetzt. Der LDA äußert sich kritisch zu diesem Gesetz, führt aber auch positive Aspekte an.

Auch zu der Problematik der Rasterfahndung nimmt der LDA Stellung. Er führt aus, dass bis zum Redaktionsschluss des Berichts rund 19 000 Datensätze beim Landeskriminalamt gespeichert wurden.

Auch der Innenausschuss hat sich dieser Frage angenommen und ich kann Ihnen heute mitteilen, dass der Großteil der Datensätze in dieser Woche gelöscht wird, dass noch 334 Datensätze gespeichert bleiben, die mit den Daten im Bundeskriminalamt abzustimmen sind. Die rechtlichen Grundlagen für diese Maßnahmen sind gegeben.

Weitere Informationen zum Thema Rasterfahndung, vor allem zu den in ganz Deutschland anhängigen Gerichtsverfahren, habe ich gegenüber dem Vorsitzenden des Innenausschusses gegeben.

Des Weiteren äußerte der LDA in seinem Tätigkeitsbericht seine Enttäuschung über die Novellierung des Melderechtsrahmengesetzes. Dieses Gesetz trat am 3. April 2002 in Kraft und muss auf Landesebene nun entsprechend umgesetzt werden. Mit ersten Vorarbeiten für die erforderliche Novelle - das ist die Erfassung der Vorschriften im Detail und die Systematisierung - ist bereits begonnen worden. Für die angebotene Unterstützung dahin gehend, datenschutzrechtliche Verbesserungen in die Meldegesetznovelle einzubringen, möchte ich dem LDA an dieser Stelle ausdrücklich danken. Darauf wird mein Haus gern zurückkommen.

Lassen Sie mich im Allgemeinen feststellen, dass das Verständnis für die Belange des Datenschutzes bei den Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung auch in diesem Berichtszeitraum zugenommen hat. Der LDA konnte keine groben Verstöße gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts feststellen.

Zusammen mit der Stellungnahme hat das Ministerium des Innern als Aufsichtsbehörde nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes dem Landtag ebenfalls einen Tätigkeitsbericht vorzulegen. Dieser Bericht liegt Ihnen als Landtagsdrucksache 3/4612, Neudruck, vor.

Herr Schippel, der Kollege Werner hat bereits darauf hingewiesen, wie der Sachverhalt bezüglich des Gesetzentwurfs ist. Da Sie in dem Moment vielleicht abgelenkt waren, möchte ich kurz wiederholen: Wir haben das im GESI erörtert und festgestellt, dass es um das Thema des Abbaus von Normen und Standards geht. Ich werde dazu einen Bericht vorlegen. Die kommunalen Spitzenverbände haben dem, was wir vorhaben, nicht zugestimmt. Auch im Zusammenhang mit dem Thema der Konnexität, der Entlastung der Kommunen von Aufgaben werden wir in unserem Bericht darauf eingehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)